ATE News: Oktober und November 2021

Anwyn aus der AC-Familie

Die Monate Oktober und November 2021 waren geprägt von der weiter anhaltenden Trockenzeit, die es den Elefanten immer schwerer machte noch genug Nahrung zu finden – nur Wasser steht in den Sümpfen ganzjährig ausreichend zur Verfügung.

Vor allem die Kälber hatten sehr zu kämpfen und mehrere machten einen besorgniserregenden Eindruck. Das Team des Amboseli Trust for Elephants musste in diesen Fällen die schwere Entscheidung treffen ob und wann helfend eingegriffen werden sollte. In einigen Fällen entschloss man sich vorerst noch abzuwarten und den Kälbern die Chance zu geben bei ihren Familien zu bleiben, dabei aber ihre Entwicklung genau im Auge zu behalten, um notfalls schnell Hilfe leisten zu können. Im Fall eines Kalbs der BC-Familie, welches den Namen Barnoti erhielt, war allerdings klar, dass sofort Hilfe nötig war und der Sheldrick Wildlife Trust wurde zu seiner Rettung gerufen. Der kleine Bulle kam in die Nursery nach Nairobi, wo er nun eine zweite Chance auf ein Leben in der Wildnis erhält.

 

Amboseli war allerdings noch immer besser dran als andere Teile Kenias, die mittlerweile unter einer echten Dürre litten, die vielen Wildtieren, auch Elefanten, das Leben kostete. Im Zentrum des Nationalparks liegen Sümpfe, die den Tieren das ganze Jahr über Wasser und Nahrung bieten. Allerdings ist die Sumpfvegetation nicht besonders nährstoffreich und es fällt den Elefantenmüttern schwer mit dieser Nahrung genug Milch für ihre Kälber zu produzieren und gleichzeitig auch sich selbst mit der nötigen Energie zu versorgen. Außerdem können Kälber während der Zeit, die ihre Mütter in den Sümpfen verbringen, nicht gesäugt werden und müssen stattdessen oft selbst lange und anstrengende Wege durch das relativ kalte Wasser der Sümpfe zurücklegen. Diese Umstände machten sich allmählich bemerkbar und viele Kälber begannen sehr dünn auszusehen – einige besorgniserregend.

Sollte die Trockenheit weiter andauern musste damit gerechnet werden, dass sie auch in Amboseli Opfer fordern würde – vor allem unter den jüngsten Kälbern aber auch den ältesten Tieren sowie jüngeren Müttern, die sich selbst noch im Wachstum befinden und gleichzeitig Milch für ihre Kälber produzieren müssen.

 

Für das Team des Amboseli Trust for Elephants (ATE) ist es schwer solche Entwicklungen mitanzusehen. Sie helfen so gut sie können – aber es ist nicht einfach in solchen Situationen zu entscheiden wann und wie weit man als Mensch eingreifen darf, soll oder muß. Grundsätzlich vermeidet man es Kälber von ihren Familien zu trennen – auch wenn es sich um Waisen handelt.  Die Chancen von Elefantenwaisen in menschlicher Obhut sind nicht automatisch besser als die von Waisen, die bei ihren Familien leben, vor allem wenn sie bereits ohne Milch auskommen. Die Trennung eines Kalbes von seinen Verwandten und Freunden wäre jedoch für alle Elefanten mit großer Angst und enormem Streß verbunden und die gesamte Familie danach voller Trauer um den Verlust des Kalbes. Solche traumatischen Erlebnisse möchte man ihnen wenn irgend möglich ersparen. Daher wartet man zunächst ab ob die Kälber in der Lage sind mit Hilfe der anderen Familienmitglieder zu überleben. Sobald ein Kalb allerdings den Anschluß an seine Gruppe verliert wird eingegriffen.

 

Die Zwillingskälber von Angelina aus der AA-Familie gehörten zu den Kälbern, um die man sich große Sorgen machte. Elefantenkühe haben nur extrem selten Zwillinge – aus gutem Grund. Meistens ist es für sie schon schwer genug Milch für ein Kalb zu produzieren. Zwillinge haben daher generell deutlich schlechtere Überlebenschancen. Angelina’s Kälber waren immerhin in einer Zeit des Überflußes geboren worden. Doch jetzt, mit ca. anderthalb Jahren, litten sie sehr unter den harten Bedingungen. Vor allem das männliche Kalb schien es sehr schwer zu haben. Allerdings ist er ein sehr entschlossener, zielstrebiger und willensstarker kleiner Bulle, was sehr hilfreich ist, wenn es darum geht schwere Zeiten zu überstehen. Daher wurde entschieden noch nicht einzugreifen sondern die weitere Entwicklung abzuwarten. Das ist auch relativ gut möglich, da die AA-Familie zu den standorttreuesten in Amboseli gehört und ihre Weidegebiete unweit des ATE-Camps liegen.

