Amboseli News: August und September 2023

Amber aus der AA-Familie mit ihrem Baby

Im August und September begann in Amboseli allmählich die schwierigere Phase der Trockenzeit, die allerdings nicht mit einer echten Dürre vergleichbar war. Die Nahrung wurde allmählich knapper, doch war weiterhin noch genug für alle Wildtiere vorhanden. Die Elefanten kannten diese Entwicklung sehr gut und passten sich den Gegebenheiten an. Sie teilten sich in kleinere Familiengruppen auf, die sich hauptsächlich aus engverwandten Kühen, meistens Schwestern, und ihren Kälbern, zusammensetzten. Erfahrene Matriarchinnen wie Ulrica von der UA2-Familie sind nun von unschätzbarem Wert für die Elefanten.

 

Ulrica, die Matriarchin der UA2-Familie
Ulrica, die Matriarchin der UA2-Familie

 

Mitglieder der AA-Familie hielten sich gerne in dem Akazienwald auf, in dem das Camp des Amboseli Trust for Elephants (ATE) liegt. Oft kamen sie in die Nähe der Zelte, wo sie vom ATE-Team gesehen wurden. Auch Angelina und ihre Kälber waren dabei. Der Wald besteht aus Fieberbäumen, einer relativ schnellwachsenden Akazienart, die Gebiete mit einem hohen Grundwasserspiegel bevorzugt. In Amboseli gedeiht sie gut, weil der Grundwasserspiegel hoch ist und ihr der hohe Salzgehalt des Bodens im Amboseli-Becken nichts ausmacht. Im Park gibt es mehrere dichte Fieberbaumwälder, die während der Trockenzeit, wenn die Gräser weniger nahrhaft und knapp sind, eine wichtige Nahrungsquelle für viele Wildtiere darstellen. Die Elefanten sind sehr geschickt darin, sich von den Blättern und Zweigen zu ernähren, obwohl diese sehr harte, scharfe Dornen besitzen.

 

Angelina säugt ihre Tochter Alana
Angelina säugt ihre Tochter Alana

 

Am 15. September erhielt der ATE einen Anruf von einem Guide, der sich Sorgen um einen Elefanten machte. Er berichtete, der Elefant verhalte sich „seltsam“ und scheine verzweifelt zu sein. Das Team eilte zu der Stelle, von der er berichtet hatte, und musste feststellen, dass es Abra war, die ein kleines Mädchen zur Welt gebracht hatte. Sie hatte noch Blut an den Beinen, was bedeutete, dass die Geburt nur ganz kurz zuvor stattgefunden hatte.  Abras neues Kalb wurde bald der Familie vorgestellt, die sich sehr über das neue Mitglied freute. Im Laufe des Septembers wurde Abras Kalb bereits von vielen interessierten Elefantenkühen begrüßt. Es sah gesund und kräftig aus.

 

Amber's neues Baby
Ein neues Baby aus der AA-Familie
Amber aus der AA-Familie mit ihrem Baby
Die stolze Mutter und ihre Baby

Eines Morgens wurden die AAs zusammen mit der YA- und der JA-Familie in einem Gebiet gesehen, das direkt an den Akazienwald grenzte. Ebenfalls anwesend war Sabachi, ein unabhängiger Bulle aus der SB-Familie. Sabachi befand sich in Musth und verbrachte Zeit mit einer Kuh der YA-Familie, die paarungsbereit war und von ihm bewacht wurde. Bewachen ist ein übliches Verhalten, das dominante Bullen zeigen, um anderen Bullen den Zugang zu paarungsbereiten Kühe zu verwehren. Wenn diese an einer Paarung mit Bullen interessiert sind, lassen sie sich gerne bewachen, um nicht von jüngeren, weniger interessanten Bullen belästigt zu werden.

Die Kälber aller drei Familien waren besonders gut gelaunt; sie begrüßten sich und spielten ausgelassen miteinander in der Nähe des ATE-Forschungsfahrzeugs.

Auch die EB-Familie hielt sich innerhalb des Parks auf. Sie schienen enger zusammenzubleiben als andere Familien und waren fast immer in Rufweite (etwa zwei Kilometer, ausreichend für Infraschall-Rufe) voneinander entfernt. Enid hatte sich ein wenig von der Familie isoliert. Sie sah körperlich gut aus, zeigte aber durch ihr Verhalten, dass sie traurig oder unglücklich war. Ihre Tochter Elise verhielt sich unglaublich loyal und blieb die ganze Zeit an ihrer Seite. Dies ist für Elefanten äußerst typisch. Angesichts all dessen, was Enid widerfahren ist, war ihr Verhalten keine Überraschung, und sie wird etwas Zeit brauchen, um sich von ihren traumatischen Erlebnissen zu erholen. Aber mit der Unterstützung ihrer treuen  Familie wird sie es schaffen.

Enid, die Matriarchin der EB-Familie
Enid, die Matriarchin der EB-Familie
Elise, die Tochter Enids
Elise, die Tochter Enids

Die EBs verbrachten viel Zeit in den Sümpfen, um die üppige grüne Vegetation zu nutzen, welche die Sümpfe das ganze Jahr über bieten. Eliots neugeborenes weibliches Kalb war äußerst selbstbewusst und fröhlich. Es war eine große Freude, endlich wieder neues Leben bei den EBs zu sehen.

