ATE News: Oktober und November 2022

Elefantenkuh mit zwei Kälbern aus der OB-Familie

Im Oktober und Anfang November erreichte die Dürre in Amboseli ihren brutalen Höhepunkt. Erst in der zweiten November-Hälfte setzten dann endlich die langersehnten Regenfälle ein, und die schlimmste Not nahm ein Ende.

 

Elefantenkuh wacht über schlafendem Kalb
Elefantenkuh wacht über schlafendem Kalb

 

Für die Elefanten und meisten anderen Wildtiere, aber auch für die Menschen und ihr Vieh war die monatelange Dürre eine Katastrophe. Schätzungsweise 5 % der Elefanten, 3 % der Giraffen, 12 % der Zebras, 15 % der Gnus und zwischen 20 % und 30 % des Viehs starben aufgrund der Trockenheit.

Für Cynthia Moss und ihr Team vom Amboseli Trust for Elephants (ATE) war das Leid, mit dem sie tagtäglich konfrontiert wurden, schwer zu ertragen. Sie nahmen es sogar deutlicher wahr als die meisten anderen Menschen vor Ort. Viele realisieren den Tod eines Tieres nur, wenn sie Augenzeugen waren oder zumindest seine Überreste finden, was beides eher selten der Fall ist. Das ATE-Team aber kennt jede Elefanten-Familie in Amboseli persönlich und weiß, aus wie vielen Mitgliedern – erwachsenen Kühen und Kälbern beiderlei Geschlechts – sie bestehen. Erwachsene können sich für einige Zeit von einer Familie trennen – Kälber nicht. Wenn die Forschungsteams des ATE Elefantenfamilien begegnen, kontrollieren sie stets, ob alle Mitglieder dabei sind. Und so mussten sie während der Dürre immer wieder feststellen, dass Kälber fehlten, was nur bedeuten konnte, dass sie wohl auch zu Opfern der Dürre geworden waren. Tatsächlich betraf die Sterblichkeit bei den Elefanten vor allem jüngere Kälber, deren Mütter nicht mehr genug Milch produzieren konnten, sowie ältere Kühe.

 

Elefantenbulle am Rand des Sumpfes vor vertrockneter Ebene
Elefantenbulle am Rand eines Sumpfes vor vertrockneter Ebene

 

Der Beginn der Regenzeit brachte Amboseli etwa 29 mm Niederschlag – eine durchschnittliche Menge für die „nassen“ Monate in diesem Gebiet. Außerhalb des Parks fiel teilweise allerdings etwas mehr Regen, und daher wanderten zahlreiche Tiere dorthin, auch viele Elefanten wie die FB- und PA-Familien. Mehrere Elefantenfamilien blieben auch im Park zurück. Dort fanden sie vielleicht nicht so gute Nahrungsbedingungen wie außerhalb, doch sparten sie viel Energie, indem sie weite Wanderungen vermieden. Jede Familie und jede Matriarchin verfolgt ihre eigenen Strategien, und das ist gut, denn auf diese Weise können die vorhandenen Ressourcen optimal genutzt werden.

Die AAs haben, wie erwartet,  ihr vertrautes Gebiet im Zentrum des Parks nicht verlassen. Leider hatten sie nach den Verlusten der vorangegangenen Monate noch weitere Mitglieder verloren: Annans zweijähriges männliches Kalb, das alle liebten, da es sehr selbstbewusst und lebhaft war, sowie Anns erst Anfang des Jahres geborenes weibliches Kalb. Diese Verluste verursachten in der Familie aber auch beim ATE-Team große Trauer.

 

Annan und ihr Kalb - als es noch lebte
Bild aus besseren Zeiten: Annan und ihr Kalb

 

Wenigstens gibt es auch eine gute Nachricht: Angelina hat es geschafft, dass ihr weibliches Zwillingskalb überlebte. Dies ist eine enorme Leistung, wenn man bedenkt, wie benachteiligt das Kalb von Geburt an war. Zwillinge haben bei Elefanten kaum Überlebenschancen, da sie die Milch teilen müssen. Angelinas männliches Zwillingskalb war daher leider Ende 2021 gestorben. Nun musste seine Schwester zwar die Milch nicht mehr teilen, doch war sie in ihrer körperlichen Entwicklung im Vergleich zu gleichaltrigen Kälbern etwas zurückgeblieben. Dass sie die Dürre trotzdem überlebt hat, ist wirklich eine außergewöhnliche Leistung Angelinas.

 

Angelina und ihr weibliches Zwillingskalb
Angelina und ihr weibliches Zwillingskalb

 

Angelinas Kalb beim Trinken
Angelinas Kalb beim Trinken

 

Auch die EBs blieben innerhalb des Parks. Sie teilten sich während der letzten zwei Monate in viele kleinere Gruppen auf. Leider waren auch sie noch von weiteren Verlusten betroffen: Europa, Eliot und Entito haben ihre jüngsten, etwa zwei Jahre alten Kälber verloren.

Eliot wurde aber zusammen mit ihrer erwachsenen Tochter Entito, ihrer elf Jahre alten Tochter Ektarina und ihrem sieben Jahre alten Sohn Eumense gesehen. Wenigstens die älteren Kälber scheinen die Dürre alle überlebt zu haben.

Ebony begann damit, mehr Zeit beim ATE-Camp zu verbringen. Das Team freute sich sehr festzustellen, dass ihr jüngstes männliches Kalb überlebt hatte und ständig bei seiner Mutter war. Eliot und Entito hielten sich immer in Ebonys Nähe auf und deren siebenjähriger Sohn Eurypon freundete sich mit den beiden an. Ebony begann schließlich damit, sich mit dem Camp näher vertraut zu machen,  bewegte sich tagsüber manchmal direkt zwischen den Zelten und trank sogar Wasser aus dem Duschtank. Dabei verhielt sie sich aber sehr vorsichtig und rücksichtsvoll, beschädigte keine Leitungen und war auch sonst sehr höflich, so dass das Team sie in Ruhe ihren Geschäften nachgehen ließ. Natürlich hielten sie wie immer einen Sicherheitsabstand zu ihr ein, da sie schließlich ein wilder Elefant ist, obwohl sie sich in Gegenwart des ATE-Teams sehr ruhig verhält.

