News vom Amboseli Trust for Elephants: Die Monate Dezember 2019 und Januar 2020:
Amboseli erlebte einen fantastischen Jahreswechsel 2019/2020: Im Dezember und Januar fiel Regen, Regen und noch mehr Regen! 324 mm wurden im Dezember gemessen und 71,5 mm im Januar. Die besten Voraussetzungen für ein großartiges Jahr mit vollen Wasserstellen und üppigen, grünen Weideflächen!
In Kenia bedeutet Regen gute Zeiten für Menschen und Tiere. Die meisten Kenianer, die außerhalb der Städte leben, sind Kleinbauern, deren Existenz von ausreichenden Niederschlägen abhängt. Regen sichert gute Ernten und fördert das Gedeihen des Viehs. Ebenso profitieren auch die Elefanten und anderen Wildtiere von den ergiebigen Regenfällen. Sie finden überall Wasser und Nahrung im Überfluss.
In diesen Zeiten nimmt die Konkurrenz zwischen Menschen und Elefanten um wichtige Ressourcen stark ab und es gibt kaum Konflikte – ein enormer Unterschied zu den trockenen Monaten!
Eine besondere Herausforderung bildeten während der Regenzeit allerdings die Straßen im Park. Viele von ihnen waren überflutet, einschließlich der Zufahrtsstraße zum Camp des Amboseli Trust for Elephants (ATE). Der Weg wurde deshalb mit Stangen markiert, um nicht davon abzukommen.
Zum Glück bleiben in Amboseli aber viele Straßen auch im überfluteten Zustand fest und stabil. Es besteht daher kaum Gefahr stecken zu bleiben – vorausgesetzt, man verliert den Weg nicht. Es ist nur darauf zu achten langsam durch das Wasser zu fahren, um den Motor nicht überfluten!
Vor allem der östliche Teil des Parks war abseits der befestigten Wege völlig unpassierbar geworden. Die ATE-Mitarbeiter*innen mussten daher ihre Feldzeiten sehr sorgfältig planen – und häufig ihre Ferngläser zu Hilfe nehmen.
Passend zu den guten Umweltbedingungen gab es in Amboseli einen echten Babyboom bei den Elefanten. Jeden Tag wurden vom ATE-Team neue Kälber entdeckt. Es machte große Freude, die kleinen Elefantenkälber mit hauchdünnen rosa Ohren, noch viel zu weit wirkender Haut und winzigen Rüsseln neben ihren Müttern zu sehen. Elefanten werden sehr emotional, wenn es ein neues Familienmitglied gibt und so fanden viele aufgeregte Begrüßungen statt.
Die AAs gehörten zu den Familien, die Anteil an diesem Babyboom hatten: Im Dezember brachte Ava ein gesundes und energiegeladenes männliches Kalb zur Welt.
Das Geschlecht der Neugeborenen zu bestimmen war allerdings manchmal schwierig, da der derzeitige hohe Graswuchs oft genug den notwendigen, genauen Blick erschwerte. Doch die ATE-Teams geben nie auf!
Viele Elefantenkühe waren jetzt auch paarungsbereit, darunter Abra von den AAs. Der Bulle Valde aus der VA-Familie zeigte großes Interesse an ihr und bewachte sie vor anderen Bullen. Valde war in Musth und hatte sich möglicherweise bereits mit Abra gepaart, bevor das ATE-Team dort ankam. Mit seinen 31 Jahren stand er zwar erst am Beginn des Lebensabschnitts in dem Elefantenbullen reelle Chancen auf Paarungen haben doch die VA-Familie ist die größte im Amboseli-Ökosystem, und Bullen aus dieser Familie besitzen sehr selbstbewusste Persönlichkeiten. Überraschenderweise wurde Valde dann aber von einem anderen Bullen namens Cynadon vertrieben. Cynadon war ebenfalls in Musth und mit 29 Jahren nur wenig jünger als Valde, doch für sein Alter sehr groß. Cynadon paarte sich erfolgreich mit Abra und Valde zog ohne viel Aufhebens davon.
Die Musth-Phase tritt bei Elefantenbullen normalerweise einmal im Jahr auf und kann mehrere Monate dauern. Die Bullen zeigen dann starkes Interesse an paarungsbereiten Kühen und verhalten sich anderen Bullen gegenüber sehr dominant. Jeder „Nicht-Musth-Bulle“ geht ihnen aus dem Weg. Untereinander aber spielt der Rang nach wie vor eine wichtige Rolle. Wenn sich Musth-Bullen unterschiedlichen Ranges begegnen wird der rangniedrigere das Feld räumen und eventuell sogar die Anzeichen der Musth verlieren. Treffen hingegen eher gleichrangige Musth-Bullen aufeinander, so kann dies zu den wenigen echten Kämpfen führen, die zwischen Elefanten stattfinden können. Cynadon musste Valde also offenbar sehr eindeutig von seiner körperlichen Überlegenheit überzeugt haben.