Eliot von den EBs bei der Nahrungssuche im Sumpf
Eliot mit ihrem Kalb bei der Nahrungssuche im Sumpf

Edwinas Gruppe blieb ebenfalls in der Nähe von Enids Teil der Familie, und alle Mitglieder sahen gut aus.  Eudora und Europa verbrachten Zeit mit Edwinas Familienzweig. Esprit war im August im Östrus und wurde bei mehrfach von unterschiedlichen Bullen verfolgt – unter anderem von Michael, Calvin und Ibrahima. Michael ist ein sehr beeindruckend aussehender, noch relativ junger Bulle, der in den kommenden Jahren möglicherweise zu einer der Ikonen Amboselis werden wird. Er wurde 1991 als Sohn Mabels aus der MA-Familie geboren. Michael befand sich in den letzten zwei Monaten in der Musth und erhielt viele Paarungsmöglichkeiten. Calvin ist acht Jahre älter als Michael, hat aber nicht so große Stoßzähne. Ibrahima ist erst 21 Jahre alt und hat daher noch kaum Chancen auf eine Paarung. Das ATE-Team hat nicht gesehen, wann oder mit welchem Bullen sich Esprit gepaart hat, doch es ist gut möglich, dass es entweder Calvin oder Michael war.

 

Europa von den EBs
Europa von den EBs

Auch Fortino, Facebook und Feretia von den FBs wurden regelmäßig mit ihren Kälbern gesehen. Facebook war im September im Östrus und wurde von einem Männchen namens Buyoya aus der BB-Familie verfolgt. Ob sie sich tatsächlich gepaart haben,  konnte allerdings auch in diesem Fall nicht beobachtet werden. Falls ja, dann wird Facebook in zweiundzwanzig Monaten ein Kalb zur Welt bringen.

 

Buyoya, ein Bulle aus der BB-Familie
Buyoya, ein Bulle aus der BB-Familie

Die lange Abwesenheit  von Fanny, der Matriarchin der FBs, macht dem ATE-Team allmählich Sorgen.  Sie vermuten, dass Fanny an den Folgen der jüngsten Dürre gestorben sein könnte. Das Team hatte sie zuletzt Ende Januar gesehen. Da sich ihre Familie vor Ort befindet und regelmäßig beobachtet wird, ist die lange Abwesenheit von Fanny kein gutes Zeichen. Man muss mit Rückschlüssen vorsichtig sein, denn das ATE-Team hatte in der Vergangenheit schon einige Überraschungen erlebt. Aber unter den gegebenen Umständen ist leider fast sicher anzunehmen, dass Fanny gestorben ist. Sie wurde 1969 geboren und befand sich mit 54 Jahren in einem Alter, in dem sie Entbehrungen durch Dürren nicht mehr leicht verkraftet.

Dürreperioden fordern in der Regel das Leben der jüngsten und ältesten Mitglieder einer Population. Und dazu gehören leider oft auch Matriarchinnen. Alle beim ATE sind traurig, dass die FBs offenbar ihre erfahrene Anführerin verloren haben. Dieser Verlust wird auch Auswirkungen auf die Familienstruktur haben. Die älteste lebende Kuh ist jetzt Flossie, aber da sie zu Floras Linie der Familie gehört, während Fanny zu Fredas Linie gehörte, könnte es zu einer Spaltung der Familie kommen. Da die FBs wegen der jetzt schon etwas trockeneren Bedingungen ohnehin dazu tendieren,  sich zur Futtersuche in kleinere Gruppen aufzuteilen, kann man im Moment schwer sagen, ob sich die Familie tatsächlich dauerhaft geteilt hat. Aber mit der Rückkehr des Regens in den kommenden Monaten sollte es möglich sein festzustellen, wer die Führung übernommen hat und ob die Familie zusammenbleibt oder nicht.

Viel erfreulicher sind die Meldungen, die es von der GB-Familie gibt. Sie sind mit dem Amboseli-Ökosystem eng verbunden, vor allem auch mit den Sümpfen, die ganzjährig Wasser und Vegetation bieten. Dadurch konnten sie zu einer der größten Familien dieses Gebiets heranzuwachsen. Wenn die GBs vollzählig versammelt durch die eindrucksvolle Landschaft ziehen, bietet die Familie  einen beeindruckenden Anblick.

Ein Highlight der letzten Monate ist Georgias jüngster Familienzuwachs, eine Tochter, die am 1. August geboren wurde. Georgia ist eine erfahrene Mutter und ihr Kalb hat dank ihrer fachkundigen mütterlichen Fürsorge die besten Chancen. Außerdem genießt Georgia die Unterstützung einer Vielzahl von heranwachsenden Kühen ihrer Familie, die als Kindermädchen alle eifrig mithelfen und für das Wohlergehen des neuesten Familienmitglieds sorgen. Ein Beweis für den starken Zusammenhalt innerhalb der GB-Familie.

 

Georgia und Garamba von den GBs
Georgia und Garamba von den GBs

Georgias Kalb genießt auch die liebevolle Aufmerksamkeit der älteren Kühe in der Familie. Einmal versuchte sie sogar, von ihrer viel älteren Schwester Garamba gesäugt zu werden. Garamba, die sich um ihren eigenen Nachwuchs kümmern muss, gab der Neugier der Kleinen kurz nach und schob sie dann sanft weg. Ihr Jüngster ist mit fünf Jahren inzwischen allerdings nicht mehr auf Milch angewiesen. Vermutlich erwartet Garamba aber bereits ihr nächstes Kalb in nicht mehr allzu ferner Zukunft. Im Durchschnitt bekommen Elefantenkühe in Amboseli alle drei bis fünf Jahre ein Kalb.

