ATE News: Juni und Juli 2021

Das Leben der Elefanten in Amboseli ist geprägt vom Wechsel der Jahreszeiten. Trocken- und Regenzeiten wechseln einander ab und sorgen für oft gegensätzliche Lebensbedingungen. Doch auch die Jahreszeiten selbst präsentieren sich oft sehr unterschiedlich. Trockenzeiten entwickeln sich manchmal zu echten Dürren und Regenzeiten führen mitunter zu heftigen Überschwemmungen.

 

Während der letzten Jahre erhielt Amboseli besonders reiche Niederschläge, die das Land in ein Paradies für Wildtiere verwandelt hatten – manchmal waren ganze Trockenzeiten einfach ausgefallen. Das war auch noch zu Beginn diesen Jahres so gewesen. Doch Mitte Mai hörten die Regenfälle auf und die sogenannte „große Trockenzeit“ begann – früher als üblich. Zudem kam starker Wind auf, der das Land extrem schnell austrocknete. Da die nächsten Regenfälle erst im Oktober zu erwarten waren musste man sich auf einige sehr schwere Monate einstellen. Bei den Elefanten betraf dies vor allem die ältesten Familienmitglieder und die Kälber. Kühe mit noch milchabhängigen Kälbern würden es dann schwer haben sowohl genug Milch für ihren Nachwuchs produzieren als auch ihre eigenen Bedürfnisse sicherstellen. Diese Entwicklung ist Teil des natürlichen Kreislaufs im Amboseli-Ökosystem – allerdings ein sehr harter!

 

Viele Elefantenfamilien kehren während der Trockenzeit in den Park zurück
Viele Elefantenfamilien kehren während der Trockenzeit in den Park zurück

Im Juni und Juli waren die Bedingungen vor allem außerhalb des Nationalparks bereits sehr schwierig. Im Zentrum des Parks gibt es immerhin die Sümpfe, welche das ganze Jahr verlässlich über unterirdische Zuflüsse mit Schmelzwasser vom nahen Kilimanjaro gespeist werden. Daher kehrten jetzt viele Tiere hierher zurück und das Schutzgebiet füllte sich mit zahlreichen Elefanten, Zebras, Gnus und Büffeln.

 

In diesen Zeiten ist für die Elefanten die Erfahrung der älteren Kühe von entscheidender Bedeutung – noch viel mehr als sonst! Dabei haben die Kühe der einzelnen Familien ganz unterschiedliche Wege gefunden, um trotz der Herausforderungen von Trockenzeiten das Überleben ihrer Familien zu sichern. Dies ist sehr sinnvoll, weil sie dadurch viele verschiedene Ressourcen nutzen können und Konkurrenz weitgehend vermeiden.

 

Der Park ist voller Wildtiere, die hier in der Trockenzeit Zuflucht suchen
Der Park ist voller Wildtiere, die hier während der Trockenzeit Zuflucht suchen

 

Die Mitglieder der AA-Familie beispielsweise folgen seit Generationen derselben Strategie: Sie halten sich hauptsächlich bei den Sümpfen auf und verbringen die meiste Zeit damit die Sumpfvegetation zu fressen. Dadurch haben sie stets ausreichend Wasser, was speziell für die Milchproduktion sehr wichtig ist, sie müssen nur kurze Wege zurücklegen, was Energie spart, und sie befinden sich in einem sehr sicheren und gut geschützten Gebiet, wodurch sie Konflikte mit Farmern und Bedrohungen durch Wilderer vermeiden. Allerdings hat ihre Strategie auch Nachteile: Die Sumpfvegetation ist nicht besonders nahrhaft, die Kälber müssen stundenlang durch das kalte Wasser waten, was sehr kräftezehrend ist, und können außerdem während dieser Zeit nicht bei ihren Müttern trinken. Dies führt leider sehr leicht zu Erkrankungen wie Lungenentzündung und die Kälber verbrauchen oft mehr Energie als sie durch die Muttermilch wieder zurück erhalten. Das schwächt vor allem die jüngsten sehr, da diese noch fast ausschließlich von der Milch abhängig sind.

