Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im Oktober

Monatsbericht für die Nursery-Gruppe

Der Monat Oktober 2008 wird der Menschheit wohl lange in Erinnerung bleiben – in unserem Fall nicht so sehr wegen der weltweiten Finanzkrise, sondern weil wir innerhalb nur eines Monats den Tod von 3 Elefantenbabies in der Nursery und 4 weiteren Waisen, die direkt nach Voi gebracht wurden, zu beklagen hatten. Nach dem Tod jedes einzelnen Elefanten haben wir lange gegrübelt, was möglicherweise doch noch getan hätte werden können um dieses eine Kälbchen retten zu können.

Am 13. Oktober, als wir gerade in Tsavo waren, starb der kleine Kungu an einer Magen-Darm-Infektion, die mit Ciprofloxacin [einem Breitbandantibiotikum] behandelt wurde. (Womöglich war noch er zu schwach für dieses Medikament.) Diesem Verlust folgte der Tod des winzigen Neuankömmlings „Wanjala“ (alias „Beetle“, zu deutsch Käfer, weil sie so winzig klein war). Sie kam am 14. Oktober bei uns an, nachdem sie sich in eine Mine an der Grenze des Tsavo-West Nationalparks verirrt hatte. Sie starb am 19. an der Folge von Blähungen, die durch die Fütterung mit Kuhmilch durch ihre Retter in der Mine verursacht wurden. Nur 2 Tage später, am 21. Oktober, verloren wir unseren kleinen Barseloi durch eine Lungenentzündung. Die Krankheit ist sehr gefürchtet bei kleinen Elefanten und kostete schon vielen unserer Wasseropfer das Leben, weil Elefanten naturgemäß nicht in der Lage sind zu husten und das eingeatmete Wasser mitsamt allen Keimen die Lunge somit nicht mehr verlassen kann. Wir mussten am eigenen Leibe erfahren, dass wir dagegen nicht viel tun können. Nicht einmal der Knoblauchextrakt (ein starkes natürliches Antibiotikum) konnte das Unglück abwenden. Es ist möglich, dass es für Klein „Beetle“ anders gekommen wäre, wenn sie eher kleinere, dafür aber häufigere Mahlzeiten bekommen hätte. Und vielleicht spielt es auch eine Rolle, dass die winzigen Nursery-Babies nicht genug Bewegung hatten um ihren Stoffwechsel ordentlich anzukurbeln. Man lernt niemals aus, nicht einmal mit Daphnes 50-jährigem Erfahrungsschatz.

So erschütterten uns diesen Monat die vielen Todesfälle, jeder dicht gefolgt vom nächsten. Weitere Elefantenwaisen starben in Voi, Kälbchen, die bereits 2 Jahre älter als unsere Babies und daher zu groß für den Transport auf dem Luftweg waren. Mehr darüber erfahren Sie in den News aus Voi.

Die gute Nachricht ist, dass es den anderen Nursery-Elefanten (13 an der Zahl) soweit gut geht, wobei man sich nie zu sicher sein darf, bis ein Elefant nicht seinen 3. Geburtstag erlebt hat! Wir hoffen, dass die Unglückskette jetzt ein Ende hat und wir in den nächsten Monaten keine Tränen mehr über den Verlust eines Elefantenbabys vergießen müssen.

Abgesehen von der kleinen Wanjala, wurde am 10. Oktober noch eine andere Elefantenwaise in die Nairoby-Nursery gebracht. Sie wurde aus einem Schacht der Mombasa-Pipeline in der Nähe der Gleisanlage von Ndii gerettet, was ihr den Name „Ndii“ einbrachte. Das Hieven aus dem Schacht erwies sich als große Tortur und fügte ihr viele Blutergüsse zu. Wir hatten daraufhin mit viel Gewebeverlust gerechnet. Allerdings macht sie einen sehr robusten Eindruck. Anhand ihres Gebisses (die ersten Schneidezähne brechen zwischen 6 Wochen und 4 Monaten durch) wurde ihr Alter auf 6-8 Wochen geschätzt, und dafür ist sie sehr groß. Am Ende des Monats begann sie dann auch zu zahnen, was oft mit Durchfall einhergeht. Wir werden sie also im Auge behalten.

So viele neue Waisen in der Nursery erforderten nochmals ein Umsortieren der Schlafplätze. Lesanju, Sinya und Lempaute teilen sich nun den neuen Stall. Sinya hängt sehr an Lesanju und möchte am liebsten gar nicht von ihrer Seite weichen. Lempaute wurde daraufhin ziemlich eifersüchtig, weil sie ihr Vorrecht bedroht sieht. Die arme Sinya hatte einiges auszustehen, denn Lempaute kann sehr anstrengend sein!