 

Mitglieder der EB-Familie im Ol Tukai Forest
Mitglieder der EB-Familie im Ol Tukai Forest

 

Auch Ektor, Enids elfjähriger Sohn, besuchte oft das ATE-Camp. Er kam an den Zelten vorbei, während ihre Bewohner drinnen an ihren Computern arbeiteten, und graste gerne in ihrer Nähe.

Enid selbst verbrachte einige Zeit in einem anderen Teil des Parks, und es sah so aus, als ob die Trockenheit in Verbindung mit dem Stress, den sie durch das Speeren von einigen Monaten erlitten hatte, ihren Tribut gefordert haben. Dazu kam, dass auch sie ihren zweijährigen Sohn verloren hatte, um den sie nun trauerte. Cynthia und ihr Team hoffen sehr, dass sie sich nach dem Beginn der Regenzeit möglichst bald wieder erholen wird.

 

Enid, die Matriarchin der EB-Familie
Enid, die Matriarchin der EB-Familie

 

Eleanor hielt sich ebenfalls im selben Gebiet wie Enid auf, wurde aber manchmal allein gesehen. Dieses Verhalten ist typisch für Dürreperioden; die Elefanten teilen sich auf, um leichter genug Nahrung für alle zu finden. Hinzu kommt aber auch, dass sie viel Kondition verloren haben und über Verluste trauern müssen. Beides kann sie sehr lethargisch machen.

Die EBs werden einige Zeit brauchen, um sich von dieser Dürre zu erholen, sowohl physisch wie psychisch, aber sie werden es schaffen, dessen ist sich das ATE-Team sicher. Hoffentlich geschieht es bald!

Die GBs waren in den letzten Monaten ebenfalls regelmäßig im Amboseli. Sowohl Gails wie Goldas Gruppen wurden mehrfach gesehen. Golda hat ihren Teil der Familie gut zusammengehalten, aber leider haben auch sie einen Verlust erlitten: Ghosts zweijährigen Sohn. Wenn man berücksichtigt, dass die GBs eine der größten Familien in Amboseli sind, haben sie allerdings mit nur einem verlorenen Kalb diese schlimme Zeit noch relativ gut überstanden – auch wenn jedes einzelne gestorbene Kalb eines zu viel ist. Doch andere Familien hatten deutlich mehr Verluste erlitten.

Die OAs verbrachten tagsüber viel Zeit im Park und hielten sich hauptsächlich in den Sümpfen auf, um die dort noch vorhandene – wenn auch nährstoffarme – Vegetation zu nutzen. Auch sie haben die Strapazen relativ gut überstanden, hatten aber ebenfalls über einen Verlust zu trauern: Olwens zweijährige Tochter. Die übrigen Kälber hatten bis zum Einsetzen der Regenfälle überlebt und damit das Schlimmste überstanden. Wir hoffen sehr, dass die OAs von weiteren Verlusten verschont bleiben.

 

Elefantenkuh mit zwei Kälbern aus der OB-Familie
Elefantenkuh mit zwei Kälbern aus der OB-Familie

 

Da Amboseli ein eher kleiner Park ist, war es für das Überleben der Wildtiere schon immer wichtig, dass sie auch außerhalb nach Nahrung suchen konnten. Die Massai und andere Nachbarn zeigten ihnen gegenüber in den meisten Fällen eine große Toleranz. Die Dürre hatte nun allerdings die Konkurrenz um die letzten Ressourcen verschärft, und es wird noch lange dauern bis alle, Menschen wie Tiere, sich von ihren Auswirkungen erholt haben. Und niemand weiß, wann die nächste Dürre kommt. Der Schutz von Elefanten und anderen Wildtieren wird dadurch vor immer größere Herausforderungen gestellt.

Cynthia Moss und ihr Team vom Amboseli Trust for Elephants wissen, dass es notwendig ist, in Zusammenarbeit mit der Regierung, anderen NGOs und der lokalen Bevölkerung Konzepte zu entwickeln, die auch in Zukunft eine friedliche Koexistenz von Menschen und Wildtieren ermöglichen. Denn eins ist klar: Wer die Elefanten schützen will, muss sicherstellen, dass auch die Menschen überleben und idealerweise vom Schutz der Wildtiere profitieren. Anders wird es nicht funktionieren.

 

Elefantenkuh mit Kälbern
Elefantenkuh mit Kälbern

 

Cynthia und ihr Team nahmen daher an verschiedenen Besprechungen und Diskussionen teil. Zu deren ersten greifbaren Ergebnissen gehören folgende Maßnahmen:

  1. Ernährungsprogramme für die Bevölkerung (vorrangig für Kinder und ältere Menschen) weiterführen
  2. Sicherung, Instandhaltung und Neuanlage von Wasserstellen für Wildtiere und Vieh (auch außerhalb des Parks in Gebieten, die während Dürrezeiten noch Nahrung bieten, aber zu weit von den natürlichen Wasserstellen im Parkzentrum entfernt liegen)
  3. Bereitstellung von Futter für Wildtiere und für das Vieh sowie die Behandlung des Viehs gegen Parasiten (wichtig für das Vieh selbst, aber auch für die Wildtiere, die sich sonst über den Dung selbst infizieren könnten – gerade bei geschwächtem Zustand in Trockenzeiten ein großes Problem)

 

Zu den längerfristigen Maßnahmen, die ebenfalls bereits angelaufen sind, gehören:

  1. Maßnahmen zur Verbesserung der Bodenqualität
  2. Anlage einer Grassamenbank (um besonders dürreresistente Sorten zu fördern)
  3. Entwicklung nachhaltigerer und effektiverer landwirtschaftlicher Praktiken (welche weniger Land beanspruchen).

 

Für das ATE-Team zeichnet sich ab, dass sich auch ihre eigene Arbeit den neuen Herausforderungen anpassen muss. Ursprünglich war das wichtigste Ziel, das natürliche Verhalten der Elefanten und ihre Gesellschaft besser kennenzulernen. Dieses wird auch weiter ein Schwerpunkt bleiben. Doch zusätzlich wird die Entwicklung von Lösungen zu Vermeidung von Mensch-Wildtier-Konflikten immer wichtiger werden.