 

Ella
Ella, die Matriarchin der EB2-Familie

 

Auch der ca. anderthalb Jahre alte Sohn von Ella, der Matriarchin der EB2-Familie, befand sich in einer besorgniserregenden Situation. Ella war von Unbekannten mit einem Speer tödlich verletzt worden und ihr Sohn eigentlich noch milchabhängig. Ihre Familie hält sich in der Selenkay-Conservancy auf, die im Norden des Amboseli-Ökosystems liegt. Für das ATE-Team ist es schwer sie dort im Auge zu behalten. Aber dankenswerter Weise sind die Mitarbeiter des lokalen Porini Camps eine großartige Hilfe, da sie diese Familie gut kennen, regelmäßig sehen und Berichte über ihre Entwicklung an ATE senden. Sie beobachteten, dass die EB2s sich nur langsam vom Verlust ihrer geliebten Matriarchin Ella erholten. Eine Leitkuh zu verlieren, noch dazu auf gewaltsame Weise, ist für Elefanten absolut traumatisch. Besonders hart ist es aber für Ellas Sohn. Er hatte inzwischen schon sichtbar an Gewicht verloren! Allerdings war er noch immer bei seiner Familie und seine großen Schwestern kümmerten sich liebevoll um ihn. Daher hatte auch er noch eine Chance mit Hilfe seiner Familie zu überleben und sollte es Anfang Dezember – wie prognostiziert – endlich wieder regnen, dann wäre das Schlimmste überstanden. Daher wurde auch in diesem Fall vorerst auf ein Eingreifen verzichtet.

 

Barnoti
Bouenzas Sohn Barnoti

 

Anders musste hingegen bei einem Kalb aus der BC-Familie entschieden werden. Das ATE-Team hatte festgestellt, dass Bouenza, eine Kuh dieser Familie, nicht mit den anderen zusammen war – ihre Kälber, drei ältere Töchter und ein erst 2019 geborener Sohn, allerdings schon. Das war äußerst ungewöhnlich. Eine Kuh kann sich zwar für einige Zeit von der Gruppe trennen, doch wird sie dann immer von ihren Kälbern, zumindest den milchabhängigen, begleitet. Es musste daher leider angenommen werden, dass Bouenza nicht mehr lebte.

 

 

Barnoti
Barnoti wurde ohne seine Familie gefunden

 

Auch bei ihrem Sohn beschloß man zunächst noch abzuwarten und seine Entwicklung zu beobachten. Es wurde aber bald klar, daß ihm der Verlust seiner Mutter körperlich besonders schwer zusetzte. Er begann immer mehr an Kondition zu verlieren und war schließlich nicht mehr in der Lage mit seiner Familie Schritt zu halten. Am 19. Oktober entdeckte ihn Katito von ATE ganz allein, ohne ein anderes Familienmitglied in der Nähe. In dieser Situation war völlig klar, dass sofort Hilfe geleistet werden musste. ATE informierte den Sheldrick Wildlife Trust (SWT), der unverzüglich ein Rettungsteam schickte. In einer gemeinsamen Aktion gelang es dem Team des ATE, der mobilen Tierarzteinheit des SWT und KWS sowie den SWT-Keepern Bouenzas Sohn einzufangen und in die Nursery des SWT in Nairobi zu bringen. Auf Grund seiner Abstammung von der BC-Familie wurde entschieden ihn Barnoti zu nennen, was auf Maa (Sprache der Massai) „junger Mann“ bedeutet. Er hat sich bei den anderen  Elefantenwaisen in der Nursery inzwischen gut eingelebt und das ATE-Team ist sehr froh, dass er unter der professionellen Obhut der SWT-Keeper eine zweite Chance auf ein Leben in der Wildnis erhält.