Lempaute

Nach dem Tod von Wanjala kam uns der Gedanke, dass die Kleinsten der Gruppe vielleicht nicht genug Bewegung hatten um ihren Stoffwechsel ordentlich anzukurbeln. Die Keeper erhielten die Anweisung, dass sie künftig einmal täglich mit den Älteren der Gruppe auf eine lange Wanderung gehen sollen.

Mzima ist verrückt nach seiner Milch, während Taveta ein kleiner Freigeist ist und des Öfteren seine eigenen Wege zum Fressen geht. Es ist interessant, dass Lesanju am 7. sofort die Keeper verständigte, als er wieder sich wieder einmal davon machte – dieses Mal war er jedoch schon auf dem Weg sich seine Milch zu holen. Lesanju rannte zuerst zu den Keepern und danach zurück zu der Stelle, woher die Gruppe kam. Sie hob ihren Rüssel um den Keepern ein Zeichen zu geben, die daraufhin herausfinden wollten, was sie ihnen zu sagen versuchte. Dabei lief ihnen Taveta über den Weg, der sich viel zu früh auf den Weg zum Milchtrinken gemacht hatte! Lesanju bewies dieses Mal ihre praktischen Fähigkeiten als Mini-Leitkuh – zu anderen Gelegenheiten, vor allem wenn sie Lempaute eigentlich bestrafen sollte, hält sie sich jedoch eher zurück! Suguta hängt wie eine Klette an den Keepern anstatt sich unter ihresgleichen zu mischen. Den Monatsaufzeichnungen zufolge, ging ihr der Tod von Kungu und Barseloi besonders nah, weil sie mit beiden eng befreundet war. Das zeigt deutlich, dass die Gefühle eines Babyelefanten weit mehr entwickelt zu sein scheinen als die eines menschlichen Babys im selben Alter.

Monatsbericht für die Voi-Gruppe

Auch in der Voi-Gruppe war der Oktober ein Monat voller Tragödien und Trauer. Der Tod vieler Neuankömmlinge wurde begleitet von extremer Hitze und Trockenheit, so dass große Teile des Parks abbrannten. Die meisten Tiere flüchteten aus der Gegend um Mazinga Hill und die Voi-Stallungen um weiter entfernt (auch auf angrenzenden Feldern) Futter zu finden.

Wilderer haben die Situation ausgenutzt und entlang der Grenze Schlingfallen ausgelegt. Eine Elenantilope tappte hinein, wie uns vom Personal der Voi Safari Lodge berichtet wurde. Die mobile tierärztliche Einheit und die Keeper reagierten sofort, betäubten die Antilope und entfernten die Falle, die sie andernfalls erwürgt hätte. Befreit von der Schlinge um ihren Hals lief die Antilope glücklich zurück in die Wildnis.

Alle Waisen, die in diesem Monat gerettet wurden, starben kurz darauf an den Folgen der Verletzungen oder weil die Rettung für sie einfach zu spät kam. Der erste war ein 2-jähriger Bulle mit Schussverletzungen in den Beinen, dem der Name „Askari“ (zu deutsch: Soldat) gegeben wurde.

Askari

Ihm folgte ein anderes 2-jähriges Kalb, das von einem vergifteten Pfeil getroffen wurde. Man hatte es „Mashale“ (das Swahili-Wort für Pfeil) genannt. Nur einen Tag später starb es. Ein weiteres Elefantenwaise starb durch die Klauen von Löwen in Satao Camp, kurz bevor das Rettungsteam am Ort eintraf. Und weitere 2 Tage später brach ein Kälbchen am Satao Wasserloch zusammen und verstarb noch vor Eintreffen in den Stallungen. „Askari“ starb am 27. nach Intensivpflege durch unsere tierärztliche Einheit – der Schmerz und eine Blutvergiftung waren einfach zu viel für ihn. Und noch ein weitere 2-jähriger Elefant wurde aus der Region Ziwani gerettet und starb auf der Fahrt nach Voi unter der Sedation.

Lissa und ihre beiden jüngsten Kälbchen waren in diesem Monat die einzigen Besucher aus den Reihen unserer ehemaligen Waisen. Am 2. Oktober tauchten sie an den Ställen auf um an der Tränke zu saufen. Lissas ältestes Kalb blieb währenddessen bei der wilden Gruppe, der sie sich später wieder anschloss.

Emily und Natumi und all die anderen sind immer noch mit den wilden Herden um Ngutuni Ranch unterwegs und kamen in diesem Monat nicht zurück. Aufgrund all der anderen dramatischen Vorkommnisse konnten im Oktober auch keine Beobachtungsgänge durchgeführt werden um zu sehen, wie es der Gruppe ergangen ist.

