Amboseli News: Juni und Juli 2023

Esposito unternahm eine außergewöhnliche Wanderung

Juni und Juli waren wundervolle Monate in Amboseli. Auch wenn es allmählich wieder trockener wurde, gab es weiterhin eine ausreichende Menge und Vielfalt an Vegetation für die Tiere. Wie erwartet kehrten jetzt viele Elefanten, die während der Regenzeit über die Grenzen des Nationalparks hinaus gewandert waren, wieder zurück. Darunter befanden sich auch Familien, die sonst nicht so häufig zu sehen sind, wie beispielsweise die RAs. Wir freuen uns besonders, dass auch Rea, Risas Tochter, die nach der Kurzform unseres Vereinsnamens benannt wurde, dabei war und sich in sehr guter Verfassung befand. Ganz offensichtlich hatte sie sich wieder von den Auswirkungen der Dürre erholt.

 

Rea, Risas Tochter aus der RA-Familie
Rea, Risas Tochter aus der RA-Familie

 

Das Team des Amboseli Trust for Elephants (ATE) hatte allerdings jede Menge zu tun. Unter anderem arbeiteten die Forscherinnen noch immer daran, die Zusammensetzung der einzelnen Familien nach der letzten Dürre zu erfassen. Das war leider noch mit manchen traurigen Erkenntnissen verbunden.

Sorgen bereitete dem ATE-Team auch die FB-Familie. Während sie Fortino und ihre Schwester Floppy mit ihren Kälbern regelmäßig beobachten konnten, hatten sie Fanny seit ein paar Monaten nicht mehr gesehen. Diese lange Abwesenheit sorgt inzwischen für eine gewisse Beunruhigung – gerade nach der langen Dürre.  Doch noch besteht Hoffnung, dass Fanny vielleicht auch bald wieder auftaucht  und davon  im  nächsten Update berichtet werden kann.

Die meisten Elefanten hatten jetzt aber eine wirklich gute Zeit, und es waren viele wundervolle Szenen zu beobachten, beispielsweise, wenn befreundete Elefantenfamilien, die sich lange nicht mehr gesehen hatten, endlich wieder zusammentrafen. Die Wiedersehensfreude der Elefanten zu sehen (und zu hören) ist sehr bewegend.

Das ATE-Team beobachtete auch eine starke Zunahme an Paarungen. Viele Elefantenkühe, die während der Dürre auf tragische Weise ihre milchabhängigen Kälber verloren hatten, kamen jetzt wieder in den Östrus, wie beispielsweise Ottoline, die Matriarchin der OBs. Und dies lockte natürlich eine große Zahl von Bullen in den Park, die entweder versuchten, sich mit den Kühen zu paaren, oder wenn sie hierzu keine Chance erhielten, hofften, Einblicke in das Paarungsverhalten ihrer erfolgreicheren Artgenossen zu erhalten. Für die Feldforscher des ATE war dies eine aufregende und zugleich anspruchsvolle Zeit. Einige der Bullen, denen sie begegneten, waren seit Jahren oder sogar Jahrzehnten nicht mehr gesehen worden.

 

Ottoline und ihre Verehrer
Ottoline und ihre Verehrer

 

Unter ihnen befanden sich auch einige sehr eindrucksvolle Musth-Bullen wie Conor aus der CB-Familie, der jetzt 39 Jahre alt ist. Einer anderer war Paolo, ein Bulle aus der PC-Familie. Er wurde 1979 geboren und ist damit einer der ältesten Bullen aus Amboseli. Er versuchte, sich mit so vielen Kühen wie möglich zu paaren, und war dabei auch recht erfolgreich. Eine dieser Paarungen fand mit Pink aus Petulas Gruppe von den PCs statt. Dies war ziemlich außergewöhnlich, denn wenn Paolo und Pink auch nicht nahe verwandt sind, so stammen sie doch aus derselben Familiengruppe. Normalerweise vermeiden Elefanten Paarungen zwischen Verwandten in jedem Fall. Vielleicht lag Paolos Verhalten daran, dass Pink erst 1996 geboren wurde, als er die Familie bereits verlassen hatte, und er daher nicht mit ihr zusammen aufgewachsen war. Außerdem stammen Pink und Paolo aus verschiedenen Familienzweigen der PCs.

