Thuma Telegraph September 2017

Liebe Unterstützer und Freunde,

 

die kalten und windigen Tage sind vorbei und es wird inzwischen tagsüber wieder brütend heiß. Der Wald ist trocken und man sieht wieder viel leichter Wildtiere. Es ist fast unmöglich, durch den Wald zu laufen oder zu fahren, ohne irgend ein Tier zu sehen. Die Elefanten sind überall und bewegen sich inzwischen auch in Gebieten, in denen vormals viele Holzkohlewilderer zugange waren. – Wir „erobern“ diese Gebiete, die ja formal zum Thuma Waldreservat gehören, langsam wieder zurück. In der Gegend (West-Thuma), die topographisch sehr schroff ist, gibt es viele Täler und eine wunderbare Aussicht. Das Ausmaß der Entwaldung ist hier ganz besonders schlimm, aber wir wissen auch, daß sich der Wald wieder erholen kann, wenn die Wilderer wegbleiben.

Die meisten kleinen Bäche führen immer noch Wasser, aber die Pegel der großen Flüsse sind stark gesunken, der des Malawisees um über einen Meter. In den vergangen Monaten waren wir wie immer viel beschäftigt, z.B. mit Brandrodung um Feuerschutzzonen für die späte Trockenzeit zu schaffen, Streifgänge, Verhaftungen, Gerichtsverhandlungen, die Betreuung vieler Freiwilligen, Elefantenidentifizierung, Hilfe bei den Vorbereitungen zur ersten Tourismusmesse in Malawi und natürlich die üblichen Aktivitäten in den Dorfgemeinschaften und Schulen. Traurigerweise haben wir auch einen Elefanten durch Wilderer verloren (siehe unten).

 

Seit dem 28. September 2010 arbeite ich nun mit der Wildlife Action Group (WAG). Die sieben (!) Jahre sind wie im Flug vergangen und wir haben in dieser Zeit viel erreicht und sind nach wie vor leidenschaftlich bei der Sache. Ich hoffe, Sie haben Freude an unseren Neuigkeiten und wir danken Ihnen wie immer für all Ihre Unterstützung.

 

Mit herzlichen Grüßen, Lynn und die Scouts.

 

 

Neuigkeiten von den Elefanten

 

Ich nehme an, daß jedes Artenschutzprojekt von sich behauptet, die meisten Elefanten, die größten Tusker, Elefanten ohne Stoßzähne oder außergewöhnliche Familienbande zu haben. Wir haben unsere Elefantenpopulation über die vergangnen Jahre beobachtet und sind immer wieder begeistert, wenn wir Einzeltiere neu identifizieren oder wiedererkennen. Derzeit können wir ca. ein Drittel unser Elefanten individuell bestimmen. Über die Zeit kann man natürlich auch viele interessante Verhaltensweisen und Beziehungsmuster erkennen. Wir haben eine große Zahl von Kühen mit nur einem oder gar keinem Stoßzahn und auch unser größter Bulle hat keine Stoßzähne.

Im August sahen wir einen großen Bullen mit einem kleinen Elefantenbaby, es waren keine weiteren Elefanten in der Nähe. Das war faszinierend, denn bisher habe ich noch nie gehört, daß ein männlicher Elefant auch Elefantenbabys adoptiert (siehe unten).

 

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Zu einer unserer Elefantenherden („Gruppe S“) gehört ein kleines Baby, das wir Sargeant genannt haben. Er ist ein typisches Elefantenbaby und wird von seiner Mutter und dem Rest der Herde geliebt und beschützt. Aber Klein Sargeant hat in seinem kurzen Leben schon eine üble Verletzung erlitten, wir nehmen an durch einen Krokodilbiß. Fast sein halber Rüssel fehlt! Wir haben ihn schon oft gesehen und er wirkt immer sehr vergnügt. Er säugt noch Milch von seiner Mutter und kann auch Wasser aus den Bächen trinken. Ich denke, das größte Problem für ihn wird später das Fressen von Gras werden. Wir haben die Experten vom David Sheldrick Wildlife Trust (DSWT) in Kenia befragt, die schon einige ähnliche Fälle gesehen haben. Sie haben uns geraten, ihn bei seiner Familie zu lassen und zu beobachten.

 

Vielleicht erinnern Sie sich an die Geschichte des Elefanten, der letztes Jahr aus dem Liwonde Nationalpark ins Nkhotakota Wildreservat verlegt wurde? Er damals irgendwie aus dem Nationalpark ausgewandert und tauchte im Februar in der Nähe von Thuma auf. Wir nehmen an, er wollte nach Liwonde zurück! Wir haben unseren Zaun vom Netz genommen und heruntergelassen, so daß er ins Thuma Waldreservat eintreten konnte. Wir nannten ihn Mr M, weil auf einem seiner Ohren ein deutliches M zu erkennen ist, und haben ihn seither sehr häufig in Thuma gesehen. Er ist immer allein und nie weit von der Stelle, wo er ins Reservat hereingekommen ist. Wir haben uns sehr gefreut, daß wir ihn im August zusammen mit den beiden Bullen Hastings und Moi sehen konnten und hoffen, die Drei haben eine gleine Junggesellengruppe gegründet. Zumindest wurden sie in einem Monat schon vier Mal zusammen gesehen, auch an für Mr M neuen Orten in Thuma.