Monatsbericht für die Ithumba-Gruppe

Es war sehr interessant zu beobachten wie sich die älteren Elefanten (bekannt als “Yattas Gruppe“) um die Sprösslinge kümmern, die der Milch wegen noch bei den Keepern bleiben. Sie werden von den älteren Elefanten, die mittlerweile kommen und gehen wann immer ihnen beliebt, nach wie vor wie „enge Verwandte“ behandelt. Es bekräftigt, was in der Voi-Gruppe passierte, nachdem Emilys und später auch Natumis und Thomas Gruppe die Stallungen in Richtung Wildnis verließen.

Im Oktober verging nicht ein einziger Tag, an dem Yatta und die ältere Gruppe nicht mindestens einmal den Kontakt zu den Jüngeren aufgenommen hätten. 9 Mal warteten sie morgens schon draußen vor den Stallungen, so dass Ol Malo und Orok (ihre beiden milchbedürftigen Schützlinge) mit den anderen gemeinsam ihre Milch abholen konnten. An 12 anderen Tagen trafen sie sich im Busch, entweder auf dem Weg dahin, beim mittäglichen Suhlen (als es wieder Milch gab) oder abends zurück an den Stallungen zur letzten Milchmahlzeit des Tages.

Am 7. Oktober tauchte Yattas Gruppe auf einmal ohne Ol Malo auf, was unsere Keeper sehr beunruhigte. Ihre Sorge stieg, als Yatta auch am Abend ohne Ol Malo die Stallungen besuchte. Am frühen Morgen des 8. schließlich, zu unser aller Überraschung, tauchte Ol Malo plötzlich auf. Allerdings nicht in Begleitung von Yatta oder einem anderen Mitglied der Gruppe, sondern mit einem wilden Elefantenbulle, der sie den Keepern und der jüngeren Gruppe „übergab“. Er stillte seinen Durst an der Stalltränke und machte sich anschließend wieder auf den Weg in den Busch. Am nächsten Morgen ging Ol Malo mit der jungen Gruppe – angeführt von Junior-Leitkuh Sunyei – in Richtung Fressplatz. Allerdings war sie unruhig, kollerte und rief die ganze Zeit nach jemandem. Offenbar vermisste sie Yatta und ihre Gruppe. Sie verließ die Jüngsten und machte sich auf die Suche nach ihrer Ersatzmutter (Yatta). Offenbar hatte sie keinen Erfolg, denn am Abend kam sie allein in die Stallungen zurück. Yatta und ihre Gefährten kamen allerdings nur wenig später hinzu und die übliche Wiedersehenszeremonie wurde abgehalten.

Ithumba

Eine andere interessante Entwicklung, die aus den Monatsaufzeichnungen hervorgeht, ist, dass Wendi und Tomboi sowohl am 5. als auch am 26. Yattas Gruppe verlassen haben um Zeit mit den jüngeren Elefanten zu verbringen. Umgekehrt wurde Yattas Gruppe nach dem Schlammbad erstmals von Sunyei und Challa begleitet, während Ol Malo und Wendi beim Rest der Gruppe blieben.

Wir haben viel darüber nachgedacht, was wohl der Grund dafür sein mag, dass Ol Malo plötzlich so unabhängig von Yatta ist. Vielleicht hat sie jetzt einen wilden Freund, mit dem sie gern zusammen ist – vielleicht auch einen Freund in einer anderen wilden Herde. Als der wilde Bulle sie zurückbrachte, hat sie ihm dann verständlich gemacht, dass sie wegen der Milch in die Stallungen muss?

Wir wissen bereits, dass Elefanten auf hohem Niveau kommunizieren, doch dieses Beispiel verblüffte uns ganz besonders! Es gab noch ein anderes Mal, als Ol Malo den Rest der Waisenherde auf den Weg zum Schlammbad verließ (obwohl ihre Milch dort auf sie wartete), und erst viel später auftauchte, als die anderen schon längst fertig mit Suhlen und auf dem Heimweg waren. Die Keeper hatten sich darauf eingestellt und warteten auf sie um sie zum Rest der Gruppe zurückzuführen.

Yattas Herde verbrachte in diesem Monat nur etwa 4 Tage mit der Gruppe der Jüngeren, die sich jedes Mal überschwänglich darüber freuen. Wann immer sich die älteren dann wieder absetzen, übernehmen die Nachwuchs-Leitkühe wie selbstverständlich die Führung der Gruppe, als ob sie dazu aufgefordert wurden. Die Hauptrolle der Nachwuchs-Leitkuh teilen sich Sunyei und Galana, die beiden inzwischen 5 Jahre alt sind. Wendi und Tomboi aus Yattas Gruppe blieben eines Tages lieber bei den Jüngeren als mit den gleichaltrigen Herdenmitgliedern auf Wanderung zu gehen.