Die PC-Familie konnte sich dieses Jahr übrigens bereits mehrfach über Nachwuchs freuen. Zuletzt hatte gegen Ende Mai auch Pauleta eine Tochter zur Welt gebracht. Allen in diesem Jahr geborenen Kälbern geht es bisher erfreulicherweise sehr gut.

 

Ein Elefantenbulle in den Amboseli-Sümpfen
Ein Elefantenbulle in den Amboseli-Sümpfen

 

Wie erwartet kamen auch die EBs gegen Ende Juni nach Amboseli zurück – sowohl Enids als auch Edwinas Gruppen. Enids Gruppe wurde von einem sehr interessanten jungen Bullen begleitet: Esposito aus der EA-Familie. Für ATE war dies nicht nur eine Überraschung, sondern sogar eine Riesenerleichterung, da das Team schon lange nach ihm gesucht hatte.

Esposito ist Teil eines aktuellen Forschungsprojekts über die Entwicklung junger Elefantenbullen auf dem Weg zur Unabhängigkeit. Er wurde 2003 als Sohn von Eclipse geboren. Seine Mutter war eine der wenigen dokumentierten Zwillinge in der Amboseli-Population, die bis ins Erwachsenenalter überlebten. 2019 wurde Esposito zusammen mit vier weiteren Jungbullen für das neue Projekt ausgewählt.  Um zu verstehen, was junge Bullen machen, wenn sie ihre Geburtsfamilien verlassen, wurden die fünf Jungbullen mit Senderhalsbändern versehen, die seitdem Daten über ihre Wanderungen liefern. Espositos Bewegungsdaten gehören dabei zu den außergewöhnlichsten dieser Aufzeichnungen. Zunächst war er von Amboseli zum Kilimanjaro in Tansania gewandert und dann noch weiter bis zum Lake Natron. Anschließend wandte er sich in Richtung Nordwesten und überquerte die Grenze wieder zurück nach Kenia, in das Masai Mara-Schutzgebiet. Dort hatte er sein Senderhalsband verloren, wodurch ihn das ATE-Team aus den Augen verlor. Sie versuchten zwar ihn mit Hilfe der Ranger des Mara Elephant Project wiederzufinden, doch leider ohne Erfolg.  Umso größer waren die Überraschung und Erleichterung von Cynthia Moss und ihrem Team, als Esposito jetzt nur wenige Monate später zusammen mit der EB-Familie wieder in Amboseli auftauchte!

 

Esposito unternahm eine außergewöhnliche Wanderung
Esposito unternahm eine außergewöhnliche Wanderung

 

Nun war allerdings war keine Zeit zu verlieren, und mit Erlaubnis des Kenya Wildlife Service (KWS) erhielt dieser wanderfreudige junge Bulle ein neues Senderhalsband. Die von Esposito zurückgelegte Strecke wurde nun erstmalig durch sichere Aufzeichnungen belegt. Zwar gab es auch vorher bereits Vermutungen, dass Elefanten diese Route wanderten, doch wurde dies nie eindeutig belegt. Die von Esposito gelieferten Daten seines GPS-Senders sind daher von großer Bedeutung, da sie nun den gesuchten Beweis liefern. Hoffentlich wird dies dazu beitragen, entlang der Route einen Korridor offenzuhalten, auf dem die Elefanten ihre Wanderungen fortsetzen können. Auf dieses Weise tragen die Forschungsergebnisse des ATE wesentlich dazu bei, Elefanten und ihre Lebensräume zu schützen.

Die Rückkehr der EB-Familie brachte noch weitere gute Neuigkeiten mit sich: Es gab drei neue Familienmitglieder! Edwinas Tochter Elana hatte außerhalb des Parks ein gesundes weibliches Kalb zur Welt gebracht und Ebony ein männliches Kalb. Diese beiden Kälber sind die Erstgeborenen der EB-Familie nach der Dürre. Ungefähr einen Monat nach ihrer Rückkehr entdeckte das ATE-Team Eliot mit einem neugeborenen weiblichen Kalb, das innerhalb des Parks zur Welt gekommen war. Das Team kann den Geburtstermin ziemlich genau einschätzen, es müsste der 21. Juli gewesen sein, da Eliot am 20. Juli noch hochschwanger gewesen war und am 22. Juli mit dem neugeborenen Kalb gesehen wurde.