 

Chaka ist der erwähnte große Bulle ohne Stoßzähne. Er ist nicht nur der Größte sondern auch der Cleverste unserer Elefanten. Er scheint der Vater der meisten jungen Elefanten in Thuma zu sein, denn er hatte „Zugang“ zu den meisten Elefantenkühen. Das ist für uns auch die schlüssigste Erklärung dafür, daß wir in Thuma viele Elefanten ohne Stoßzähne haben. Chaka kennen wir seit 2011. Er liebt Süßes, besonders Kürbisse, Tomaten, Mangos und Mais, und war daher einer der Elefantenbullen, die gerne einmal außerhalb des Reservats auf den Feldern der heimischen Bauern unterwegs waren. Er ist bekannt für seine Anschleichtaktiken, mit denen er die Scouts mehr als einmal überrascht hat, wenn sie ihn von den Feldern ins sichere Waldreservat zurückscheuchen wollen. Er rennt gerne weg, um sich dann vor den Scouts zu verstecken, sie aus dem Hinterhalt anzutrompeten und Scheinangriffe zu starten. Er ist auch bekannt für seine „magischen Kräfte“, denn er kann irgendwie den Elektrozaun überwinden, ohne ihn kaputt zu machen. Er ist was man ein liebenswürdiges Rauhbein nennen könnte. Er kommt auch regelmäßig ins Camp und weckt mich mit seinem Schnarchen. Über die vergangenen sechs Wochen wurde er immer wieder allein oder mit Kuhherden gesehen, er scheint also überall gut bekannt zu sein. Wir würden Chaka gerne mit einem GPS-Halsband ausstatten, um seine Bewegungen (natürlich auch außerhalb des Reservats) mitzuverfolgen.

 

Im Juli fanden wir die Überreste eines getöteten Elefanten. Die Untersuchungen der malawischen Wildbehörde führten die Tat auf zwei Elfenbeinwilderer zurück. Beide wurden beim Versuch, Elfenbein zu verkaufen, festgenommen. Bei der Befragung stellte sich heraus, daß sie tatsächlich einen Thuma-Elefanten getötet hatten. Das Elfenbein wurde beschlagnahmt und es gab eine Verbindung zu einer illegalen Schußwaffe, die offenbar schon früher einmal in Thuma benutzt wurde. Die Ermittlungen dauern an und weiterer Verdächtigter wird noch gesucht. Beide wurden dem Richter vorgeführt und zu 7 Jahren Gefängnis verurteilt.

 

 

Neues Camp im Westteil Thumas

 

Wir freuen uns, bekanntzugeben, daß wir ein neues Camp auf der Westseite des Thuma Waldreservates errichten werden. Die Gegend war schon immer schwierig zu patrouillieren, weil sie erstens weit weg von unserem Basislager liegt und zweitens, die Wilderer dort sehr agressiv sind und die Scouts regelmäßig gewalttätig angegriffen wurden. Aber nicht mehr! Über die letzten vier Jahre haben wir regelmäßig Razzien durchgeführt, Überraschungsaktionen mit vielen Verhaftungen und anschließendem schnellen Rückzug. Seit Ende letzten Jahres sehen wir, wie sich die Lage langsam verbessert und wir glauben, das liegt an unseren Razzien und den Folgemaßnahmen, also eine Strafverfolgung und Verurteilungen.

Bis September 2016 mußte ein Holzkohlewilderer lediglich eine kleine Geldstrafe zahlen und verließ anschließend als freier Mann den Gerichtssaal. Inzwischen gibt es für Wilderei nur noch Haftstrafen. Voilà, und schon änderte sich die Lage. Inzwischen sieht man nur noch selten Rauch aus dem Reservat aufsteigen. Wir können überall ohne Probleme Streifgänge durchführen. Nun wurde im Westen Thumas ein Ort ausgesucht, an dem das neue Camp gebaut wird und wir danken der Fisch- und Wildbehörde der USA (US Fish and Wildlife Service) für die finanzielle Unterstützung dafür und für die Weiterfinanzierung der Sensibilisierungsprogramme in den Dorfgemeinschaften!

 

 

Auf dem Foto oben sieht man, wie stark der Wald gelitten hat – alle Bäume sind abgeholzt! Aber der Miombowald ist sehr widerstandsfähig und wird sich schnell regenerieren, wenn das Gebiet mindestens 5 Jahre geschützt und unangetastet bleibt. Wir halten sie auf dem Laufenden!

