ATE News: Februar und März 2020

News vom Amboseli-Trust-for-Elephants – die Monate Februar und März 2020:

 

Amboseli hat äußerst ereignisreiche Jahre hinter sich, doch die Monate Februar und März 2020 übertrafen alles –  im Positiven wie Negativen!

 

Zu den positiven Höhepunkten zählten natürlich die äußerst ergiebigen Niederschläge. Schon seit zwei Jahren hatte es in Amboseli ungewöhnlich viel geregnet, doch Februar und März fielen besonders aus dem Rahmen. Normalerweise hätte in diesen Monaten eine Trockenzeit beginnen müssen und frühestens  im April wäre mit dem Beginn der große Regenzeit zu rechnen gewesen. Doch dieses Jahr regnete es einfach weiter. Zwar nicht täglich aber doch so oft, dass man fast sagen kann eine komplette Trockenzeit fiel aus und zwei Regenzeiten verschmolzen zu einer einzigen.  Im Februar fielen 78 mm Niederschlag und im März 56 mm.

 

Die Elefanten finden überall viel Nahrung.
Das Nahrungsangebot für die Elefanten ist sehr gut.

Für die Wildtiere aber auch die Menschen waren dies äußerst erfreuliche Bedingungen.  Wasser und Nahrung gab es im Überfluss. Und dies hatte wie immer auch eine deutliche Reduzierung von Mensch-Wildtier-Konflikten zur Folge. Sogar die Wilderei nahm ab, da es für die Wilderer immer schwieriger wurde sich durch die in weiten Teilen überfluteten oder sumpfigen Gebiete zu bewegen. Außerdem waren die meisten zugleich Farmer und hatten jetzt genug auf ihren Feldern zu tun.

 

Vor allem der Februar war ein wunderschöner Monat in Amboseli, der Park sah von seiner besten Seite aus und hunderte von Elefanten kamen zusammen, um Kontakte zu knüpfen, sich zu paaren und zu spielen.

 

Zwei junge Bullen bein einem spielerischen Kräftemessen.
Zwei junge Bullen bein einem spielerischen Kräftemessen.

 

Im März wurde es allerdings extrem heiß und dann kam Corona!

Die COVID 19-Pandemie veränderte die Situation in Kenia und speziell auch in Amboseli schlagartig. Anfang des Monats war Amboseli noch ein Park mit Gästen aus aller Welt und ab der Monatsmitte wurde er zu einem „Geisterpark“ komplett ohne Besucher. Es gab einen Fall mit einem nachweislich an COVID 19 erkrankten Touristen, doch zum Glück hatte sich niemand sonst bei ihm angesteckt. Aber dieser Vorfall beschleunigte die Sperrung des Parks. Die bis dahin fast ausgebuchten Hotels und Campingplätze wurden geräumt, die Lodges geschlossen und die Belegschaft der meisten Hotels auf eine Minimalbesetzung reduziert. Fast innerhalb eines Augenblicks war der Park so gut wie menschenleer.

Für die Mitarbeiter*innen des Amboseli Trust for Elephants (ATE), die nach wie vor in ihrem Camp lebten und arbeiteten, wirkte es fast surreal, durch den Park zu fahren und kein anderes Fahrzeug zu sehen. In all den Jahren hatten sie den Park noch nie so menschenleer erlebt. Einerseits war dies ein friedliches und schönes Bild, doch andererseits mit sehr ernsten, negativen Auswirkungen verbunden.

 

Der Nahrungsbedarf von Bullen ist besonders groß.
Ein großer Bulle aus Amboseli.

 

Viele Menschen verloren ihre Arbeit und zahlreiche lokale Gemeinden die Touristen, welche sonst ihre Dörfer besuchten und ihre Perlenarbeiten kauften. Eine wirtschaftliche Katastrophe, die einen Anstieg der Wilderei zum Zwecke der Versorgung mit Nahrung auslösen konnte.

Außerdem ist Amboseli nicht nur selbst in hohem Maße auf die Einnahmen durch seine Besucher angewiesen sondern zugleich einer der wichtigsten Nationalparks Kenias. Die hier generierten Mittel werden auch für den Schutz anderer, weniger besuchter Parks im Land verwendet. Ohne diese Einnahmen bleibt Kenias Bevölkerung, Regierung und den Naturschutzorganisationen wenig übrig, um zu überleben und sich weiter für den Schutz der Wildtiere einzusetzen.

