ATE News: April und Mai 2021

Mehrere Jahre hatte es in Amboseli nun äußerst ergiebige Niederschläge gegeben und dies setzte sich im April und Mai während der Großen Regenzeit erwartungsgemäß fort. Tatsächlich wurden im April 193mm und im Mai 80mm Niederschlag gemessen, was für Amboseli eine ziemliche Menge ist. Allerdings endeten die Regenfälle bereits ab Mitte Mai – etwas früher als üblich – und außerdem wurde es zum Monatsende ziemlich windig und kalt, wodurch das Land überraschend schnell austrocknete. Da die nächsten Regenfälle erst im Oktober zu erwarten sind steht zu befürchten, dass es in der Zwischenzeit, spätestens ab September, für die Wildtiere hart werden könnte – falls es nicht doch zwischendurch einmal regnet.

 

Three Holes, die Matriarichin der IAIC-Familie
Three Holes, die Matriarichin der IAIC-Familie

Im April war die Situation allerdings noch eine völlig andere. Da es bereits im Februar ungewöhnlich viel geregnet hatte führten die erneuten reichen Niederschläge in diesem Monat dazu, dass die meisten Elefanten den Amboseli-Nationalpark verließen und außerhalb nach Nahrung suchten.  Erst als die Regenfälle Mitte Mai endeten kehrten Elefanten und andere Wildtiere wieder in den Park zurück.

 

Eine sehr erfreuliche Entwicklung gab es in einem anderen Bereich: Der zweite nationale Lockdown in Kenia wurde wieder aufgehoben. Dadurch kam es endlich zu einer vorsichtigen Wiederbelebung des Tourismus. Wenn man bedenkt wieviele Menschen der lokalen Bevölkerung, NGO’s wie der Amboseli Trust for Elephants (ATE) und nicht zuletzt auch der Kenya Wildlife Service (KWS) auf Einnahmen aus diesem Bereich angewiesen sind, dann kann man nachvollziehen welche Erleichterung das Ende des Lockdowns für alle bedeutete.

 

Für ATE begann nun eine sehr arbeitsreiche Zeit. Zunächst wurde im Mai die nationale KWS-Wildtierzählung gestartet, ein riesiges, landesweites Projekt, welches die Erfassung aller größerer Wildtierarten in allen Parks, Naturschutzgebieten und Reservaten zum Ziel hatte.

Für ATE war dieses Projekt, welches die kenianische Regierung alle paar Jahre organisiert, sehr wichtig. Vor allem, weil die Kenntnis der jeweils aktuellen Wildtierzahlen eine notwendige Voraussetzung ist, um effektive Konzepte für Naturschutz und menschliche Landnutzung zu entwickeln.

 

Lydia von STE sucht nach einem Signal
Lydia von STE sucht nach einem Signal

 

Ebenfalls im Mai hatte ATE zwei Forscher von Save the Elephants (STE) zu Gast: Dr. Lydia Tyller und Ewan Brennan. Sie waren hier, um ATE bei einem Projekt zu unterstützen, welches die Wanderungen von Elefantenbullen erforschen soll. Dazu hatte man vor zwei Jahren acht Elefantenbullen mit GPS-Senderhalsbändern versehen. Diese Sender funktionieren zwei bis drei Jahre und werden daher noch ungefähr ein Jahr Daten liefern. Die Signale der Sender zu überprüfen und auszuwerten ist manchmal allerdings nicht ganz einfach und die beiden in dieser Sache sehr erfahrenen STE-Mitglieder waren dem ATE-Team eine sehr wertvolle Hilfe!

Neben dem GPS-Signal kann man von den Sendern auch ein sogenanntes VHF-Signal empfangen – sehr wichtig, falls das GPS einmal aus irgendeinem Grund ausfallen sollte. Man benötigt dafür allerdings eine entsprechende Ausrüstung. Lydia und Ewan brachten diese mit und vermittelten Techniken, wie man von den Sendern am effektivsten die benötigten Daten abrufen kann. Die Beiden blieben fünf Tage in Amboseli und es gelang während dieser Zeit fast alle Bullen mit Sendern aufzuspüren.