Elise, Enids Tochter, war im Juli im Östrus und paarte sich mit einem Bullen namens Duke. Duke stammt aus der DB-Familie und wurde 1995 als Sohn von Deborah geboren. Seine Mutter war eine der ältesten Elefantenkühe in Amboseli. Sie wurde 74 Jahre alt, was für wilde Elefanten ein sehr hohes Alter ist. Elise gehört zu jenen Kühen, die während der Dürre ihr Kalb verloren hatten. Wir hoffen für sie, dass sie in 22 Monaten wieder ein Kalb bekommt und dann die Bedingungen für die Elefanten bessere sein werden.

 

Anghared aus der AA-Familie
Anghared aus der AA-Familie

 

Die AA-Familie scheint sich in drei Gruppen aufgeteilt zu haben. Obwohl sich alle Familienmitglieder immer noch im gleichen Gebiet aufhalten, wurden sie seit dem Tod ihrer früheren Matriarchin Astrid nie mehr alle zusammen gesehen. Die drei Gruppierungen sind: 1. Althea (die jetzt älteste Kuh der AA-Familie) mit Antigone, Artemis, Anson, Arden, Acholi und Annan mit ihren Kälbern, 2. Anghared und Ann mit ihren Kälbern und 3. Angelina und Abra mit ihren Kälbern. Manchmal trennen sich Arden und Annan von Althea, aber meistens bevorzugen sie ihre Gruppe. Wenn man den Stammbaum der Familie betrachtet sieht man, dass die AAs sich nach ihren Abstammungslinien aufgeteilt haben. Altheas Gruppe stammt von Annabel ab, Anghareds Familienteil von Alyce und Angelina von Amy. Diese Art der Aufteilung kommt bei Elefanten häufig vor und ist ein Zeichen für die starken Bindungen zwischen nahen Verwandten. Es ist aber noch zu früh, um zu sagen, ob diese Trennung der AAs dauerhaft ist. Das wird erst die Zukunft zeigen. Doch es wäre zu wünschen, dass sie nicht getrennt bleiben, weil Astrid hart dafür gearbeitet hatte, um alle Familienmitglieder zusammenzuhalten. Als eher kleine Familie hätten die AAs deutlich bessere Überlebenschancen, wenn sie zusammenblieben und sich gegenseitig unterstützen könnten.  Doch als frei lebende Elefanten werden sie natürlich selbst entscheiden, wie sie künftig leben werden.

 

Das Baby von Ann aus der AA-Familie
Das Baby von Ann aus der AA-Familie

 

Viele Elefantenfamilien hatten sich im Juni und Juli in großen Verbänden zusammengeschlossen. Zu ihnen gehörten die GBs und die OAs. Sowohl die Gruppen von Gail und Golda wurden gesichtet und sie verbrachten weiterhin viel Zeit zusammen, was ein wunderbarer Anblick ist, weil sie dann weit über 50 Elefanten zählen. Glenn war bei seiner Mutter Golda und er scheint den Vorfall mit dem Draht, der sich um sein Bein gewickelt hatte und entfernt werden musste, gut überstanden zu haben (siehe unseren Bericht für die Monate April und Mai 2023).

Galileo war im Juni im Östrus und wurde von einem großen Musth-Bullen namens Buyoya aus der BC-Familie verfolgt. Buyoya ist allerdings erst 26 Jahre alt. Es besteht zwar eine Chance, dass er eine Gelegenheit zur Paarung erhielt, doch da sich auch ältere Bullen wie Connor in der gleichen Gegend aufhielten, ist die Wahrscheinlichkeit eher gering. Das ATE-Team konnte jedenfalls nicht beobachten, dass er sich mit Galileo gepaart hätte. Elefantenkühe sind bei der Partnerwahl wählerisch, besonders wenn so viele Bullen anwesend sind wie in den letzten Monaten. Dabei bevorzugen die Kühe ältere Bullen, vor allem, wenn diese sich in der Musth befinden. Galileo ist eine erfahrene Kuh, die bereits drei Kälber hat: Ein Sohn namens Gizii, geboren 2012, eine Tochter namens Goranova, geboren 2018, sowie ihr jüngstes Kalb, welches 2021 geboren wurde.

