Amboseli News: Dezember 2022 und Januar 2023

Im Dezember und Januar war die schreckliche Dürre des letzten Jahres endlich zu Ende und wurde durch die lang ersehnte Regenzeit abgelöst. Die Vegetation begann sich zu erholen und mit ihr auch die Elefanten und viele andere Tiere.

Allerdings hielten sich die Niederschlagsmengen doch in Grenzen, und zudem waren sie in unterschiedlichem Ausmaß über das Gebiet verteilt. Außerhalb des Parks hatte es teilweise mehr Regen gegeben, und so wanderten im Dezember zahlreiche Tiere dorthin. Im Januar kehrten aber viele von ihnen, vor allem Gnus, bereits wieder zurück – wesentlich früher als sonst, denn normalerweise bleiben sie zwei bis drei Monate in den außerhalb liegenden Weidegründen. Vermutlich waren also auch dort die Bedingungen nicht besonders gut gewesen, und dies könnte zudem zu verstärkter Konkurrenz mit dem Vieh der lokalen Bevölkerung geführt haben. Die Elefanten waren von diesem Problem weniger betroffen, da sie nicht ausschließlich auf Gras angewiesen sind, sondern auch andere Pflanzen als Nahrung nutzen. Doch leider lässt die frühe Rückkehr der Gnus befürchten, dass sich Amboseli insgesamt nur notdürftig von der Dürre erholt hat und bis zum Beginn der nächsten Regenzeit, die man im April erwarten darf, erneut harte Zeiten auf die Wildtiere zukommen.

Doch zunächst einmal waren die Bedingungen noch relativ gut, und die Elefanten versuchten sich von den überstandenen Entbehrungen zu erholen. Nicht alle Familien hatten den Park verlassen, einige waren auch zurückgeblieben. Zu ihnen zählten wie üblich die AAs, aber auch die EBs, GBs, FAs, OAs und PCs.

 

Der Sumpf ist eine Lebensader für Elefanten
Der Sumpf ist eine Lebensader für Elefanten

 

Über die Begegnungen mit den PCs freute sich das Team des Amboseli Trust for Elephants (ATE) besonders, denn sie waren nach langer Abwesenheit endlich wieder in den Park zurückgekehrt. Vermutlich hatten sie sich zuvor länger in der Grenzregion zu Tansania aufgehalten. Ihre erfahrene Matriarchin Placida kennt dort Weidegründe, die auch während Dürreperioden noch Nahrung bieten.

Placida und die meisten anderen Mitglieder ihrer Familie sahen gut aus, doch leider hatten auch sie während der Dürre Verluste erlitten: Patiences weibliches und Placidas männliches Kalb, beide im Jahr 2020 geboren, fehlten.

Das ATE-Team war traurig, dass die PCs zwei Kälber verloren hatten. Erstaunlicherweise gab es aber auch zwei neue! Patience hatte ein männliches und Paris ein weibliches Kalb zur Welt gebracht. Paris ist Placidas Tochter, und diese kümmerte sich viel um ihre neue Enkelin, ein typisches Verhalten bei Elefanten. Großmütter stehen ihren Töchtern meistens sehr zur Seite, vor allem, wenn diese das erste mal ein Kalb bekommen. Einmal wurde Placidas Gruppe von Periwinkle angeführt, Patience folgte der Familie langsam mit ihrem Kalb, während sich Placida selbst in der Mitte der Familie aufhielt, gefolgt von ihrer noch winzigen Enkelin.

Manchmal säugen Elefantenkühe sogar die Kälber ihrer Töchter – und das schien auch hier der Fall zu sein. Da Placida ihr Kalb verloren, aber noch Milch hatte, war sie froh, ihre jüngste Enkelin zu säugen. Dadurch werden sich deren Überlebenschancen deutlich verbessern.