 

Barnoti
Barnoti hat sich gut in der Nursery des SWT eingelebt

 

Während diese drei Fälle die besondere Aufmerksamkeit des ATE-Teams erforderten kämpften auch die anderen Elefanten Amboselis mit den schweren Bedingungen. Wie schon erwähnt hielten sie sich oft in und bei den Sümpfen auf. Auch Familien, die lange außerhalb des Parks unterwegs gewesen waren, kehrten jetzt hierher zurück. Allerdings haben viele Matriarchinnen auch ganz spezielle Strategien entwickelt um noch genug Nahrung für ihre Familien zu finden. Diese sind unterschiedlich effektiv – bewirken aber dass möglichst alle noch verfügbaren Ressourcen genutzt werden.

 

Einige Familien, darunter die OA’s und PC’s, hielten sich tatsächlich vorwiegend bei den Sümpfen auf. Ihre Strategie hat sich bereits viele Jahre bewährt, speziell die PCs haben zahlenmässig deutlich zugenommen und sie befanden sich auch jetzt noch in recht guter Verfassung.

Im November brachte Periwinkle sogar noch ein neues Kalb zur Welt, ein Mädchen! Da Periwinkle bereits eine erfahren Mutter ist hat ihr Kalb selbst unter diesen schwierigen Umständen gute Überlebenschancen.

Und auch bei den OA’s gab es trotz der harten Zeiten Nachwuchs:  Oralee bekam im November ein weibliches Kalb. Da auch sie bereits mehrere Kälber hat (Obamba geboren 2012, Octa geboren 2015 und ein, noch namenloses, weibliches Kalb aus 2018) darf man hoffen, dass auch ihr neuestes Baby überleben wird. Außerdem stehen ihr viele engagierte Nannys zur Seite, vor allem ihre Tochter Obamba!

 

Die AA-Familie nutzt die Sümpfe sogar fast das ganze Jahr über. Angelina’s Zwillingen machten, wie schon erwähnt, einen besorgniserregenden Eindruck. Doch wenigstens den anderen Familienmitglieder schien es noch relativ gut zu gehen. Matriarchin Astrid brachte im Oktober ein weibliches Kalb zur Welt. Sein Start ins Leben begann zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Doch schien es noch kräftig zu sein und die gesamte Familie freute sich riesig über das neue Kalb in ihrer Mitte! Astrid ist eine beeindruckende Matriarchin, sie hat großen Mut und Weisheit bewiesen und hält auch engen Kontakt zu Angelina, obwohl diese dazu neigt, mit ihrem kleineren Teil der Familie für sich zu bleiben. Wir hoffen, dass Astrid ausreichend Erfahrung und auch genug körperliche Reserven hat, um ihr Neugeborenes durchzubringen, bis es endlich wieder regnet!

 

Anwyn aus der AC-Familie
Anwyn aus der AC-Familie

 

 

Andere Familien erschlossen sich eine ganz andere Nahrungsquelle: Die Phönixpalmen sowie die Rasenflächen in der Umgebung des ATE-Camps.  Zu ihnen gehörten die EBs und die GBs. Speziell die EBs haben gelernt die Phönixpalmen zu nutzen. Diese sind sehr hart und dornig, daher muss vorsichtig und geduldig vorgegangen werden, um an das sogenannte „Herz“ der Palme zu gelangen. Für die Palmen kann das tödlich enden aber sobald der Regen einsetzt werden die Elefanten sich wieder anderer Nahrung zuwenden und die Palmen haben genug Zeit, um sich bis zur nächsten Trockenzeit zu regenerieren.

 

Die GBs konzentrierten sich vor allem auf die Weideflächen in der Nähe des Camps. Manchmal wagten sie sich sogar mitten zwischen die Zelte, was sonst fast nur die EBs machen. Die GBs zeigten dem ATE-Team dadurch ihr großes Vertrauen und erschlossen sich gleichzeitig eine wichtige Nahrungsquelle.

 

Sowohl bei den EBs wie den GBs gab es ebenfalls Nachwuchs. Edwinas Tochter Elaine brachte am 21. Oktober ein männliches Kalb zur Welt und Gigabyte im November ein Kalb mit noch unbekanntem Geschlecht. Da beide bereits mehrer Kälber haben sind sie erfahrene Mütter und so hofft man, dass auch sie es schaffen werden ihre neuen Kälber bis zum Beginn der Regenzeit durch die harten Zeiten zu bringen.

 

Oktober und November waren also für die Elefanten Amboselis definitv keine leichte Zeit doch blieben sie noch von einer echten Dürre verschont und kamen weitgehend gut zurecht. Nun ruhten alle Hoffnungen auf den nächsten Wochen und den baldigen Beginn der nächsten Regenzeit.