 

Annan bei der Futtersuche im Sumpf
Annan bei der Futtersuche im Sumpf

 

Hinter den Elefanten Amboselis liegen äußerst schwere Zeiten, die einen sehr schmerzhaften Tribut gefordert haben. Und niemand kann mit Sicherheit sagen, wie sich die nächsten Monate entwickeln werden. Doch vorerst haben die Niederschläge für ein Ende der schlimmsten Not gesorgt, und wir können nur hoffen, dass sich dies in den nächsten Monaten fortsetzen wird.

Viele der Amboseli-Elefanten sind nicht nur Cynthia und ihrem Team, sondern auch vielen Menschen weltweit gut bekannt, und wir alle hoffen von ganzem Herzen, dass sie sich bald von den Entbehrungen der letzten Monate erholen werden.

ATE News: Juni und Juli 2022

Enid, die Matriarchin der EBs. säugt ihr jüngstes Kalb

Juni und Juli sind in Amboseli normalerweise die ersten Monate der „Großen Trockenzeit“. Es regnet nicht mehr, doch die Tiere kommen noch gut zurecht, da sie noch immer genug Nahrung finden. Dieses Jahr aber fiel die Regenzeit der Monate April und Mai extrem dürftig aus. Daher war das Land Anfang Juni bereits ausgetrocknet, und die Situation schien sich zu einer echten Dürre zu entwickeln.

Wasser ist in Amboseli zwar das ganze Jahr zuverlässig in den Sümpfen vorhanden, doch die Nahrung wird bei anhaltender Trockenheit immer knapper. Zu den wichtigsten Ressourcen zählt jetzt die  Sumpfvegetation, die aber leider nicht besonders nahrhaft ist. Die Savannen sind verdorrt, und die wenigen Waldgebiete viel zu klein für alle Tiere des Amboseli-Ökosystems.

 

Ann führt ihre Familie
Ann führt ihre Familie

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ATE News: April und Mai 2022

Ann von den AAs mit ihren Kälbern.

April und Mai sind normalerweise die niederschlagsreichsten Monate in Amboseli, doch in diesem Jahr waren die Regenfälle fast vollständig ausgeblieben, und anstelle der „Großen Regenzeit“ gab es den Beginn einer neuen schlimmen Dürreperiode. Auf die Elefanten und andere Wildtiere, die Menschen der umliegenden Gebiete und ihr Vieh werden harte Zeiten zukommen, bis es Ende Oktober oder Anfang November hoffentlich wieder regnet. Wasser als solches ist in Amboseli zwar immer in den Sümpfen zu finden, doch die Weideflächen veröden, und die Nahrung wird knapp.

Viele Elefanten – auch solche, die sonst meistens außerhalb des Parks unterwegs sind –  kehrten in das Zentrum des Schutzgebiets zurück. Hier finden sie in den Sumpfgebieten während der Trockenzeiten noch die verlässlichsten und ergiebigsten Nahrungsressourcen.

 

Elefanten am Rand eines Sumpfes.
Elefanten am Rand eines Sumpfes

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ATE News: Dezember 2021 und Januar 2022

Angelina und ihre Tochter

Im Dezember kam es endlich zu einem Ende der langen und harten Trockenzeit, und die langersehnten Regenfälle verwandelten das Land in ein grünes Paradies. Für die Elefanten begann nun eine wundervolle Zeit, während der sie sich von den überstandenen Entbehrungen erholen konnten.

Die AA-Familie musste allerdings mit einem sehr schmerzhaften Verlust fertig werden: Das männliche Zwillingskalb Angelinas war gestorben. Doch die Familie hielt auch in dieser schweren Zeit zusammen, schaffte es, ihre Trauer zu überwinden, sich über neues Leben zu freuen und wieder nach vorne zu blicken.

 

Der große Bulle Bjorn
Der große Bulle Bjorn

 

Der Beginn der Regenzeit hatte zur Folge, dass die meisten Elefanten den Park verließen, um die außerhalb liegenden Gebiete zu durchstreifen. Im Januar kehrten aber viele bereits wieder zurück; zuerst hauptsächlich Familiengruppen und gegen Ende des Monats auch Bullen in größerer Zahl. Der berühmte Craig wurde gesehen, allerdings nicht in Gesellschaft von Familien. Doch andere Bullen wie Bjorn und Liagat konnten zusammen mit Kühen beobachtet werden. Der eindrucksvolle Bjorn kam eines Tages sogar direkt zum ATE-Camp. Er hat zwar keine besonders langen Stoßzähne, ist aber definitiv einer der größten Bullen Amboselis. Und Liagat wurde beobachtet, wie er sich mit Ramulosa von der RA-Familie gepaart hat.

Der Jahresanfang war eine unglaublich schöne Zeit in Amboseli – mit regelmäßigen Blicken auf den schneebedeckten Kilimandscharo und großen Elefantenansammlungen im Park.

Die FBs gehörten zu jenen Familien, die den Park im Dezember verlassen hatten und im Januar zurückkamen. Es ging ihnen gut, und alle Kälber waren in bester Verfassung. Speziell auch Floppys Kalb, welches Ende November ziemlich abgemagert aussah, hatte sich deutlich erholt. Eine große Erleichterung für das ATE-Team! Matriarchin Fanny hat ziemlich gute Arbeit geleistet. Sie ist jetzt 53 Jahre alt und damit in einem guten Alter für eine Leitkuh. Früher war es ihr nicht immer gelungen, die Familie so zusammenzuhalten wie ihre Vorgängerin Felicity. Solange diese noch lebte, kam und ging Fanny mit ihrem Teil der FBs, wie es ihr gefiel. Bei ATE dachte man manchmal, dass FelicitysTöchter (Fadila, Fizz und Fezara) sich vielleicht abspalten und einen eigenen Familienzweig gründen würden. Doch das ist bisher nicht geschehen. Es wäre wünschenswert, wenn die FBs zusammenblieben, denn größere Familien haben meistens bessere Überlebenschancen. Sie können flexibel auf unterschiedliche Bedingungen reagieren, sich in mageren Zeiten in kleinere Gruppen aufteilen und in besseren wieder zusammenschließen.

