ATE News: Oktober und November 2020

News vom Amboseli-Trust-for-Elephants – die Monate Oktober und November 2020:

 

Gleich zu Beginn eine gute Nachricht: Die Zwillinge von Angelina aus der AA-Familie, welche im September leider etwas dünn aussahen und lethargisch wirkten, haben sich wieder sehr gut erholt! Im November wurden sie zusammen mit ihrer Mutter in der Nähe des Camps vom Amboseli Trust for Elephants (ATE) entdeckt und bei dieser Gelegenheit waren sie richtig gutgenährt und voller Energie!

 

Angelina, ihre Zwillinge und zwei Kindermädchen
Angelina, ihre Zwillinge und zwei Kindermädchen

Auch anderweitig gab es eine leicht positive Entwicklung: Der durch die COVID-19-Pandemie fast vollständig zum Erliegen gekommene Tourismus fing an sich wieder etwas zu erholen. Die Besucherzahlen waren zwar immer noch sehr niedrig und internationale Gäste fehlten fast vollständig, doch zumindest die Zahl der kenianischen Besucher begann wieder etwas anzusteigen. Es war ermutigend zu sehen, wie sehr viele Kenianer die Natur ihres Landes schätzten. Außerdem stieg dadurch die Hoffnung, dass in absehbarer Zeit wieder mit mehr Einnahmen aus dem Tourismus gerechnet werden darf. Viele Menschen im Amboseli-Gebiet hängen stark davon ab und hatten durch die Auswirkungen der Pandemie praktisch ihr gesamtes Einkommen verloren. Dies führte zu einem Anstieg der Buschfleisch-Wilderei, welche nun hoffentlich wieder zurückgeht.

 

Die Elefanten in Amboseli hatten bereits während der letzten Monate eine recht gute Zeit gehabt, was vor allem den ergiebigen Regenzeiten und dem dadurch hervorgebrachten üppigen Nahrungsangebot zu verdanken war. Erfreulicherweise setzte sich dies auch im Oktober und November fort.

 

Bemerkenswert war vor allem auch die enorm große Zahl an neugeborenen Kälbern! Das Jahr 2020 wird in die Geschichte als das Jahr mit dem größten bisher bekannten Babyboom in Amboseli eingehen! Bis Ende November wurden über 200 Geburten festgestellt!

 

Flamingos
Flamingos

 

Allerdings  war es während dieser zwei Monate fast unerträglich heiß! Normalerweise ist dies ein Indiz für den baldigen Beginn der Regenzeit. Doch im Oktober gab es nur ganz spärliche Niederschläge. Erst im November folgten dann richtig ergiebige Regenfälle – zwar nur einige wenige, doch dafür umso stärkere mit insgesamt 70,5 mm Niederschlag. Innerhalb weniger Tage verwandelte sich der Park einmal mehr in ein üppiges grünes Paradies. Große Flamingoscharen kehrten zurück um die Gewässer Amboselis zu bevölkern und boten ein wunderschönes Bild.

 

Viele Elefantenfamilien verließen nun den Park, um die Nahrungsressourcen und die temporär existierenden Wasserstellen außerhalb des Parks optimal zu nutzen. Leider ist es in dieser Zeit oft schwer sie im Auge zu behalten und einige Familien wie die PC’s wurden während dieser Monate überhaupt nicht gesehen. Doch kann man sicher davon ausgehen, dass sie mit Beginn der nächsten Trockenzeit zurückkehren werden.

 

Es gab aber auch Familien, die sich entschieden im Park zu bleiben, darunter die AA’s. Zur großen Erleichterung des gesamten Teams hatten sich Angelinas Zwillinge wieder gut erholt, nachdem sie im September ziemlich unterernährt und lethargisch wirkten. Angelina hielt sich oft in der Nähe des Camps auf, während Astrids Gruppe sich auch mal etwas weiter entfernte.

 

Annan, die Tochter Astrids, spielt mit ihrem Rüssel
Annan, die Tochter Astrids, spielt mit ihrem Rüssel

 

Angelinas Zwillinge hatten in ihren älteren Schwestern Amora und Aspen zwei sehr aufmerksame Kindermädchen. Vor allem Aspen, die ältere der Schwestern, kümmerte sich hingebungsvoll um ihre beiden neuesten Geschwister. Dieses Verhalten ist typisch für weibliche Elefanten – unabhängig von ihrem Alter. Man sieht es bei zweijährigen Kälbern ebenso wie bei 60 Jahre alten Kühen. Vorwiegend beschäftigen sich allerdings junge Kühe unter 15 Jahren damit. Ihre Hauptaufgabe ist es auf die Kälber aufzupassen. Die Versorgung mit Milch durch Kindermädchen kommt hingegen nur sehr selten vor. Wenn Kälber tatsächlich bei einer Kuh als ihrer Mutter trinken, dann handelt es sich meistens um ihre Großmutter oder um eine Kuh, die gerade ihre eigenes Kalb verloren hat.