 

Hollie hat ein neues Baby
Hollie hat ein neues Baby

 

Es ist interessant, dass es trotz der Dürre mehrere Geburten in Amboseli gab. Das liegt daran, dass eine Elefantenkuh, die ihr Baby noch austrägt, weitaus weniger Nahrung benötigt als eine, die ihr Kalb bereits säugt. Daher waren viele Kühe sogar während der Dürre in der Lage, ihre Schwangerschaft auszutragen. Die eigentliche Herausforderung begann erst nach der Geburt, wenn es darum ging, das Kalb mit Milch zu versorgen.

Alles in allem ist es wirklich beeindruckend, wie die PCs es geschafft haben, die Dürre zu überstehen. In solchen Zeiten ist es sehr schwer, in Amboseli zurechtzukommen, und die Elefanten müssen kluge Entscheidungen treffen, um zu überleben. Placida hat ihre Familie wirklich gut geführt.

 

Die EBs verhielten sich während der letzten Monate sehr „dürretypisch“ und teilten sich in viele kleinere Gruppen auf, die sich verstreuten, um genug Nahrung zu finden. Trotzdem blieben auch sie von weiteren Verlusten nicht verschont, denn Elspeth und Eugenie verloren beide ihre 2020 geborenen weiblichen Kälber.

Wenigstens machten die anderen Familienmitglieder einen relativ guten Eindruck. Sowohl Enids als auch Edwinas Teil der EBs wurden häufig vom ATE-Team beobachtet. Enid selbst und ihre Tochter Elise bekam das Team allerdings nur einige Male zu sehen, denn die beiden hielten sich in einem anderen Teil des Parks auf. Doch auch sie schienen sich allmählich zu erholen.

 

Edwina aus der EB-Familie
Edwina aus der EB-Familie

 

Elana weidete regelmäßig alleine innerhalb des ATE-Camps und wirkte dabei sehr entspannt. Gelegentlich schloss sie sich mit Europa und Eliot zusammen und manchmal auch mit ihrer Mutter Edwina, doch meistens hielt sie sich in der Nähe des Camps auf.

Auch Eudora gehörte zu den regelmäßigen Besuchern des ATE-Camps, angelockt vom dort noch wachsenden Gras. Ihre Vertrautheit mit dem ATE-Team sicherte den EBs somit noch einige Ressourcen während dieser harten Zeit.

 

Europa, eine der EB-Kühe
Europa, eine der EB-Kühe

 

Die AAs blieben wie immer im Zentrum des Parks und folgten weitgehend ihrer üblichen Routine. Auch sie waren in viele kleine und kleinste Grüppchen aufgeteilt, von denen das ATE-Team während der letzten Monaten leider nicht alle zu sehen bekam.

Annan war nach dem Verlust ihres Kalbes etwas niedergeschlagen. Diesen natürlichen Trauerprozess durchlaufen fast alle wilden Elefantenkühe mindestens einmal in ihrem Leben. Ungewöhnlich für Annan war jedoch, dass sie sich nicht in Gesellschaft ihrer Mutter Astrid befand. Allerdings kann es während der Dürreperioden durchaus vorkommen, dass sich sogar Mütter und Töchter trennen.

Trotzdem befand sich das ATE-Team wegen Astrid in zunehmender Sorge, denn man hatte sie zuletzt Anfang Dezember gesehen, danach nicht mehr. Dies ist schon ungewöhnlich, vor allem, weil Astrid als Matriarchin der AAs normalerweise versucht, den Kontakt zu den anderen Familienmitgliedern aufrecht zu erhalten.  Bei wilden, frei umherstreifenden Elfanten ist es natürlich unmöglich, immer zu wissen, wo sich jedes einzelne Individuum aufhält. Doch eine Matriarchin so lange Zeit nicht mit ihrer Familie zu sehen, ist besorgniserregend, und das ATE-Team hat daher alle seine Partner im Ökosystem gebeten, ebenfalls nach Astrid Ausschau zu halten. Wir können nur hoffen, dass sie bald wieder gefunden wird und dass es ihr gut geht.