 

Liagat und Ramulosa
Liagat und Ramulosa

 

Die EBs verließen den Park im Dezember und wurden nur einmal im Januar inmitten einer großen Elefantenherde gesehen. An diesem Tag waren mehr als 300 Elefanten zusammen, und das ATE-Team war geradezu überfordert, alle Zähl- und Sichtungsdaten zu erfassen! Die EBs sahen sehr glücklich aus inmitten so vieler anderer Familien und Bullen. Es ist etwas ganz Besonderes, Elefanten auf diese Weise zusammenkommen zu sehen, und Amboseli ist einer der letzten Orte, an denen das noch möglich ist.

Auch die GBs wurden inmitten einiger großer Elefanten-Herden gesichtet, die sich auf der Ostseite des Parks versammelt hatten. Dabei waren sie vor allem mit befreundeten Familien wie den BCs, LDs, KBs und HBs zusammen. Auch ihre jüngsten Familienmitlieder wirkten gesund und kräftig. Speziell das im November geborene Kalb von Gigabytes war sehr lebhaft, und das Kalb von Garamba sah richtig rund aus und wuchs schnell.

Die PCs kamen regelmäßig direkt zum ATE-Camp. Das neue weibliche Kalb von Perwinkle wirkte sehr neugierig und selbstbewusst. Sie liebte es, mit ihrer älteren Schwester Pavela und ihrer Cousine Pilapila zu spielen. Sie hat auch einen älteren Bruder namens Pilau, aber sein Interesse, mit ihr zu spielen, war eher begrenzt.

 

Manchmal kommen Elefanten in Amboseli sehr nahe an Besucher heran.
Manchmal kommen Elefanten in Amboseli sehr nahe an Besucher heran.

 

Von einigen Familien konnten nur Teilgruppen beobachtet werden. So wurde von den OAs die Gruppe von Olympia nicht gesichtet, doch die Gruppe von Onyx dafür regelmäßig. Onyx hielt sich an die Routine ihrer Mutter Orabel und erwies sich als großartige Matriarchin. Orabel war lange Zeit die Matriarchin der Familie, aber selbst zu ihrer Zeit entschied sich Olympia oft dafür, ihren Familienzweig auf ihre eigene Weise zu führen. Höchstwahrscheinlich wird sie wie viele andere Familien nach der kleinen Regenzeit im Juni oder Juli in den Park zurückkehren.

Onyx‘ Familienteil sah sehr gut aus. Oralees weibliches Kalb, das im November geboren wurde, gedieh prächtig, war sehr selbstbewusst und liebte es, Zeit mit ihren hochmotivierten Kindermädchen Okota und Obamba zu verbringen! An heißen Tagen zogen sich die Elefanten gegen Mittag oft zeitig in die Sümpfe zurück, um sich abzukühlen. Oralees Tochter spielte aber auch gerne in den Pfützen entlang des Weges, sorgfältig bewacht von ihrer Familie.

 

Zwei spielende Bullen
Zwei spielende Bullen

 

Die AAs erwiesen sich wie immer als besonders standorttreu und blieben die ganze Zeit im Zentrum des Parks. Leider mussten sie mit einem traurigen Verlust fertig werden: Das männliche Zwillingskalb Angelinas ist im Dezember gestorben.

Elefanten haben nur sehr selten Zwillinge und wenn doch, dann überlebt meistens nur einer von ihnen, denn für Elefantenkühe ist es im Allgemeinen schon schwer genug, ein Kalb mit ausreichend Milch zu versorgen. Bei Angelinas Zwillingen hatte es zunächst sehr gut ausgesehen, denn sie waren in einer Zeit mit besonders reichem Nahrungsangebot geboren worden, die sich fast ununterbrochen die ersten anderthalb Jahre ihres Lebens fortsetzte. Doch ab Mitte Mai 2021 begann die lange und harte Trockenzeit und Angelina hatte offensichtlich nicht mehr ausreichend Milch für zwei Kälber. Beide Zwillinge begannen sichtbar an Kondition zu verlieren – besonders aber Angelinas Sohn. Normalerweise wachsen Bullenkälber deutlich schneller als Kuhkälber, benötigen dafür aber auch mehr Energie. Der Nahrungsmangel wirkte sich daher besonders für den männlichen Zwilling sehr schlimm aus.

Für das Team des Amboseli Trust for Elephants war es schwer, dies beobachten zu müssen. Sie wussten zwar um die besonderen Probleme von Zwillingskälbern, hofften aber trotzdem, dass es beide Kälber Angelinas schaffen würden – zumal sich der Sohn als sehr willensstark gezeigt hatte.

Cynthia Moss und ihre Team-Mitglieder beobachten die Elefanten Amboselis seit nun fast fünfzig Jahren, und gerade die AAs sehen sie fast täglich. Sie verbringen ungezählte Stunden damit, sie zu beobachten und ihre Persönlichkeiten kennenzulernen.  Da ist es selbstverständlich, dass sie starke emotionale Bindungen zu den Elefanten aufbauen und bei Problemen helfen möchten.

 

Angelina, ihre Zwillinge und zwei Kindermädchen
Angelina, ihre Zwillinge und zwei Kindermädchen, als die Zeiten noch gut waren

 

Doch müssen sie sich an die Regel halten, nur dann einzugreifen, wenn ein Problem von Menschen verursacht oder ein Elefant von seiner Familie verlassen wurde. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einerseits ist es nicht so, dass Elefanten in menschlicher Obhut automatisch bessere Überlebenschancen haben als solche, die bei ihren Familien bleiben. Die Situation ist für beide sehr kritisch. Und andererseits würde eine Gefangennahme sowohl für das betreffende Kalb wie auch die anderen Mitglieder seiner Familie erheblichen Stress bedeuten. Und Stress kann bei Elefanten zu allen möglichen gesundheitlichen Problemen führen. Hätte man Angelinas Sohn seiner Familie weggenommen, so hätte damit gerechnet werden müssen, dass dies nicht nur für ihn, sondern für seine gesamte Familie, vor allem Mutter und Zwillingsschwester, sehr negative Auswirkungen haben konnte und womöglich beide Kälber nicht überleben würden.

