ATE News: August und September 2019

News vom Amboseli-Trust-for-Elephants – die Monate August und September 2019:

 

Die letzten Wochen einer Trockenperiode sind sowohl für die Wildtiere wie die Menschen im Amboseli-Ökosystem eine schwere Zeit. Wasser und Nahrung werden knapp und alle konzentrieren sich auf die Suche nach den letzten verfügbaren Ressourcen.

Trinkwasser ist in Amboseli zwar immer ausreichend vorhanden, da die Sümpfe im Zentrum des Parks das gesamte Jahr durch unterirdische Zuflüsse mit Schmelzwasser vom Kilimanjaro gespeist werden. Doch die Savannen verdorren und für die Pflanzenfresser beginnt eine schwere Zeit.

So war es auch im August und September diesen Jahres.

 

Elefanten in der austrocknenden Savanne
Elefanten in der austrocknenden Savanne

 

Die harten Zeiten wirkten sich sogar auf das Verhalten zwischen den verschiedenen Elefantenfamilien aus. Grundsätzlich teilen sich diese ihren Lebensraum friedlich. Denn Elefanten sind nicht territorial. Jede Familiengruppe nutzt zwar bestimmte Lebensräume, ist aber bereit diese mit anderen zu teilen. So überschneiden sich ihre Streifgebiete oft und gelegentlich unternehmen sie auch weite Wanderungen durch „fremde“ Gebiete. Dies wird normalerweise toleriert. Viele Familien sind sogar gut befreundet und freuen sich über Begegnungen und gegenseitige Besuche.

 

Dies kann sich allerdings in Zeiten des Nahrungsmangels etwas ändern. Dann werden sich zumindest weniger eng befreundete Familien als Konkurrenten betrachten und versuchen die letzten ergiebigen Nahrungsquellen für sich zu behaupten. Dabei kann es sogar zu Streitigkeiten, verbunden mit kleineren Rangeleien, kommen. Diese sind zwar gewöhnlich eher harmloser Natur und kein Vergleich mit Kämpfen, wie sie bei anderen Arten stattfinden, doch stellen sie trotzdem deutliche Abweichungen vom normalen Verhalten dar. Letztlich zeigt sich dadurch wie schwer es für die Grauen Riesen wird genug Nahrung zu finden und welchen Belastungen sie, vor allem die Matriarchinnen, ausgesetzt sind.

 

Eine Elefantenkuh aus Amboseli
Eine Elefantenkuh aus Amboseli

 

Der Palmenwald, in dem sich das Camp des Amboseli Trust for Elephants befindet, bildet normalerweise das Kerngebiet der EB-Familie. Früher, als ihre legendäre Matriarchin Echo noch lebte, waren sie den Großteil des Jahres hier anzutreffen. Cynthia Moss hatte auch aus diesem Grund entschieden sich für einige Dokus, die in den 80er und 90er Jahren gedreht wurden, auf die EB’s und ihre Leitkuh zu konzentrieren.

Seit Echos Tod hat sich die Situation jedoch etwas geändert. Ein Teil der Familie hält sich unter der Führung Ellas meistens außerhalb des Parks, weiter im Norden, auf. Und der Hauptteil der EB’s folgt zwar Echos Tochter Enid, welche dazu tendiert sich weitgehend im selben Gebiet aufzuhalten wie ihre Mutter. Doch während der letzten Monate war auch sie von ihrer Routine abgewichen und wurde zusammen mit ihrer Gruppe wochenlang kaum gesehen. Vermutlich waren sie über die Grenze bis ins benachbarte Tansania gewandert.

 

Wandernde Elefantenfamilie
Wandernde Elefantenfamilie

 

Dies blieb nicht unbemerkt und andere Familien, vor allem die AA’s und die PC’s, nutzten die Gelegenheit um ihre Streifgebiete in den Palmenwald auszudehnen.

 

Als Enid mit Eliot, Edwina und den anderen Mitgliedern ihre Gruppe nach Amboseli zurückkehrte war es für sie eine unangenehme Überraschung ihre wichtigsten Weidegründe von anderen Familien besetzt vorzufinden. Das ATE-Team beobachtete, dass die EB’s daraufhin versuchten die anderen Familien, vor allem die AA’s, durch Dominanzverhalten einzuschüchtern.

Offenbar kam es sogar zu kleineren Rangeleien. Jedenfalls entdeckte man ziemlich eindeutige Spuren in Form von kleineren Verletzungen, welche von Stoßzähnen verursacht worden waren. Arden hatte solche Kratzer an ihrer Seite und Eugenie an ihrem Hinterteil.

 

Für die AA’s mit ihrer noch relativ jungen Matriarchin Astrid waren diese Konflikte eine echte Herausforderung, doch zur Überraschung des ATE-Teams haben sie sich recht gut behauptet! Astrid nimmt ihre neue Aufgabe offenbar sehr ernst und strengt sich sehr an, um ihre Familie zusammenzuhalten. So konnten sie den EB’s besser die Stirn bieten.

 

Elefantenkühe mit Kälbern - und Kuhreihern
Elefantenkühe mit Kälbern

 

Die wichtigste Taktik besteht in solchen Situationen allerdings ohnehin darin sich möglichst aus dem Weg zu gehen. Sobald fremde Familien die eigentlichen Bewohner eines Gebiets entdecken ziehen sie sich meistens außer Sicht zurück. Erst nachdem die ansässige Familie weitergezogen ist tauchen sie wieder auf.