ATE News: August und September 2021

Ella, die Matriarchin der EB2

Im August und September war es in Amboseli sehr trocken. Wenn man auch noch nicht von einer echten Dürre sprechen musste, wie in anderen Teilen Kenias, so begannen doch die Nahrungsressourcen zu schwinden und das Leben wurde für die Wildtiere zunehmend härter.

Mehr und mehr konzentrierten sie sich auf die Sümpfe im Parkzentrum und deren Umgebung, wo nicht nur ausreichend Wasser sondern auch noch etwas Nahrung zu finden war.

 

Für die Matriarchinnen wurde es immer schwieriger ihre Familien in noch ausreichend ergiebige Weidegründe zu führen. Die unterschiedlichen Strategien der Leitkühe ermöglichten es den Elefanten aber immerhin noch möglichst verschiedene der verbliebene Ressourcen zu nutzen.

 

Minnie aus der MB-Familie

 

Ein positiver Nebeneffekt dieser Entwicklung war allerdings, dass Familien, die sonst im Park eher selten anzutreffen sind, zurückkehrten und nun nach langer Zeit endlich wieder vom Team des Amboseli Trust for Elephants (ATE) beobachtet werden konnten.

 

Die AAs hielten sich wie üblich tagsüber bei den Sümpfen auf und verbrachten die Nächte in einem Wald in der Nähe des ATE-Camps, dessen Akazien für sie eine wichtige Nahrungsquelle waren. Cynthia Moss und ihre Team machten sich ein wenig Sorgen um Angelinas Zwillinge. Beide waren für ihr Alter zu klein und besonders der Junge sah dünn und unterernährt aus. Er war deutlich kleiner als seine Schwester, was für ein männliches Kalb nicht normal ist. Bullenkälber wachsen sonst viel schneller als Kuhkälber, benötigen allerdings auch wesentlich mehr Kalorien. Aus diesem Grund haben männliche Kälber bei Dürren eine deutlich höhere Sterblichkeitsrate als weibliche. Angelinas Sohn wirkte träge und seine Haut, bei Elefanten ein wichtiger Indikator für ihre Gesundheit, sah ziemlich krank aus. Alle hofften so sehr, dass er es schaffen würde. Aber es war offensichtlich, dass er schwer zu kämpfen hatte.

 

Es wurde daher nachgedacht ob es sinnvoll sei ihn aus seiner Familie zu nehmen und in das Elefantenwaisen-Projekt des SWT zu bringen. Doch letztlich nahm man davon Abstand. Die Überlebensrate von Elefantenwaisen ist grundsätzlich deutlich niedriger als von jenen, die bei ihren Müttern aufwachsen. Selbst wenn sie nicht mehr milchabhängig sind. Dabei macht es keinen Unterschied ob die Waisen in einem von Menschen betreuten Waisenprojekt oder noch bei ihrer Familie leben. Die Überführung des männlichen Zwillings in ein Waisenprojekt würde daher seine Überlebenschancen nicht automatisch erhöhen. Stattdessen aber wäre es sowohl für ihn selbst wie seine Familie, besonders seine Mutter und Zwillingsschwester, ein äußerst traumatisches Erlebnis und außerdem für alle daran beteiligten Personen mit großer Gefahr verbunden.

 

Angelina, ihre Zwillinge und zwei Kindermädchen
Angelina, ihre Zwillinge und zwei Kindermädchen, vor ca. 6 Monaten, als es noch genug Nahrung gab

 

Daher entschied man sich vorerst nicht einzugreifen, Angelina und ihre Zwillinge aber genau im Auge zu behalten. Dies ist relativ gut möglich, da die AAs die standorttreueste Familie in Amboseli sind und von den ATE-Mitarbeiterinnen beinahe täglich gesichtet werden. Sollte eines der Zwillingskälber allein und ohne Kontakt zu seiner Familie entdeckt werden, dann wäre die Zeit des Eingreifens gekommen – aber nicht früher. ATE wird die Situation also weiter sorgfältig beobachten und auch über die Entwicklung der Zwillinge berichten.