Tatsächlich haben die AAs im Vergleich zu anderen Familien eine vergleichsweise niedrigere Überlebensrate bei ihren Kälbern. Wobei allerdings auch etwas Pech dabei ist, da viele ihrer Kälber in Dürrejahren geboren wurden und deshalb von vornherein nur geringe Überlebenschancen hatten.

 

Das Team des Amboseli Trust for Elephants (ATE) beobachtete, dass die AAs sich gelegentlich in kleinere Gruppen aufteilten, aber meistens befanden sich alle nahe genug beinander um sich durch Kontaktrufe verständigen zu können. Althea und Andrea mit ihren Kälbern wurden im Juni einmal allein gesehen, aber vier Tage später waren sie wieder bei ihrer Familie. Die Matriarchin Astrid, ihre Tochter Annan, Artemis und Arden sowie ihre Kälber haben sich sehr eng zusammengeschlossen. Und Angelina mit ihren Zwillingen verbringt weiterhin die meiste Zeit mit Abra und ihren Kälbern. Es ist wirklich erstaunlich, dass Astrid es schaffte ihre Zwillinge mit ausreichend Milch zu versorgen. Ebenso übrigens Pazia von den PAs, die letztes Jahr ebenfalls Zwillingskälber geboren hatte.

 

Angelina mit ihren Zwillingen und älteren Kälbern
Angelina mit ihren Zwillingen und älteren Kälbern

 

Auch den anderen AA-Kälbern ging es noch recht gut. Das im März geborene weibliche Kalb von Artemis sah sehr gesund aus, verhielt sich ziemlich selbstbewußt und begann damit ihre Umgebung zu erkunden. Dabei entfernte sie sich weiter von ihrer Mutter als die meisten anderen Kälber ihres Alters. Ihre Kindermädchen liessen sie dabei allerdings nie aus den Augen! Vor allem Airstream und Arden, die übrigens vielleicht bald eigene Babys bekommen werden, waren sehr aufmerksam.

 

Ein weiteres Kalb, dem es nicht an Selbstvertrauen mangelt, ist Annans 2020 geborene Tochter. Sie entfernte sich teilweise bis zu 30 Meter von ihrer Mutter und begann spielerisch und ausgelassen trompetend Büsche „anzugreifen“. Annan und Astrid beobachteten sie aufmerksam aber gelassen aus der Entfernung. Doch als Astrids 2017 geborener Sohn Amoroso zu ihr rannte, um an ihren Spielen teilzunehmen, war es mit der Gelassenheit vorbei. Arden lief schnell zu Annans Kalb und auch Annan selbst folgte ihr, um ihre Tochter zurück zu holen. Arden ist wirklich ein ausgezeichnetes Kindermädchen und Annans Kalb wurde von ihrer Mutter und Arden sicher zurück zur Familie geführt. Die Zusammenarbeit und Koordination zwischen den Familienmitgliedern bei Elefanten bringt selbst das erfahrene ATE-Team immer wieder zum Staunen.

 

Astrid, die Matriarchin der AAs, und ihre Tochter Annan
Astrid, die Matriarchin der AAs, und ihre Tochter Annan

 

Die EB-Familie folgte einer etwas abweichenden Strategie. Als die legendäre Echo noch ihre Matriarchin war hielten auch sie sich die meiste Zeit innerhalb des Parks auf, nur im August begaben sie sich gewöhnlich für einige Wochen auf Wanderschaft – vermutlich bis zum Kilimanjaro im nahegelegenen Tansania! Seit Enid die Aufgaben der Matriarchin übernommen hat verbringen die EBs nun deutlich mehr Zeit außerhalb der Parkgrenzen.

 

Am 15. Juni stellte das ATE-Team schließlich hocherfreut und erleichtert fest, dass die EBs wohlbehalten zurückgekehrt waren. Die EBs gehören definitiv zu den besonderen Lieblingen von Cynthia Moss und ihrem Team und daher war die Freude über ihre Rückkehr besonders groß. Alle bei ATE genießen es, sie in der Nähe zu haben – trotz der von ihnen verursachten nächtlichen Ruhestörungen! Während der Trockenzeit kommen die EBs nämlich gerne direkt in das ATE-Camp und fressen die hier wachsenden Phönixpalmen. Dies hat bereits Echo gerne gemacht und an ihre Töchter Enid und Eliot weitergegeben. Das Fressen von Palmherzen erfordert allerdings etwas Geschick, da die Palmen sehr robust und mit scharfen Dornen bedeckt sind. Dabei geht es nicht gerade leise zu! Die Elefanten verursachen beim Kauen so laute Geräusche, dass die Mitglieder des ATE-Teams so manche Nacht um ihren Schlaf gebracht werden!

