ATE News: Oktober und November 2021

Die Monate Oktober und November 2021 waren geprägt von der weiter anhaltenden Trockenzeit, die es den Elefanten immer schwerer machte noch genug Nahrung zu finden – nur Wasser steht in den Sümpfen ganzjährig ausreichend zur Verfügung.

Vor allem die Kälber hatten sehr zu kämpfen und mehrere machten einen besorgniserregenden Eindruck. Das Team des Amboseli Trust for Elephants musste in diesen Fällen die schwere Entscheidung treffen ob und wann helfend eingegriffen werden sollte. In einigen Fällen entschloss man sich vorerst noch abzuwarten und den Kälbern die Chance zu geben bei ihren Familien zu bleiben, dabei aber ihre Entwicklung genau im Auge zu behalten, um notfalls schnell Hilfe leisten zu können. Im Fall eines Kalbs der BC-Familie, welches den Namen Barnoti erhielt, war allerdings klar, dass sofort Hilfe nötig war und der Sheldrick Wildlife Trust wurde zu seiner Rettung gerufen. Der kleine Bulle kam in die Nursery nach Nairobi, wo er nun eine zweite Chance auf ein Leben in der Wildnis erhält.

 

Amboseli war allerdings noch immer besser dran als andere Teile Kenias, die mittlerweile unter einer echten Dürre litten, die vielen Wildtieren, auch Elefanten, das Leben kostete. Im Zentrum des Nationalparks liegen Sümpfe, die den Tieren das ganze Jahr über Wasser und Nahrung bieten. Allerdings ist die Sumpfvegetation nicht besonders nährstoffreich und es fällt den Elefantenmüttern schwer mit dieser Nahrung genug Milch für ihre Kälber zu produzieren und gleichzeitig auch sich selbst mit der nötigen Energie zu versorgen. Außerdem können Kälber während der Zeit, die ihre Mütter in den Sümpfen verbringen, nicht gesäugt werden und müssen stattdessen oft selbst lange und anstrengende Wege durch das relativ kalte Wasser der Sümpfe zurücklegen. Diese Umstände machten sich allmählich bemerkbar und viele Kälber begannen sehr dünn auszusehen – einige besorgniserregend.

Sollte die Trockenheit weiter andauern musste damit gerechnet werden, dass sie auch in Amboseli Opfer fordern würde – vor allem unter den jüngsten Kälbern aber auch den ältesten Tieren sowie jüngeren Müttern, die sich selbst noch im Wachstum befinden und gleichzeitig Milch für ihre Kälber produzieren müssen.

 

Für das Team des Amboseli Trust for Elephants (ATE) ist es schwer solche Entwicklungen mitanzusehen. Sie helfen so gut sie können – aber es ist nicht einfach in solchen Situationen zu entscheiden wann und wie weit man als Mensch eingreifen darf, soll oder muß. Grundsätzlich vermeidet man es Kälber von ihren Familien zu trennen – auch wenn es sich um Waisen handelt.  Die Chancen von Elefantenwaisen in menschlicher Obhut sind nicht automatisch besser als die von Waisen, die bei ihren Familien leben, vor allem wenn sie bereits ohne Milch auskommen. Die Trennung eines Kalbes von seinen Verwandten und Freunden wäre jedoch für alle Elefanten mit großer Angst und enormem Streß verbunden und die gesamte Familie danach voller Trauer um den Verlust des Kalbes. Solche traumatischen Erlebnisse möchte man ihnen wenn irgend möglich ersparen. Daher wartet man zunächst ab ob die Kälber in der Lage sind mit Hilfe der anderen Familienmitglieder zu überleben. Sobald ein Kalb allerdings den Anschluß an seine Gruppe verliert wird eingegriffen.

 

Die Zwillingskälber von Angelina aus der AA-Familie gehörten zu den Kälbern, um die man sich große Sorgen machte. Elefantenkühe haben nur extrem selten Zwillinge – aus gutem Grund. Meistens ist es für sie schon schwer genug Milch für ein Kalb zu produzieren. Zwillinge haben daher generell deutlich schlechtere Überlebenschancen. Angelina’s Kälber waren immerhin in einer Zeit des Überflußes geboren worden. Doch jetzt, mit ca. anderthalb Jahren, litten sie sehr unter den harten Bedingungen. Vor allem das männliche Kalb schien es sehr schwer zu haben. Allerdings ist er ein sehr entschlossener, zielstrebiger und willensstarker kleiner Bulle, was sehr hilfreich ist, wenn es darum geht schwere Zeiten zu überstehen. Daher wurde entschieden noch nicht einzugreifen sondern die weitere Entwicklung abzuwarten. Das ist auch relativ gut möglich, da die AA-Familie zu den standorttreuesten in Amboseli gehört und ihre Weidegebiete unweit des ATE-Camps liegen.