 

Arden aus der AA-Familie
Arden aus der AA-Familie

 

Ein Lichtblick war die Entdeckung, dass Ann im Januar ein neues Baby zur Welt gebracht hatte. Sie wurde zusammen mit Anghared und ihren älteren Kälbern gesehen. Alle weiblichen Kälber kümmerten sich rührend um den Neuzugang in der Familie.

Und Angelina hatte es geschafft, alle ihre Kälber durch diese schlimme Dürre zu bringen. Das ATE-Team freute sich sehr, dies festzustellen. Nach all den Verlusten der letzten Monate war es ein großer Trost zu sehen, dass von diesem Teil der AA-Familie alle Mitglieder überlebt hatten.

 

Angelina und ihre Kälber
Angelina und ihre Kälber

 

Auch die GBs waren während der letzten Monaten regelmäßig zu sehen. Golda hat ihren Teil der Familie gut zusammengehalten. Leider hatten aber auch sie einen Verlust:  Ghosts männliches Kalb aus dem Jahr 2020. Wenn man allerdings bedenkt, dass die GBs eine der größten Familien in Amboseli sind, wird klar, dass sie die Dürre doch besser als andere überstanden haben. Dies ist vor allem auch Goldas Führungsqualitäten zu verdanken.

 

Die FBs wurden vom ATE-Team leider nur bei wenigen Gelegenheiten entdeckt. Trotzdem konnte mit großer Erleichterung festgestellt werden, dass es auch ihnen gutging. Tatsächlich hatten sie die Dürre sogar noch besser als die GBs überstanden, denn sie waren eine der wenigen Familien, die überhaupt keine Verluste beklagen mussten! Alle Familienmitglieder hatten überlebt! Matriarchin Fanny ist eindeutig eine sehr erfahrene und weise Anführerin, und wir hoffen daher sehr, dass sie es schaffen wird, ihre Familie auch durch die kommenden trockenen Monate ohne Verluste zu führen.

 

Das ATE-Team traf auch die OAs mehrfach innerhalb des Parks an, sowohl die Gruppe von Onyx als auch die von Olympia. Sie verbrachten viel Zeit mit der Nahrungssuche in den Sümpfen. Dabei zeigten auch sie meistens das für Dürrezeiten typische Verhalten und teilten sich in mehrere Untergruppen auf.

Eines Abends gelang es dem Team, einen kleinen Teil der OAs zu beobachten, der bei beginnendem Sonnenuntergang gerade aus dem Sumpf herauskam. Zur großen und freudigen Überraschung sahen die Forscher, dass Okanja ein neues Kalb an ihrer Seite hatte! Möglicherweise war es ein Mädchen, doch im Dämmerlicht ließ sich das nicht genau erkennen. Bei der nächsten Begegnung hat das ATE-Team also gleich die Aufgabe, das Geschlecht von Okanjas Kalb sicher zu bestimmen.

 

Tabitha und ihre Kälber
Tabitha und ihre Kälber

 

Okanja war mit ihren beiden älteren Schwestern – Ololua und Orora – und deren Kälbern unterwegs. Oceana, Okafima und Oberon zeigten großes Interesse an dem neuen Kalb. Oberon begann sogar, das neue Kalb zu säugen. Dies ist bei Elefanten ein übliches Verhalten von Nannys, denn selbst wenn sie, wie Oberon, keine Milch haben, ist das Säugen für die Kälber doch oft von beruhigender Wirkung.

Als sich die Schwesterngruppe auf den Weg zur nächtlichen Nahrungssuche außerhalb des Parks machte, schloss sich ihnen Pakwach aus der PA-Familie an, ein Sohn von Matriarchin Puff. Er ist einer der Bullen, die derzeit ein Sender-Halsband tragen und Teil eines wichtigen Projekts sind. Es geht darum, besser zu verstehen, wie der Prozess des Unabhängigwerdens von ihren Familien abläuft und welche Gebiete die Bullen durchwandern – vor allem außerhalb des Parks.