Die GB-Familie fasziniert das ATE-Team ganz besonders mit ihrer Unverwüstlichkeit, ihrem Zusammenhalt und ihren verspielten, ungestümen Kälbern. Und so hoffen wir auf viele weitere außergewöhnliche Begegnungen und Berichte, die uns Einblick in das Leben der sanften Riesen von Amboseli geben.

Die OA-Familie hatte sich während der letzten Monate leider etwas rätselhaft verhalten, was es selbst für die erfahrenen und engagierten Forscherinnen des ATE schwierig machte, sie zu entdecken. Ihre Gewohnheit, inner- wie außerhalb des Parks Nahrung zu suchen, gepaart mit ihrer Vorliebe für immer wieder unterschiedliche Routen, hat die Versuche des Teams, sie zu sichten, mit wenig Erfolg belohnt.  Es wurden stets nur Teile der Familie entdeckt: Die eigentlichen OAs einmal am 16. August und die OA2 ein anderes Mal am 22. August. Es besteht Grund zu der Annahme, dass sich die OAs noch immer im selben Gebiet aufhalten, da in der Nähe auch ihre Verwandten und Freunde von der CB-Familie angetroffen wurden. In den Sümpfen des Parks herrscht reger Elefantenbetrieb, was vermuten lässt, dass die OAs unter ihnen sind und nur auf den richtigen Moment warten, um sich dem ATE-Team zu präsentieren. Wir bleiben optimistisch, dass demnächst weitere Sichtungen folgen werden.

 

Eine Elefantenfamilie auf dem Weg durch Amboseli
Eine Elefantenfamilie auf dem Weg durch Amboseli

Die PC-Familie bereitete dem Team hingegen nicht so große Probleme. In den vergangenen zwei Monaten wurden sowohl Petula als auch Placida und ihre Familienmitglieder von den ATE-Forscherinnen entdeckt. Vor allem Petulas Gruppe wurde häufiger in der Mitte des Parks gesichtet. Die PCs gedeihen weiterhin prächtig. Häufig wurden sie beobachtet, wie sie hüfttief durch das Wasser der Sümpfe wateten – ein Anblick, den das ATE-Team leider nicht aus der Nähe genießen konnte, da es außerhalb bleiben musste. Bei den Begegnungen mit der PC-Familie zeichneten sich diese durch ihr ruhiges und gelassenes Verhalten aus, was einen eindrucksvollen Kontrast zu einigen anderen Elefantenbegegnungen im Park darstellte.

Im August und September befanden sich auch viele Bullen im Park, darunter Must-Bullen wie Michael und Sabachi. Da während der Dürre viele noch milchabhängige Kälber gestorben sind, kamen nun viele Kühe fast gleichzeitig wieder in den Östrus. Und das lockte die außergewöhnlich vielen Bullen in den Park. Musth-Bullen wie Michael und Sabachi haben dabei die besten Paarungschancen.

 

Michael, ein eindrucksvoller Bulle
Michael, ein eindrucksvoller Bulle
Sabachi, ein Bulle in Musth
Sabachi, ein Bulle in Musth

 

Der September erwies sich für das Team des ATE auch anderweitig als ein sehr geschäftiger Monat. Alle Mitglieder hatte das Privileg, an der Konferenz des Wildlife Research and Training Institute (WRTI) in Naivasha teilzunehmen. Bei diesem Treffen kamen Experten aus ganz Kenia und darüber hinaus sowie Vertreter der kenianischen Regierung zusammen. Hauptziel war es, sicherzustellen, dass die Erkenntnisse der Fachleute in die Entscheidungsprozesse der kenianischen Naturschutzpolitik und Landesentwicklungspläne einfließen. Einen besonderen Schwerpunkt  bildeten die Auswirkungen neuer Bauvorhaben, wie z. B. eine geplante Schnellstraße von Nairobi nach Mombasa, die durch wichtige Nationalparks mit zahlreichen Wildtiere führt.

Die Konferenz bot eine Plattform für offene Dialoge über die Schwierigkeit, wirtschaftliche Entwicklung mit dem Schutz der Wildtiere zu vereinen. Es war erfreulich zu sehen, dass das Wissen und die Empfehlungen des ATE von der Regierung anerkannt und berücksichtigt wurden. Das machte Hoffnung und motivierte das Team, sich an den Diskussionen zu beteiligen, die darauf abzielten, nachhaltige Lösungen für den Schutz von Kenias wertvoller Tierwelt zu finden.

Amboseli News: Februar und März 2023

Giff, ein junger Bulle aus der GB-Familie

Februar und März waren dieses Jahr in Amboseli sehr heiße und trockene Monate. Nachdem die Regenzeit Ende 2022 nur sehr dürftig ausgefallen war, begann bereits im Februar eine neue Dürreperiode.

Dabei wurden erst jetzt die Verluste der Dürre 2022 bekannt. Die Zahl der Todesopfer war mit 150 Elefanten zwar nicht so hoch wie 2009, als ca. 400 Elefanten gestorben waren, doch jeder tote Elefant ist einer zuviel und ein schmerzhafter Verlust – gerade auch für das Team des Amboseli Trust for Elephants (ATE), das  jedes Tier der Amboseli-Population kennt und liebt.

Außerdem waren viele weitere Wildtiere der Dürre zum Opfer gefallen, vor allem Gnus und Zebras. Im Unterschied zu den Elefanten können diese Arten die Sümpfe nur schlecht als Nahrungsquelle nutzen, daher waren ihre Verluste noch höher.