 

Auf jeden Fall aber kümmern sich die Kindermädchen auf vielfältige Weise um die ihnen anvertrauten Kälber: Sie beruhigen sie, wenn sie ängstlich oder aufgeregt sind, trösten sie nach negativen Erfarhungen, beschützen sie vor Gefahren und achten darauf, dass sie bei Wanderungen den Anschluss an die Familie nicht verlieren. Bei all der Liebe und Zuneigung können Kälber zu ihren Nanny’s großes Vertrauen entwickeln und in ihrer Gegenwart leichter bereit sein sich von ihren Müttern zu entfernen. Diese profiteren davon, da sie dadurch mehr Zeit für sich und ihre eigenen Bedürfnisse haben.

 

Manche Familien entwickelten in dieser Hinsicht ganz spezielle Strategien. So gibt es einige, die ihre Kälber regelmässig unter der Aufsicht von Kindermädchen zurücklassen, während die Mütter in den Sümpfen nach Nahrung suchen. Dadurch bleiben den Kleinsten die energiezehrenden Wanderungen durch die Sümpfe erspart.

 

Generell kann man sagen je mehr Kindermädchen es in einer Familie gibt desto besser sind die Überlebenschancen der Kälber.

 

Enid, die Matriarchin der EB's - teilweise noch rot eingestaubt
Enid, die Matriarchin der EB’s – teilweise noch rot eingestaubt

 

Einige Familien hatten während der letzten Monate ihr eigenes, ganz spezielles Wanderverhalten entwickelt. Die EB’s beispielsweise waren immer wieder gekommen und gegangen – mal innerhalb und mal außerhalb des Parks unterwegs. Dabei schienen sich gerne in einem Gebiet mit roter Erde aufzuhalten, da sie oft rot eingestaubt angetroffen wurden. Solche Böden sind in Amboseli – anders als in Tsavo East oder Tsavo West – sehr selten. Vermutlich hatten sich die EB’s südlich der Grenze in Tansania aufgehalten, wo es ein Gebiet mit roter Erde gibt.

 

Auch in dieser Familie gab es neugeborene Kälber. Elspeth brachte Ende Oktober ein weibliches Kalb zur Welt und Elise Ende November ebenfalls ein Mädchen.

Elspeth ist Eudoras Tochter und hat bereits drei lebende Kälber. Elise ist Enids Tochter und das ATE-Team war sehr von der Geburt ihres Kalbes überrascht, da sie erst 2018 ein männliches Kalb geboren hatte. Normalerweise liegen zwischen Geburten Intervalle von drei bis fünf Jahren. Der kurze Abstand zwischen den Geburten von Elises Kälbern ist vermutlich auf das ungewöhnlich gute Nahrungsangebot der letzten Jahre zurückzuführen. Tatsächlich gab es in Amboseli gleich mehrere Fälle mit Geburten in so kurzem Abstand und einige Kühe hatten erfolgreich beide Kälber gesäugt.

Es ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich, dass sich die ergiebigen Regenfälle der letzten Jahre so schnell wiederholen werden und dadurch wird Elise vor große Herausforderungen stehen. Vor allem kann es für sie  schwer werden genug Milch zu produzieren, da neben dem neuen Kalb auch das vorherige noch längere Zeit gesäugt werden muss und Bullenkälber wegen ihres schnelleren Wachstums einen besonders großen Energiebedarf haben. Elise wird kluge Entscheidungen treffen müssen, um dieses Problem zu lösen. Allerdings hat sie glücklicherweise in Enid eine sehr weise und erfahrene Mutter. Vielleicht wird Enid sogar Elises Kalb säugen, um ihrer Tochter zu helfen. Auf jeden Fall wird sie ihre Tochter unterstützen so sehr sie kann und dadurch die Überlebenschancen ihrer Enkel deutlich verbessern.

 

Ein Löwenpaar
Löwen können eine Gefahr für Elefantenkälber sein – doch die Kühe passen sehr gut auf sie auf.

 

Für die FB’s war speziell der November ein sehr dramatischer Monat. Zunächst brachte Fannys 11 Jahre alte Tochter Flo in diesem Monat ein weibliches Kalb zur Welt, was für die ganze Familie schon sehr aufregend war.