Ohne dieses Wissen wäre es sehr schwierig, die Verantwortlichen für die Entwicklungspläne in der Region zu beraten und dabei die Bedürfnisse der Elefanten ausreichend zu vertreten. ATE arbeitet eng mit den Gemeinden und der Regierung zusammen, um sicherzustellen, dass die natürlichen Bewegungen der Elefanten berücksichtigt werden, wenn Pläne zur Erschließung des Landes für die menschliche Nutzung gemacht werden.

 

Pakwach wurde von zwei anderen, gerade unabhängig gewordenen jungen Bullen begleitet. Sie folgten den Schwestern, und ihre Anwesenheit war willkommen. Elefantenkühe stören sich normalerweise nicht an der Gesellschaft junger Bullen, solange diese sich ihnen und ihren Kälbern gegenüber ruhig und respektvoll verhalten. Tatsächlich ist es selten, dass ein Bulle in der Gegenwart von Kühen und Kälbern aggressives Verhalten zeigt. Das ATE-Team hat so etwas nur beoabachtet, wenn die Bullen untereinander in Streit geraten – was passieren kann, wenn sie um eine paarungsbereite Kuh konkurrieren.

 

Elton, ein Bulle aus der EA-Familie
Elton, ein Bulle aus der EA-Familie

 

Elefantenkühe halten sich von Bullen fern, die sich nicht ruhig und sanft verhalten, und sie sind auch eher bereit, sich mit Bullen zu paaren, die sie kennen und mögen. Deshalb ist es für diese langfristig von Vorteil, wenn sie in Gegenwart der Kühe und Kälber ein freundliches Verhalten zeigen und dadurch bereits in jungen Jahren Freundschaften mit Kühen schließen und diese dann weiter pflegen.

Doch Bullen verbringen nicht nur aus Gründen der Fortpflanzung gerne Zeit mit Kühen, sondern auch, weil Elefanten soziale Tiere sind, die gerne miteinander spielen und interagieren. Außerdem lernen jüngere Elefanten Überlebenstaktiken von den älteren. Daher ist die Gesellschaft von Familiengruppen oder älteren Bullen für Jungbullen, die noch lernen müssen, wie sie sich zurechtfinden und überleben, von großem Vorteil.

Insgesamt waren also Dezember und Januar für die Elefanten endlich wieder einigermaßen gute Zeiten, und sie begannen damit, sich zu regenerieren und ihre Kräfte zu stärken.

 

Cynthia Moss und ihr Team denken allerdings nicht ohne Sorge an die kommenden, vermutlich wieder sehr trockenen Monate. Natürlich hoffen sie, dass es früher und mehr regnen wird als vorhergesagt. Doch bereiten sie sich auch auf schwierige Zeiten vor. Vor allem versuchen sie, finanzielle Unterstützung zu erhalten, um im Fall einer neuen Dürre sowohl die Wildtiere wie auch die Menschen der benachbarten Gemeinden unterstützen zu können. Dabei kooperieren sie mit ihren Partnern im gesamten Amboseli-Gebiet.

Langfristig geht es darum, Amboseli als gesundes Ökosystem für die Elefanten und anderen Wildtiere zu erhalten. Dazu muss in erster Linie ausreichend Land als Lebensraum für die Wildtiere gesichert werden, und hierfür ist es unverzichtbar, mit den benachbarten Gemeinden zusammenzuarbeiten, um ihnen zu helfen, nachhaltige Einkommen zu erzielen und mit den Wildtieren ihrer Heimat friedlich zu koexistieren. Dies ist keine leichte Aufgabe, sondern eine enorme Herausforderung. Doch das hochengagierte und erfahrene Team des ATE wird sich ihr stellen und dafür kämpfen, dass Amboseli auch weiterhin eine lebenswerte Heimat für die Elefanten bleibt.