 

Die Dürre forderte viele Opfer wie diese Gnus
Die Dürre forderte viele Opfer wie diese Gnus

 

Noch härter hatte es das Vieh der Menschen in der Nachbarschaft des Parks getroffen. Einige Viehzüchter haben 50 Prozent ihrer Tiere verloren. Und noch schlimmer waren die Kleinbauern betroffen, die rund um das Amboseli-Ökosystem Ackerbau betreiben. Sie erlebten völlige Ernteausfälle, und viele von ihnen hatten schlicht nicht genug Einkommen mehr, um sich und ihre Familien zu ernähren.

Da der Amboseli-Nationalpark einer der kleinsten Kenias ist, sind die Elefanten und anderen Wildtiere darauf angewiesen, auch Weidegründe außerhalb der Parkgrenzen zu nutzen. Die dort lebende Bevölkerung, die zum Großteil aus Massai besteht, hat dies über viele Generationen hinweg toleriert und sogar dafür gesorgt, dass das Amboseli-Gebiet weitgehend von Wilderern verschont blieb. Doch extreme Situationen wie Dürren erschweren das friedliche Zusammenleben naturgemäß schwer, da es für beide Seiten oft um die letzten Ressourcen und das nackte Überleben geht. Es ist daher dringend notwendig, Wege zu finden, um beiden Seiten zu helfen und das ursprüngliche, friedliche Miteinander wiederherzustellen.

 

Ilesha von der IAIC-Familie
Ilesha von der IAIC-Familie – auch sie kann nur in einem gesunden Ökosystem überleben

 

Zu diesem Zweck unterstützt der ATE verschiedene Projekte, beispielsweise die Versorgung von Familien und Schulen mit Lebensmitteln. Schüler erhalten eine Mahlzeit am Tag. So können sie weiter die Schule besuchen, und ihre Familien werden finanziell entlastet.

Die ganze Zeit war es unentwegt sehr trocken, windig und heiß. Überall im Park waren Staubteufel am Horizont zu sehen, und das Team des ATE sehnte sich jeden Tag mehr nach Regen. Für sie war es vor allem psychisch eine sehr anstrengende Zeit, da sie sahen, wie Menschen und Tiere erneut um ihr Überleben zu kämpfen begannen.

Wie üblich versammelten sich viele Tiere, vor allem Elefanten, bei den Sümpfen im Herzen des Parks, um hier die härteste Zeit zu überstehen.

Und dann, Ende März, kam endlich die langersehnte Erlösung: Der Regen kehrte zurück! Zuerst regnete es vor allem außerhalb des Parks, während innerhalb nur geringe Niederschläge fielen. Doch am 29. März gab es schließlich in der Nacht ein gewaltiges Gewitter mit Donner, Blitz und starkem Wind. Der Regenmesser im Camp zeigte 39 mm an, was von allen im Camp begeistert gefeiert wurde! Erleichterung und Freude sind nur schwer zu beschreiben, wenn eine Dürre durch einen solchen Regen beendet wird! Im Camp gab es Schlamm und Pfützen, was sich wie ein Novum anfühlte! Hilflos zusehen zu müssen, wie die Tiere unter der Dürre litten, hatte einen enormen psychischen Druck verursacht. Doch nun spürten alle, wie sich ihre Stimmung wieder aufhellte! Sie wussten, dass sich die Vegetation bei guten Regenfällen schnell erholen und damit auch das Leid der Tiere bald ein Ende haben würde.

 

Grünes Gras und ein schneebedeckter Kilimanjaro nach Beginn der Regenzeit
Grünes Gras und ein schneebedeckter Kilimanjaro nach Beginn der Regenzeit

 

Bemerkenswert war es, wie schnell die Wildtiere auf die Wetterveränderung reagierten. Fast über Nacht verließen vor allem die Zebras und Gnus den Park, um sich außerhalb von der frischen, neuen Vegetation zu ernähren. Die Elefanten blieben zwar weiterhin im Park, aber nicht mehr in der gleichen Anzahl wie zuvor. Auf Cynthia Moss und ihr Team wirkte die Veränderung dramatisch.

Wir gehen stark davon aus, dass es im April und Mai noch mehr Regen geben und sich die Natur dadurch schnell und deutlich erholen wird. Die meisten Tiere – einschließlich der Elefanten – werden sich in dieser Zeit außerhalb des Parks aufhalten und erst mit Beginn der nächsten Trockenzeit zurückkehren. Endlich ist die Zeit der Entbehrung vorbei!

 

Elefanten genießen ein Schlammbad
Elefanten genießen ein Schlammbad

 

Die Elefanten hatten die Monate der Dürre unterschiedlich gut bewältigt, was stark von den Strategien abhing, denen sie dabei folgten.

Die AA-Familie war dem für Elefanten üblichen Verhalten während Zeiten des Mangels gefolgt: Sie hatte sich in kleinere Gruppen aufgeteilt und blieb in der Nähe von Futter- und Wasserquellen. Manchmal zogen sich Familienmitglieder vom Rest der Gruppe zurück und verschwanden für mehrere Tage, bevor sie sich der Familie wieder anschlossen. Unter normalen Bedingungen würden Elefanten so etwas nicht tun, aber während Krisenzeiten hatten Cynthia Moss und ihr Team dies schon oft beobachtet.