Und dann entdeckte das ATE-Team die FB’s am 6. November in der Nähe der Ol Tukai Lodge und stellte fest, dass sich Fenneke’s (Flames 2011 geborene Tochter) linkes Hinterbein in einem Stück Draht, das von einem Zaun stammte, verfangen hatte! Sofort wurde die mobile Tierarzteinheit des SWT / KWS aus Amboseli verständigt, die auch gleich zu Hilfe kam. Der Tierarzt konnte Fenneke schnell narkotisieren und dann den Draht entfernen. Glücklicherweise war sie wohl noch nicht sehr lange darin verwickelt gewesen, die Schlinge hatte sich nur leicht zugezogen und nicht in die Haut geschnitten.

Fenneke erhielt dann ein Aufwachmittel, war schnell wieder auf den Beinen und schloss sich ihrer Familie an – offenbar ohne schmerzhafte Nachwirkungen zu spüren.

 

Derartige Vorfälle kommen in Amboseli erfreulicherweise nur selten vor, doch sind sie leider nicht vollständig unbekannt. Das Team von ATE ist sehr froh, dass in diesem Fall schnelle Hilfe möglich war und dankt dem Tierarztteam für sein schnelles Handeln. Doch Fenneke’s Beispiel erinnerte auch an die Auswirkungen schlecht gewarteter Zäune im und um den Park. ATE hat in der Vergangenheit „Aufräumtage“ organisiert, an denen das Team Kabel entfernte, die im und um den Park auf dem Boden liegen geblieben waren. Offenbar müssen noch ein paar weitere solcher Aktionen durchgeführt werden, um zu verhindern, dass so etwas wieder passiert.

 

Die meisten Familien blieben aber von derartigen Problemen verschont. Sehr gut ging es beispielsweise den GB’s. Diese sind eine der größten Familien in Amboseli und daher gezwungen sich oft in kleinere Gruppen aufzuteilen, um genug Nahrung zu finden. Doch jetzt konnten sie endlich wieder einmal alle zusammen kommten, was große Freude auslöste. Nicht zuletzt, weil es auch bei ihnen Nachwuchs gab: Gail brachte im November ihr fünftes Kalb zu Welt – ein Mädchen. Sie ist eine erfahrene Mutter und Großmutter und ihre älteste Tochter Gertrude hat schon zwei eigene Kälber.

Gail ist in ihrer Familie sehr respektiert und führt einen kleinen Teil der GB’s an, wenn sie sich aufteilen müssen. Der größere Teil der Familie wird von Golda angeführt, welche die Gesamtführung übernimmt, wenn alle Familiengruppen zusammentreffen.

 

Elefanten vor dem Kilimanjaro
Elefantenfamilien vor dem Kilimanjaro

 

In Zeiten mit guten Nahrungsangebot kommen aber nicht nur die Mitglieder großer Familien zusammen sondern es kommt auch zur Vereinigungen von verschiedenen Familien, vor allem wenn diese gut miteinander befreundet sind. So wurden Olympia, Outlook, Olya, Olwen und ihre Kälber von den OA’s zusammen mit einem Teil der PA’s angetroffen. Alle sahen sehr gut aus und konnte die Zeit des Zusammenseins sehr genießen.

 

Familien, die häufig gemeinsame Gruppen bilden und deren Mitglieder gut befreundet sind, gelten als Bindungsgruppen. ATE hat sich eingehend mit diesem Thema befasst und festgestellt, dass einige Familien ihre Bindungsgruppen im Laufe der Zeit ändern, während andere sehr konsant sind. Verwandtschaft, Freundschaft, Matriarchat, Persönlichkeitsgeschichte, Geschlecht, Alter, demografische Ereignisse, Paarungsstrategien und Umweltbedingungen können sich auf Zusammenschlüsse und Trennungen von Elefantegruppen auswirken. ATE untersuchte speziell auch den Grad der Geselligkeit verschiedener Familien und stellte dabei fest, dass speziell die OA’s während der letzten vier Jahrzehnte ein sehr konstantes Verhalten bezüglich ihrer Bindungen zeigten. Ihre wichtigsten Freunde waren schon immer die CB’s gewesen, eine relativ kleine Familie, die derzeit von einer Kuh namens Cerise angeführt wird. DNA-Analyse zeigten, dass die OA- und CB-Familien genetisch nicht verwandt sind. Trotzdem bilden sie seit mehreren Jahrzehnten eine Bindungsgruppe. Diese Fähigkeit Freundschaften auch mit Nicht-Verwandten einzugehen gehört zu den beeindruckendsten Eigenschaften von Elefanten.

 

Ohne die jahrzehntelange Forschungsarbeit von ATE wären uns viele der faszinierenden Fähigkeiten und Verhaltensweisen der Elefanten nicht bekannt. Darüberhinaus setzt sich diese Organisation aber auch unermüdlich für den Schutz der Grauen Riesen und ihrer Heimat ein. Damit Amboseli auch weiterhin eines der letzten Gebiete Afrikas bleibt in denen Elefanten in Freiheit ein Leben führen können, wie es ihrer Art entspricht.