 

Die Gewinnung finanzieller Mittel durch Spenden wird künftig sicher weltweit mehr Bedeutung erlangen. Doch gerade in Regionen wie Amboseli, welche bisher vor allem auf einem Modell des Einkommens durch Tourismus basierten, wird dies besonders zutreffen. Spenden sind fast der einzige Weg die verloren gegangenen Einnahmen wenigstens einigermaßen zu ersetzen.

 

Eine junge Elefantenkuh.
Eine junge Kuh in der Savanne Amboselis.

 

Allerdings wird es von der weltweiten wirtschaftlichen Entwicklung abhängen in welchem Umfang Menschen tatsächlich spenden können. Dringend benötigte finanzielle Mittel werden möglicherweise langfristig nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen.

Etwas Hoffnung macht die Tatsache, dass Kenianer sehr innovative Menschen sind. Das kann ihnen helfen auch dieses Mal Wege zu neuen Einkommensquellen zu finden und dabei gleichzeitig ihre einzigartigen Naturregionen und Wildtiere zu schützen. Bis diese ihnen eines Tages wieder selbst durch den Tourismus zu wichtigen finanziellen Einnahmen verhelfen werden.

 

Leider war der Ausbruch der COVID 19-Pandemie nicht das einzige schlimme Ereignis. Am 5. Februar starb der berühmte Elefantenbulle Tim an einem Darmverschluss. Dieser Verlust schockte nicht nur die Mitarbeiter*innen des ATE sondern auch unzählige Elefantenfreunde*innen weltweit! Tim war eine außergewöhnliche Erscheinung und dank seiner gewaltigen, auffällig geschwungenen und bis zum Boden reichenden Stoßzähne, die ihn zu einem der letzten Big Tusker Afrikas machten, leicht zu erkennen. Viele liebten ihn allerdings vor allem wegen seines außerordentlich sanften Charakters. Sowohl die anderen Elefanten wie auch die Wissenschaftler und Ranger, die für ihn arbeiteten, und auch die Fototouristen, von denen viele gerade wegen ihm nach Amboseli kamen.

 

Tim folgt einer jungen Kuh.
Tim folgt einer jungen Kuh.

 

Selbst während seiner Musth-Phasen verhielt er sich erstaunlich gelassen und gab höchstens mal einem jüngeren Bullen, der es am nötigen Respekt mangeln lies, einen etwas nachdrücklichen Verweis. Kühen und Kälbern gegenüber war Tim immer äußerst rücksichtsvoll. Und außerhalb der Musth verhielt er sich auch den anderen Bullen gegenüber sehr freundlich und gelassen. So wundert es nicht, dass er als Anführer einer Bullengruppe, der auch sein Onkel Tolstoy angehörte, eine der wichtigsten Führungspersönlichkeiten der Elefantengesellschaft Amboselis war.

Tim’s Tod kam plötzlich und unerwartet. Zwar bestand immer die Gefahr, dass er eines Tages Wilderern oder einem Mensch-Wildtier-Konflikt zum Opfer fallen würde – zumal er eine Vorliebe für Tomaten entwickelt hatte und mit seiner Bullen-Gang gerne die Tomatenfelder außerhalb des Parks plünderte. Doch Ranger wie Wissenschaftler arbeiteten hart, um ihn vor beiden Gefahren zu beschützen. Nun scheint es, als ob Tim gerade ein Opfer des derzeit so besonders guten Nahrungsangebots in Amboseli geworden ist. Die Unmengen an frischen, saftigen Blättern, die er offenbar zu sich nahm, bewirkten anscheinend eine starke Gasentwicklung in seinen Därmen, die zu dem Verschluss führten.

So verlor Amboseli eine seiner größten Ikonen und einen der friedfertigsten, beeindruckendsten Charaktere seiner Elefanten-Gesellschaft.

 

Tim, eine Ikone aus Amboseli
Der berühmte Big Tusker Tim.

 

Das ATE-Team stand noch unter dem Schock von Tim’s Tod, als plötzlich eine ganz andere Neuigkeit für Aufsehen sorgte: Die Elefantenkuh Angelina aus der AA-Familie brachte Zwillinge zur Welt! So etwas kommt bei Elefanten nur sehr, sehr selten vor. Und zwar aus gutem Grund. Normalerweise ist eine Elefantenkuh kaum in der Lage genug Milch für zwei Kälber gleichzeitig zu produzieren. Tatsächlich hatte ATE in den 47 Jahren seines Bestehens zuvor nur zwei Zwillingsgeburten in Amboseli verzeichnet.

1980 brachte Estella von den EA’s eine Tochter, Eclipse, und einen Sohn, Equinox, zur Welt, die erfreulicherweise beide überlebten.