 

Buyoya, ein Bulle aus der BC-Familie
Buyoya, ein Bulle aus der BC-Familie

 

Auch die OAs machten einen sehr guten Eindruck. Sie haben nach der schwierigen Dürreperiode wieder deutlich an Kraft und Kondition gewonnen und ebenfalls Familienzuwachs erhalten. Sowohl Onyx‘ Tochter Ornella wie auch ihre Schwester Omo River brachten je ein männliches Kalb zur Welt. Omo River hat bereits vier Söhne, und auch Ornella bekam bisher nur männliche Kälber, neben ihrem Neugeborenen noch drei ältere Söhne. Normalerweise bekommen Elefanten ebenso viele weibliche wie männliche Kälber. Onyx Gruppe weicht in diesem Fall deutlich vom Durchschnittswert ab.

Alles in allem waren Juni und Juli also eine wirklich gute Zeit für die Elefanten in Amboseli, und wir hoffen sehr, dass sich diese positive Entwicklung auch im weiteren Verlauf des Jahres fortsetzen wird.

 

(Fotohinweis:)
Alle hier veröffentlichten Bilder wurden uns vom Amboseli Trust for Elephants zur Verfügung gestellt.

ATE News: April und Mai 2022

Ann von den AAs mit ihren Kälbern.

April und Mai sind normalerweise die niederschlagsreichsten Monate in Amboseli, doch in diesem Jahr waren die Regenfälle fast vollständig ausgeblieben, und anstelle der „Großen Regenzeit“ gab es den Beginn einer neuen schlimmen Dürreperiode. Auf die Elefanten und andere Wildtiere, die Menschen der umliegenden Gebiete und ihr Vieh werden harte Zeiten zukommen, bis es Ende Oktober oder Anfang November hoffentlich wieder regnet. Wasser als solches ist in Amboseli zwar immer in den Sümpfen zu finden, doch die Weideflächen veröden, und die Nahrung wird knapp.

Viele Elefanten – auch solche, die sonst meistens außerhalb des Parks unterwegs sind –  kehrten in das Zentrum des Schutzgebiets zurück. Hier finden sie in den Sumpfgebieten während der Trockenzeiten noch die verlässlichsten und ergiebigsten Nahrungsressourcen.

 

Elefanten am Rand eines Sumpfes.
Elefanten am Rand eines Sumpfes

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ATE News: April und Mai 2020

Junge Elefantenkuh aus Amboseli

News vom Amboseli-Trust-for-Elephants – die Monate April und Mai 2020:

 

Nachdem es Mitte März wegen der COVID-19-Pandemie auch in Kenia zu einem Ende des Tourismus gekommen war präsentierte sich der Amboseli-Nationalpark im April und Mai fast völlig frei von Besuchern. Für das Team des Amboseli Trust for Elephants, welches weiterhin in seinem Camp arbeitete, war dies zwar einerseits eine wunderbare Situation, ein echtes Privileg, die großartige Natur Amboselis exklusiv genießen zu dürfen ohne irgend ein anderes Fahrzeug zu sehen. Doch gleichzeitig löste diese Entwicklung große Sorgen aus, denn ohne Besucher fehlten sowohl dem Park wie der benachbarten Bevölkerung wichtige Einnahmen. Der Kenya Wildlife Service bestreitet mit diesen unter anderem seine Unterhaltskosten und die Gehälter seiner Mitarbeiter. Somit bilden sie eine Grundvoraussetzung für den Schutz der Nationalparks und Reservate. Speziell Amboseli ist einer der meistbesuchten Parks in Kenia und deshalb eine Haupteinnahmequelle für den KWS. Die Einnahmen aus Amboseli tragen dazu bei auch andere, weniger besuchte Nationalparks des Landes zu erhalten und zu schützen.