Besonders auffällig und besorgniserregend war allerdings, dass man die Matriarchin Astrid Anfang Dezember das letzte Mal gesehen hatte. So eine lange Trennung ist für eine Leitkuh selbst während einer Dürre sehr ungewöhnlich. Bei Astrid wirkte es noch auffälliger, da sie und ihre Tochter Annan sonst fast unzertrennlich waren. Daher hielt das ATE-Team verstärkt Ausschau nach ihr und bat auch einige andere, befreundete, NGOs nach ihr zu suchen. Im Februar erfuhren sie dann von einem mehrere Wochen alten Kadaver, der innerhalb des Parks entdeckt worden war. Als sie dorthin fuhren, um zu überprüfen, wer der Elefant sein könnte, mussten sie leider feststellen, dass es sich tatsächlich um Astrid handelte.

 

Ein Bild aus glücklichen Tagen: Astrid (links) und ihre Tochter Annan (rechts)
Ein Bild aus glücklichen Tagen: Astrid (links) und ihre Tochter Annan (rechts)

 

Der Verlust einer Matriarchin ist für Elefantenfamilien immer äußerst schwer zu verkraften, und Astrid hatte nach dem Tod ihrer Vorgängerin und Mutter Alison besonders hart daran gearbeitet, die AA-Familie zusammenzuhalten. Sie war eine besonders sanfte und freundliche Elefantenkuh gewesen. Ihr Verlust schmerzte sehr.

Astrid wurde 1979 als Tochter Alisons geboren. Leider hatte sie in ihrem Leben nicht viel Glück mit ihren Kälbern gehabt. Von allen erreichte nur Annan das Erwachsenenalter und hat bis heute überlebt. Zwischen Astrid und Annan bestand eine sehr enge Bindung, und sie waren fast immer zusammen. Annan wird diesen Verlust daher sehr zu spüren bekommen, zumal sie auch um den Verlust ihres eigenen Kalbes trauert. Bis jetzt hat sie viel Zeit mit dem Rest der Familie verbracht und wurde oft zusammen mit ihrer Tante Artemi und deren Kälbern gesehen. Sie sah relativ mitgenommen und dünn aus, und die Spitze ihres vorher schön geschwungenen rechten Stoßzahns war abgebrochen. Wir können nur hoffen, dass sie sich allmählich wieder erholen wird.

 

Annan folgt ihrer Familie
Annan folgt ihrer Familie

 

Derzeit sind Anghared (geboren 1981) und Angelina (geboren 1985) die ältesten noch verbliebenen Kühe der AAs. Der Tod einer Matriarchin kann weitreichende und dauerhafte Veränderungen in einer Elefantenfamilie zur Folge haben, da es weitgehend davon abhängt, welche Kuh die Nachfolge antritt und wie deren Beziehungen zu den übrigen älteren Weibchen in der Familie sind. Es ist aber derzeit noch zu früh, um zu sagen, wie es weitergehen wird, denn zunächst waren die AAs wie die meisten Familien wegen der Dürre ohnehin in viele kleine Gruppen aufgeteilt. Erst im Verlauf der Regenzeit wird man vielleicht erkennen, wie die AAs sich entscheiden werden. Doch manchmal braucht es dafür sogar Jahre.

Im Moment halten sich die AAs zumindest im selben Gebiet auf und bleiben selbst bei Trennungen immer in Rufweite zueinander.

 

Ann und ihr neues Kalb
Familienzuwachs bei den AAs: Ann und ihr neues Kalb

 

Wesentlich erfreulichere Nachrichten gibt es von den EBs. Auch sie hatten sich in mehrere kleinere Gruppen aufgeteilt. Während Eliot und Edwina sich in derselben Gegend aufhielten, zog sich Enid mit Elise und Echeri in einen anderen Teil des Parks zurück, einem relativ kleinen Gebiet mit einem Radius von drei bis vier Kilometern. Hier hatten sie einen Ort mit Wasser, Nahrung und einem schönen Wald zum Schlafen und Ausruhen gefunden.

Enid war kurz vor der Dürre durch eine Speer-Attacke verletzt worden war und musste dann zusätzlich noch mit den Entbehrungen der Dürre und der Trauer um den Verlust ihres jüngsten Kalbes fertig werden. Das hatte sie physisch und psychisch enorm belastet und wir machten uns große Sorgen um sie. Jetzt sah sie endlich wieder besser aus und schien sich wirklich zu erholen. Wir freuen uns sehr über diese Entwicklung! Und auch darüber, dass ihr männliches Kalb Emfatico bei ihr ist und in Anbetracht der überstandenen Dürre ebenfalls gut aussieht. Auch ihre Tochter Elise und ihre Freundin Echeri blieben treu an der Seite Enids. Dies war für sie sicher eine große psychische Unterstützung und wird ihr sehr geholfen haben, ihre Probleme zu bewältigen.

 

Enid, die Matriarchin der EBs
Enid, die Matriarchin der EB-Familie

 

Auch viele andere Familien scheinen die Dürre relativ gut überstanden zu haben. Darunter die OAs und die FBs. Letztere hielten sich oft zusammen mit vielen anderen Tieren in einem riesigen Sumpf auf und befanden sich dabei manchmal in Gesellschaft der EBs.

Im Unterschied zu anderen Familien hatten sich die GBs nur wenig in kleinere Gruppen aufgeteilt. Goldas Gruppe wurde oft zusammen gesehen und folgte jeden Tag derselben Routine. Gails Gruppe hielt sich in derselben Gegend auf wie Goldas Gruppe und manchmal waren sogar alle zusammen. Sie verbrachten viel Zeit in den Sümpfen, wo sie immer Wasser und Nahrung fanden. Die Sumpfvegetation ist gut, allerdings brauchen Elefanten langfristig Abwechslung in ihrer Ernährung, um gesund zu bleiben.  Insgesamt sahen die GBs sahen gut aus und ihre Strategie hatte sich eindeutig als erfolgreich erwiesen. Nach dem Einsetzen der Regenzeit freuten sie sich nun aber sichtlich über die frische, neue Vegetation.