 

Der anderen AA-Kälber sahen erfreulicherweise gut und gesund aus. Und die Familie blieb immer bei Angelina, die wegen ihrer geschwächten Zwillinge nicht so schnell wandern konnte. Diese Empathie und Loyalität zueinander gehören zu den beeindruckendsten Eigenschaften der Elefanten. Es erstaunt nicht wirklich, dass sich die AA-Familie so verhält, denn genau dies entspricht dem typischen Wesen der Grauen Riesen.  Bleibt zu hoffen, dass diese moralische Unterstützung und die gemeinsamen Anstrengungen allen Familienmitgliedern helfen werden, das Ende der Trockenzeit zu überstehen.

 

Die EB-Familie erlitt im August leider einen sehr tragischen Verlust.  Ella, die Matriarchin der EB2-Familie, wurde gespeert und starb. Als Cynthia Moss und  Harvey Croze 1973 die EBs zum ersten Mal trafen, war Ella eine junge Kuh (geboren 1965), die offenbar eine enge Beziehung zur Matriarchin  Echo hatte. Damals war unklar, ob es sich bei Ella um Echos Tochter oder Schwester handelte, aber Jahre später ergab eine DNA-Untersuchung, dass sie tatsächlich Echos Schwester war. Ella hielt immer loyal zu Echo – in guten wie in harten Zeiten. Und sie war für das ATE-Team jahrzehntelang ein wichtiger Teil seiner Arbeit und seines Projekts.

 

Ella, die Matriarchin der EB2
Ella, die Matriarchin der EB2-Familie

 

2009 starb Echo im Alter von 64 Jahren während der damaligen verheerenden Dürre. Ihr Tod hatte tiefgreifende und dramatische Auswirkungen auf die EBs. Damals begann Ella sich vom Rest der Familie zu trennen. Zuerst nur für vier Monate, als sie kurz nach Echos Tod mit ihren Kälbern eigene Wege ging. Doch in den Folgejahren verbrachte sie mit ihrer Gruppe immer mehr Zeit abseits von Enids Familienteil, bis ATE die beiden Gruppen schließlich als zwei Familien einstufen musste, da sie kaum noch Zeit miteinander verbrachten. Ellas Gruppe wurde dann als EB2-Familie bezeichnet.

 

Ella war eine mutige Matriarchin und sie verbrachte gerne viel Zeit im nördlichen Teil des Ökosystems. Dieses Gebiet hat ein fantastisches Nahrungsangebot, aber einige Teile davon sind inzwischen stark besiedelt und werden zunehmend in Ackerland umgewandelt. Und obwohl der Großteil der Bevölkerung die Elefanten toleriert so gibt es hier leider auch einige Leute, die Elefanten nicht mögen, sondern sie nur als problematische Tiere betrachten, die Privateigentum beschädigen, besonders Felder.

 

Ella wurde durch einen Speer im Kopf verletzt. Daraufhin war sie zurück zum Selenkay-Schutzgebiet gelaufen, aber als die Ranger sie dort fanden war es bereits zu spät und sie starb an ihrer Verletzung. Die Nachricht von ihrem Tod war ein Schock für das gesamte ATE-Team.

 

Leider konnte bisher der verantwortliche Täter nicht ermittelt werden. Aber wir hoffen, dass im Laufe der Zeit doch noch entsprechende Informationen ans Tageslicht kommen.

 

Ella
Ellas Tod ist ein schmerzhafter Verlust

 

Das Zusammenleben zwischen Elefanten und Menschen ist im nördlichen Teil des Amboseli-Ökosystems alles andere als perfekt. Neben elefantenfreundlichen Menschen gibt es leider immer noch Leute mit einer elefantenfeindlichen Einstellung. Dies ist eine ständige Herausforderung für alle, die sich für das Überleben der Elefanten einsetzen. Die Hoffnung geht nicht verloren, da viele Menschen hart daran arbeiten, die Wahrnehmung zu ändern und Lösungen für ein konfliktfreies Zusammenleben zu schaffen. Doch für Ella kommt alles zu spät. Es hat Allen bei ATE das Herz gebrochen zu erfahren, dass sie auf diese Weise getötet wurde. Außerdem blieb ein erst 15 Monate altes milchabhängiges männliches Kalb zurück.