2018 wurde Paru von den PA’s die Mutter von Zwillingen, ebenfalls einem Sohn und einer Tochter. Leider starb das Mädchen aber einige Monate später – vermutlich an einer Verletzung, die sie sich am Rücken zugezogen hatte.

Angelina’s Zwillinge wurden nun in einem Jahr mit außergewöhnlich guten Bedingungen geboren – seit 50 Jahren war das Nahrungsangebot nie so gut. Daher hoffen alle, dass Angelina genug Milch für beide Kälber haben wird und diese daher bestmögliche Überlebenschancen erhalten.

 

Angelina von den AA's und ihre Zwillinge.
Angelina von den AA’s und ihre Zwillinge.

 

Zunächst war die Situation allerdings etwas verwirrend: Am 6. Februar entdeckte Katito vom ATE, dass Angelina ein neugeborenes Kalb bei sich hatte. Ein sehr erfreuliches, wenn auch nicht völlig überraschendes Ereignis, denn das ATE-Team wusste aufgrund seiner Aufzeichnungen, dass Angelina Nachwuchs erwartete. Doch am 10. Februar bemerkte Katito, dass noch ein zweites Neugeborenes bei Angelina war! Handelte es sich etwa um einen Fall von Kidnapping? So etwas kommt bei Elefanten zwar nur selten vor, konnte aber nicht völlig ausgeschlossen werden. Meistens geht es dabei um den Versuch Dominanz zu zeigen – und das Kalb kommt früher oder später wieder zu seiner richtigen Mutter zurück. Doch dies war hier eindeutig nicht der Fall. Beide Kälber blieben bei Angelina und wurden von ihr gesäugt! Außerdem stellte Katito bei näherem Hinschauen fest, dass Angelina noch Blut und Nachgeburt an ihren Beinen hatte. Somit war klar, dass sie tatsächlich Zwillinge zur Welt gebracht hatte – allerdings erst im Abstand von mehreren Tagen.

 

Ende März ging es Angelina und ihren Zwillingen noch immer gut. Dies lag einerseits sicher am derzeit hervorragenden Nahrungs- und Wasserangebot, andererseits aber auch an den besonderen mütterlichen Fähigkeiten Angelinas. Sie säugte ihre Zwillinge gleichzeitig, was nicht einfach ist.

 

Angelina säugt ihre Zwillinge gleichzeitig.
Angelina säugt ihre Zwillinge gleichzeitig.

 

Bei den EA-Zwillingen der 80er Jahre drückte das männliche Kalb das kleinere Weibchen immer weg. Das Mädchen musste eine Überlebensstrategie entwickeln, bei der sie darauf wartete, dass der Bruder schlief, um dann zu ihrer Mutter zu schleichen und selbst Milch zu trinken. Angelinas Zwillinge scheinen sich aber überhaupt nicht so zu verhalten; sie teilen die Milch ohne darum zu kämpfen. Angelina schafft es wundervoll, diese große Herausforderung zu bewältigen.

Ihre älteren Töchter Aspen und Amora sind sehr aufmerksame große Schwestern und Babysitter. Und auch Ambers verwaiste Tochter Aurora B ist begeistert von den beiden Neuankömmlingen; sie folgt ihnen auf Schritt und Tritt und tut ihr Bestes, um beim Babysitten zu helfen. Angelina ist eine sehr gelassene Mutter und begegnet den jüngeren Kühen, die so begeistert von ihren Babys sind, bemerkenswert offen.

 

Angelina, ihre Zwillinge und ihre Babysitter.
Angelina, ihre Zwillinge und ihre Babysitter.

 

Ebenso entspannt reagierte Angelina auf zwei andere Besucher: Amit und Abel, zwei bereits unabhängige Bullen der AA’s. Abel ist Alyces Sohn, geboren 1985, und Amit ist Amys Sohn, geboren 1990. Auch sie folgten Angelinas Gruppe, und Abel kam näher, um die Zwillinge zu inspizieren und festzustellen, weshalb alle Kühe sie mit solcher Begeisterung umgaben. Es war eine interessante Interaktion, da ausgewachsene, unabhängige Bullen nicht oft bei ihrer Geburtsfamilie zu sehen sind. Angelina machte Abels Anwesenheit nichts aus, sie erlaubte ihm zu näherzukommen und sich ihre Babys genauer anzuschauen.

 

Es ist natürlich noch schwierig zu sagen, wie groß die Überlebenschancen der Zwillinge tatsächlich sind. Aber momentan sieht es gut aus und die Aussichten werden mit zunehmendem Alter immer besser werden. Das ATE-Team ist jedenfalls zuversichtlich!

