ATE News: Dezember 2020 und Januar 2021

News vom Amboseli Trust for Elephants – die Monate Dezember 2020 und Januar 2021:

 

Dezember und Januar gehören zu den schönsten Monaten in Amboseli. Nach der Regenzeit ist das Land noch überall von frischem Grün bedeckt und viele Elefanten, die vorher monatelang außerhalb des Parks unterwegs gewesen waren, kehren wieder in den Park zurück. Denn während nun die meisten der außerhalb liegenden Wasserstellen austrocknen werden die Sümpfe im Zentrum Amboselis das ganze Jahr mit Schmelzwasser vom Kilimanjaro versorgt.

 

Die Corona-Pandemie machte 2020 für die Menschen zu einem sehr harten Jahr, doch für die Elefanten Amboselis galt dies erfreulicherweise nicht! Im Gegenteil! Letztes Jahr erlebte Amboseli einen rekordverdächtigen Boom bei Elefantenbabys, wodurch die Population um über 200 Tiere wuchs. Hinzu kam, dass es 2020 keinen einzigen Fall von Wilderei gab!

 

Three Holes Kalb von der IAIC-Familie
Three Holes Kalb von der IAIC-Familie

Der Tourismus hatte allerdings infolge der Pandemie-Bekämpfung einen enormen Einbruch erlitten. Vor allem die internationalen Gäste fehlten und fast ausschließlich kenianische Besucher hielten die Lodges und Camps geradeso über Wasser. Viele Menschen verloren ihr Einkommen und mussten zur Landwirtschaft zurückkehren, was die Konkurrenz um Ressourcen erhöhte.

 

Im Camp des Amboseli Trust for Elephants (ATE) gab es hingegen recht viele Besucher – und zwar sogar sehr willkommene: Elefanten. Mehrere Familien schauten regelmässig vorbei. Einerseits vielleicht um das ihnen gut bekannte Team zu besuchen, andererseits aber auch, weil der Oltukai Orok Wald, in dem das Camp liegt, viel Nahrung bietet.

 

Zu den häufigsten Besuchern gehörten die AA’s. Sie verbrachten viel Zeit im Park und es ging ihnen allen gut. Angelinas Zwillinge wuchsen weiter und es war sehr beruhigend zu sehen, dass sie beide Kälber ausreichend säugen konnte. Sie sahen sicher nicht so rundlich aus wie andere Kälber, die ständig alle Milch ihrer Mütter für sich haben, doch unter Berücksichtigung ihrer speziellen Situation befanden sie sich in wirklich guter Verfassung.

 

Mitglieder der AA-Familie beim Schlammbad
Mitglieder der AA-Familie beim Schlammbad

 

Auch Annans weibliches Kalb, welches im März 2020 geboren wurde, war bei guter Gesundheit. Dies ist besonders erfreulich, da sie bisher noch keinen Erfolg mit ihrem Nachwuchs hatte. Es ist ihr viertes Baby und das gesamte Team hofft sehr, dass es ihr dieses Mal gelingt, ihr Kalb ins Erwachsenenalter zu bringen. Wenn man weiß welche starken Bindungen zwischen Elefantenkühen und ihrem Nachwuchs bestehen, dann versteht man welche Bedeutung das Überleben ihrer Kälber für eine Kuh hat – und auch wie sehr sie leidet, wenn es eines nicht schafft.

 

Wahrscheinlich gibt es verschiedene Gründe dafür, weshalb Annan’s frühere Kälber nicht überlebten. Sie war noch sehr jung, als sie ihre ersten Babys bekam. Zu dieser Zeit wuchs sie selbst noch und hatte daher einen hohen Energiebedarf. Das erschwerte es ihr sehr ausreichend Milch für ihre Kälber zu produzieren – ein allgemein verbreitetes Problem. Elefantenkühe unter 20 Jahren verlieren durchschnittlich 31,5 Prozent ihrer Nachkommen aus natürlichen Gründen während der ersten beiden Lebensjahre. Bei älteren Mütter sind es nur 12 Prozent. Aber auch die überlebenden erstgeborenen Kälber haben eine deutlich geringere Lebenserwartung als spätergeborene. Möglicherweise hat ihr langsameres Wachstum (verursacht durch die weniger reichhaltige Versorgung mit Milch) einen dauerhaften Einfluss auf die Entwicklung ihrer Organe oder den Stoffwechsel. Dadurch könnten sie generell anfälliger für gesundheitliche Probleme aller Art sein.

