Thuma Telegraph Mai 2023: „Unsere Wildhüter – der Schlüssel zu unserem Erfolg“

Von Lynn Clifford /Managerin der Wildlife Action Group (WAG) in Malawi
(Beitragsbild von Marcus Westberg)

Dieser Rundbrief ist Issac Katunga (Beitragsbild) gewidmet, der am 7. April 2023 auf tragische Weise im Dienst ums Leben kam. Wir nehmen dies zum Anlass, um einmal tiefgründiger auf die Arbeit unserer Wildhüter einzugehen: Was ihnen die Arbeit körperlich und mental abverlangt; die Opfer, die sie bringen; die Gefahren, denen sie sich stellen und die Herausforderungen, denen sie täglich an ihrem – oft gefährlichen – Arbeitsplatz gegenüberstehen. Sie schützen Afrikas bedrohte Wildtiere und ihre Lebensräume – ohne Zweifel einer der härtesten Jobs auf der Welt. Ohne den Mut und die Hingabe von Männern wie Issac wäre die Arbeit der Wildlife Action Group (WAG) unmöglich.

Elefanten in Thuma (mit Thomas Töpfer, dem REA-Vorsitzenden)

 

ISSAC KATUNGA

Am 7. April 2023 erreichte mich ein Anruf, der mich bis aufs Mark erschütterte. Eines unserer Wildhüter-Teams ist auf Streifgang auf eine Herde von Elefantenkühen getroffen. Die Begegnung war völlig unvermittelt, da das Gras derzeit über zwei Meter hoch wächst. Sowohl die Wildhüter als auch die Elefanten erschraken und blieben wie angewurzelt stehen, bis eine der Kühe die Nerven verlor und angriff. Issac konnte sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen und wurde von der Kuh getötet.

Issac Katunga

Issac kam 2014 zur Wildlife Action Group und wurde als ältester von fünf Kindern im Bezirk Dedza geboren, also an der nordwestlichen Seite des Dedza-Salima Waldreservats. Dieses Gebiet war immer ein Brennpunkt der Elefantenwilderei und Entwaldung. Die umliegenden Dorfgemeinschaften waren komplett abhängig vom Wald für ihre täglichen (aber illegalen) Bedürfnisse und immer bereit, diese zu verteidigen. Issac war der erste Wildhüter aus dieser Region, und wir hatten große Hoffnung, dass er uns hilft, die Wilderei dort zu bekämpfen, da er sowohl die Region als auch die Leute dort kannte.

Issac war zwar von kleiner Statur, aber eine große Persönlichkeit. Er war ein leidenschaftlicher Naturschützer, liebte seine Arbeit und war unermüdlich – ein fantastischer Wildhüter und ein wunderbarer Mensch. Er schloss schnell Freundschaften, löste zwischenmenschliche Konflikte und half, die Beziehung zwischen der WAG und den Dorfgemeinschaften aufzubauen und zu pflegen. Wir werden ihn furchtbar vermissen.

Zwischen 2014 und 2019 gelang es Issac, die Dorfvorsteher (Chiefs) in Dedza zu überzeugen, in den Dialog mit der WAG zu treten. Wir begannen mit Sensibilisierungsprogrammen und Streifgängen, die alle mithilfe der Dorfvorsteher geplant und durchgeführt wurden. Es gab viele Verhaftungen, und die Massenwilderei konnte bedeutend reduziert werden. Issac war der Kopf hinter allen strategischen Entscheidungen, und er war eine Schlüsselfigur, die dazu beitrug, dass sich das Waldgebiet in seiner Heimat wieder so gut erholen konnte.

Armeestiefel, eines der wichtigsten „Werkzeuge“ eines WAG-Rangers

2021 verlangten die Dorfgemeinschaften, dass wir einen Elektrozaun errichten sollten – ein großer Durchbruch –, und nur ein Jahr später bauten wir diesen über eine Länge von 26 Kilometern entlang der Traditional Authority (eine Art Landkreis) Tambala. Der Zaun wurde in Zusammenarbeit mit den Dorfgemeinschaften gebaut und trug daher auch zu deren Einkommen bei. Außerdem sind nun Ernte und Leben vor Elefanten und anderen Wildtieren geschützt, während auch die Wildtiere vor Wilderern in Sicherheit sind.

Issac hinterlässt seine Frau Anna, ihre drei Kinder und zwei junge Waisenkinder, die er in seiner Familie aufgenommen hatte. Sein Tod bedeutet eine große Lücke in unseren Herzen und auf der Arbeit, und wir werden ihn nie vergessen. Sein Vermächtnis, der Schutz des Waldes, wird weitergetragen, und wir werden seiner immer gedenken.