Der Jahreswechsel bot dem ATE-Team auch Einblicke in einen ganz anderen Bereich aus dem Leben der Elefanten – der Entwicklung familiärer Strukturen. Die EB-Familie bietet ein gutes Beispiel. Viele Jahrzehnte wurde sie von der berühmten und erfahrenden Matriarchin Echo angeführt, die ihre Familie sehr erfolgreich durch gute und schlechte Zeiten gebracht hatte. 2009 wurde Echo leider ein Opfer der damals herrschenden verheerenden Dürre. Seitdem waren die EBs damit beschäftigt zu klären wer Echos Nachfolge antreten sollte. Zunächst gab es mehrere Anwärterinnen für diese Position und die Familie teilte sich in mehrere Gruppen auf. Echos Tochter Enid zeigte damals eher wenig Interesse an diesen Aktivitäten. Sie trauerte unglaublich lange und stark um ihre verstorbene Mutter und verbrachte, nur in Gesellschaft ihrer Kälber, lange Zeit in der Nähe von Echos sterblichen Überresten. Doch nachdem sie offenbar die schlimmste Phase ihrer Trauer überwunden hatte begann sie den Kontakt zu den anderen Familienmitgliedern wieder aufzunehmen. Und im Laufe der Jahre schienen die meisten EBs sich für Enid als neue Matriarchin zu entscheiden. Enids Führungsstil entsprach ziemlich eindeutig dem ihrer berühmten Mutter und sie nutzte auch weitgehend dieselben Weidegründe, welche vor allem im Zentrum Amboselis liegen. Hin und wieder machte sie aber auch Ausflüge bis zum Kilimanjaro im benachbarten Tansania, womit sie ebenfalls einer Tradition Echos folgte.
Nur Ella, vermutlich eine Schwester oder Nichte Echos, mit ihren Kälbern sonderte sich mehr und mehr ab, um ihre eigenen Wege zu gehen. Sie hielt sich vorwiegend nördlich des Amboseli-Nationalparks auf und kehrten nur zu gelegentlichen Besuchen zurück. Derartige Entwicklungen wurden unter den Elefanten Amboselis schon öfter beobachtet. Vor allem größere Familien können nach dem Tod einer Matriarchin in kleinere Einheiten zerfallen. Dies muss allerdings nicht unbedingt dauerhaft sein. Manchmal schließen sich diese Untergruppen nach einiger Zeit wieder zu einer Einheit zusammen. Außerdem können sich Elefantenfamilien auch unter normalen Umständen in verschiedene Gruppen aufteilen, um beispielsweise während Trockenzeiten leichter Nahrung für alle zu finden. So war man auch im Fall der EBs vorsichtig und wartete erst einmal die weitere Entwicklung ab. Nachdem die gegenseitigen Besuche aber immer seltener wurden und Ella sich fast nur noch im Norden aufhielt entschied das ATE-Team nun die beiden Gruppen als eigenständige Familien zu betrachten. Ob es wirklich so bleibt oder Ella eines Tages doch wieder dauerhaft zurückkehrt wird die Zukunft zeigen.
Im Moment gibt es jedenfalls nun Enids Gruppe, die weiterhin als EB-Familie bezeichnet wird und mit 41 Mitgliedern die viertgrößte Familie Amboselis bildet. Und dann gibt es Ellas Familie, die als EB2-Familie noch 11 Mitglieder zählt.
Ellas Gruppe wurde regelmäßig von Reiseveranstaltern und Partner-Organisationen gesehen und man weiß daher, dass es ihr gut geht. Das ATE-Team geht davon aus, dass es auch bei den EB2s zu mehreren Geburten gekommen ist. Eine Überprüfung ist jedoch erst möglich, wenn der Regen nachlässt, da die Straßen in Ellas derzeitigen Aufenthaltsgebiet momentan ziemlich unpassierbar sind. ATE hofft, dass es zwischen Juli und August trocken genug wird um wieder dorthin fahren zu können und dann die EB2-Familie persönlich zu sehen.
Während einige Familien wie die AAs und EBs auch während dieser regenreichen Monate oft beobachtet werden konnten waren war dies bei anderen nur selten möglich, da sie sich in schwer zugänglichen Gebieten aufhielten. Hierzu gehörten neben den EB2s auch die GBs, ebenfalls eine der größten Familien Amboselis mit derzeit 49 Mitgliedern. Und auch sie scheinen sich in zwei dauerhafte Einzelfamilien aufgeteilt zu haben. Gail führt nun ihre eigene Gruppe, die als GB2 bezeichnet wird, während man für Goldas Gruppe die Bezeichnung „GB“ beibehielt.
Golda und ihre GBs waren leider nur aus großer Entfernung zu sehen. Es schien aber allen gut zu gehen. Gail hingegen kam zu einem Besuch direkt ins Camp von ATE, welches in einem Palmenwald, dem Ol-Tukai-Orok-Forest, liegt. Es gibt mehrere Elefantenfamilien, welche hier gerne gelegentlich vorbeischauen. Ein Grund dafür ist sicher das gute Nahrungsangebot, doch offenbar wollen einige Elefanten auch dem ATE-Team „Hallo“ sagen. Sie nähern sich den Zelten und warten bis jemand vom Team auf sie aufmerksam wird und einige Worte mit ihnen spricht. Dann setzen sie ihren Weg fort.
Das ATE-Team hat in den langen Jahren seines Bestehens ein außerordentlich vertrauensvolles Verhältnis zu vielen Elefanten in Amboseli aufgebaut. Dadurch wurden viele einzigartige Beobachtungen möglich, die unser Wissen über die Grauen Riesen, ihr beeindruckendes Sozialverhalten und ihre Fähigkeiten revolutioniert haben. Darüberhinaus wurde es ATE dadurch aber auch möglich Schutzmaßnahmen gegenüber Bedrohungen unterschiedlichster Art zu entwickeln. Diese Aufgabe wird gerade in Zukunft immer größere Bedeutung gewinnen.