Bemerkenswert ist, dass die Ithumba-Waisen diesen Monat fast täglich Kontakt zu wilden Elefanten hatten. Hauptsächlich waren es Bullen, die abends an den Stallungen auftauchten um zu saufen und geduldig auf Yattas Gruppe warteten bis diese das Kopra aus ihren früheren Ställen gefressen hatten. Danach zogen sie alle gemeinsam in die Nacht.

  • am 3. wurde Yatta von 4 Bullen begleitet.
  • am 8. brachte der wilde Bulle Ol Malo zurück, und abends gesellten sich 3 wilde Bullen beim nächtlichen Aufbruch zu Yattas Gruppe.
  • am 9. wurde Yatta von 2 wilden Elefanten begleitet und verteidigt als sie auf dem Weg zur Tränke von den Keepern bemerkt wurden.
  • am 10. kam ein wilder Elefant bereits am Morgen und begleitete die Jüngsten (und ihre Keeper) in Richtung Kanziku, wo er sich schließlich von der Gruppe absetzte. Am gleichen Abend tauchten zuerst 3, später dann nochmal 7 andere wilde Bullen an den Stallungen auf, so dass die älteren Waisen schließlich von 10 Bullen auf ihre Nachtwanderung begleitet wurden.
  • am 12. warteten 4 wilde Bullen vor den Ställen um Yattas Gruppe auf ihrem abendlichen Streifzug zu begleiten.
  • am 13. kehrte Yatta mit 2 wilden Bullen im Schlepptau zurück und gegen 20 Uhr kamen 12 weitere hinzu, tranken im Stallgelände und folgten schließlich Yattas Fährte.
  • am 19. kamen 2 wilde Bullen zum Saufen. Am Abend des gleichen Tages tauchte der von uns „Rafiki“ genannte wilde Bullen mit „vielen“ Freunden auf um Yatta nach draußen zu begleiten.
  • am Morgen des 21. wurden 2 wilde Bullen an der Stalltränke gesehen.
  • am 24. kamen „Rafiki“ und seine Kumpanen gegen 17 Uhr und hielten sich mehrere Stunden auf dem Stallgelände auf. Die Freunde begleiteten später Yattas Gruppe, während Rafiki zurückblieb und die Jüngsten in den Ställen begrüßte.
  • am 28. wurde Yattas Gruppe von 4 wilden Bullen begleitet.
  • am 30. warteten 2 Bullen an der Tränke darauf, das die Keeper das Tor entriegelten. Die Tränke ist in der Nacht offenbar von anderen geleert worden. Diese beiden Bullen begleiteten die Jüngeren und ihre Keeper nach Kanziku (die Stelle, wo sich die jungen und älteren Waisen oft treffen) und gingen dann wieder ihre eigenen Wege.

Es ist interessant, dass die Jüngeren inzwischen keine Angst mehr haben sich unter die wilden Bullen zu mischen, die regelmäßig an den Stallungen vorbeischauen. Zusammengefasst: Die meisten Tage dieses Monats haben die Waisen gemeinsam mit wilden Artgenossen verbracht. Es gab Tage, da waren die wilden Elefanten schon früh morgens a der Stalltränke, sogar als die Waisen ihre Milch bekamen. Oder sie warten darauf, dass das Tor aufgeschlossen wird, weil die Tränke in der Nacht ausgesoffen wurde. Regelmäßig begleiteten sie die Waisen und ihre Keeper in den Bush in Richtung Kanziku, wo Yatta früher oder später hinzustieß.

Die Tatsache, dass die wilden Elefanten aus Nord-Tsavo unsere Waisen nun seit 6 Jahren nachts beobachtet haben, bis sie schließlich Vertrauen gefasst haben und nunmehr in Scharen „zu Besuch“ kommen, macht uns sehr glücklich. Besonders, da wir wissen wie schwer es für Yatta als Leitkuh gewesen sein muss, die unsichtbare Schranke aus Misstrauen zu durchbrechen, die die Waisen von ihren wilden Artgenossen trennte, weil diese schlichtweg Angst vor den Menschen hatten. Yatta musste ihre Elefantenfamilie den Keepern und Nachwuchs-Leitkühen anvertrauen um sich auf den Weg zu machen und fernab von den Menschen den Kontakt zur wilden Elefantengemeinschaft zu knüpfen und sie davon zu überzeugen, dass nicht alle Menschen böse sind! Wie schon so oft betont, lehren uns die Waisen so viel über ihre Art und ihre wilden Ebenbilder, über ihr Pflichtgefühl und ihr fürsorgliches Wesen, über ihre hochentwickelte Kommunikation, ihre feste Familienbande und all die anderen (auch menschlichen) Charaktereigenschaften. Überdies haben wir durch sie gelernt, wie man Elefanten aus Handaufzucht durch Menschen wieder in die Wildnis eingliedern kann.