 

Elefantenkuh in Amboseli
Elefantenkuh in Amboseli

 

Der Schutz der Elefanten und anderen Wildtiere im Amboseli-Ökosystem hängt auch stark von den benachbarten Menschen ab, vor allem den Massai. Diese leben Seite an Seite mit den Wildtieren und zeigten ihnen gegenüber bisher große Toleranz. Was einerseits an ihren Traditionen lag, welche die Jagd weitgehend ablehnten, andererseits aber auch an den positiven Auswirkungen des Fototourismus, der Jobs und Einnahmen durch den Verkauf von Kunsthandwerk usw. generierte. Als nun diese wichtigen Einnahmen so plötzlich ausblieben, gerieten viele Familien in ernste finanzielle Notlagen. Das könnte die Einstellung der Menschen gegenüber den Wildtieren sehr negativ verändern. Die Coronavirus-Pandemie wird für den Artenschutz weltweit zu einer großen Belastung. Doch gerade Gebiete wie Amboseli, die sich bisher weitgehend durch den Tourismus finanziert hatten, sind besonders gefährdet.

 

Die kenianische Regierung hat insgesamt sehr gut auf das Virus reagiert und ihr Bestes getan, um die Not der Bevölkerung zu lindern. Auch die Naturschutz-Aktivitäten wurden bis jetzt aufrecht erhalten. Doch trotzdem war im ganzen Land ein Anstieg der Buschfleisch-Wilderei festzustellen. Finanzielle Not brachte immer mehr Menschen dazu Wilderei zu riskieren, um ihre Familien zu ernähren.

Man kann derzeit nur hoffen, dass die Pandemie bald endet und sicheres Reisen wieder möglich wird, damit der Tourismus wieder für Einnahmen sorgt.

 

Elefantenfamilie in den Sümpfen
Elefantenfamilie in den Sümpfen

 

Amboseli selbst bot in diesen Monaten einen spektakulären Anblick! Im April wurden 80mm Niederschlag gemessen und einige Gebiete waren erneut überflutet. Im Mai gingen die Regenfälle dann etwas zurück und es wurden nur noch 16 mm verzeichnet. Dadurch hatte das Land nun Zeit, um die enormen Niederschläge des letzten Monats aufzunehmen.

 

Auch der Babyboom bei Amboselis Elefanten setzte sich fort! Bis April wurden über 100 neugeborene Kälber registriert! Ein wunderbarer Beweis für die Kraft des Lebens, nach den schlimmen Dürrejahren 2016 und 2017.

 

Elefanten beim Grasen in der Savanne.
Elefanten beim Grasen in der Savanne.

 

Angelina’s Zwillingen ging es ebenfalls sehr gut. Sie verbrachten mit ihrer Mutter und ihrer Familie, den AA’s, die meiste Zeit innerhalb des Parks. Das weibliche Kalb war etwas kleiner als das männliche, aber das ist normal, da Bullenkälber generell schneller wachsen als Kuhkälber. Dafür benötigen sie allerdings auch mehr Kalorien – ein Risiko in schlechten Jahren.

Ende April erhielt die AA-Familie noch weiteren Zuwachs, als Andrea ein weibliches Kalb zur Welt brachte.

 

Schlafendes Elefantenkalb
Dieses Elefantenkalb schläft im Stehen.

 

Leider erlitten die AAs in diesem Monat aber auch einen schrecklichen Verlust: Alexandra starb am 21. April. Bereits am 17. April war dem ATE-Team ein krank aussehender Elefant gemeldet worden und Katito machte sich sofort auf die Suche nach ihm, fand ihn aber erst vier Tage später. Elefanten können erstaunlich schwer zu finden sein, wenn sie unentdeckt bleiben wollen. Sie scheinen dann wie vom Erdboden zu verschwinden und manchmal dauert es Tage oder sogar Wochen, sie aufzuspüren. Als Katito den Elefanten endlich fand, erkannte sie sofort, dass es Alexandra war und diese sich in einem sehr schlechten Zustand befand. Katito alarmierte umgehend den Tierarzt, doch leider konnte dieser nicht mehr helfen. Bei der hochschwangeren Alexandra hatten die Wehen eingesetzt, aber es gab Komplikationen. Ihr Kalb war männlich und ungewöhnlich groß, so dass Alexandra es einfach nicht gebären konnte. Es war entsetzlich, dies mitansehen zu müssen ohne helfen zu können.