 

Ella
Ella, die Matriarchin der EB2-Familie

 

Auch der ca. anderthalb Jahre alte Sohn von Ella, der Matriarchin der EB2-Familie, befand sich in einer besorgniserregenden Situation. Ella war von Unbekannten mit einem Speer tödlich verletzt worden und ihr Sohn eigentlich noch milchabhängig. Ihre Familie hält sich in der Selenkay-Conservancy auf, die im Norden des Amboseli-Ökosystems liegt. Für das ATE-Team ist es schwer sie dort im Auge zu behalten. Aber dankenswerter Weise sind die Mitarbeiter des lokalen Porini Camps eine großartige Hilfe, da sie diese Familie gut kennen, regelmäßig sehen und Berichte über ihre Entwicklung an ATE senden. Sie beobachteten, dass die EB2s sich nur langsam vom Verlust ihrer geliebten Matriarchin Ella erholten. Eine Leitkuh zu verlieren, noch dazu auf gewaltsame Weise, ist für Elefanten absolut traumatisch. Besonders hart ist es aber für Ellas Sohn. Er hatte inzwischen schon sichtbar an Gewicht verloren! Allerdings war er noch immer bei seiner Familie und seine großen Schwestern kümmerten sich liebevoll um ihn. Daher hatte auch er noch eine Chance mit Hilfe seiner Familie zu überleben und sollte es Anfang Dezember – wie prognostiziert – endlich wieder regnen, dann wäre das Schlimmste überstanden. Daher wurde auch in diesem Fall vorerst auf ein Eingreifen verzichtet.

 

Barnoti
Bouenzas Sohn Barnoti

 

Anders musste hingegen bei einem Kalb aus der BC-Familie entschieden werden. Das ATE-Team hatte festgestellt, dass Bouenza, eine Kuh dieser Familie, nicht mit den anderen zusammen war – ihre Kälber, drei ältere Töchter und ein erst 2019 geborener Sohn, allerdings schon. Das war äußerst ungewöhnlich. Eine Kuh kann sich zwar für einige Zeit von der Gruppe trennen, doch wird sie dann immer von ihren Kälbern, zumindest den milchabhängigen, begleitet. Es musste daher leider angenommen werden, dass Bouenza nicht mehr lebte.

 

 

Barnoti
Barnoti wurde ohne seine Familie gefunden

 

Auch bei ihrem Sohn beschloß man zunächst noch abzuwarten und seine Entwicklung zu beobachten. Es wurde aber bald klar, daß ihm der Verlust seiner Mutter körperlich besonders schwer zusetzte. Er begann immer mehr an Kondition zu verlieren und war schließlich nicht mehr in der Lage mit seiner Familie Schritt zu halten. Am 19. Oktober entdeckte ihn Katito von ATE ganz allein, ohne ein anderes Familienmitglied in der Nähe. In dieser Situation war völlig klar, dass sofort Hilfe geleistet werden musste. ATE informierte den Sheldrick Wildlife Trust (SWT), der unverzüglich ein Rettungsteam schickte. In einer gemeinsamen Aktion gelang es dem Team des ATE, der mobilen Tierarzteinheit des SWT und KWS sowie den SWT-Keepern Bouenzas Sohn einzufangen und in die Nursery des SWT in Nairobi zu bringen. Auf Grund seiner Abstammung von der BC-Familie wurde entschieden ihn Barnoti zu nennen, was auf Maa (Sprache der Massai) „junger Mann“ bedeutet. Er hat sich bei den anderen  Elefantenwaisen in der Nursery inzwischen gut eingelebt und das ATE-Team ist sehr froh, dass er unter der professionellen Obhut der SWT-Keeper eine zweite Chance auf ein Leben in der Wildnis erhält.

