ATE News: Februar und März 2021

Während der letzten beiden Monate gab es ungewöhnlich viele Niederschläge in Amboseli. Normalerweise regnet es zu dieser Jahreszeit nicht sondern es herrscht Trockenzeit, doch die fiel dieses Jahr aus. Im Februar wurden 140 mm und im März 36 mm Niederschlag gemessen. Speziell die Regenfälle im Februar bewirkten, dass die Straßen und Ebenen vollständig überflutet wurden. Viele Elefanten und andere Tiere verließen daraufhin den Park und zogen außerhalb auf höherliegendes Terrain. Zwei Wochen lang waren fast keine Tiere zu sehen. Als es später wieder trockener wurde kehrten einige Elefantenfamilien zurück, doch nicht so viele wie es im Dezember und Januar gewesen waren. Von der großen GB-Familie beispielsweise wurde nur Goldas Gruppe gesehen.

 

Elefanten in ihren Weidegründen
Elefanten in ihren Weidegründen

Der März war besonders schön und bot einige spektakuläre Ansichten des Kilimandscharo. Vor allem Morgens gab es meistens einen klaren Blick auf die gesamte Bergkette, deren Gipfel mit frischgefallenem Schnee bedeckt war. Das Team des Amboseli Trust for Elephants (ATE) war priviligiert dies alles zu sehen – allein, ohne andere Menschen weit und breit. Doch hätten sie diese Erlebnisse gern geteilt. Denn das Privileg des ATE-Teams wurde durch die Corona-Pandemie verursacht. Erneut hatte es Einschränkungen im Tourismus gegeben und der Park war zeitweilig geschlossen. Mit allen negativen Folgen! Es fehlten sowohl Eintrittsgelder, die dringend für die Finanzierung der Arbeit des Kenya Wildlife Service (KWS) benötigt werden, als auch Einkommen für die Angestellten der Lodges und vieler Menschen der lokalen Gemeinden, die sonst durch den Tourismus ihren Lebensunterhalt bestreiten.

 

Die Buschfleischwilderei hatte afrikaweit stark zugenommen und auch im Amboseli-Ökosystem gab es vermehrt Vorfälle, wenngleich vorwiegend außerhalb des Parks. Diese schlimme Entwicklung könnte am wirkungsvollsten und schnellsten durch eine Wiederbelebung des Tourismus beendet werden. Die Hoffnung ruht nun auf einer Eindämmung der Pandemie durch eine möglichst zügige und flächendeckende Impfkampagne, damit Reisen nach Kenia wieder für viele Menschen möglich werden.

 

Leider zeichneten sich aber noch weitere Probleme ab. Amboseli befindet sich gerade in einer Zeit großer Veränderungen. Eine wachsende Bevölkerung sowie Änderungen in der Landnutzung bzw. des Landbesitzes nehmen immer größeren Einfluss auf das Überleben der Wildtiere. Noch ist die lokale Bevölkerung zum größten Teil bereit auf Elefanten und andere Tiere Rücksicht zu nehmen. Damit dies so bleibt ist es wichtig, dass sowohl der KWS als auch die NGO’s weiterhin eng mit den Communitys zusammenarbeiten und ein regelmässiger und instensiver Dialog fortgeführt wird.

 

Auch Flamingos kommen in Amboseli vor
Auch Flamingos kommen in Amboseli vor

 

Die Elefanten waren sich all dieser Herausforderungen glücklicherweise nicht bewusst und setzten ihr Leben so fort, wie sie es immer getan haben. Allerdings unter so angenehmen Umweltbedingungen wie selten zuvor.

 

Die AA-Familie kam wieder mehrfach am ATE-Camp vorbei, einschließlich Angelinas mit ihren Zwillingskälbern. Die Zwillinge wachsen jeden Monat und sehen sehr gut aus. Und je älter sie werden desto mehr steigen auch ihre Überlebenschancen – vor allem bei dem reichhaltigen Nahrungsangebot dieser Zeit.

 

Grundsätzlich sind die ersten 24 Monate im Leben von Elefantenkälbern die kritischste Phase mit einer relativ hohen Sterblichkeit von 19 Prozent. Und davon ist das erste Jahr das problematischste.