Daher entschied sich das ATE-Team schweren Herzens, nicht einzugreifen, sondern die Entwicklung abzuwarten. Die Zwillinge sollten die Chance erhalten, zusammen mit ihrer Familie zu überleben. Und im schlimmsten Fall würde Angelina dann hoffentlich nur ein Kalb verlieren. Nur wenn die Familie selbst einen der Zwillinge aufgegeben hätte, wäre eingegriffen worden. Doch dies war nie der Fall. Angelina und ihre Familie kämpften stets um beide Kälber. Die Solidarität unter ihnen war wirklich beeindruckend, und auch dies bestärkte Cynthia und ihre Kolleginnen in ihrem Entschluss.

Leider haben es die AAs trotzdem nicht geschafft und Angelinas Sohn verloren. Nun müssen sie um seinen Tod trauern – wie sie schon oft um ihre Toten getrauert haben, vor allem auch um Kälber. Im Vergleich zu anderen Familien haben die AAs leider eine relativ hohe Kälbersterblichkeit. Das liegt vor allem daran, dass sie sehr viel Zeit mit der Nahrungssuche in den Sümpfen verbringen. Die jungen Kälber müssen den ganzen Tag durch zähen Schlamm waten, was sie sehr anstrengt und äußerst kräftezehrend ist. Gleichzeitig können sie dabei nur relativ selten gesäugt werden. Diese beiden Faktoren sind wohl hauptsächlich für die geringe Überlebensrate der AA-Kälber verantwortlich.

Ganz anders ist die Situation bei Pazia aus der PA-Familie, die im Moment ebenfalls Zwillinge (zwei männliche Kälber) hat. Sie folgt einer völlig anderen Strategie als Angelina. Pazia verbringt viel mehr Stunden an Land, und wenn die PA’s doch die Sümpfe aufsuchen, haben sie einen gut organisierten „Kindergarten“ mit Nannys, die sich um die jungen Kälber kümmern, während die Mütter im Sumpf unterwegs sind.  Die Kälber werden von den Kindermädchen beschützt, die mit ihnen am Rand des Sumpfes bleiben und warten, bis die Mütter von der Nahrungssuche zurückkehren. Diese koordinierte Zusammenarbeit verbessert die Überlebenschancen der PA-Kälber deutlich.

 

Elefanten in den Sümpfen Amboselis
Elefanten in den Sümpfen Amboselis

 

Nach ihrem Verlust verbrachten die AAs die meiste Zeit auf einer Insel in der Mitte des Sumpfes, wo sie nur schwer zu beobachten waren. Angelina befand sich in der Nähe von Astrid, der Matriarchin der AAs. Doch dann gab es eine große Überraschung, als die Familie eines Tages direkt zum ATE-Camp kam. Das gesamte Team war begeistert über diesen Besuch, der das große Vertrauen der AAs ihnen gegenüber zeigte. Die Freude verdoppelte sich aber noch, als man feststellte, dass Ann ein neugeborenes weibliches Kalb an ihrer Seite hatte! Es war ein echtes Geschenk, dass Ann dem Team erlaubte, ihr Neugeborenes aus nächster Nähe zu sehen und ihre Freude mit ihnen teilte. Dieses neue Baby hat mit Sicherheit auch der gesamten Familie sehr gut getan, und es sah gesund und kräftig aus.

Während die AAs Zeit in der Nähe des Camps verbrachten, konnte das Team auch Angelina sehen und stellte fest, dass ihr weibliches Zwillingskalb bereits an Kondition gewonnen hatte. Da es die Milch nicht mehr teilen musste, konnte es sich in nur kurzer Zeit schon sichtbar erholen. Sie hat nun wirklich gute Chancen, es zu schaffen.

 

Angelina und ihre Tochter
Angelina und ihre Tochter

 

Bei diesem Besuch bemerkte man auch, dass sich Aurora B, die jetzt zwölf Jahre alt ist, im Östrus befand. Aurora B ist eine Tochter von Amber, welche bereits 2016 gestorben war und Aurora B im Alter von sechs Jahren als Waise hinterlassen hatte. Aurora B blieb damals bei der Familie und folgte vor allem ihrer Tante Angelina, die für sie zur Ersatzmutter wurde. Ein sechsjähriges Kalb benötigt zwar keine Milch mehr, braucht aber immer noch die Führung und die Fürsorge seiner Mutter. Es war daher großartig, dass Angelina diese Aufgabe übernommen hatte. Sie wird sicher auch eine wundervolle Großmutter sein.

Die Elefanten in Amboseli haben wirklich harte Zeiten hinter sich. Und auf die AA-Familie trifft dies in besonderem Maße zu. Doch allmählich scheinen sie sich davon zu erholen, durch neue Kälber neue Freude zu finden und wieder nach vorne zu blicken. Die erfahrenen Kühe haben diese Gegensätze schon oft erlebt. Sie wissen, wie hart und grausam die Natur sein kann – aber auch, dass selbst auf die schlimmsten Katastrophen wieder bessere Zeiten folgen.

Das Team des Amboseli Trust for Elephants wird auf jeden Fall weiter an ihrer Seite sein und sich dafür einsetzen, dass Amboseli auch in Zukunft eine sichere Heimat für Elefanten bleiben wird.

 

Wer diese wichtige Organisation und ihre beeindruckende Arbeit für die Elefanten in Amboseli unterstützen möchte, kann uns eine Überweisung unter dem Stichwort „ATE“ auf unser Konto mit der

IBAN: DE30 2003 0000 0621 9182 83 und der BIC: HYVEDEMM300 zukommen lassen.

 

Oder ganz einfach per Paypal:

 

 

 

Wir danken allen Unterstützerinnen und Unterstützern im Namen des gesamten ATE-Teams und der Elefanten ganz herzlich dafür!