 

Barnoti
Barnoti hat sich gut in der Nursery des SWT eingelebt

 

Während diese drei Fälle die besondere Aufmerksamkeit des ATE-Teams erforderten kämpften auch die anderen Elefanten Amboselis mit den schweren Bedingungen. Wie schon erwähnt hielten sie sich oft in und bei den Sümpfen auf. Auch Familien, die lange außerhalb des Parks unterwegs gewesen waren, kehrten jetzt hierher zurück. Allerdings haben viele Matriarchinnen auch ganz spezielle Strategien entwickelt um noch genug Nahrung für ihre Familien zu finden. Diese sind unterschiedlich effektiv – bewirken aber dass möglichst alle noch verfügbaren Ressourcen genutzt werden.

 

Einige Familien, darunter die OA’s und PC’s, hielten sich tatsächlich vorwiegend bei den Sümpfen auf. Ihre Strategie hat sich bereits viele Jahre bewährt, speziell die PCs haben zahlenmässig deutlich zugenommen und sie befanden sich auch jetzt noch in recht guter Verfassung.

Im November brachte Periwinkle sogar noch ein neues Kalb zur Welt, ein Mädchen! Da Periwinkle bereits eine erfahren Mutter ist hat ihr Kalb selbst unter diesen schwierigen Umständen gute Überlebenschancen.

Und auch bei den OA’s gab es trotz der harten Zeiten Nachwuchs:  Oralee bekam im November ein weibliches Kalb. Da auch sie bereits mehrere Kälber hat (Obamba geboren 2012, Octa geboren 2015 und ein, noch namenloses, weibliches Kalb aus 2018) darf man hoffen, dass auch ihr neuestes Baby überleben wird. Außerdem stehen ihr viele engagierte Nannys zur Seite, vor allem ihre Tochter Obamba!

 

Die AA-Familie nutzt die Sümpfe sogar fast das ganze Jahr über. Angelina’s Zwillingen machten, wie schon erwähnt, einen besorgniserregenden Eindruck. Doch wenigstens den anderen Familienmitglieder schien es noch relativ gut zu gehen. Matriarchin Astrid brachte im Oktober ein weibliches Kalb zur Welt. Sein Start ins Leben begann zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Doch schien es noch kräftig zu sein und die gesamte Familie freute sich riesig über das neue Kalb in ihrer Mitte! Astrid ist eine beeindruckende Matriarchin, sie hat großen Mut und Weisheit bewiesen und hält auch engen Kontakt zu Angelina, obwohl diese dazu neigt, mit ihrem kleineren Teil der Familie für sich zu bleiben. Wir hoffen, dass Astrid ausreichend Erfahrung und auch genug körperliche Reserven hat, um ihr Neugeborenes durchzubringen, bis es endlich wieder regnet!

 

Anwyn aus der AC-Familie
Anwyn aus der AC-Familie

 

 

Andere Familien erschlossen sich eine ganz andere Nahrungsquelle: Die Phönixpalmen sowie die Rasenflächen in der Umgebung des ATE-Camps.  Zu ihnen gehörten die EBs und die GBs. Speziell die EBs haben gelernt die Phönixpalmen zu nutzen. Diese sind sehr hart und dornig, daher muss vorsichtig und geduldig vorgegangen werden, um an das sogenannte „Herz“ der Palme zu gelangen. Für die Palmen kann das tödlich enden aber sobald der Regen einsetzt werden die Elefanten sich wieder anderer Nahrung zuwenden und die Palmen haben genug Zeit, um sich bis zur nächsten Trockenzeit zu regenerieren.

 

Die GBs konzentrierten sich vor allem auf die Weideflächen in der Nähe des Camps. Manchmal wagten sie sich sogar mitten zwischen die Zelte, was sonst fast nur die EBs machen. Die GBs zeigten dem ATE-Team dadurch ihr großes Vertrauen und erschlossen sich gleichzeitig eine wichtige Nahrungsquelle.

 

Sowohl bei den EBs wie den GBs gab es ebenfalls Nachwuchs. Edwinas Tochter Elaine brachte am 21. Oktober ein männliches Kalb zur Welt und Gigabyte im November ein Kalb mit noch unbekanntem Geschlecht. Da beide bereits mehrer Kälber haben sind sie erfahrene Mütter und so hofft man, dass auch sie es schaffen werden ihre neuen Kälber bis zum Beginn der Regenzeit durch die harten Zeiten zu bringen.

 

Oktober und November waren also für die Elefanten Amboselis definitv keine leichte Zeit doch blieben sie noch von einer echten Dürre verschont und kamen weitgehend gut zurecht. Nun ruhten alle Hoffnungen auf den nächsten Wochen und den baldigen Beginn der nächsten Regenzeit.