 

Es war allerdings bewegend festzustellen, dass Ellas Sohn weiter bei seiner Familie war und sich seine älteren Schwestern Elletra und Evaline aufmerksam um ihn kümmerten. Beide haben selbst Kälber und es könnte sein, dass sie ihrem kleinen Bruder erlauben bei ihnen zu trinken. In der EB-Familie ist dies nicht unüblich. Er schien ihm daher – den Umständen entsprechend – gut zu gehen. Trotzdem wurde auch in diesem Fall wurde sorgfältig überlegt ob man Ellas Sohn in das Waisenhaus des Sheldrick Wildlife Trust bringen sollte. Doch da momentan keine dringende Notwendigkeit vorzuliegen schien und sowohl Ella’s Sohn wie die anderen Familienmitglieder bereits mit dem Trauma von Ella’s Tod fertig werden mussten, hielt man es für besser auch hier vorerst nicht einzugreifen. Auch in diesem Fall wird die Familie überwacht werden um zu verfolgen wie sich Ella’s Sohn entwickelt. Das jüngste Kalb, von dem bei ATE bekannt ist, dass es als Waise überlebt hat, war 18 Monate alt. Ella’s Sohn ist drei Monate jünger. Er könnte es schaffen – zumal wenn er von seinen Schwestern Milch bekommt. Dies wäre natürlich für alle die beste Lösung. Sollte er aber den Anschluss an seine Familie verlieren wird man ihn in das Waisenprojekt bringen, um ihm dort eine zweite Chance zu geben. Daher wird nun die weitere Entwicklung abgewartet. Doch bis jetzt sieht es recht gut aus.

 

Ella führt ihre Familie
Ella führt ihre Familie

 

Wir hoffen, dass Ella’s Töchter das Wissen und die Weisheit haben ihre Familie zu führen und das Vermächtnis ihrer Mutter fortzusetzen. Das ATE-Team wird sie weiterhin mit Hilfe der Mitarbeiter des Porini Camps überwachen, welche sie oft sehen und unschätzbar wertvolle Hilfe als Informanten leisten.

 

Enids Abteilung der EBs ging es erfreulicherweise sehr gut. Sie verbrachten viel Zeit im Camp von ATE, wo sie sich sichtlich zu Hause fühlten. Für das Team war es wunderbar, Enids Gruppe zurück zu haben. Bei ihren Besuchen wirkten sie völlig entspannt und voller Vertrauen. Es war wunderschön sie so aus nächster Nähe beobachten zu können.

Sie überquerten auch regelmäßig den mit Flamingos gefüllten, seichten See und boten dabei hervorragende Fotomotive, die viele Besucher von Amboseli begeisterten.

 

Entito erwies sich als ein unglaublich mitfühlender Elefant; sie säugte ihr Kalb gleichzeitig zusammen mit dem ihrer Mutter Eliot. Dieses Verhalten ist bei Elefanten nicht sehr verbreitet. Es kommt zwar häufig vor, dass Großmütter ihre Enkel stillen, doch große Schwestern geben ihren viel jüngeren Geschwistern nur sehr selten Milch. Die EBs sind hier eine positive Ausnahme – eine Beleg für die enge Verbundenheit zwischen den Kühen dieser Familie. Elefanten überraschen selbst das erfahrene ATE-Team immer wieder mit ihrem Mitgefühl sowie ihren Fähigkeiten zur Kooperation und Zusammenarbeit.

 

Edwina
Edwina von der EB-Familie

 

Die FBs waren meistens in ihren üblichen Weidegebieten anzutreffen. Im September brachte Floppy ein weibliches Kalb zur Welt. Seine Geburt erfolgte in einer schwierigen Zeit. Bei den harten Bedingungen wurde es für Elefantenmütter zunehmend schwerer ausreichend Milch für ihre Kälber zu produzieren. In solchen Situationen sind erfahrene Leitkühe überlebenswichtig, die wissen wo es noch wieviel Nahrung gibt und wie weit sie auf der Suche nach Nahrung noch wandern können. Je weiterere Strecken sie zurücklegen, desto besser sind die Chancen ergiebige Weideflächen zu finden aber desto mehr ermüden die Kälber und desto höher ist das Risiko sie zu überanstrengen. Außerdem verbrauchen die Mütter mehr Energie, die dann für die Milchproduktion fehlt. Matriarchinnen müssen also abwägen ob die auf den Wanderungen verbrauchte Energie durch die zu erreichenden Nahrungsressourcen noch rechtzeitig ausgeglichen werden kann. Hier spielen ihre Erfahrungen und ihr enormes Erinnerungsvermögen eine entscheidende Rolle. Der Verlust einer Matriarchin kann daher verheerende Auswirkungen auf eine Familie haben, wenn keines der anderen Mitglieder über ihr Wissen verfügt.