ATE News: April und Mai 2020

Junge Elefantenkuh aus Amboseli

News vom Amboseli-Trust-for-Elephants – die Monate April und Mai 2020:

 

Nachdem es Mitte März wegen der COVID-19-Pandemie auch in Kenia zu einem Ende des Tourismus gekommen war präsentierte sich der Amboseli-Nationalpark im April und Mai fast völlig frei von Besuchern. Für das Team des Amboseli Trust for Elephants, welches weiterhin in seinem Camp arbeitete, war dies zwar einerseits eine wunderbare Situation, ein echtes Privileg, die großartige Natur Amboselis exklusiv genießen zu dürfen ohne irgend ein anderes Fahrzeug zu sehen. Doch gleichzeitig löste diese Entwicklung große Sorgen aus, denn ohne Besucher fehlten sowohl dem Park wie der benachbarten Bevölkerung wichtige Einnahmen. Der Kenya Wildlife Service bestreitet mit diesen unter anderem seine Unterhaltskosten und die Gehälter seiner Mitarbeiter. Somit bilden sie eine Grundvoraussetzung für den Schutz der Nationalparks und Reservate. Speziell Amboseli ist einer der meistbesuchten Parks in Kenia und deshalb eine Haupteinnahmequelle für den KWS. Die Einnahmen aus Amboseli tragen dazu bei auch andere, weniger besuchte Nationalparks des Landes zu erhalten und zu schützen.

 

Elefantenkuh in Amboseli
Elefantenkuh in Amboseli

 

Der Schutz der Elefanten und anderen Wildtiere im Amboseli-Ökosystem hängt auch stark von den benachbarten Menschen ab, vor allem den Massai. Diese leben Seite an Seite mit den Wildtieren und zeigten ihnen gegenüber bisher große Toleranz. Was einerseits an ihren Traditionen lag, welche die Jagd weitgehend ablehnten, andererseits aber auch an den positiven Auswirkungen des Fototourismus, der Jobs und Einnahmen durch den Verkauf von Kunsthandwerk usw. generierte. Als nun diese wichtigen Einnahmen so plötzlich ausblieben, gerieten viele Familien in ernste finanzielle Notlagen. Das könnte die Einstellung der Menschen gegenüber den Wildtieren sehr negativ verändern. Die Coronavirus-Pandemie wird für den Artenschutz weltweit zu einer großen Belastung. Doch gerade Gebiete wie Amboseli, die sich bisher weitgehend durch den Tourismus finanziert hatten, sind besonders gefährdet.

 

Die kenianische Regierung hat insgesamt sehr gut auf das Virus reagiert und ihr Bestes getan, um die Not der Bevölkerung zu lindern. Auch die Naturschutz-Aktivitäten wurden bis jetzt aufrecht erhalten. Doch trotzdem war im ganzen Land ein Anstieg der Buschfleisch-Wilderei festzustellen. Finanzielle Not brachte immer mehr Menschen dazu Wilderei zu riskieren, um ihre Familien zu ernähren.

Man kann derzeit nur hoffen, dass die Pandemie bald endet und sicheres Reisen wieder möglich wird, damit der Tourismus wieder für Einnahmen sorgt.

 

Elefantenfamilie in den Sümpfen
Elefantenfamilie in den Sümpfen

 

Amboseli selbst bot in diesen Monaten einen spektakulären Anblick! Im April wurden 80mm Niederschlag gemessen und einige Gebiete waren erneut überflutet. Im Mai gingen die Regenfälle dann etwas zurück und es wurden nur noch 16 mm verzeichnet. Dadurch hatte das Land nun Zeit, um die enormen Niederschläge des letzten Monats aufzunehmen.

 

Auch der Babyboom bei Amboselis Elefanten setzte sich fort! Bis April wurden über 100 neugeborene Kälber registriert! Ein wunderbarer Beweis für die Kraft des Lebens, nach den schlimmen Dürrejahren 2016 und 2017.

 

Elefanten beim Grasen in der Savanne.
Elefanten beim Grasen in der Savanne.

 

Angelina’s Zwillingen ging es ebenfalls sehr gut. Sie verbrachten mit ihrer Mutter und ihrer Familie, den AA’s, die meiste Zeit innerhalb des Parks. Das weibliche Kalb war etwas kleiner als das männliche, aber das ist normal, da Bullenkälber generell schneller wachsen als Kuhkälber. Dafür benötigen sie allerdings auch mehr Kalorien – ein Risiko in schlechten Jahren.

Ende April erhielt die AA-Familie noch weiteren Zuwachs, als Andrea ein weibliches Kalb zur Welt brachte.

 

Schlafendes Elefantenkalb
Dieses Elefantenkalb schläft im Stehen.

 

Leider erlitten die AAs in diesem Monat aber auch einen schrecklichen Verlust: Alexandra starb am 21. April. Bereits am 17. April war dem ATE-Team ein krank aussehender Elefant gemeldet worden und Katito machte sich sofort auf die Suche nach ihm, fand ihn aber erst vier Tage später. Elefanten können erstaunlich schwer zu finden sein, wenn sie unentdeckt bleiben wollen. Sie scheinen dann wie vom Erdboden zu verschwinden und manchmal dauert es Tage oder sogar Wochen, sie aufzuspüren. Als Katito den Elefanten endlich fand, erkannte sie sofort, dass es Alexandra war und diese sich in einem sehr schlechten Zustand befand. Katito alarmierte umgehend den Tierarzt, doch leider konnte dieser nicht mehr helfen. Bei der hochschwangeren Alexandra hatten die Wehen eingesetzt, aber es gab Komplikationen. Ihr Kalb war männlich und ungewöhnlich groß, so dass Alexandra es einfach nicht gebären konnte. Es war entsetzlich, dies mitansehen zu müssen ohne helfen zu können.

Geburtskomplikationen kommen bei Elefanten nicht häufig vor aber ATE hat im Laufe der Jahre doch mehrere Fälle registriert. Die Gründe dafür können Stress oder ein Problem mit dem Fötus selbst sein. In Alexandras Fall fiel auf, dass das Kalb für ein Neugeborenes wirklich groß war – zu groß. Es gab nichts, was der Tierarzt hätte tun können, um ihr zu helfen.