 

Three Holes und Ilsa von der IAIC-Familie
Three Holes und Ilsa von der IAIC-Familie

 

Während die EBs außerhalb des Parks unterwegs waren hatten auch sie Zuwachs erhalten: Edwina und Eudora brachten jede ein Kalb zur Welt, Edwina ein weibliches und Eudora ein männliches. Beide Kälber wurden vermutlich im Mai geboren.

 

Sobald die EBs zurück waren gingen sie sofort wieder ihre üblichen Routine nach. Manchmal teilten auch sie sich auf, wobei Edwina dann eine eigene Gruppe anführte. Insgesamt machten die EBs einen sehr glücklichen und entspannten Eindruck. Ihre Kälber sahen alle gesund aus und hielten tagsüber regelmäßig ein Nickerchen, während sie von ihren Müttern und Kindermädchen bewacht wurden.

Die EBs kommen auch mit härteren Jahreszeiten meistens relativ gut zurecht.

 

Während einige Familien wie die AAs und die EBs regelmässig beobachtet wurden waren andere nur eher selten zu sehen. Dazu gehörten beispielsweise die GBs und die PCs. Dies liegt teilweise daran, dass sie versuchen große Elefantenansammlungen, wie sie gerade im Zentrum des Parks anzutreffen waren, zu meiden. Sie scheinen außerhalb Ressourcen zu kennen, die sie nutzen können. Vor allem bei Placida und ihrem Teil der PC-Familie scheint dies der Fall zu sein. Sie wurden im Juni und Juli daher überhaupt nicht gesichtet. Aber auch Petullas Gruppe konnte in beiden Monaten nur je einmal beobachtet werden. Immerhin waren dabei alle Mitglieder ihres Familienzweigs zusammen und befanden sich in guter körperlicher Verfassung.

 

Auch von den GBs gab es nur wenige Sichtungen; im Juni wurden Goldas und Gails Gruppen je einmal und im Juli Gails Familienzweig zweimal beobachtet. Sie legten große Entfernungen zurück um verschiedene Nahrungsquellen aufzusuchen. Trotzdem sahen alle Familienmitglieder gut aus! Und auch sie hatten Zuwachs erhalten: Galileo aus Gails Gruppe bekam im Juli ein weibliches Kalb, welches zwar relativ klein aber bei guter Gesundheit ist. Und auch alle anderen GB-Kälber schien es gut zu gehen.

 

Die GB-Familie in Begleitung von Michael, einem der großen Bullen Amboselis
Die GB-Familie in Begleitung von Michael, einem der großen Bullen Amboselis

 

Die FBs wiederum folgten der weitverbreiteten Strategie sich während der Trockenzeit in kleinere Gruppen aufzuteilen. Sie wurden mehrfach gesichtet und bildeten dabei stets zwei identische Einheiten : Eine bestand aus Fanny und ihren Töchter und die andere aus allen anderen Familienmitgliedern.

 

Eine der Begegnungen mit den FBs war besonders schön und sagte viel über den Charakter der Elefanten aus. Flossie und ihr Kalb befanden sich zusammen mit Fenneke und Farrukhan, den Kälbern der verstorbenen Flame, am Rand einer großen Elefantenansammlung. Ohne Hintergrundwissen hätte man nie geahnt, dass Fenneke und Farrukhan nicht Flossies eigene Kälber waren, so liebevoll war das Verhalten zwischen Fenneke und Flossie. Sie tauschten viele freundliche Körperkontakte aus und Fenneke war für Flossie’s Kalb ein sehr aufmerksames Kindermädchen.