 

Jaeger, ein Bulle mit einem Sender, bei den BC- und TC-Familien
Jaeger, ein Bulle mit einem Sender, bei den BC- und TC-Familien

 

Für dieses Projekt hatte man jüngere Bullen ausgewählt, die sich gerade an der Schwelle zur Unabhängigkeit von ihren Geburtsfamilien befanden. Ziel ist es herauszufinden was genau sie während dieser Übergangszeit unternehmen, wohin sie wandern und mit wem sie sich zusammenschließen.

Noch ist das Projekt nicht abgeschlossen aber einige Erkenntnisse liegen bereits vor. So ist sicher, dass junge Bullen nach Erreichen ihrer Unabhängigkeit viel Zeit mit anderen Familiengruppen verbringen. Auch die Unabhängigkeit selbst ist kein plötzlich entretendes Ereignis, sondern ein allmählicher Prozess der bei einzelnen Bullen sehr verschieden abläuft. Es gibt kein bestimmtes Alter, ab dem Bullen automatisch unabhängig werden.

Ein Bulle gilt als vollständig unabhängig, wenn er mindestens drei Monate lang bei mehr als  80 Prozent seiner Sichtungen ohne seine Geburtsfamilie angetroffen wurde. Das durchschnittliche Alter der Selbständigkeit beträgt dabei 14 Jahre, mit einer Spanne von 8 bis 19 Jahren.

 

Leroy, ein noch jüngerer Bulle mit bereits beeindruckenden Stoßzähnen
Leroy, ein noch jüngerer Bulle mit bereits beeindruckenden Stoßzähnen

 

Viele Bullen lassen den Kontakt zu ihren Geburtsfamilien auch als Erwachsene nie völlig abreißen, doch verbringen sie definitiv immer weniger Zeit mit ihnen. Jungbullen sind nach dem Beginn der Unabhängigkeit noch in 53,2 Prozent der Sichtungen mit ihren Familien zusammen, voll ausgewachsene Bullen dagegen nur noch in 14 Prozent ihrer Zeit.

 

Noch immer ist die Vorstellung weitverbreitet, dass männliche Elefanten ein einsames Dasein führen, sobald sie ihre Familien verlassen. Doch die Forschung von ATE hat gezeigt, dass dies nicht der Fall ist: Auch Bullen verbringen die meiste Zeit in Gesellschaft anderer Elefanten. Wieviel genau hängt vom jeweiligen individuellen Charakter ab.

 

Die Senderdaten enthüllten einige sehr interessante neue Einblicke in den Bewegungsradius von Jungbullen und wie sie lernen, in einem stark von Menschen bevölkerten Ökosystem wie Amboseli alleine zu überleben. Ein Thema, das heute wichtiger ist denn je!

 

Ewan von STE und Katito von ATE überprüfen das VHF-Signal von Garangos Sender.
Ewan von STE und Katito von ATE überprüfen das VHF-Signal von Garangos Sender.

 

Der Besuch von Lydia und Ewan war auch eine gute Gelegenheit, um die Projekte des anderen und aktuelle Forschungsziele kennenzulernen; es wurde sogar darüber nachgedacht künftig gemeinsam an einigen Projekten zu arbeiten. Beispielsweise bei der Erforschung der Wanderungen von Elefanten zwischen Tsavo und Amboseli. Ebenfalls ein Thema, dem in den nächsten Jahren größte Bedeutung zukommen wird.

 

Wie schon erwähnt wurden während der letzten Monate nur wenige Elefantenfamilien regelmäßig gesehen. Eine von ihnen war Placidas Gruppe von den PC’s. Die Mitglieder dieser Familie sahen wirklich gut aus und sie waren während der meisten Tage an den gleichen Orten anzutreffen.

 

Placida, die Matriarchin der PC-Familie
Placida, die Matriarchin der PC-Familie

 

Ein anderer Teil der PC’s, Petulas Gruppe, zog etwas weiter nördlich umher und die ATE-Feldforscher sahen sie nur zweimal; davon einmal in Begleitung von Garango, einem der besenderten Jungbullen.