Geburtskomplikationen kommen bei Elefanten nicht häufig vor aber ATE hat im Laufe der Jahre doch mehrere Fälle registriert. Die Gründe dafür können Stress oder ein Problem mit dem Fötus selbst sein. In Alexandras Fall fiel auf, dass das Kalb für ein Neugeborenes wirklich groß war – zu groß. Es gab nichts, was der Tierarzt hätte tun können, um ihr zu helfen.

 

Während Katito und der Tierarzt bei Alexandra waren befanden sich die AAs gerade nicht in ihrer Nähe. Doch gab es Anzeichen dafür, dass sie vorher bei ihr gewesen waren. Und natürlich werden sie ihren Tod realisieren, um sie trauern und von Zeit zu Zeit zurückkehren, um ihre sterblichen Überreste als Teil ihres Trauerprozesses zu besuchen.

 

Auch im Leben der Elefanten liegen Freude und Leid oft nah beieinander. Die Geburt von Angelina’s Zwillinge war eines er wundervollsten Ereignisse seit langem – und Alexandra’s Tod eines der furchtbarsten. Und so wird das Leben weitergehen – mit allen Höhen und Tiefen.

 

Ein schon großes Kalb mit seiner Mutter.
Ein schon großes Kalb mit seiner Mutter.

 

So kam es im April zu einigen weiteren wichtigen Ereignissen bei den AA’s: Ann und Acholi waren im Östrus. Acholi ist Alisons Tochter und erst acht Jahre alt. Sie befand sich das erste Mal im Östrus. Ihre Mutter war viele Jahre, bis zu ihrem Tod, die Matriarchin der AAs und jetzt hat ihre ältere Tochter Astrid diese Aufgabe übernommen. Es ist schön, dass Alison’s Linie durch ihre Töchter weitergeführt wird.

Der erste Östrus kann für eine Kuh eine anstrengende Zeit sein, da sie nicht genau weiß, was passiert und wie sie es am besten vermeiden kann, ständig von Bullen verfolgt zu werden. Da ist es sehr hilfreich, wenn sie durch ihre Mutter oder andere ältere Familienmitglieder unterstützt wird, die ihr helfen die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Ann ist eine erfahrene Kuh und hatte mehrere Bewerber, die ihr folgten. Einer war Pascal, der sich in  Musth befand und sie bewachte. Das ATE-Team hat zwar nicht gesehen, wie sie sich paarten, aber es ist trotzdem möglich, dass es dazu kam, weil das Team nicht immer vor Ort bleiben konnte. Pascal ist ein großer Bulle mit einem Alter von 40 Jahren, der Sohn Patricia’s aus der PC-Familie. Andere Bullen, die auf eine Chance zur Paarung hofften, waren Gilgil, Goldas 33 jähriger Sohn aus der GB-Familie, und Meshach, Milly’s 26 jähriger Sohn aus der MB-Familie. Beide sind viel jünger als Pascal und stellten keine ernsthafte Konkurrenz für ihn dar. So empfand er ihre Anwesenheit nicht als sonderlich störend. Junge Bullen folgen oft älteren Musth-Bullen und beobachten ihr Paarungsverhalten, um dadurch wichtige Fähigkeiten für die Zukunft zu erlernen.

 

Junger Elefantenbulle
Junger Elefantenbulle

 

Einige Familien, die sich normalerweise fast immer innerhalb der Parkgrenzen aufhalten, wurden im April und Mai nicht gesehen. Darunter die EB’s, die man auch schon während der  Vormonate nicht entdeckt hatte. Etwas ungewöhnlich, doch genaugenommen war es ja in vielerlei Hinsicht ein sehr ungewöhnliche Zeit. Mit den äußerst reichhaltigen Regenfällen änderten viele Elefanten ihre Wanderungen und die EBs haben bereits im letzten Jahr ein zunehmendes Interesse an Gebieten außerhalb des Parks gezeigt. Das ATE-Team geht aber davon aus, dass sie mit Enid eine ebenso erfahrene wie vorsichtige Matriarchin haben, die sie sicher durch das Amboseli-Ökosystem führen wird. Doch natürlich hoffen alle die EB’s bald wiederzusehen und sind gespannt ob es auch bei ihnen Nachwuchs gab.