 

Während Katito und der Tierarzt bei Alexandra waren befanden sich die AAs gerade nicht in ihrer Nähe. Doch gab es Anzeichen dafür, dass sie vorher bei ihr gewesen waren. Und natürlich werden sie ihren Tod realisieren, um sie trauern und von Zeit zu Zeit zurückkehren, um ihre sterblichen Überreste als Teil ihres Trauerprozesses zu besuchen.

 

Auch im Leben der Elefanten liegen Freude und Leid oft nah beieinander. Die Geburt von Angelina’s Zwillinge war eines er wundervollsten Ereignisse seit langem – und Alexandra’s Tod eines der furchtbarsten. Und so wird das Leben weitergehen – mit allen Höhen und Tiefen.

 

Ein schon großes Kalb mit seiner Mutter.
Ein schon großes Kalb mit seiner Mutter.

 

So kam es im April zu einigen weiteren wichtigen Ereignissen bei den AA’s: Ann und Acholi waren im Östrus. Acholi ist Alisons Tochter und erst acht Jahre alt. Sie befand sich das erste Mal im Östrus. Ihre Mutter war viele Jahre, bis zu ihrem Tod, die Matriarchin der AAs und jetzt hat ihre ältere Tochter Astrid diese Aufgabe übernommen. Es ist schön, dass Alison’s Linie durch ihre Töchter weitergeführt wird.

Der erste Östrus kann für eine Kuh eine anstrengende Zeit sein, da sie nicht genau weiß, was passiert und wie sie es am besten vermeiden kann, ständig von Bullen verfolgt zu werden. Da ist es sehr hilfreich, wenn sie durch ihre Mutter oder andere ältere Familienmitglieder unterstützt wird, die ihr helfen die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Ann ist eine erfahrene Kuh und hatte mehrere Bewerber, die ihr folgten. Einer war Pascal, der sich in  Musth befand und sie bewachte. Das ATE-Team hat zwar nicht gesehen, wie sie sich paarten, aber es ist trotzdem möglich, dass es dazu kam, weil das Team nicht immer vor Ort bleiben konnte. Pascal ist ein großer Bulle mit einem Alter von 40 Jahren, der Sohn Patricia’s aus der PC-Familie. Andere Bullen, die auf eine Chance zur Paarung hofften, waren Gilgil, Goldas 33 jähriger Sohn aus der GB-Familie, und Meshach, Milly’s 26 jähriger Sohn aus der MB-Familie. Beide sind viel jünger als Pascal und stellten keine ernsthafte Konkurrenz für ihn dar. So empfand er ihre Anwesenheit nicht als sonderlich störend. Junge Bullen folgen oft älteren Musth-Bullen und beobachten ihr Paarungsverhalten, um dadurch wichtige Fähigkeiten für die Zukunft zu erlernen.

 

Junger Elefantenbulle
Junger Elefantenbulle

 

Einige Familien, die sich normalerweise fast immer innerhalb der Parkgrenzen aufhalten, wurden im April und Mai nicht gesehen. Darunter die EB’s, die man auch schon während der  Vormonate nicht entdeckt hatte. Etwas ungewöhnlich, doch genaugenommen war es ja in vielerlei Hinsicht ein sehr ungewöhnliche Zeit. Mit den äußerst reichhaltigen Regenfällen änderten viele Elefanten ihre Wanderungen und die EBs haben bereits im letzten Jahr ein zunehmendes Interesse an Gebieten außerhalb des Parks gezeigt. Das ATE-Team geht aber davon aus, dass sie mit Enid eine ebenso erfahrene wie vorsichtige Matriarchin haben, die sie sicher durch das Amboseli-Ökosystem führen wird. Doch natürlich hoffen alle die EB’s bald wiederzusehen und sind gespannt ob es auch bei ihnen Nachwuchs gab.

 

Andere Familien blieben hingegen weiterhin im Park und wurden regelmässig beobachtet. So beispielsweise die PC’s, vor allem auch Petula’s und Placida’s Gruppen. Sie kamen oft direkt in das ATE-Camp und es war schön und interessant zu beobachten, wie ihre kleinen Kälber langsam immer verspielter und neugieriger wurden. Man konnte gut sehen, wie sie anfingen ihre Umwelt zu erkunden – die physische Umgebung ebenso wie ihr soziales Umfeld. Außerdem übten sie auch praktische Fähigkeiten, wie die effektive Benutzung ihres Rüssels.

 

Ein bereits größeres Kalb
Ein bereits größeres Kalb in den Amboseli-Sümpfen.

 

Auch die FB’s und GB’s konnten zumindest gelegentlich beobachtet werden. Bei den FB’s brachte Fadila im April ein männliches Kalb zur Welt, nachdem Farida bereits im Februar ein weibliches Kalb bekommen hatte. Und bei den GB’s wurden im April zwei Neugeborene entdeckt: Genesis hatte einen Jungen und G-Mail eine Tochter. Allen diesen Familien, speziell auch den Müttern und ihren Kälbern, ging es sehr gut!

 

Leider gab es aber neben den AA’s weitere Familien, die trotz der allgemein guten Bedingungen schlimme Erfahrungen machen mussten. Dazu gehörten die OA’s. Das ATE-Team hatte diese Familie lange Zeit nicht mehr gesehen. Umso trauriger war es, dass das erste Familienmitglied, dem man schließlich wieder begegnete, sich in keinem guten Zustand befand. Am 7. April fanden ATE-Mitarbeiter Okanja. Sie lag am Boden und war offensichtlich in sehr schlechter Verfassung.  Ihr 2-jähriger Sohn wirkte verzweifelt und versuchte sie zu anzuheben – erfolglos. Offensichtlich musste Okanja bereits seit einiger Zeit krank sein, weil sie sehr dünn und schwach war. Der Tierarzt wurde sofort informiert, doch noch bevor er ankam starb Okanja. Sie war erst 16 Jahre alt.