DIE WILDHÜTER

Afrikas natürliche Lebensräume schwinden immer schneller. In den meisten Fällen werden sie einzig und allein durch Wildhüter geschützt. Die Zukunft der Artenvielfalt in ihren Heimatländern (und auf unserem Planeten) liegt in ihren Händen. „Wildhüter ist ist eine von mehreren Berufsbezeichnungen für Personen, zu deren Kernaufgabenbereich der Schutz des Wildes und seines Lebensraums zählt. Das Aufgabenspektrum dieses Berufs hat sich im Lauf der Geschichte jeweils den örtlichen Erfordernissen angepasst und überschneidet sich oft mit dem eines Berufsjägers oder Rangers.“

Die Aufgabengebiete reichen von Streifgängen über Strafverfolgung bis hin zur Arbeit in und mit den Dorfgemeinschaften. Die Wildhüter der WAG patrouillieren im Durchschnitt elf Kilometer pro Tag – das sind mehr als 3500 Kilometer im Jahr. In den Abbildungen unten sieht man den Anstieg an jährlichen Streifgängen in beiden Waldreservaten sowie den Abwärtstrend illegaler Aktivitäten und den Anstieg der Elefantenpopulation.

Streifgänge pro Jahr von 2011-2022 (blau für Thuma und orange für Dedza-Salima Waldreservat)
Illegale Aktivitäten (u.a. Wilderei) zwischen 2011-2022: Bambusschneiden ohne Genehmigung (dunkelblau), Holzkohle (orange), Abholzung (grau), Jagen (hellblau), Drahtschlingfallen (grün), anderes (gelb)
Die geschätzte Elefantenpopulation in den Waldreservaten Thuma (gelb) und Dedza-Salima (grün) zwischen 2013-2022. Schätzungen finden regelmäßig im Rahmen von Tierzählungen bei genau definierten Felduntersuchungen statt

„Wildhüter spielen eine integrale Rolle für den Erhalt von Schutzgebieten; als ‘Wächter der Artenvielfalt’ sind sie verantwortlich dafür, die Natur, ihr kulturelles und historisches Erbe als auch die Rechte und das Wohlergehen der heutigen und künftigen Generationen zu schützen“ (TUSK 2023). Dabei wird die Arbeit der meisten Wildhüter in der Öffentlichkeit nicht genug anerkannt, nicht gebührend wertgeschätzt, und fast immer sind die Männer schlecht ausgestattet.

Die WAG-Wildhüter Issac, Austin, Matthews und Richard

Unsere Wildhüter sind „die Stiefel im Feld“, die erste und letzte Linie der Verteidigung. Sie schützen beide Waldreservate und die Wildtiere, die darin leben. In vielen Fällen schützen sie auch die Dorfgemeinschaften und deren Felder. Sie machen täglich lange und kurze Streifgänge, die immens wichtig sind für die Strafverfolgung im Naturschutz.

Die Wildhüter leben 25 Tage im Monat innerhalb der Waldreservate, in Camps an strategischen Punkten und weit weg von ihren Familien und Freunden. Die Lebensbedingungen sind harsch, unbequem und oft auch gefährlich. Ihre Hauptaufgaben bestehen darin, Patrouille zu gehen, Tiere zu beobachten oder zu zählen, der Wilderei vorzubeugen oder durch Verhaftung einzudämmen, bei Konflikten zwischen Wildtieren und Menschen einzugreifen, mit den lokalen Dorfgemeinschaften zu kooperieren, beim Feuermanagement und im Tourismus mitzuarbeiten. Sie spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei Tierschutz und -gesundheit, Forschung, Artenschutz und Umweltbildung in einheimischen Schulen.

Unsere Wildhüter sind das wichtigste Rädchen in unserem Artenschutz-Apparat, der Schlüssel zu unserem Erfolg. Außerdem sind sie körperlich und mental so fit wie wahrscheinlich nur wenige Menschen, auf die man normalerweise trifft.

Blankpoliert und wohl gehütet: Armeestiefel und deutsche Uniformen


WILDLIFE ACTION GROUP BARRET-TRAININGSKADER

Im Jahr 2023 begann die  WAG die hauseigene Ausbildung von Wildhütern durch einen speziellen Trainingskader. Ein Kader ist eine Gruppe ausgewählter Wildhüter, die dafür verantwortlich sind, das restliche Team auszubilden und das gelernte Wissen aufzufrischen. Alle Aktivitäten sind auf die Hauptziele der Arbeit der WAG ausgerichtet.

Das Training gliedert sich in drei Teile: Wir bilden die ausgewählten Wildhüter zu Trainern aus, bereiten einen Trainingslehrplan vor, und danach werden die anderen Wildhüter ausgebildet — entweder in einem Intensivkurs für Einsteiger oder einem Auffrischungskurs für Fortgeschrittene. Die als Trainer ausgewählten Wildhüter haben bereits drei Auffrischungskurse hinter sich, haben ein Ranger-Rekrutentraining abgeschlossen und bilden derzeit neue WAG-Wildhüter aus.

Rekrutentraining 2023 (Ausbilder in Rot)
Rekrutentraining 2023 (Ausbilder in Rot)


WILDLIFE RANGER CHALLENGE 2023

Am 16. September 2023 wird unser Team zum vierten Mal an der Wildlife Ranger Challenge teilnehmen. Der internationale Wettkampf feiert die Solidarität mit der Berufsgruppe der Wildhüter sowie deren Unterstützung und dient der Spendenmobilisierung. Mehr als 100 Wildhüter-Teams vom afrikanischen Kontinent nehmen an dem koordinierten Halbmarathon (21 Kilometer) in ihren Schutzgebieten statt. Das Event ist eine unserer wichtigsten Spendenaktivitäten, und alle Einnahmen gehen direkt in die Finanzierung unserer Wildhüter. Wir bitten alle Leser*innen, mitzumachen und andere zum Mitmachen zu motivieren.

