ATE News: April und Mai 2022

April und Mai sind normalerweise die niederschlagsreichsten Monate in Amboseli, doch in diesem Jahr waren die Regenfälle fast vollständig ausgeblieben, und anstelle der „Großen Regenzeit“ gab es den Beginn einer neuen schlimmen Dürreperiode. Auf die Elefanten und andere Wildtiere, die Menschen der umliegenden Gebiete und ihr Vieh werden harte Zeiten zukommen, bis es Ende Oktober oder Anfang November hoffentlich wieder regnet. Wasser als solches ist in Amboseli zwar immer in den Sümpfen zu finden, doch die Weideflächen veröden, und die Nahrung wird knapp.

Viele Elefanten – auch solche, die sonst meistens außerhalb des Parks unterwegs sind –  kehrten in das Zentrum des Schutzgebiets zurück. Hier finden sie in den Sumpfgebieten während der Trockenzeiten noch die verlässlichsten und ergiebigsten Nahrungsressourcen.

 

Elefanten am Rand eines Sumpfes.
Elefanten am Rand eines Sumpfes

Die Situation war allerdings auch gerade deshalb sehr schwierig, weil es in den Jahren zuvor ungewöhnlich viel geregnet hatte. Dadurch waren die Bestände der Wildtiere und des Viehs stark angewachsen, was nun zu einem besonders starken Druck auf die verbliebene Nahrung führte.

Die Zahl der Gnus und Zebras in Amboseli war so hoch wie nie zuvor, seit der Amboseli Trust for Elephants (ATE) vor 50 Jahren mit seinen Aufzeichnungen begonnen hatte. Und auch bei den Elefanten hatte es im Jahr 2020 einen Baby-Boom gegeben, der ihre Population um fast 240 Tiere anwachsen ließ.

 

Die Zahl der Wildtiere in Amboseli ist sehr groß.
Die Zahl der Wildtiere in Amboseli ist sehr hoch

 

Grundsätzlich kommen Elefanten mit Trockenzeiten relativ gut zurecht, und so war die Situation für sie bis jetzt noch nicht wirklich problematisch. Die kommenden Monate werden allerdings für alle sehr hart werden, denn eine echte Dürre ist mit einer normalen Trockenzeit nicht vergleichbar.

Und wenn auch Dürren in Amboseli keine Seltenheit sind, sondern dort zum Leben der Tiere und Menschen gehören, so bedeutet das nicht, dass es einfach ist, sie zu bewältigen.

Leider nimmt die Häufigkeit extremer Trockenzeiten infolge des Klimawandels deutlich zu, und weitere Faktoren wie menschliches Bevölkerungswachstum und Änderungen in der Landnutzung verschlimmern ihre Auswirkungen noch.

Bei den Elefanten kommt es jetzt wieder besonders auf die Erfahrung der Matriarchinnen an. Diese haben im Laufe ihres Lebens unterschiedliche Strategien entwickelt, um mit solch harten Bedingungen zurechtzukommen. Das ist sehr vorteilhaft, da so möglichst viele der letzten Nahrungsressourcen genutzt werden können.

 

Die OB-Familie kehrt in den Park zurück.
Die OB-Familie kehrt in den Park zurück

 

Manche Familien wie die EBs und PCs waren noch außerhalb des Parks unterwegs, um dort die letzten Weideflächen zu nutzen. Das ATE-Team bekam sie daher im April und Mai gar nicht zu sehen. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden sie aber im Juni zurückkehren, wenn Nahrung fast nur noch in den Sümpfen und einigen benachbarten Wäldern zu finden sein wird.