Vor allem aber wurden Annan’s früheren Kälber alle in Dürrejahren geboren, wodurch sie besonders schlechte Überlebenschancen hatten.

Inzwischen ist Annan 24 Jahre alt und kann ihr Kalb nun grundsätzlich besser mit Milch versorgen. Außerdem gab es in Amboseli über zwei Jahre lang außergewöhnlich viel Regen und vorsichtige Prognosen lassen auch für2021 überdurchschnittlich viel Niederschlag erwarten. Das verbessert die Überlebenschancen von Annan’s neuem Kalb enorm!

 

Die EB’s hielten sich früher, als Echo noch ihre Matriarchin war, die meiste Zeit innerhalb des Parks auf. Dies hat sich nun etwas geändert. Enid, Eliot und Edwina verbringen zwar weiterhin relativ viel Zeit innerhalb der Parkgrenzen doch Ella zieht mit ihrer Gruppe vowiegend durch ein weiter nördlich liegendes Gebiet. Dies war auch während der letzten Monate weitgehend der Fall. Während sich Ella im Norden aufhielt waren Enid und Eliot Stammgäste im Park. Nur Edwina wich von ihrer üblichen Routine ab und verbrachte die meiste Zeit außerhalb – allerdings wohl nicht in derselben Region wie Ella.

 

Kurz vor Weihnachten gab es bei den EB’s ein besonders freudiges Ereignis, als Enid ihr achtes Kalb zur Welt brachte, einen kleinen Bullen! Enid ist eine von Echos Töchtern und sie erinnert durch ihr ruhiges und liebevolles Verhalten sehr an ihre berühmte Mutter.

 

Enid und ihre neues Kalb
Enid, die Matriarchin der EB-Familie, und ihr neues Kalb

 

Enid hat im Laufe ihres Lebens bereits viel Erfahrung mit ihren Kälbern gesammelt und das spiegelt sich positiv darin wieder, dass alle gesund, aktiv und neugierig sind. Außerdem gibt es bei den EB’s auch viele geeignete Kindermädchen, so dass die Kälber rund um die Uhr betreut werden. Daher hat nun auch Enid’s neues Kalb die besten Chancen auf ein langes und gesundes Leben.

 

Während viele Elefantenkühe im letzen Jahr Nachwuchs bekamen gab es auch einige, die erst jetzt paarungsbereit waren. Vor allem jüngere Kühe, die zum ersten Mal in den Östrus kamen. Zu ihnen gehörte Europas Tochter Eunice. Eunice war erst 8 Jahre alt, sollte sie tatsächlich schwanger geworden sein würde sie eine sehr junge Mutter werden. Tatsächlich gab es schon mehrfach Kühe, die im Alter von 10-12 Jahren Kälber bekamen, aber normalerweise ist dies erst etwas später mit einem Alter von 14-15 Jahren der Fall.

 

Wenn eine junge Elefantenkuh das erste Mal paarungsbereit ist beginnt meistens eine sehr anstrengende Zeit für sie, da sie ständig von vielen Bullen verfolgt wird. Doch die Kühe möchten sich meistens nur mit eher älteren und größeren Bullen paaren. Erfahrene Kühe wissen wie sie unerwünschte Verehrer auf Abstand halten. Doch jungen wie Eunice fehlt dieses Wissen noch. Sie verbringen viel Zeit damit vor jungen Bullen wegzulaufen und verausgaben sich dabei sehr. Dies ist Teil eines normalen Lernprozesses und oft steht ihnen auch ihre Mutter oder die Matriarchin zur Seite. Eine erfahrene Kuh wählt nicht nur einen älteren und größeren Bullen, der bewiesen hat, dass er über gute Gene verfügt, sondern sie bleibt auch nach der Paarung an seiner Seite, da er in der Lage ist sie vor jüngeren Bullen zu beschützen. Das ist auch in seinem eigenen Interesse, da er so sicherstellen kann, dass im Fall einer Schwangerschaft nur er der Vater eines neuen Kalbes sein wird.