Floppy ist mit 21 Jahren noch eine relativ junge Mutter, die erst 2017 ein erstes weibliches Kalb geboren hatte. Man kann nur hoffen, dass sie es schafft ihr neues Kalb trotz der schwierigen Zeiten durchzubringen. Wenn es wie erwartet erst im November regnet, dann müssen die Elefanten noch einen Monat bis sechs Wochen durchhalten. In dieser Zeit wird für die FBs alles von den Entscheidungen ihrer Matriarchin Fanny abhängen.

 

Elif mit ihrem Kalb
Elif und ihr Kalb

 

Auch die GBs wurden in den letzten zwei Monaten sehr regelmäßig gesehen; wie viele der Amboseli-Familien waren sie häufige Besucher der Sümpfe und kamen auch regelmäßig in das Forschungscamp, umringten die Zelte und zeigen viel verspieltes Verhalten. Es ging ihnen ganz offensichtlich noch recht gut.

 

Georgia befand sich im August sogar im Östrus. Sie ist bereits eine erfahrene Mutter und war bei der Partnerwahl sehr anspruchsvoll. Mehrere Bullen versuchten ihr zu folgen, aber sie war von keinem überzeugt. Sie lief weg und benutzte dabei ihre Familie als Barriere, um die Bullen zu hindern, ihr zu folgen. Später befand sie sich dann in Gesellschaft von Wickstrom aus der WA-Familie. Er ist ein stattlicher großer Bulle und war zu dieser Zeit in Musth.  Emmett aus der EB Familie und Lengai aus der LC Familie waren auch dabei. Doch Wickstrom bewachte Georgia aufmerksam. Es wurde zwar nicht beobachtet wie Wickstrom sich mit Georgia paarte, aber das Bewachen ist normalerweise ein Zeichen dafür, dass bereits eine Paarung stattgefunden hat oder bald stattfinden wird. Wickstrom wurde 1983 als Sohn von Willa geboren und ist einer der größeren Bullen in der Amboseli-Population. Emmett ist der 1999 geborene Sohn von Ella und Lengai wurde 1993 geboren. Diese Beiden sind viel jünger und stellen daher keine Konkurrenz für einen älteren Bullen wie Wickstrom dar. Jüngere Bullen würden einen älteren nie herausfordern, besonders wenn dieser in Musth ist. Musth-Bullen strömen einen starken Geruch aus, der anderen Elefanten von ihrem erhöhten Hormonpegel erzählt, andere Bullen warnt und das Interesse der Östrus-Kühe weckt.

 

Im September kam dann Glaze aus Gails GB2-Grupe in den Östrus. Mit 11 Jahren war Glaze das erste Mal paarungsbereit. Glazes Mutter Galana starb vor 2 Jahren und Glaze kam in die Obhut ihrer älteren Geschwister und Tanten. Die erste Östrusperiode ist für eine junge Kühe eine verwirrende Zeit. Die plötzliche Aufmerksamkeit von Bullen kann stressig werden und unerfahrene Weibchen können unerwünschte Bewerber oft nur schwer abschütteln – vor allem wenn ihnen keine Mutter zur Seite steht. Doch erstaunlicherweise hat Gail, die eine Tante von Glaze ist,  sich sehr für sie eingesetzt. Als Glaze nervös wegen der Bullen wurde, die ihr folgten, rief Gail schnell die Familie zusammen, die daraufhin in Abwehrstellung ging und Glaze in ihrer Mitte aufnahm. Die Bullen wichen zurück und Glaze beruhigte sich. Im Laufe der Zeit wird Glaze lernen mit solchen Situationen souverän umzugehen und einen geeigneten Bullen auszuwählen, der für eine Paarung in Frage kommt und gleichzeitig unerwünschte Bewerber auf Abstand hält.

 

Garamba beim Schlammbad
Garamba beim Schlammbad

 

Sehr erfreulich war, dass Placidas Gruppe nach fast drei Monaten Abwesenheit zurückkehrte. Das Gebiet, in welchem sie sich gerne aufhält, ist aufgrund des Geländes für Fahrzeuge nur schwer passierbar. Doch die Tatsache, dass ihre Familie wächst und gesund aussieht, zeigt, dass sie gute Entscheidungen trifft. In den letzten zwei Monaten haben sowohl Placida als auch Petulas Teile der Familie Zeit in der Nähe des ATE-Camps verbracht. Sie mögen den Phönixpalmenwald und die kleineren Sümpfe, die ihn umgeben. Obwohl das ATE-Team Petulas und Placidas Gruppe nicht miteinander interagieren sehen, waren sie bei zahlreichen Gelegenheiten in unmittelbarer Nähe und konnten problemlos miteinander kommunizieren.

