Am 14. Februar machte uns jemand auf ein weiteres unschuldiges Opfer der Wilderei aufmerksam: Ein kleines etwa einjähriges Elefantenkalb, das medizinische Versorgung benötigte. Es hatte eine grausame Schlingenwunde, die sich schon in sein Gelenk geschnitten hatte und das Baby extrem behinderte. Seine Mutter blieb tapfer an seiner Seite und musste betäubt werden, damit das Kalb behandelt werden konnte. Bei dieser Behandlung entschieden wir, das Kalb erst einmal in der Wildnis an der Seite seiner Mutter zu lassen und zu beobachten, wie die Wunde in der natürlichen Umgebung heilen würde.
Unsere Anti-Wilderei-Teams beobachteten das Duo und schätzten die Fortschritte ein, die das Kalb machte, aber nachdem ein paar Wochen vergangen waren, wurde klar, dass es ihm mit der Zeit immer schlechter ging. Seine Mutter war gezwungen, ihre Herde ziehen zu lassen, da die beiden auf der Suche nach Futter keine größeren Entfernungen zurücklegen konnten, und so waren die beiden bald allein auf weiter Flur. Sie blieb noch immer bei ihrem verletzten Kalb, das nun mit jedem neuen Tag immer schlechter laufen konnte.
Nach drei Wochen wurde eine zweite Behandlung angesetzt und es wurde klar, dass das Baby nur eine Chance zum Überleben haben würde, wenn es gerettet und seine Verletzung, die inzwischen stark infiziert war, intensiv medizinisch behandelt werden konnte. Natürlich war das eine schwierige Entscheidung, die nur der Veterinäroffizier des KWS, Dr. Poghon, treffen konnte. Am Anfang, als die Schlinge entfernt worden war, hatten alle noch gehofft, dass alles gut ausgehen würde. Jetzt aber, fast einen Monat später, sah die Wunde so schlimm aus, dass sie ohne tägliche Behandlung nicht mehr von selber heilen würde. Ohne gerettet zu werden, wäre das Kalb schließlich an seiner Verletzung gestorben oder den Raubtieren zum Opfer gefallen. Auch seiner Mutter ging es mit der Zeit immer schlechter, da sie gezwungen war, mit ihrem verletzten Kalb die ganze Zeit in der Nähe von Wasser zu bleiben, wo aber wenig Futter zu finden war.
Am 9. März, nachdem Dr. Poghon die Wunde ausführlich gereinigt hatte und sich während der zweiten Behandlung ein Bild der Situation gemacht hatte, wurde Angela angerufen und schließlich eine Rettungsaktion in Gang gesetzt. Es war schon spät, aber trotzdem flog das Rettungsteam noch nach 17 Uhr vom Wilson-Flughafen ab, denn aufgrund der gefährlichen Lage des Babys hätten weitere Verzögerungen schlimme Auswirkungen haben können. Nach einem 70-minütigen Flug landete das Flugzeug am Flugfeld der Taita Hills Lodge, auf dem Gelände des Taita Hills Schutzgebiets nahe des Tsavo Nationalparks. Das Kalb war inzwischen im Laderaum des Landcruisers der DSWT Anti-Wilderei-Einheit, noch benebelt vom Betäubungsmittel und den Beruhigungsmitteln, die es bekommen hatte. Bei Einbruch der Dunkelheit wurde es schnell in das Flugzeug geladen und für die Dauer des Flugs an eine Infusion gelegt.
Es waren aber noch weitere Komplikationen zu überwinden: Der Wilson-Flughafen hatte inzwischen für die Nacht geschlossen und so musste das Flugzeug zum internationalen Flughafen Jomo Kenyatta umgeleitet werden und landete dort um 20 Uhr. Für das Team in Nairobi, das angespannt auf den Neuankömmling wartete, war das eine Hiobsbotschaft, und wir befürchteten die schlimmsten logistischen Hindernisse bei dem Versuch, einen Baby-Elefanten aus dem größten Flughafen Kenias herauszubringen. Glücklicherweise waren die beteiligten Flughafenbehörden erstaunlich hilfsbereit und alle halfen mit, das Kalb so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen. Am Ende lief alles wie am Schnürchen und wir waren außerordentlich dankbar für das Engagement aller Beteiligten.
Nach der Ankunft im Waisenhaus wurde das Baby in ein Gehege neben Sirimon gebracht und er bekam eine Flasche Milch, die er zunächst nicht so richtig annehmen wollte. Sein Gehege wurde mit frischem Grünzeug ausgestattet und ein Keeper blieb die ganze Nacht bei ihm. Am nächsten Morgen war er dann schon begeistert von der Milchflasche und nuckelte an den Fingern des Keepers. Er ist ein außerordentlich liebevolles kleines Kalb. Die Menschen haben ihm bereits viel angetan: Erst haben sie sein Bein fast verstümmelt und ihn dann, in der Hoffnung, sein Leben zu retten, von seiner Mutter zu getrennt. Es schien aber, als ob er die Situation verstand und das erleichterte uns einiges.
Am ersten Morgen wurde die Wunde wieder gereinigt und neu verbunden, und er blieb während der ganzen Behandlung relativ ruhig, obwohl er sicherlich unerträgliche Schmerzen ertragen musste. Er liebt es, in der Gegenwart der anderen Waisen zu sein und ihre Anwesenheit hat einiges dazu beigetragen, dass er sich eingelebt hat. Wir schätzen sein Alter auf etwa 12 Monate und wir haben ihm einen Namen aus der Gegend, aus der er kommt, gegeben: Mwashoti. Es ist ein Taita-Name für ein Gebiet in der Nähe seines Rettungsortes, in dem Grewia-Büsche mit vielen roten Früchten wachsen.
Nach drei Wochen ließen wir ihn mit den kleinsten Waisen hinausgehen. Für den Heilungsprozess ist eine gute Laune genauso wichtig wie die Behandlung der physischen Wunden. Das war auch genau die richtige Entscheidung, denn er war gleich viel fröhlicher, fraß gut und genoss die Gesellschaft der anderen Waisen, besonders die des kleinen Ngilai. Die beiden wachsen, gedeihen und heilen nun zusammen. Den kleinen Babys ist Mwashotis Verletzung sehr bewusst; sie berühren sie häufig vorsichtig und manchmal pusten sie sogar ein wenig weiche, rote Erde darauf, in der Hoffnung, damit den Heilungsprozess zu fördern.
Wir haben eine ganze Weile gewartet, bevor wir Mwashoti in das Patenschaftsprogramm aufgenommen haben, da wir erst nicht recht glauben konnten, dass er es schaffen würde, so schwerwiegend war seine Wunde. Inzwischen macht er sich aber besser als wir es uns erträumt hätten, dank der Liebe, mit der er umsorgt wird, und seinem starken Willen zu überleben und gesund zu werden. Die Grüne Tonerde hat es wieder einmal geschafft, die Infektion zu stoppen und hilft dem Bein, zu heilen. Wir sind stolz darauf, Mwashotis erstaunliche Geschichte teilen zu dürfen. Er ist ein ganz besonderer Elefant und es begeistert uns, dass wir es geschafft haben, sein wertvolles Leben zu retten. Seine Geschichte ist eine weitere erschütternde Erinnerung daran, was diese großartigen Tiere erleiden müssen, solange der Elfenbeinhandel weitergeht.