Viele Elefanten hielten sich aber bereits jetzt innerhalb des Parks auf; darunter relativ standorttreue Familien wie die AAs, GBs, FBs oder OAs, die man das ganze Jahr über fast immer im Park antrifft, aber auch Familien, die gewöhnlich außerhalb der Parkgrenzen umherziehen und deshalb nur selten zu sehen sind wie beispielsweise die QBs und die ZCs, die normalerweise viel Zeit in Tansania verbringen. In beiden Familien gab es neue Kälber, die das ATE-Team noch nie zuvor gesehen hatte. Es war sehr erfreulich festzustellen, dass diese relativ kleinen und nur schwer verfolgbaren Familien Zuwachs erhalten hatten.

 

Die QB-Familie ist in den Park zurück gekehrt.
Auch die QB-Familie ist in den Park zurück gekehrt

 

Die KAs, die sich gerne im nördlichen Teil des Ökosystems aufhalten, kamen ebenfalls in den Park zurück und auch bei ihnen gab es mehrere neue Kälber. Diese Familie wurde von einem Musth-Bullen namens Kijana begleitet. Kijana ist der Sohn Kleos aus der KB2-Familie und wurde 1994 geboren. Er ist ein ruhiger und gutaussehender Bulle. und die KA-Kühe hatten ihn gerne in ihrer Gesellschaft.

Bei vielen Familien, vor allem den größeren, waren nur sehr selten alle Mitglieder zusammen. Meistens teilten sie sich in kleinere Gruppen auf, für die es einfacher war, ausreichend Nahrung zu finden. Dieser Strategie folgten beispielsweise die AAs, die FBs, die GBs und die OAs.

 

Angelina von den AAs mit ihrem überlebendem Zwillingskalb.
Angelina von den AAs mit ihrem überlebendem Zwillingskalb

 

Die AAs hielten sich oft in der Nähe des ATE-Camps auf. Sie waren gleich in mehrere Gruppen aufgeteilt, die aber nah genug beieinander blieben, um miteinander kommunizieren zu können – vor allem über Töne im (für menschliche Ohren unhörbaren) Infraschall-Bereich. Angelina war zusammen mit ihren Kälbern unterwegs. Ihre kleine Tochter hat ihre Größe seit dem Verlust ihres Zwillingsbruders fast verdoppelt. Dass sie nicht mehr um die Milch konkurrieren muss, hat ihr sehr gut getan, was sich an ihrem enormen Wachstum während der letzten Monate deutlich zeigte.

Astrid wurde ungewöhnlicherweise fast nur mit ihren jüngeren Kälbern gesehen, ohne ihre ältere Tochter Annan. Erst später im Mai waren sie wieder zusammen.

Dafür war Anson, der verwaiste Sohn Alexandras, oft bei Annan. Dank der Unterstützung durch die anderen Familienmitglieder geht es ihm sehr gut.  Einmal kam er zusammen mit Annan und ihrem Kalb direkt in das ATE-Camp, um hier den ganzen Vormittag über zu weiden. Die AAs fühlen sich inzwischen sowohl innerhalb wie außerhalb des Camps sehr wohl – bisher ein Privileg der  EB-Familie. Die EBs sind in den letzten Jahren allerdings immer häufiger außerhalb des Parks unterwegs gewesen, und so ist zu hoffen, dass sie nicht zu verärgert sind, wenn sie bei ihrer Rückkehr ihre bevorzugten Weidegründe bereits besetzt vorfinden.

 

Annan, die Tochter Astrids, der Matriarchin der AAs.
Annan, die Tochter Astrids, der Matriarchin der AAs

 

Abra und Acholi bildeten mit ihren Kälbern ebenfalls eine eigene Gruppe und hielten sich etwas entfernter von Astrid und Angelina auf. Sie hatten einen jungen Bullen aus der IAIC-Familie namens Ibrahima in ihrer Mitte. Er wurde 2002 von Isla geboren und lebt bereits unabhängig. Unabhängige Elefantenbullen verbringen oft Zeit mit Familiengruppen, und speziell Ibrahima kannte die AAs schon, als er noch ein kleines Kalb war, da seine Familie dieselben Weidegründe wie die AAs nutzt (Elefantenfamilien sind nicht besonders territorial, und verschiedene Gruppen können dasselbe Gebiet gemeinsam nutzen). Die AAs fühlten sich in seiner Gegenwart sehr wohl, und es wirkte als wäre er ein Teil der Familie. Wer nicht über das Wissen des ATE-Teams verfügt, wäre kaum auf die Idee gekommen, dass Ibrahima nur ein Gast war.