 

Auch die AA’s wurden sowohl im April wie im Mai häufig gesichtet. Sie sind eindeutig die „sesshafteste“ Familie im Park. Doch sogar bei ihnen gab es Tage, manchmal sogar mehrer hintereinander, an denen sie nicht zu sehen waren. Angelinas Zwillinge wuchsen deutlich und schienen in guter Verfassung zu sein. Auch dem neuesten Mitglied der AA’s, Artemis Baby, ging es offenbar bestens. Es ist ein sehr aktives kleines Kalb und sieht gesund aus. Wir hoffen dies bleibt auch so falls es später im Jahr tatsächlich trockener und das Leben für die Elefanten härter wird.

 

An einem Tag hatten die AA’s sogar einen Besucher in ihrer Mitte: Chemosit, den 34 Jahre alten Sohn Celestes aus der CB-Familie. Dies ist für die AA’s nicht ungewöhnlich, da sie sich gegenüber fremden Bullen, sowohl jüngeren wie voll ausgewachsenen, generell sehr gastfreundlich zeigen. Vor allem seit Astrid die Rolle der Matriarchin übernommen hat.

 

Im Unterschied zu den AA’s wurden die EB’s seit dem 29. März gar nicht mehr gesehen. Offenbar ist ihre Matriarchin Enid dabei neue Verhaltensmuster zu entwickeln und hat sich dafür entschieden, mehrere Monate außerhalb des Parks zu verbringen. Die EB’s wandern gerne in Richtung Kilimanjaro, vielleicht sogar bis ins Nachbarland Tansania. Enids Mutter, die frühere Matriarchin Echo, war sehr ortstreu und blieb die meiste Zeit innerhalb des Parks. Doch eine neue Matriarchin in Kombination mit Veränderungen im Ökosystem sowie der menschlichen Landnutzung kann auch das Wanderverhalten einer Elefantenfamilie verändern. Und es scheint, dass Enid ihre Wahl getroffen hat. Interessanterweise sind Edwina und ihre Kälber bei Enids Gruppe. Edwina zeigte lange die Tendenz sich mit ihren Kälbern von den anderen EB’s etwas abzusondern. Obwohl sie immer Enid’s Nähe suchte, hielt sie sich deutlich vom Rest der Familie fern. In letzter Zeit scheint sich ihre Bindung zu Enid aber noch verstärkt zu haben und deshalb ist sie jetzt wohl auch bereit ihre Distanz zu den anderen EB’s aufzugeben. Enid scheint es zu gelingen ihre Familie weiter als stabile Gruppe zusammen zu halten. Die einzige Ausnahme ist Ella, die jetzige Matriarchin der EB2-Familie, da sie keine Zeit mehr mit Enid’s Teil der Familie verbringt. Die EB’s zeigen gerade sehr gut die Dynamik, die innerhalb der gesellschaftlichen Organisation von Elefanten existiert.

 

Equinox, ein Bulle aus der EA-Familie
Equinox, ein Bulle aus der EA-Familie

 

Viele andere Elefantenfamilien hatten, wie schon erwähnt, im April den Park verlassen, kehrten aber im Mai wieder zurück.

Zu ihnen gehörten die FB’s, nach denen das ATE-Team allerdings mehrere Tage suchen musste – bevor sie schließlich direkt am Rand einer der durch den Park führenden Straßen entdeckt wurden. Flossie war leider nicht dabei, doch das war nicht überraschend, da sie dazu neigt, für sich zu bleiben.

Erfreulicherweise sahen alle Familienmitglieder gut aus. Die Kälber waren sehr verspielt und jagten sich dramatisch und wild trompetend durch die Gegend. Es machte große Freude ihnen dabei zuzusehen, denn spielende Kälber sind gesunde Kälber!

 

Auch die GB’s kehrten im Mai in den Park zurück, nachdem sie zwei Monate weggewesen waren. Das ATE-Team war erleichtert festzustellen, dass es auch ihnen allen gut ging!