Und es ist nicht einmal klar an woran sie litt. Der Tierarzt untersuchte sie, konnte aber nur feststellen, dass sie abgemagert war. Es gab keine Wunden oder andere offensichtliche Anzeichen dafür, was das Problem gewesen sein könnte.

 

Elefantenkuh mit abgebrochenem Stoßzahn
Elefantenkuh mit abgebrochenem Stoßzahn

 

Okanja’s Sohn blieb bei ihr. Da er bereits über zwei Jahre alt ist und seine Familie sich um ihn kümmern und gegen Gefahren beschützen wird, hat er gute Chancen, in der Wildnis zu überleben. Wahrscheinlich wird ihn hauptsächlich eine seiner Tanten, vielleicht Ololua oder Orora, betreuen. Wäre er auf sich allein gestellt so hätte er noch kaum Überlebenschancen. In diesem Fall würde ATE den Sheldrick Wildlife Trust informieren, der bereits jahrzehntelange Erfahrung in der Rettung, Aufzucht und späteren Auswilderung von verwaisten Elefantenkälbern besitzt. Doch natürlich ist es immer die bessere Alternative wenn ein verwaistes Kalb, sobald es nicht mehr milchabhängig ist, bei seiner natürlichen Familie bleiben kann.

 

Bei manchen Elefantenfamilien, wie den AA’s, sind meistens alle Mitglieder in einer Gruppe zusammen. Bei anderen hingegen findet häufig eine Aufteilung in Untergruppen statt. Dazu gehören auch die OA’s, die nach dem Tod ihrer ehemaligen Leitkuh Orabel jetzt oft in kleinen und kleinsten Splittergruppen angetroffen werden. So wurde beispielsweise Open mit Okota und Odo aber ohne Onyx & Omo River gesehen. Sie alle sind Orabels Töchter und bei ATE hatte man erwartet, dass sie zusammen bleiben würden, so wie sie es getan hatten, als Orabel noch lebte. Doch nun sieht es so aus, als hätte der Verlust von Orabel den Zusammenhalt der OA’s sehr geschwächt. Offenbar gelingt es der neuen Anführerin Olympia nicht alle zusammenzuhalten. Open befand sich einmal sogar bei der PA-Familie. Sie kennt diese Familie gut, da sie zu den sogenannten „Bond-Familien“ der OA’s gehört, also zu den besonders engen Freunden.

Elefanten beschränken ihre sozialen Beziehungen nicht auf ihre eigene Familie. Ihre Gesellschaft ist komplex und vielschichtig und erstreckt sich von der Familie über Bindungsgruppen/Bond-Groups bis hin zu Clans, Subpopulationen und der Gesamtpopulation. Elefantenfamilien verbinden sich auf all diesen Ebenen. In Amboseli pflegen einige Familien das ganze Jahr über enge freundschaftliche Bindungen. Es ist erwiesen, dass einige sich bei der Wahl ihrer Zusammenschlüsse tatsächlich eher von diesen freundschaftlichen Beziehungen als von „praktischen“ Gesichtspunkten, wie Entfernungen oder ökologischen Bedingungen, beeinflussen lassen. Die so gebildeten Bond-Groups scheinen somit auf Verwandtschaft, bestimmten gemeinsamen Erfahrungen und – vor allem – der Freundschaft zwischen Matriarchinnen zu beruhen.

 

Junge Elefantenkuh aus Amboseli
Junge Elefantenkuh aus Amboseli

 

Kontakte zwischen Familien hängen stark davon ab ob sie Teil derselben Bond-Group sind. Allerdings spielen auch noch weitere Faktoren eine Rolle, vor allem sozialer Art. Kleinere Familien können sich beispielsweise befristet oder auch dauerhaft zusammenschließen um sicherzustellen, dass stets ausreichend Kindermädchen vorhanden sind, welche die Mütter bei ihren Aufgaben unterstützen.

Auch das Alter und der Status der Matriarchin können sich entsprechend auswirken. Ältere Matriarchinnen ziehen Familien mit jüngeren Leitkühen an. Ihre gesammelten Erfahrungen und ihre Weisheit dienen als Quelle des Wissens für Familien, Bound-Groups und sogar die gesamte Population.

 

So war es also durchaus nicht außergewöhnlich, dass Open sich den PA’s angeschlossen hatte. Doch gleichzeitig scheint dies zu belegen, dass es Olympia nicht gelingt die OA’s zusammenzuhalten.  Olympia war immer sehr eigensinnig und ziemlich stur. Aus diesem Grund hatte sie sich auch einst von Orabels Gruppe getrennt. Doch Orabel war es offenbar gelungen die OA’s als eine Familieneinheit zusammenzuhalten. Sogar Olympia schien sie letztlich zu respektieren. Nun, da Orabel fehlt, erweisen sich die OA’s allerdings als sehr instabil. Dies muss aber nicht so bleiben. Manche Familien beginnen erst Monate oder Jahre nach dem Tod ihrer Matriarchin stärker zusammen zu wachsen. Erst die Zukunft wird also zeigen ob die OA’s wieder zu einer stabilen Einheit zusammenfinden oder ob sie sich dauerhaft aufsplittern bzw. eventuell auch anderen Familien anschließen werden.

 

Elefantenkuh mit Kuhreihern
Elefantenkuh mit Kuhreihern, den häufigen Begleitern der Grauen Riesen in Amboseli.

 

ATE wird ihre Entwicklung und die aller anderen Elefanten in Amboseli weiter verfolgen und gleichzeitig weiterhin für ihren Schutz kämpfen. Angesichts der aktuellen Situation sind wir besonders dankbar für jede Spende, die wir für das Projekt des Amboseli Trusts erhalten.

Wer diese wichtige Organisation und ihre Arbeit für die Elefanten in Amboseli unterstützen möchte kann uns eine Überweisung unter dem Stichwort „ATE“ auf unser Konto mit der

IBAN: DE30 2003 0000 0621 9182 83 und der BIC: HYVEDEMM300 zukommen lassen.

 

Oder ganz einfach per Paypal:

 

 

Wir danken allen Unterstützern im Namen des gesamten ATE-Teams und der Elefanten herzlich dafür!