Eine AA-Gruppe wurde von Ann geführt, die erst Ende letzten Jahres ein Kalb geboren hatte. Erfreulicherweise ging es ihm bis jetzt sehr gut.

 

Ann von den AAs mit ihren Kälbern.
Ann von den AAs mit ihren Kälbern

 

Ann's jüngstes Kalb.
Anns jüngstes Kalb

 

Die OAs und die FBs waren ebenfalls oft in den Sümpfen anzutreffen, allerdings ziemlich weit verstreut. Auch sie machten alle noch einen recht stabilen Eindruck.

Fadila und Fizz waren mit ihren Kälbern zusammen, doch ohne Fanny. Fadila, Fizz und Fezara sind die Töchter von Felicity und bleiben immer zusammen. Schwestern sind in Elefantenfamilien sehr eng miteinander verbunden und versuchen auch dann, wenn die Familie sich aufteilen muss, in einer Gruppe zu bleiben.

Möglicherweise war Fanny gar nicht so weit von ihnen entfernt und konnte nur nicht entdeckt werden. Das ist leicht möglich, da man Elefanten nur schwer identifizieren kann, wenn sie sich tiefer im Sumpf befinden.

 

Elefant mit Kuhreiher mitten im Sumpf.
Elefant mit Kuhreiher mitten im Sumpf

 

Gails Gruppe von den GBs wurde oft in der Nähe des ATE-Camps angetroffen. Dies scheint inzwischen ihr bevorzugtes Streifgebiet zu sein. Das ATE-Camp liegt in einem Wald mit vielen Palmen, Akazien und kleineren Sumpfflächen, die den Elefanten vor allem in den trockenen Monaten viel Nahrung bieten. Zahlreiche Elefanten durchqueren diesen Wald, aber nur wenige bleiben länger hier. Gails Gruppe ist immer öfter unter denjenigen zu finden, die sich in der Umgebung des Camps aufhalten. Golda war hingegen meistens in einem anderen, aber nahe gelegenen Gebiet anzutreffen, wo auch viele weitere Elefanten versammelt waren. Bisher sehen alle GB-Familienmitglieder gut aus, und ihre Kälber sind in bester Verfassung.

Einmal wurden Gail und Galileo gesehen, wie sie mit ihren Kälbern im Sumpf nach Nahrung suchten. Die Kälber folgten ihren Müttern allerdings nicht hinein, sondern warteten am Rande des Sumpfes auf sie. Das ist eine gute Strategie. Wenn Kälber ihren Müttern in die Sümpfe folgen müssen, so strengt sie das stundenlange Waten durch den Schlamm sehr an. Außerdem können die Kälber während dieser Zeit kaum gesäugt werden. Es ist für den Nachwuchs viel weniger anstrengend, wenn sie am Rand des Sumpfes zurückbleiben können – idealerweise unter der Aufsicht einiger Kindermädchen. Familien, die ihre Kälber gewöhnlich mit in die Sümpfe nehmen, haben leider oft eine sehr hohe Kälbersterblichkeit.

 

Elefanten teilen die Weideflächen mit anderen Tieren.
Die Elefanten in Amboseli teilen die Weideflächen mit vielen anderen Tieren

 

Noch sind die Elefanten Amboselis mit der sich anbahnenden Dürre zurecht gekommen. Man kann nur hoffen, dass ihnen dies auch während der folgenden Monate gelingt. Noch besser wäre es, wenn es zwischendurch einmal regnen würde, doch diese Chance ist sehr gering. Wahrscheinlich werden die Elefanten bis Ende Oktober oder Anfang November auf den Regen warten müssen.