Glaze, die im Jahr 2000 geborene Tochter von Galana, befand sich gerade zum ersten Mal im Östrus. Sie wurde von Finn bewacht, der in Musth war und sicherstellen wollte, dass sich kein anderer Bulle mit ihr paarte. Tatsächlich hielten sich noch weitere Bullen in der Nähe auf: Teejay, der sich ebenfalls in Musth befand, sowie Griffen und Baringo.

 

Baringo
Baringo

 

Finn stammt aus der FD-Familie und wurde 1983 als Sohn von Fernanda geboren. Der 1987 geborene Baringo, der 1988 geborene Teejay und der 1995 geborene Griffen waren somit alle jünger und der 38 Jahre alte Finn konnte seine Dominanz ihnen gegenüber behaupten. Bei Baringo und Griffen erreichte er dies allein auch schon durch seinen Musth-Status. Teejay musste er hingegen durch seine Größe und Stärke beeindrucken.

 

Eines Nachmittags gab es für die ATE-Feldforscherinnen eine besonders freudige Überraschung: Sie beobachteten gerade die GB’s, die sich in Gesellschaft der IB’s befanden, als sie plötzlich ein winziges aber schon unglaublich aktives Neugeborenes neben Garamba herumlaufen sahen! Es hatte immer noch rosa Ohren, was darauf hindeutete, dass es erst ein paar Tage alt war! Was für eine wunderbare Entdeckung! Garamba hatte bisher bereits fünf Kälber zur Welt gebracht und dieses ist nun ihr sechstes. Allerdings waren drei leider bereits gestorben. Somit hat Garamba jetzt drei lebende Kälber: Ein 2011 geborener Bulle, ein 2018 geborenes Mädchen und nun dieses neue Baby aus 2021. Natürlich schauten die Feldforscherinnen genau hin und konnten feststellen, dass es sich bei Garamba’s Neugeborenem um einen kleinen Jungen handelte.

 

Das neugeborene Kalb von Garamba aus der GB-Familie
Das neugeborene Kalb von Garamba aus der GB-Familie

 

Alle hoffen, dass er die nächsten Monate überstehen wird, die eine harte Zeit für die Elefanten werden könnten. Aber Garamba hat bereits genug Erfahrung, um zu wissen, wie man auch durch etwas längere Trockenzeiten kommt.

 

Eine weitere Familie, die im Mai regelmäßig beobachtet wurde, waren die OA2 – eine Splittergruppe der OA’s. Diese Gruppe besteht aus Orabels Töchtern Onyx, Omo River und Open mit ihren Kälbern sowie Orabels jüngeren Kälbern Oshopong und Osha, die von ihren älteren Schwestern aufgezogen werden.

Manchmal kommt es durchaus vor, dass sie mit Olympia’s Gruppe zusammen sind. Doch im Allgemeinen bevorzugen sie es, ihre Zeit für sich allein zu verbringen. Allerdings wurden die OA2 oft in der Gesellschaft anderer Familien angetroffen, vor allem mit den GB’s, den CB’s und den IB’s. Diese sind alle enge Freunde der OA’s, insbesondere die CB’s, die viel Zeit mit ihnen verbringen.

 

Junge Bullen der OA-Familie beim Spiel
Junge Bullen der OA-Familie beim Spiel

 

Olympia wurde leider nur einmal im Mai gesehen doch auch ihre Gruppe schien sich in guter Verfassung zu befinden und sie hatte ebenfalls eine kleine Überraschung dabei: Ein neues Kalb, ein Mädchen, welches sie in der Zwischenzeit zur Welt gebracht hatte.

 

Das Team des Amboseli Trust for Elephants verfolgt nun seit fast 50 Jahren die Wege der Elefanten Amboselis und setzt sich mit ganzer Kraft für ihren Schutz ein. In einer Zeit großer Veränderungen wird dies künftig noch wichtiger werden, damit Amboseli weiterhin ein sicherer Ort für die Elefanten bleibt an dem sie so leben können wie sie es immer getan haben und es ihrer Art entspricht.