Ist gerade kein älterer Bulle da, der für eine Paarung in Frage käme, kann eine Kuh auch die Unterstützung anderer weiblicher Elefanten erhalten, die unerwünschte Bewerber auf Abstand halten.

 

Spielende Kälber
Spielende Kälber

 

Es wird allerdings noch einige Zeit dauern, bis man weiß ob Eunice dieses Mal tatsächlich bereits schwanger wurde. Denn bei Elefanten kann man das meistens erst wenige Monate vor der Geburt feststellen. Bei jungen Kühen ist es dann allerdings relativ einfach,  da ihre Brüste deutlich anzuschwellen beginnen.

 

Nach längerer Abwesenheit kehrten auch die FB’s wieder in den Park zurück. Während der vorherigen beiden Monate zogen sie zwischen Kenia und Tansania umher, wie es für diese Familie typisch ist. Die FB’s halten sich offenbar recht gerne in Tansania auf – manchmal sogar mehrere Monate.

 

Auch bei ihnen gab es Nachwuchs: Feretia und Facebook hatten jeweils ein weibliches Kalb geboren und Flossie ein männliches. Facebook ist die älteste Tochter Faridas und hatte zum ersten Mal Nachwuchs bekommen wodurch Farida zum ersten Mal Großmutter wurde. Eine erfahrene Großmutter ist gerade für junge Mütter eine große Hilfe. Ihre Unterstützung erhöht die Überlebenschancen eines Kalbes erheblich.

 

Für Flossie war es bereits ihr sechste Kalb, doch leider hatte keines der vorherigen überlebt. Sie waren alle aus natürlichen Gründen gestorben, hauptsächlich weil viele von ihnen in Dürrejahren zur Welt gekommen waren.

Dabei besitzt Flossie sehr gute mütterliche Eigenschaften. So hatte sie Farrukhan und Fenneke, die beiden Kälber ihrer Schwester Flame, adoptiert, nachdem diese tragischerweise im im August 2019 verstorben war. Farrukhan und Fenneke werden seitdem von Flossie wie ihre eigenen Kälber behandelt und verhalten sich auch so. Trotzdem ist das ATE-Team froh, dass Flossie jetzt auch wieder ein eigenes Kalb hat und hofft, dass dieses überleben wird.

 

Bullenkälber beim freundlichen Kräftemessen
Bullenkälber beim freundlichen Kräftemessen

 

Einige Familien hielten sich zwar die gesamte Zeit innerhalb des Parks auf, waren aber trotzdem nur eher selten und aus größerer Entfernung zu sehen. Hierzu gehörten beispielsweise die OA’s, welche sehr viel Zeit weit draussen in den Sümpfen verbrachten. Nur wenn sie die Sümpfe verließen oder sich ihnen gerade näherten hatte das ATE-Team die Chance sie aus der Nähe zu beobachten. Das ist allerdings gerade bei den OA’s relativ schwer zu realisieren, da sie die Sümpfe gewöhnlich erst spät Abends, wenn es bereits fast dunkel ist, verlassen, während ihre Ankunft am Morgen zu sehr unterschiedlichen Zeiten erfolgt.

 

Bei den GB’s, einer der Lieblingsfamilien des ATE-Teams, verhielt es sich ähnlich. Doch war immerhin eindeutig festzustellen, dass es ihnen allen gut ging – auch den Kälbern.