 

Andere Familien blieben hingegen weiterhin im Park und wurden regelmässig beobachtet. So beispielsweise die PC’s, vor allem auch Petula’s und Placida’s Gruppen. Sie kamen oft direkt in das ATE-Camp und es war schön und interessant zu beobachten, wie ihre kleinen Kälber langsam immer verspielter und neugieriger wurden. Man konnte gut sehen, wie sie anfingen ihre Umwelt zu erkunden – die physische Umgebung ebenso wie ihr soziales Umfeld. Außerdem übten sie auch praktische Fähigkeiten, wie die effektive Benutzung ihres Rüssels.

 

Ein bereits größeres Kalb
Ein bereits größeres Kalb in den Amboseli-Sümpfen.

 

Auch die FB’s und GB’s konnten zumindest gelegentlich beobachtet werden. Bei den FB’s brachte Fadila im April ein männliches Kalb zur Welt, nachdem Farida bereits im Februar ein weibliches Kalb bekommen hatte. Und bei den GB’s wurden im April zwei Neugeborene entdeckt: Genesis hatte einen Jungen und G-Mail eine Tochter. Allen diesen Familien, speziell auch den Müttern und ihren Kälbern, ging es sehr gut!

 

Leider gab es aber neben den AA’s weitere Familien, die trotz der allgemein guten Bedingungen schlimme Erfahrungen machen mussten. Dazu gehörten die OA’s. Das ATE-Team hatte diese Familie lange Zeit nicht mehr gesehen. Umso trauriger war es, dass das erste Familienmitglied, dem man schließlich wieder begegnete, sich in keinem guten Zustand befand. Am 7. April fanden ATE-Mitarbeiter Okanja. Sie lag am Boden und war offensichtlich in sehr schlechter Verfassung.  Ihr 2-jähriger Sohn wirkte verzweifelt und versuchte sie zu anzuheben – erfolglos. Offensichtlich musste Okanja bereits seit einiger Zeit krank sein, weil sie sehr dünn und schwach war. Der Tierarzt wurde sofort informiert, doch noch bevor er ankam starb Okanja. Sie war erst 16 Jahre alt.

Und es ist nicht einmal klar an woran sie litt. Der Tierarzt untersuchte sie, konnte aber nur feststellen, dass sie abgemagert war. Es gab keine Wunden oder andere offensichtliche Anzeichen dafür, was das Problem gewesen sein könnte.

 

Elefantenkuh mit abgebrochenem Stoßzahn
Elefantenkuh mit abgebrochenem Stoßzahn

 

Okanja’s Sohn blieb bei ihr. Da er bereits über zwei Jahre alt ist und seine Familie sich um ihn kümmern und gegen Gefahren beschützen wird, hat er gute Chancen, in der Wildnis zu überleben. Wahrscheinlich wird ihn hauptsächlich eine seiner Tanten, vielleicht Ololua oder Orora, betreuen. Wäre er auf sich allein gestellt so hätte er noch kaum Überlebenschancen. In diesem Fall würde ATE den Sheldrick Wildlife Trust informieren, der bereits jahrzehntelange Erfahrung in der Rettung, Aufzucht und späteren Auswilderung von verwaisten Elefantenkälbern besitzt. Doch natürlich ist es immer die bessere Alternative wenn ein verwaistes Kalb, sobald es nicht mehr milchabhängig ist, bei seiner natürlichen Familie bleiben kann.

 

Bei manchen Elefantenfamilien, wie den AA’s, sind meistens alle Mitglieder in einer Gruppe zusammen. Bei anderen hingegen findet häufig eine Aufteilung in Untergruppen statt. Dazu gehören auch die OA’s, die nach dem Tod ihrer ehemaligen Leitkuh Orabel jetzt oft in kleinen und kleinsten Splittergruppen angetroffen werden. So wurde beispielsweise Open mit Okota und Odo aber ohne Onyx & Omo River gesehen. Sie alle sind Orabels Töchter und bei ATE hatte man erwartet, dass sie zusammen bleiben würden, so wie sie es getan hatten, als Orabel noch lebte. Doch nun sieht es so aus, als hätte der Verlust von Orabel den Zusammenhalt der OA’s sehr geschwächt. Offenbar gelingt es der neuen Anführerin Olympia nicht alle zusammenzuhalten. Open befand sich einmal sogar bei der PA-Familie. Sie kennt diese Familie gut, da sie zu den sogenannten „Bond-Familien“ der OA’s gehört, also zu den besonders engen Freunden.