 

Sponsor a Scout

Die WAG hat bereits seit 2005 ein Sponsor-a-Scout-Programm, bei dem Individuen, Gruppen von Unterstützern oder Unternehmen das Jahresgehalt für einen Wildhüter der WAG finanzieren. Dieses beträgt derzeit 1.100 Euro, nähere Informationen gibt es hier…

Wir danken all den neuen und langjährigen Unterstützern für Ihren Beitrag:

  • Maartin J van Strien
  • REA e.V. (vier Scouts)
  • Margrit Harris (Nikela)
  • Edgar Mackels
  • Ingbert Palm, Anita Gommes, Sarah Palm, Oswald Palm, Samatha Palm, Kevin Palm, Andy Clayburn, Cecile Bowmer, Anja Pitz
  • Sascha Stock, Siegmund Dorner, Devin Johnson, Mathias Huttmann, Staphan Ritz, Dirk Thomaere, Peter Stoger, Malgorzata Broskewitz, Marie Berlin
  • Mario Mackels, Nicole Maas, Peggy Bulat, Mandy Krahl, Isabel Wolfel, Thomas Freidrich, Jorg Hennicke, Claudia Classen, Wim Gerrits, Gaby Andreas, Hazel Richardson (4 Scouts)
  • Cris Ba Beek, Henn Walburga, Philipp Heck, Dajana Ban Beek, Bernd Van Beek, Ulli Keller, Marianne Biedermann, Ernst Pau

 

 

Sensibilisierung der einheimischen Bevölkerung zur Aktualisierung des Naturschutzgesetzes 2017

 

Der malawischen Regierung (GoM) ist es ernst damit, die natürlichen Ressourcen ihres Landes für künftige Generationen von Malawiern zu schützen. Die Ernsthaftigkeit wird deutlich, wenn man sich die Aktualisierungen in Bezug auf die Nationalparks, Wild- und Waldreservate näher anschaut. Das neue Gesetz führt klar und deutlich auf, was konkret getan werden muß, wie konkret ein Gesetzesbruch definiert und wie dieser bestraft wird.

 

Die WAG pflegt enge Beziehungen mit der einheimischen Bevölkerung rund um die Waldreservate, und als das Naturschutzgesetz im Januar 2017 in Kraft trat und entsprechend härtere Strafen beschlossen wurden, fanden wir, daß wir die Gemeinden über die Gesetzesaktualisierungen informieren sollten. Wir traten also an die traditionellen Gemeindeoberhäupter heran, die wiederum die Dorfältesten (village chiefs) und diese wiederum die Einwohner in ihren Dörfern informierten. So sind potentielle Wilderer schon vor einem Gesetzesbruch über die Folgen aufgeklärt, und nicht erst bei der Verhaftung.

 

Die Gemeinden, die direkt um Schutzgebiete herum leben, sind oft in vielerlei Hinsicht durch die Widltiere beeinflußt, sowohl positiv als auch negativ. Sie haben direkten Zugang zu den Schutzgebieten und deren Ressourcen. Daher sind die Bewohner dieser Dörfer auch am ehesten diejenigen, die das Gesetz brechen, weil sie wildern und dann mit den Konsequenzen leben müssen, wenn sie erwischt werden. Das wirkt sich natürlich schwer auf die Familie des Wilderers, im schlimmsten Fall sogar über mehrere Generationen, aus. Wir haben ein Handbuch erstellt, um über alle Neuerungen detailliert zu informieren. Dieses wurde in all den Terminen mit Gemeindemitgliedern benutzt. Zusatzlich zum Schutz des Tier- und Pflanzenbestandes und einem Entgegenwirken zum Klimawandel, trägt auch gleichzeitig zur Stärkung eines Rechtsstaates in Malawi bei.

 

Wir haben mehr als 200 Gemeindeoberhäupter in vier Bezirken um das Thuma und das Dedza-Salima Waldreservat aufgesucht. Neben den Gesetzesänderungen diskutierten wir außerdem Themen wie den Konflikt zwischen Mensch und Elefanten oder unser Belohnungssystem bei Hinweisen, die zur Verhaftung eines Wilderers führen. Die Besprechungen waren sehr interaktiv, besonders mithilfe eines vom Lilongwe Wildlife Trust produzierten Videos (Elephant I miss you) und Beiträgen des Staatsanwaltes im Bezirk Salima und des Magistrats Kantiki, der uns auf allen Terminen begleitete. So konnten wir auf alle Fragen und Kritiken der Dorfbewohner gut eingehen.

 

Außerdem verteilten wir mehr als 1800 Kopien des oben genannten Handbuches, das inzwischen auch in Chichewa, die Sprache in Zentral-Malawi, übersetzt wurde an die Gemeindeoberhäupter zum Verteilen an die einzelnen Dorfoberhäupter. Keiner der Menschen, die wir trafen, hatte bis dahin von der Gesetzesänderung (oder gar der Existenz des Gesetzes) gewußt. Die Besprechungen waren also nicht nur informativ, sondern haben auch zu einer Stärkung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Exekutive und der Bevölkerung beigetragen. Wir danken dem Elephant Crisis Fund für die Unterstützung zur Finanzierung der Kampagne und einen großen Dank an MSK Media in Deutschland (Hendrick und Nadine), die Tag und Nacht an unserem fantastischen Handbuch gearbeitet haben.

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Bis zum nächsten Mal,

Lynn und die Scouts

 

 

 

Vielen Dank an unsere Geldgeber!

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Ronald Ulrich, Kindy French/Friedman-French Foundation, Tracy and Donald Goldenberg, Steven Stone