 

Ein Elefantenbulle in den Ebenen Amboselis.
Ein Elefantenbulle in den Ebenen Amboselis.

 

Ausgerechnet die derzeitige Matriarchin der AA’s, die 1979 geborene Astrid, hatte selbst leider nur sehr wenig Glück mit ihren Nachkommen. Von allen Babys, die sie zur Welt brachte, überlebten bis jetzt nur ihre Tochter Annan sowie ihr 2018 geborener Sohn. Auch Annan selbst hatte bisher alle ihre Babys verloren.

Doch Astrid meistert ihre Aufgaben als Matriarchin sehr gut und beweist, dass sie eine echte Führungspersönlichkeit ist. Davon profitiert ihre gesamte Familie und so leistet sie auch einen äußerst wichtigen Beitrag zum Überleben von Angelina’s Zwillingen.

 

Im Februar und März wurden aber auch noch viele weitere Kälber in Amboseli geboren und außerdem fanden zahlreiche Paarungen statt. Normalerweise wären allein das bereits Höhepunkte der Forschungsarbeit gewesen.

 

Ein großer Bulle.
Ein großer Bulle.

 

Bei den GB’s gab es gleich vier neue Babys: Im Februar bekamen Ghost und Gambia jeweils eine Tochter und Garbo einen Sohn. Und im März bekam Genesis ebenfalls ein männliches Kalb. Ghost, Gambia und Genesis hatten bereits Erfahrung in der Kälberaufzucht, während es für Garbo ihr erstes Kalb war. Sie ist jedoch die Tochter der GB2-Matriarchin Gail, die ihr natürlich eine wertvolle Hilfe sein wird.

Und im März brachten Annan und Alfre von den AA’s beide weibliche Kälber zu Welt. Alfre wurde zum ersten Mal Mutter, doch sie hat ihre Mutter Ann an ihrer Seite, die sie unterstützt. Diese Hilfe durch Großmütter erhöht die Überlebensraten der ersten Kälber sehr.

Und natürlich werden auch diese Kälber alle sehr von den derzeitigen guten Bedingungen in Amboseli profitieren.

 

Eine Kuh und ihr Kalb.
Eine Kuh und ihr Kalb.

 

Eine der Paarungen fand zwischen Airstream und Emo statt, dem vierzigjährigen Sohn Emilys aus der EB-Familie.  Airstream war allerdings erst 10 Jahre alt und befand sich zum ersten Mal im Östrus; doch ihre Mutter Artemis war da, um sie zu unterstützen. Artemis blieb auch in der Nähe, während mehrere Bullen Airstream folgten und sich ihr nach der Paarung mit Emo bei einem Staubbad anschlossen. Emo bewachte sie dabei, um sie vor Aufdringlichkeiten zu beschützen.

 

Emos Geburtsfamilie, welche sonst ziemlich verlässlich im Park anzutreffen ist, war im Beobachtungszeitraum Februar-März nicht zu sehen. Es scheint, dass Enid ihre Familie gerne ein Stück weiter führt, als ihre Mutter Echo es früher getan hat. Letztes Jahr machte sie dasselbe und hielt sich einige Monate im Nachbarland Tansania auf. Das ATE-Team ist von Enids Führungsqualitäten überzeugt und denkt, dass sie einen sicheren Ort außerhalb des Parks kennt, den sie aufsucht. Aber natürlich freuen sich alle schon sehr auf ihre Rückkehr und ein baldiges Wiedersehen.

 

Elefanten und Kuhreiher.
Elefanten und Kuhreiher.

 

So waren die Monate Februar und März 2020 in Amboseli also eine Zeit voller außergewöhnlicher Ereignisse, die man nie vergessen wird! Sicher aber ist – die Arbeit zum Schutz der Elefanten muss weitergehen. Man freut sich über die positiven Entwicklungen die als Motivation in schweren Zeiten dienen, wird sich aber auch den alten wie neuen Problemen stellen und versuchen die damit verbundenen Herausforderungen so effektiv wie möglich zu bewältigen.

 

Angesichts der aktuellen Situation sind wir besonders dankbar für jede Spende, die wir für das Projekt des Amboseli Trusts erhalten. Wer diese großartige Organisation und ihre Arbeit für die Elefanten in Amboseli unterstützen möchte kann uns eine Überweisung unter dem Stichwort „ATE“ auf unser Konto mit der IBAN: DE30 2003 0000 0621 9182 83 und der BIC: HYVEDEMM300 zukommen lassen.

 

Oder ganz einfach per PayPal:

 

Wir danken allen Unterstützern im Namen des gesamten ATE-Teams und der Elefanten herzlich dafür!