Elefanten beschränken ihre sozialen Beziehungen nicht auf ihre eigene Familie. Ihre Gesellschaft ist komplex und vielschichtig und erstreckt sich von der Familie über Bindungsgruppen/Bond-Groups bis hin zu Clans, Subpopulationen und der Gesamtpopulation. Elefantenfamilien verbinden sich auf all diesen Ebenen. In Amboseli pflegen einige Familien das ganze Jahr über enge freundschaftliche Bindungen. Es ist erwiesen, dass einige sich bei der Wahl ihrer Zusammenschlüsse tatsächlich eher von diesen freundschaftlichen Beziehungen als von „praktischen“ Gesichtspunkten, wie Entfernungen oder ökologischen Bedingungen, beeinflussen lassen. Die so gebildeten Bond-Groups scheinen somit auf Verwandtschaft, bestimmten gemeinsamen Erfahrungen und – vor allem – der Freundschaft zwischen Matriarchinnen zu beruhen.

 

Junge Elefantenkuh aus Amboseli
Junge Elefantenkuh aus Amboseli

 

Kontakte zwischen Familien hängen stark davon ab ob sie Teil derselben Bond-Group sind. Allerdings spielen auch noch weitere Faktoren eine Rolle, vor allem sozialer Art. Kleinere Familien können sich beispielsweise befristet oder auch dauerhaft zusammenschließen um sicherzustellen, dass stets ausreichend Kindermädchen vorhanden sind, welche die Mütter bei ihren Aufgaben unterstützen.

Auch das Alter und der Status der Matriarchin können sich entsprechend auswirken. Ältere Matriarchinnen ziehen Familien mit jüngeren Leitkühen an. Ihre gesammelten Erfahrungen und ihre Weisheit dienen als Quelle des Wissens für Familien, Bound-Groups und sogar die gesamte Population.

 

So war es also durchaus nicht außergewöhnlich, dass Open sich den PA’s angeschlossen hatte. Doch gleichzeitig scheint dies zu belegen, dass es Olympia nicht gelingt die OA’s zusammenzuhalten.  Olympia war immer sehr eigensinnig und ziemlich stur. Aus diesem Grund hatte sie sich auch einst von Orabels Gruppe getrennt. Doch Orabel war es offenbar gelungen die OA’s als eine Familieneinheit zusammenzuhalten. Sogar Olympia schien sie letztlich zu respektieren. Nun, da Orabel fehlt, erweisen sich die OA’s allerdings als sehr instabil. Dies muss aber nicht so bleiben. Manche Familien beginnen erst Monate oder Jahre nach dem Tod ihrer Matriarchin stärker zusammen zu wachsen. Erst die Zukunft wird also zeigen ob die OA’s wieder zu einer stabilen Einheit zusammenfinden oder ob sie sich dauerhaft aufsplittern bzw. eventuell auch anderen Familien anschließen werden.

 

Elefantenkuh mit Kuhreihern
Elefantenkuh mit Kuhreihern, den häufigen Begleitern der Grauen Riesen in Amboseli.

 

ATE wird ihre Entwicklung und die aller anderen Elefanten in Amboseli weiter verfolgen und gleichzeitig weiterhin für ihren Schutz kämpfen. Angesichts der aktuellen Situation sind wir besonders dankbar für jede Spende, die wir für das Projekt des Amboseli Trusts erhalten.

Wer diese wichtige Organisation und ihre Arbeit für die Elefanten in Amboseli unterstützen möchte kann uns eine Überweisung unter dem Stichwort „ATE“ auf unser Konto mit der

IBAN: DE30 2003 0000 0621 9182 83 und der BIC: HYVEDEMM300 zukommen lassen.

 

Oder ganz einfach per Paypal:

 

 

Wir danken allen Unterstützern im Namen des gesamten ATE-Teams und der Elefanten herzlich dafür!