Wenn Sie die WAG unterstützen möchten, dann nutzen Sie bitte diesen Link: https://wildlife.rangerchallenge.org/campaigns/wildlife-action-group-malawi-2023

Lesen Sie hier über die Wettkämpfe in 2020, 2021 und 2022.

Seklirani und Matthews (vorn) kämpften in der Wildlife Ranger Challenge 2022 und werden  auch dieses Jahr wieder mit dabei sein

Eine im Jahr 2019 veröffentlichte Studie des World Wide Fund For Nature (WWF) zeigt auf, dass 88,6 % der Wildhüter in Afrika schon einmal in einer lebensbedrohlichen Situation waren, dass 4 % der an der Umfrage teilnehmenden Wildhüter keine Krankenversicherung, 50 % keine Lebensversicherung und 60 % keine Berufsunfähigkeitsversicherung hatten. Außerdem berichtet die Studie:

  • Der durchschnittliche Wildhüter arbeitet wöchentlich fast 90 Stunden.
  • Fast die Hälfte der Wildhüter musste ihre eigenen Stiefel und Zelte kaufen.
  • Über 40 % der Wildhüter haben bei Nachtpatrouillen keine Zelte.
  • Fast 70 % der Wildhüter hatten in den vergangenen zwölf Monaten Malaria.
  • Über 40 % der Wildhüter wurden mindestens einmal von Dorfgemeinschaften bedroht und fast 14 % schon einmal körperlich angegriffen.

Es gibt ca. 8500 Schutzgebiete auf dem afrikanischen Kontinent, die sich über vier Millionen Quadratkilometer erstrecken. Das entspricht etwa 14 % der Landmasse Afrikas. Es wird geschätzt, dass etwa 59.000 Wildhüter in diesen Schutzgebieten arbeiten, was bedeutet: Auf ca. 70 Quadratkilometer Schutzgebiet kommt ein Wildhüter.

Die WAG schützt über 500 Quadratkilometer Waldreservat in Malawi, die wichtige Wasserspeicher und Heimat vieler Tier- und Pflanzenarten sind. Unser Hauptanliegen ist es, die ökologische Funktion der Waldreservate Thuma und Dedza-Salima zu schützen und damit die heimische Flora und Fauna in ihrer Vielfalt zu erhalten. Dies wiederum dient auch dem Erhalt des kulturellen Erbes und dem wirtschaftlichen Nutzen der Menschen in Malawi. Unsere Wildhüter arbeiten hingebungsvoll für den Schutz, Erhalt und Wiederaufbau der beiden Waldreservate in Malawi, den Erhalt der heimischen Population Afrikanischer Elefanten und anderer Wildtierarten als auch den Schutz dieser wichtigen Wasserspeicher.

Wir arbeiten gemeinsam mit der Regierung, mit Partnern in Malawi und mit den Dorfgemeinschaften, um die Reservate zu unterstützen durch Bildung, Sensibilisierung, Strafverfolgung (malawisches Gesetz) und der Etablierung von Einkommensmöglichkeiten, die nicht vom Wald abhängig sind. Im September 2022 unterzeichneten die malawische Regierung und die WAG eine Artenschutz-Lizenzvereinbarung, die vorerst für 20 Jahre gültig ist. Ihre Umsetzung hängt fast komplett von unseren Wildhütern ab.

Unsere Geldgeber und strategischen Partner waren immer ein wichtiger Schlüssel zu unserem Erfolg. Wir danken Ihnen allen für Ihr Vertrauen und Ihre Unterstützung.

Herzliche Grüße von Lynn Clifford und den Wildhütern der WAG aus Malawi

Unterstützen Sie uns weiter. Spenden bitte

Kontakt: [email protected] (Englisch) oder [email protected] (Deutsch)

 

 

Thuma Telegraph September 2017

Liebe Unterstützer und Freunde,

 

die kalten und windigen Tage sind vorbei und es wird inzwischen tagsüber wieder brütend heiß. Der Wald ist trocken und man sieht wieder viel leichter Wildtiere. Es ist fast unmöglich, durch den Wald zu laufen oder zu fahren, ohne irgend ein Tier zu sehen. Die Elefanten sind überall und bewegen sich inzwischen auch in Gebieten, in denen vormals viele Holzkohlewilderer zugange waren. – Wir „erobern“ diese Gebiete, die ja formal zum Thuma Waldreservat gehören, langsam wieder zurück. In der Gegend (West-Thuma), die topographisch sehr schroff ist, gibt es viele Täler und eine wunderbare Aussicht. Das Ausmaß der Entwaldung ist hier ganz besonders schlimm, aber wir wissen auch, daß sich der Wald wieder erholen kann, wenn die Wilderer wegbleiben. „Thuma Telegraph September 2017“ weiterlesen