 

Vor allem die größten Familien sind während Trockenzeiten am häufigsten gezwungen sich in kleinere Gruppen aufzuteilen. Das traf beispielsweise auf die OAs zu. Im Juni wurden sie zwar überhaupt nicht gesichtet aber dafür dann im Juli mehrmals – jeweils in verschiedenen Konstellationen. Ololua, Oberon, Orora, Oceana, Okamifa, Odessa und Okanja waren bei einer Gelegenheit ohne den Rest der Familie unterwegs. Ein anderes Mal waren aber wieder alle zusammen.

Onyx und Olympia führen generell verschiedene Familienzweige. Onyx wurde mit ihrer Gruppe öfter als Olympia mit ihrem Teil gesichtet. Manchmal wurde auch Omo River allein mit ihren Kälbern beobachtet, die zu Onyx‘ Familienzweig gehört. Aber auch sie kamen immer wieder mit den anderen zusammen. Diese Strategie scheint ebenso notwendig wie erfolgreich zu sein.

Und auch hier gab es Familienzuwachs: Oriana hatte ein männliches Kalb, das vermutlich bereits im März geboren worden war.

 

Olam und Oleg aus der OB-Familie beim Spielen
Olam und Oleg aus der OB-Familie beim Spielen

 

ATE beschäftigt sich seit den 70er Jahren mit den Wanderungen der Elefanten und ihren sozialen Strategien. Die  dabei gewonnen Erkenntnisse sind heute wichtiger denn je um die Elefanten zu verstehen und ihr Überleben in Freiheit zu sichern.

Ökologische Veränderungen sowie der Einfluss des Menschen auf ihren Lebensraum beeinflussen die Wanderbewegungen der Elefanten und wie viel Zeit sie miteinander verbringen können.

 

Derzeit steht Amboseli vor dramatischen Landnutzungsänderungen. Die von Massai gemeinschaftlich genutzte Olgololui Group Ranch, die ein riesiges Gebiet um den Park herum umfasst, soll in Landparzellen unterteilt werden, von denen jede einem Mitglied der Group Ranch übertragen wird.

Eine gewaltige Herausforderung, welche viel Planung und Management erfordert.  Natürlich muss der Wunsch der Massai-Gemeinde nach Veränderung ihres Landnutzungssystems respektiert werden. Doch gleichzeitig gilt es auch den Bedürfnissen der Elefanten und anderen Wildtiere gerecht zu werden. Erfreulicherweise signalisierten sowohl die überwiegene Mehrheit der Massai wie auch das Landnutzungsplanungskomitee ihre Bereitschaft den Schutz der Wildtiere sicherzustellen.

 

Cerise, die Matriarchin der CB-Familie, ist zurück
Cerise, die Matriarchin der CB-Familie, führt ihre Familie auf weiten Wanderungen

 

Nun gilt es zu klären welche Gebiete für die Elefanten von besonderer Bedeutung sind, als Weidegründe oder auch als Wanderkorridore. Dabei spielen speziell die Forschungsergebnisse von ATE über die Wanderbewegungen der Elefanten eine herausragende Rolle. Das Landnutzungskommitee greift bei seinen Entscheidungen hauptsächlich auf die von ATE erhaltenen Daten zurück. Daher sind die Aussichten gut, dass die Umwandlung der Olgololui Group Ranch in privates Landeigentum das Überleben der Elefanten und anderen Wildtiere nicht gefährden wird.

 

Doch das dürfte nicht die letzte derartige Herausforderung bleiben. Kenia entwickelt sich alarmierend schnell und es ist unumgänglich ein Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der Menschen und der Wildtiere sicherzustellen. Die Verantwortlichen sind sich dessen auch bewußt. Denn lebendige Ökosysteme sind das große Naturerbe dieses Landes und durch den Wildtiertourismus einer der bedeutendsten wirtschaftlichen Faktoren. Die Einnahmen aus den Parkeintrittsgebühren sowie Arbeitsplätze im Tourismussektor für Millionen Kenianer sind unverzichtbar. Daher gibt es den entschiedenen Willen die Wildnis und ihre Tiere – nicht zuletzt die Elefanten – auch für zukünftige Generationen zu erhalten. Das ATE-Team wird mit seinen Forschungen und seinem Wissen über die Bedürfnisse der Elefanten auch weiterhin seinen Beitrag leisten um dieses große Ziel zu erreichen.