Cynthia Moss kennt diese Familie seit 1976. Damals war eine Kuh namens Gloria ihre Matriarchin. Gloria zeichnete sich dadurch aus, dass sie völlig stoßzahnlos war. Neben ihr gab es noch zwei weitere Kühe: Geraldine, die zwei Stoßzähne hatte, und Grace, die nur einen Stoßzahn besaß.

 

Gloria war eine außergewöhnliche Matriarchin. Die Zahl der Familienangehörigen wuchs unter ihrer Führung und sie leitete die GB’s jahrzehntelang, bis sie im Jahr 2000 an Altersschwäche starb.

Der Tod einer Matriarchin kann sich nachhaltig auf ihre Familie auswirken, und dies war es auch bei Gloria der Fall. Ihre Familie spaltete sich nach ihrem Tod in zwei Gruppen auf. Zunächst wurde Geraldine die neue Matriarchin, doch sie und Grace verstanden sich nicht. Daher bildete Grace schließlich mit ihren Töchtern eine eigene Gruppe, die jetzt als GB2-Familie bezeichnet wird.

Heute werden die eigentlichen GB’s von Gloria’s Tochter Golda geführt während die GB2 Grace’s Tochter Gail folgen.

 

Kälber der IAIC- und AA-Familie begrüßen sich
Kälber der IAIC- und AA-Familie begrüßen sich freundlich-verspielt

 

Die Geschichte der GB’s veranschaulicht die Dynamik der Familienstrukturen innerhalb einer Elefantengesellschaft. Doch so wie Familien wachsen und sich in mehrere Gruppen aufteilen können gibt es auch welche, deren Zahl abnimmt und die eines Tages ganz verschwinden oder sich mit anderen zusammenschließen.

 

Auch die PC’s sind eine Familie, die sich mittlerweile oft in zwei Gruppen aufteilt. Eine wird von Placida und die andere von Petula geführt. Beide wurden während der letzten zwei Monate mehrfach gesehen.

 

Placida hat ein Kalb, welches letztes Jahr geboren wurde. Ihm geht es sehr gut und Pheebs ist ihm eine ausgezeichnete ältere Schwester und Babysitterin. Eine andere Schwester, Paris, wurde 2018 selbst Mutter eines männlichen Kalbes und hat daher nicht so viel Zeit für ihre jüngstes Geschwister. Bullenkälber haben einen wesentlich höheren Kalorienbedarf als Kuhkälber, da sie viel schneller wachsen. Ihr Bedarf an Milch ist daher deutlich größer, gleichzeitig aber ihre Überlebenschance geringer. Kühe lassen Bullenkälbern deshalb besonders viel Aufmerksamkeit und Zuwendung zukommen.

 

Eine weitere Kuh mit Nachwuchs ist Patience. Ihrem Kalb ging es ebenfalls sehr gut. Kein Wunder, denn schließlich hat es mit Pilpila und Patsy zwei sehr fürsorgliche ältere Schwestern. PilPila wird vermutlich bald ein eigenes Kalb bekommen, aber bis dahin genießt sie es, ihr jüngstes neues Geschwister als Kindermädchen zu umsorgen.

 

Cynthia Moss und ihr Team vom ATE konnten im Dezember und Januar vielen Elefantenfamilien aus Amboseli begegnen und Zeit in ihrer Gesellschaft verbringen. Dabei erhielten sie zahlreiche Einblicke in die Zusammensetzung und Entwicklung der einzelnen Gruppen sowie ihrer Beziehungen untereinander. Die Entwicklung der Population wie auch das komplexe Sozialverhalten der Elefanten immer besser zu verstehen gehört zu den Schwerpunkten der Arbeit vom ATE. Wenn wir die Elefanten retten und ihnen eine lebenswerte Zukunft, die ihren Bedürfnissen gerecht wird, ermöglichen wollen, dann sind die vom ATE gewonnenen Erkenntnisse eine Grundvoraussetzung, um diese Ziele zu erreichen.