 

Mitglieder der GB-Familie genießen das frische, grüne Gras
Mitglieder der GB-Familie genießen das frische, grüne Gras

 

Von den PCs waren sowohl die Gruppe von Petula als auch die von Placida in den letzten paar Monaten im Nationalpark anzutreffen. Placidas Gruppe wurde im Februar und März viermal und Petulas Gruppe sogar sechsmal gesehen. Auch sie hatten es geschafft in relativ guter Verfassung zu bleiben und sollten nun, wo es mehr frische und abwechslungsreichere Nahrung gibt, wieder an Gewicht zulegen. Sogar die neuen Kälbern in Placidas Gruppe machten einen guten Eindruck. Paris, Patience und Pauleta aus Placidas Gruppe sowie Pink und Piedad aus Petulas Grupe haben es geschafft, ihre jungen, milchabhängigen Kälber am Leben zu erhalten, die mit weniger als zwei Jahren zu den am meisten gefährdeten Altersgruppen gehörten. Nur Placida selbst sah etwas dünn aus und Petula hatte leider ihr 2020 geborenes weibliches Kalb verloren.

Wenn man die allgemeinen Verhältnissen in Amboseli betrachtet ist es erstaunlich wie gut die PCs insgesamt im Unterschied zu anderen die Dürre überstanden haben.

Auch viele Bullen waren im Park anzutreffen, darunter die drei Freunde Francois, Giff und Palmer. Francois ist der 18 Jahre alte Sohn Faridas  und ein Enkel Fannys. Giff ist der 1996 geborene Sohn von Geraldine. Er sieht sehr gut aus und ist ziemlich groß für sein Alter, typisch für GB-Bullen, die zu einem kräftigen Körperbau neigen. Palmer ist jetzt 29 Jahre alt, was bedeutet, dass er sich dem besten Alter eines Elefantenbullen nähert. Ab diesem Zeitpunkt kommen sie in die Musth, und haben dadurch vorrangig Zugang zu paarungsbereiten Kühen. Palmer ist ein sehr sanfter und ruhiger Elefant, der sehr lange gebraucht hat, um von seiner Familie unabhängig zu werden, weshalb man ihn oft als „Muttersöhnchen“ bezeichnete. Normalerweise verlassen Bullen ihre Familie im Alter von 12 bis 14 Jahren, aber Palmer blieb bis er 19 war. Palmers Mutter Peggy starb während der Dürre 2009, aber seine Schwester Patience lebt noch. Seit er seine Familie verlassen hat, ist Palmer enorm gewachsen und entwickelte sich zu einem der größeren Bullen in der Amboseli-Population.

 

Giff, ein junger Bulle aus der GB-Familie
Giff, ein junger Bulle aus der GB-Familie

 

Junge Bullen folgen älteren, um Überlebenstaktiken und das Paarungsverhalten zu lernen. Mit Palmer haben sich Francois und Giff einen sehr freundlichen Bullen als Lehrer ausgesucht.

Nach all den harten Zeiten können sich die Elefanten und anderen Wildtiere nun endlich wieder über bessere Bedingungen freuen und von den überstandenen Entbehrungen erholen. Wir hoffen sehr, dass sich die guten Verhältnisse nun bis zum Jahresende fortsetzen werden. Dann ist aufgrund des El Nino-Phänomens sogar eine sehr ergiebige Regenzeit zu erwarten.

Amboseli News: Dezember 2022 und Januar 2023

Angelina und ihre Kälber

Im Dezember und Januar war die schreckliche Dürre des letzten Jahres endlich zu Ende und wurde durch die lang ersehnte Regenzeit abgelöst. Die Vegetation begann sich zu erholen und mit ihr auch die Elefanten und viele andere Tiere.

Allerdings hielten sich die Niederschlagsmengen doch in Grenzen, und zudem waren sie in unterschiedlichem Ausmaß über das Gebiet verteilt. Außerhalb des Parks hatte es teilweise mehr Regen gegeben, und so wanderten im Dezember zahlreiche Tiere dorthin. Im Januar kehrten aber viele von ihnen, vor allem Gnus, bereits wieder zurück – wesentlich früher als sonst, denn normalerweise bleiben sie zwei bis drei Monate in den außerhalb liegenden Weidegründen. Vermutlich waren also auch dort die Bedingungen nicht besonders gut gewesen, und dies könnte zudem zu verstärkter Konkurrenz mit dem Vieh der lokalen Bevölkerung geführt haben. Die Elefanten waren von diesem Problem weniger betroffen, da sie nicht ausschließlich auf Gras angewiesen sind, sondern auch andere Pflanzen als Nahrung nutzen. Doch leider lässt die frühe Rückkehr der Gnus befürchten, dass sich Amboseli insgesamt nur notdürftig von der Dürre erholt hat und bis zum Beginn der nächsten Regenzeit, die man im April erwarten darf, erneut harte Zeiten auf die Wildtiere zukommen. „Amboseli News: Dezember 2022 und Januar 2023“ weiterlesen

ATE News: August und September 2022

Im August und September nahm die bereits seit mehreren Monaten herrschende Dürre ein brutales Ausmaß an. Das Land war inzwischen fast vollständig ausgetrocknet. Nur in den Sümpfen, im Zentrum des Amboseli-Nationalparks, gab es weiterhin Wasser und etwas Vegetation, wenn auch nur recht nährstoffarme. Außerdem boten die verstreuten kleinen Wälder des Parks ein wenig Nahrung. Aber sonst war kaum noch etwas für die zigtausenden Elefanten, Zebras, Büffeln, Gnus und Antilopen zu finden.