 

Man kann auch beobachten, dass einige Familien grundsätzlich verschiedene Strategien verfolgen um in den kargen Zeiten zurecht zu kommen.

 

Manche verhalten sich eher dominant. Dies ist vor allem bei großen Gruppen der Fall. Allerdings spielen neben der zahlenmäßigen Stärke auch das Alter und die Erfahrung der Matriarchin eine wichtige Rolle. Denn bei sehr großen Familien kommt es auch intern häufiger zu Spannungen und dann hängt es davon ab, wie die Leitkuh damit umgeht.

 

Kleinere Familien und solche mit jüngeren Matriarchinnen verhalten sich vorsichtiger und suchen gezielt nach Nischen, in denen sie relativ ungestört Nahrung finden können. Dabei haben sie den Vorteil, dass sie untereinander nur relativ wenig Konflikte bewältigen müssen.

 

Elefantenkuh mit Kuhreiher
Eine Elefantenkuh in Begleitung eines Kuhreihers

 

Möglicherweise ist das ein Grund, weshalb sich auch einige der größeren Familiengruppen während der Trockenzeiten in kleinere Einheiten aufteilen und nur gelegentlich zusammen kommen. Dies war bei den GB’s der Fall, welche die meiste Zeit in kleineren Gruppen unterwegs waren, die sich allerdings oft in Gesellschaft befreundeter Familien befanden.

Nur einmal konnte ein ATE-Team die gesamte GB-Familie, angeführt von ihrer Matriarchin Golda, zusammen beobachten. Dies war ein beeindruckender Anblick, da diese Familie inzwischen aus 51 Mitgliedern besteht!

 

Die Mitarbeiter/innen vom ATE mussten allerdings auch traurige Erfahrungen machen. Am 4. September wurde klar, dass drei Mitglieder der EB-Familie, Enya, Erica und Ericas 2017 geborenes Kalb, wohl verstorben sind.

 

Manchmal kommt es zwar vor, dass Elefanten für einige Zeit verschwinden und nach einiger Zeit wieder auftauchen. Doch dies ist bei Enya, Erica und ihrem Kalb wohl leider nicht der Fall. Enya wurde seit Februar und Erica mit ihrem Kalb seit Mai nicht mehr gesehen.

Gerade bei Enya ist es unwahrscheinlich, dass sie mehrere Monate lang nicht bei ihrer Mutter Eleanor gewesen wäre. Sie war zwar bereits 15 Jahre alt und es hätte sein können, dass sie in den Östrus kam und während dieser Zeit kurzzeitig vom Hauptteil ihrer Familie getrennt wurde. Aber auch in diesem Fall wäre sie schon längst wieder zurückgekehrt. Bei Bullen ist es normal, dass sie für Monate oder sogar Jahre verschwinden, bei Kühen nicht.

 

Elefantenkuh mit Kalb
Elefantenkuh mit Kalb am Rand eines Sumpfes

 

Über die möglichen Todesursachen kann nur spekuliert werden. Allerdings waren die drei verschwundenen Elefanten noch jung und gesund. Daher sind natürliche Ursachen eher auszuschließen.

Mensch-Wildtier-Konflikte müssen hingegen leider sehr in Betracht gezogen werden, da diese in den letzten Monaten, vor allem während der Trockenzeiten, zugenommen haben. Immer wieder wurden Elefanten vergiftet oder gespeert. Und da die EB’s zu jenen Familien gehören, die sich oft in außerhalb der Parkgrenzen liegende Gebiete wagen und sogar bis nach Tansania ziehen, müssen Auseinandersetzungen mit Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit als Ursache für das Verschwinden von Enya, Erica und ihrem Kalb angenommen werden.

 

Amboseli ist ein Gebiet, in dem Mensch-Wildtier-Konflikte eine sehr große Herausforderung bilden. Der Nationalpark ist zu klein als dass alle Elefanten das gesamte Jahr über darin leben könnten. Sie sind immer wieder darauf angewiesen auch außerhalb liegende Gebiete aufzusuchen – vor allem wenn die Weideflächen während der Trockenzeiten schrumpfen.

Gleichzeitig wächst die menschliche Bevölkerung Kenias rasant und deshalb wird jedes Jahr mehr Wildnis in Farmland umgewandelt. Es ist absolut verständlich, dass die Wildtiere die Felder in ihren ehemaligen Streifgebieten weiterhin als Weideflächen betrachten. Andererseits stellt dies für die Farmer eine Katastrophe dar, da sie in einer Nacht ihre gesamte Ernte verlieren können.

Ein Lösung für diese Probleme kann es nur geben, wenn es gelingt die Bedürfnisse von Menschen und Wildtieren gleichermaßen zu berücksichtigen. Und vor allem, wenn das weitere Anwachsen der menschlichen Bevölkerung beenden wird.

 

Organisationen wie der ATE, die kenianische Regierung sowie die Führer der lokalen Gemeinden arbeiten hart daran diese Ziele zu erreichen. Doch trotz ihres Engagements und vieler Erfolge kommt es leider noch immer wieder zu Todesfällen sowohl bei Menschen als auch bei Elefanten. Dies ist sehr deprimierend! Doch die Mitarbeiter/innen von ATE lassen sich dadurch nicht entmutigen, denn sie wissen, nur wenn es gelingt einen Weg für ein friedliches Zusammenleben zu finden, werden die Elefanten überleben. Und dafür werden sie sich weiter mit aller Kraft einsetzen.