 

Ein Kalb fordert von seiner Mutter Milch
Ein Kalb fordert von seiner Mutter Milch

 

Für Zwillinge ist es besonders hart, da es für ihre Mütter auch in guten Jahren eine enorme Herausforderung darstellt genug Milch für beide zu produzieren. In Dürrezeiten hätten sie so gut wie keine Chance beide zu überleben. Doch Angelinas Zwillinge sind jetzt 14 Monate alt, haben somit die schwierigsten Monate ihrer Entwicklung hinter sich und wurden in einer Zeit geboren, während der es die ergiebigsten Regenfälle seit zehn Jahren gab. Diese guten Bedingungen sind ein echter Segen und Angelina hatte genug Milch für beide Kälber. Welch ein Glück!

 

Die AA-Familie hatte auch noch weiteren Zuwachs erhalten: Zuletzt durch Artemis, die am 31. März ein weibliches Kalb zur Welt brachte. Das Team mussten nicht lange suchen, um dieses Neugeborene zu entdecken, da Artemis es direkt am Camp vorbei brachte! Die Geburt hatte offenbar erst ganz kurz zuvor stattgefunden, da Artemis noch Blut an ihren Beinen hatte. Elefanten gebären normalerweise nachts und an einem Ort, den sie für sicher halten. Das ATE-Team freute sich daher sehr, dass dieses Kalb so nahe am Forschungslager geboren wurde, denn dies beweist, dass sich die Elefanten hier sicher fühlen.

 

Auch Enids Gruppe von den EB’s verbrachte weiterhin Zeit im Park, allerdings wurde sie in den letzten zwei Monaten nicht sehr regelmäßig gesehen. Der Familie und insbesondere allen Kälbern, die während des Babybooms geboren wurden, ging es gut. Enids eigene Kälber sahen sehr gesund aus und es war wunderbar zu sehen, was für eine fantastische Großmutter sie für Elises Kalb ist. Eine Großmutter ist ein wichtiger Bestandteil des Familienlebens von Elefanten. Tatsächlich werden durch die Unterstützung einer Großmutter nachweislich die Überlebenschancen eines Kalbes erhöht. Enid ist eine sehr aufmerksame Mutter und Großmutter, die sehr an ihre eigene fürsorgliche Mutter Echo erinnert.

 

Junger Elefant aus Amboseli
Junger Elefant aus Amboseli

 

Die EB’s wandern von Zeit zu Zeit nach Tansania und vermutlich befanden sie sich dort während der  Zeiten, in der sie das ATE-Team nicht gesehen hat. Es ist leider unmöglich, den Elefanten immer zu folgen. Einige Teile des Ökosystems sind mit dem Fahrzeug nicht erreichbar und das Team kann die internationale Grenze nach Tansania nicht überqueren. Daher ist der Aufenthaltsort von Elefanten oft nur zu ermitteln, wenn sie ein GPS-Halsband tragen. Um diese Einschränkung zu überwinden, beschäftigt ATE in Kooperation mit der Big Life Foundation mittlerweile 17 Community Scouts in verschiedenen Teilen des Amboseli-Ökosystems. Diese sammeln Daten über Elefanten-Sichtungen außerhalb des Parks und berichten auch über Probleme mit Wildtierkriminalität in der Region. Mithilfe von Scout-Sichtungsdaten konnten sowohl Familien wie auch einzelne Tiere identifiziert werden, welche die internationale Grenze überschritten.

 

Auch die FBs wanderten zwischen Kenia und Tansania hin und her. Sie waren ebenfalls alle in guter Verfassung und hatten gleichfalls Zuwachs bekommen: Felica brachte im März ein weibliches Kalb zur Welt. Sie hat bereits einen Sohn namens Fajulu, welcher jetzt neun Jahre alt ist. Außerdem hatte sie 2017 ein weibliches Kalb geboren, welches aber leider aus natürlichen Ursachen gestorben ist. Ihr neues Kalb hat aber nun unter den derzeitigen Bedingungen beste Überlebenschancen. Und die Aufzeichnungen ATE’s lassen erwarten, dass es nicht lange allein bleiben wird: Auch bei Flossy, Feretia, Frost, Freshet, Fizz und Fezara wird in den nächsten Monaten Nachwuchs erwartet! Da werden in dieser Familie also alle zur Verfügung stehenden Tanten, großen Geschwister und Nannys alle Hände bzw. Rüssel voll zu tun haben!