 

Eine Kuh der AA-Familie und ihr Kalb versuchen, in der verdorrten Ebene noch etwas Nahrung zu finden

 

Die erfahrenen Matriarchinnen der Elefanten versuchten, ihre Familien zu Orten zu führen, an denen es früher selbst während der schlimmsten Dürreperioden immer noch etwas Nahrung gegeben hatte. Doch teilweise war ihnen jetzt der Weg zu diesen letzten Weideflächen durch menschliche Siedlungen, Infrastruktur oder Farmland versperrt, während in anderen Fällen die Weidegründe selbst Farmen oder Siedlungen weichen mussten. Die Herausforderungen für die Matriarchinnen waren enorm. Und doch ruhten vor allem auf ihnen alle Hoffnungen!

 

Elefantenfamilie auf ihrer Wanderung
Elefantenfamilie auf ihrer Wanderung

 

Das Bevölkerungswachstum macht auch die Auswirkungen von Dürren immer noch schlimmer – letztlich nicht nur für die Wildtiere, sondern auch für die Menschen selbst und ihr Vieh. Auch sie kämpfen einen verzweifelten Kampf ums Überleben.

Diese Probleme können nur gelöst werden, wenn man Wege findet, die allen helfen. Dabei ist es natürlich in erster Linie wichtig, das Bevölkerungswachstum zu stoppen. Dieses Ziel wird vermutlich aber nur langfristig zu erreichen sein. Und da der Druck auf die Ressourcen bereits jetzt zu hoch ist, müssen weitere Ansätze verfolgt werden, beispielsweise die Entwicklung landwirtschaftlicher Methoden, die weniger Fläche zur Erzeugung derselben Erträge benötigen. Am wichtigsten ist aber die Förderung von Bildung, speziell auch für Mädchen. Der Amboseli Trust for Elephants (ATE) setzt sich hierfür bereits seit Jahrzehnten ein. Aktuell unterstützte er auch ein Programm, welches Mahlzeiten für Schulkinder bereitstellt. Dadurch werden nicht nur Kinder mit Nahrung versorgt, sondern auch sichergestellt, dass sie weiterhin die Schule besuchen können. Außerdem fördert es die freundschaftliche Beziehung, welche zwischen der überwiegenden Mehrheit der lokalen Bevölkerung und dem ATE herrscht und unverzichtbar ist, um zu erreichen, dass die Menschen bereit sind, das Land mit den Wildtieren zu teilen.

 

Elefanten durchqueren die Ebene in Amboseli
Elefanten durchqueren die Ebene in Amboseli

 

All das änderte natürlich nichts an der aktuellen, verheerenden Situation. Besonders schlimm waren Arten wie Zebras und Gnus betroffen, die in großer Zahl starben, doch auch viele Elefanten, vor allem die ältesten und jüngsten Familienmitglieder, wurden zu Opfern der Dürre. Verständlicherweise war das Team des ATE in den allermeisten Fällen nicht dabei, wenn Elefanten starben, und oft entdeckten sie nicht einmal ihre Überreste. Aber da der ATE in seiner Datenbank jeden einzelnen Elefanten des Amboseli-Ökosystems erfasst hat, konnte man feststellen, welche Tiere in den einzelnen Familien fehlen. Ältere Elefanten können sich allerdings auch kurzfristig von den anderen getrennt haben und später wieder zu ihnen stoßen. Aber milchabhängige Kälber müssen fast immer als verstorben betrachtet werden, wenn sie nicht bei ihren Müttern sind.

Zu ihnen gehören die jeweils jüngsten Kälber von Eleanor, Eudora, Entito und Eliot von der EB-Familie sowie von Golda, Gigabyte, Garamba und Gatzamba von der GB-Familie. Die meisten von ihnen waren männlich, einige aber auch weiblich wie diejenigen Goldas, Gigabytes und Gatzambas. Generell ist die Sterblichkeit von Bullenkälbern höher, da sie schneller wachsen und daher mehr Energie benötigen.

Besonders schlimm war es für Elise, die Tochter Enids, der Matriarchin der EB-Familie. Sie hat gleich zwei Kälber verloren! Zuerst starb ihr älterer Sohn. Er gehörte zu den vier EB-Mitgliedern, die im Juni mit Speeren verletzt worden waren. Der Tierarzt hatte sie alle behandelt. Während die anderen drei sich inzwischen gut erholten, war die Verletzung bei Elises Sohn offenbar doch zu schlimm, und er verstarb an ihren Folgen. Und dann verlor Elise auch noch ihre jüngste Tochter. Da Elefanten sehr stressanfällig sind, ist davon auszugehen, dass der Tod ihres Sohnes, verbunden vielleicht mit den Auswirkungen der Dürre, Elise so zusetzte, dass sie nicht mehr genug Milch für ihre Tochter hatte und deshalb auch diese verlor.

 

Elise hat zwei Kälber verloren

 

Auch Odessa von der OA-Familie verlor offenbar ebenfalls gleich zwei Kälber: ihren drei Jahre alten Sohn und ihre sieben Jahre alte Tochter Onna. Der Tod eines schon relativ alten Kalbs wie Onna ist ziemlich ungewöhnlich, und da sie nicht mehr milchabhängig ist, könnte es sein, dass sie sich vielleicht doch nur von ihrer Familie getrennt hatte und später wieder zurückkehren wird. Diese Hoffnung besteht also noch, doch muss man ehrlicherweise sagen, dass sie leider nicht besonders groß ist.