 

Eine Elefantenfamilie am Rand eines Sumpfes
Eine Elefantenfamilie am Rand eines Sumpfes

 

Die PC-Familie wurde ebenfalls mehrfach gesehen. Dabei stellte man fest, dass sich Patience’s erst neunjährige Tochter Pilapila im Östrus befand. Man hatte bei ihr schon seit einiger Zeit damit gerechnet doch jetzt war es tatsächlich so weit. Sie wurde von einigen der bekanntesten Bullen Amboselis begleitet. Wronski, der größte und stärkste von ihnen, bewachte sie und hielt andere Bullen von ihr fern. Aber auch TeeJay und Gordon wetteiferten um ihre Aufmerksamkeit.

Wronski ist 45 Jahre alt und einer der dominantesten Bullen im Ökosystem. Er hat einen kraftvollen und aggressiven Charakter, der typisch für Elefanten aus seiner Geburtsfamilie ist. Er stammt von den VA’s, Amboselis größter Familie, die über 70 Individuen stark ist und dazu neigt andere Elefanten zu dominieren. TeeJay hingegen kommt aus der TD-Familie, wie der legendäre Big Tusker Tim, und sieht mit seinen langen Stoßzähnen sehr beeindruckend aus. Mit 33 Jahren ist er aber viel jünger als Wronski und würde es nicht wagen einen der wildesten Bullen Amboselis herauszufordern. Der aus der GB-Familie stammende, 1985 geborene, Gordon ist nur wenig älter als TeeJay und stellte somit für Wronski ebenfalls keine ernstzunehmende Konkurrenz dar. Die beiden jüngeren Bullen beobachteten genau, ob Wronski irgendwann das Interesse an Pilapila verlieren würde, achteten dabei aber sehr darauf nicht als Konkurrenten zu wirken. Dieses Verhalten wird bei Bullen häufig beobachtet. Der Wettbewerb unter ihnen ist wichtig für eine gesunde Elefantenpopulation. Auf diese Weise geben nur die stärksten und intelligentesten Bullen, welche die besten Überlebenschancen besitzen, ihre Gene an die nächste Generation von Elefanten weiter.

 

Die Amboseli-Sümpfe bedeuten Leben für unzählige Tiere
Die Amboseli-Sümpfe bedeuten Leben für unzählige Tiere

 

Auch die OA’s gehörten zu jenen Familien, die im Februar den Park verlassen hatten und erst im März zurückkehrten. Es ging ihnen sehr gut, sowohl den neuen Kälber wie auch den älteren Familienmitgliedern. Die OA’s verbringen generell viel Zeit im nördlichen Teil des Amboseli-Ökosystems. Dieses Gebiet liegt höher und ist bei starken Regenfällen ein guter, überschwemmungsfreier Aufenthaltsort.

 

Es ist allerdings auch ein sehr unwegsames Gebiet und schwer mit dem Auto zu erreichen. Das ATE-Team sucht es daher nur selten auf. Meistens wenn es einen Bericht über einen verletzten Elefanten gibt oder ein Elefant Vieh getötet hat. Letzteres kann vorkommen, wenn Hirten und ihre Herden an Wasserstellen in Konkurrenz mit Elefanten geraten.  ATE leistet dann Schadenersatz und erstattet den Viehbesitzern die Kosten für ein neues Tier. Wenn jemand einen derartigen Vorfall gemeldet hat, muss ATE überprüfen, ob die Meldung korrekt ist und die Schadenersatzansprüche berechtigt sind.

 

Die Ursache für derartige Probleme ist grundsätzlich die wachsende menschlichen Bevölkerung und ihr zunehmender Bedarf von Land. Die Elefanten verlieren dadurch immer mehr Lebensraum und das verschärft die Konkurrenz zwischen ihnen und den Viehzüchtern.

 

Nilgänse gehören zu den Wasservögeln Amboselis
Nilgänse gehören zu den Wasservögeln Amboselis, die besonders auf die Sümpfe angewiesen sind

 

In letzter Zeit gab es auch Veränderungen bezüglich der Eigentumsverhältnisse der Gebiete außerhalb des Nationalparks. Hier leben vorwiegend Massai und diese hatten ihre Länder in sogenannte Group Ranches zusammengefasst. Jetzt aber haben sie beschlossen die Group Ranches in private Landparzellen aufzuteilen. Um die Elefanten zu schützen reicht es daher künftig nicht mehr aus mit wenigen Vertretern der Group Ranches zu sprechen sondern man muss jetzt alle privaten Landeigentümer überzeugen. Das Team von ATE wird sein Bestes geben, um auch diese schwierige Aufgabe zu lösen.

 

Big Tusker Craig besucht eine Elefantenfamilie
Big Tusker Craig besucht eine Elefantenfamilie

 

Ende letzten Jahres kam es dann plötzlich fast wie aus dem Nichts zu einer weiteren, völlig neuen Bedrohung für die Elefanten des Amboseli-Ökosystems: Das rücksichtslose Vorgehen eines großen, landwirtschaftlichen Unternehmens. Die KiliAvo Ltd. hatte Land von einigen der neuen Landeigentümer erworben mit der Absicht hier eine Avocado-Farm anzulegen. Diese lag direkt auf einem der letzten verbliebenen Wanderwege der Elefanten vom Amboseli-Nationalpark zum Kimana-Sanctuary, einem ihrer wichtigsten Weidegründe außerhalb des Parks. Viele Elefanten suchen Kimana speziell während der Trockenzeiten auf – auch legendäre Big Tusker wie der im letzten Jahr verstorbene Tim oder Craig, der heute der größte Bulle in Amboseli ist. Die Avocado-Farm versperrte ihnen nun den Zugang zum Sanctuary. Das konnte verheerende Folgen für die Elefantenpopulation haben! Dazu kam, dass Avocados viel Wasser brauchen – die neue Farm aber lag in einem Trockengebiet! Man wollte daher das Grundwasser anzapfen. Doch das hätte den Grundwasserspiegel gefährlich senken können. Eine große Gefahr für die Sümpfe im Park, die im schlimmsten Fall austrocknen könnten – das Aus für alle Wildtiere Amboselis. Ebenso hart hätte es die Menschen in der Nachbarschaft getroffen. Doch nun bildete sich schnell eine Koalition von lokalen Viehzüchtern, NGO’s und dem KWS, die gemeinsam gegen die Pläne von KiliAvo Ltd. protestierten. Dabei beriefen sie sich vor allem auch auf die für das Amboseli-Gebiet geltenden Landnutzungspläne. Diese erlauben zwar die Viehzucht im traditionellen Stil doch keinen Ackerbau in der betreffenden Region! KiliAvo Ltd. hatte es außerdem unterlassen den KWS um ein Gutachten zu bitten. Wobei der KWS niemals seine Einwilligung zu der Avocado-Farm am geplanten Standort gegeben hätte.

 

Ein Sattelstorch in den Sümpfen Amboselis
Ein Sattelstorch in den Sümpfen Amboselis

 

So kam der Fall zur Behandlung vor die zuständigen Behörden. Die National Environmental Authority (NEMA) ordnete zunächst einen Arbeitsstopp für KiliAvo Ltd. an. Das Land war zwar bereits seiner natürlichen Vegetation beraubt und eingezäunt worden, doch nun durften keine weiteren Tätigkeiten mehr durchgeführt werden – auch das Bewässern der Avocado-Setzlinge wurde untersagt, ebenso wie die Reparatur der Zäune, die Elefanten an verschiedenen Stellen beschädigten. KiliAvo Ltd. erhob beim National Environmental Tribunal (NET) Einspruch gegen diese Entscheidung, scheiterte aber vollständig! Das Arbeitsverbot blieb bestehen! Noch ist der Fall zwar nicht endgültig entschieden, doch stehen die Chancen sehr gut, dass KiliAvo Ltd. seine Lizenz für die Avocado-Farm verlieren wird. Denn diese Lizenz steht nicht im Einklang mit den bestehenden Gesetzen und Verordnungen. Speziell das Ministerium für Tourismus und Wildtiere unterstützt die Forderungen nach einem Verbot der Avocado-Farm auf dem Elefanten-Korridor.

 

Es scheint also, dass die Bedürfnisse der Elefanten und anderen Wildtiere noch einmal Vorrang vor den Interessen eines großen Unternehmens erlangen werden. Doch wird dadurch auch deutlich welch große Herausforderungen die Zukunft noch bringen mag. Hoffnung macht allerdings wie schnell sich im Fall der Avocado-Farm eine große Koalition von NGO’s, dem KWS und fast allen lokalen Landbesitzern gebildet hatte, die gemeinsam gegen die KiliAvo Ltd. an einem Strang gezogen haben. ATE wird auch in Zukunft alles in seiner Macht stehende tun, um zu gewährleisten, dass die Elefanten auch weiterhin eine sichere Heimat in Amboseli finden.