Ein besonders tragischer Fall war der Tod des erst letzten Jahres geborenen Sohns von Astrid, der Matriarchin der AA-Familie. Ihm hatte die Dürre wohl bereits seit längerem zugesetzt, und Astrid trennte sich daher von den anderen AAs, um ihr Tempo bei den Wanderungen dem seinen anpassen zu können. Doch leider reichte das nicht aus. Eines Morgens entdeckte ein ATE-Team Astrid, die neben ihrem am Boden liegenden Kalb stand. Astrids Sohn war völlig geschwächt und offensichtlich nicht mehr in der Lage aufzustehen. Das Team alarmierte daher umgehend den Tierarzt. Doch während dieser noch unterwegs war, starb Astrids Kalb. Für Cynthia Moss und ihre Kolleginnen, welche Astrid seit Jahrzehnten kennen, war dieser Verlust besonders schwer zu ertragen. Einerseits, weil er einer der wenigen Todesfälle war, bei dem sie Zeuge waren, und andererseits, weil Astrid noch nie viel Glück mit ihren Kälbern hatte und die meisten von ihnen das Erwachsenenalter nicht erreicht haben. Einzig ihre Tochter Annan lebt heute als erwachsene Kuh mit einem eigenen Kalb in Amboseli.

 

Elefantenkuh mit Kalb in der verdorrten Savanne Amboselis
Annan, die Tochter Astrids, und ihr Kalb haben überlebt (AA-Familie)

 

Am schlimmsten war es für das ATE-Team, all dies mitansehen zu müssen, ohne viel helfen zu können. Immerhin konnten sie in einigen Fällen dafür sorgen, dass Kälber, die zu schwach waren, um ihren Familien zu folgen, gerettet wurden und  in die Obhut des Sheldrick Wildlife Trusts kamen. Doch leider waren dies nur Einzelfälle.

Ein Ende der Dürre war allerdings – bestenfalls! – erst im November zu erwarten, wenn hoffentlich die nächste Regenzeit beginnen würde.

Wirklich Trost spendete nur das Wissen, dass die erfahrenen Matriarchinnen es bisher stets geschafft hatten, das Überleben der überwiegenden Mehrheit ihrer Familien zu sichern. Und nun konnte man nur hoffen, dass ihnen dies auch jetzt gelingen würde.

Und dann gab es doch noch eine erfreuliche Entwicklung in dieser sonst so trostlosen Zeit: Enid, ihr Sohn Ektor und ihre Schwester Esprit schafften es tatsächlich, sich trotz der Dürre von ihren Speerwunden zu erholen. Das war keineswegs selbstverständlich! Für Cynthia Moss und ihre Mitarbeiterinnen war es eine große Erleichterung, dies beobachten zu können.

 

Enid passt auf die Kälber auf

 

Zusammenfassend müssen die Monate August und September als eine der seit langem schwersten Zeiten für die Elefanten Amboselis bezeichnet werden – und somit auch für das ATE-Team.

Doch die Elefanten werden auch diese Katastrophe überstehen, wenn auch mit schmerzlichen Verlusten. Und irgendwann – hoffentlich in nicht mehr allzu ferner Zukunft – wird es endlich wieder regnen und diese furchtbare Zeit ein Ende finden.

 

Angelina und ihre Kälber (AA-Familie)

 

Es ist belegt, dass Elefanten um ihre Toten trauern. Immer wieder besuchen sie auch ihre Überreste, um dort einige Zeit zu verweilen. Und manchmal versetzt sie ein Todesfall so sehr in Stress, dass sie selbst gesundheitliche Probleme bekommen. In den meisten Fällen schaffen sie es aber, ihre Trauer zu bewältigen. Sie vergessen ihre Toten nicht, doch gleichzeitig schauen sie nach vorn und sind weiter für die Lebenden da, um sich – wie immer –gegenseitig zu unterstützen.

Cynthia Moss und ihr Team folgen diesem Beispiel. Auch sie trauern um all jene, die zu Opfern der Dürre wurden, doch ebenso kämpfen sie weiterhin mit aller Kraft für diejenigen, die überlebt haben. Und natürlich hoffen sie, dass die Regenzeit nun bald beginnt und damit endlich wieder die guten Zeiten für die Elefanten zurückkehren.

ATE News: Juni und Juli 2022

Enid, die Matriarchin der EBs. säugt ihr jüngstes Kalb

Juni und Juli sind in Amboseli normalerweise die ersten Monate der „Großen Trockenzeit“. Es regnet nicht mehr, doch die Tiere kommen noch gut zurecht, da sie noch immer genug Nahrung finden. Dieses Jahr aber fiel die Regenzeit der Monate April und Mai extrem dürftig aus. Daher war das Land Anfang Juni bereits ausgetrocknet, und die Situation schien sich zu einer echten Dürre zu entwickeln.

Wasser ist in Amboseli zwar das ganze Jahr zuverlässig in den Sümpfen vorhanden, doch die Nahrung wird bei anhaltender Trockenheit immer knapper. Zu den wichtigsten Ressourcen zählt jetzt die  Sumpfvegetation, die aber leider nicht besonders nahrhaft ist. Die Savannen sind verdorrt, und die wenigen Waldgebiete viel zu klein für alle Tiere des Amboseli-Ökosystems.

 

Ann führt ihre Familie
Ann führt ihre Familie

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