 

Auch die OAs kamen regelmäßig in den Park und verbrachten viel Zeit in der Nähe der CB-Familie, zu der sie eine besonders starke Bindung entwickelt haben. Die CB-Familie wurde seit etwa zwei Jahren nicht mehr im Park angetroffen und daher war es großartig, Cerise mit ihrer Familie, darunter einigen Neuzugängen, wiederzusehen.

 

Die OAs sahen für diese Jahreszeit gut aus. Sie haben eine sehr gute Strategie, mit Trockenzeiten fertig zu werden, und das zeigte sich in ihrer wachsenden Zahl und ihren gesund aussehenden Kälbern. Ororas 2020 geborenes Bullenkalb forderte sehr oft Milch von seiner Mutter. Trotz der schwierigen Nahrungsstituation war Orora aber offenbar immer in der Lage ihren Sohn mit Milch zu versorgen. Sie verhielt sich ihm gegenüber auch sehr geduldig. An einem speziellen Tag stand sie mitten auf der Straße, um ihr Kalb zu säugen, was für die Besucher des Parks einige sehr aufregende Fotomotive bot.

 

Eine erfreuliche Entwicklung bildete das deutliche Wiederaufleben des Tourismus, der sowohl dem Kenya Wildlife Service, wie der lokalen Bevölkerung und auch vielen Organisationen dringend benötigte Einnahmen bescherte. Viele Menschen konnten an ihre Arbeitsplätze in Touristenlodges und anderen Einrichtungen zurückkehren. Wir hoffen sehr, dass dies auch zu einer Reduzierung der Buschfleisch-Wilderei beitragen wird.

 

Die Monate August und September waren für die Elefanten Amboselis in mehrfacher Hinsicht eine schwere Zeit: Vor allem durch die zunehmende Trockenheit und den Tod Ellas. Umso bewegender waren die zahlreichen Beispiele für Loyalität, Mitgefühl und gegenseitige Unterstützung, welche unter diesen Elefanten beobachtet werden konnten. Jetzt kommt es auf die nächsten Monate an – und die hoffentlich bald beginnende Regenzeit.

ATE News: Juni und Juli 2021

Cerise, die Matriarchin der CB-Familie, ist zurück

Das Leben der Elefanten in Amboseli ist geprägt vom Wechsel der Jahreszeiten. Trocken- und Regenzeiten wechseln einander ab und sorgen für oft gegensätzliche Lebensbedingungen. Doch auch die Jahreszeiten selbst präsentieren sich oft sehr unterschiedlich. Trockenzeiten entwickeln sich manchmal zu echten Dürren und Regenzeiten führen mitunter zu heftigen Überschwemmungen.

 

Während der letzten Jahre erhielt Amboseli besonders reiche Niederschläge, die das Land in ein Paradies für Wildtiere verwandelt hatten – manchmal waren ganze Trockenzeiten einfach ausgefallen. Das war auch noch zu Beginn diesen Jahres so gewesen. Doch Mitte Mai hörten die Regenfälle auf und die sogenannte „große Trockenzeit“ begann – früher als üblich. Zudem kam starker Wind auf, der das Land extrem schnell austrocknete. Da die nächsten Regenfälle erst im Oktober zu erwarten waren musste man sich auf einige sehr schwere Monate einstellen. Bei den Elefanten betraf dies vor allem die ältesten Familienmitglieder und die Kälber. Kühe mit noch milchabhängigen Kälbern würden es dann schwer haben sowohl genug Milch für ihren Nachwuchs produzieren als auch ihre eigenen Bedürfnisse sicherstellen. Diese Entwicklung ist Teil des natürlichen Kreislaufs im Amboseli-Ökosystem – allerdings ein sehr harter!

 

Viele Elefantenfamilien kehren während der Trockenzeit in den Park zurück
Viele Elefantenfamilien kehren während der Trockenzeit in den Park zurück

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ATE News: April und Mai 2021

Leroy, ein noch jüngerer Bulle mit bereits beeindruckenden Stoßzähnen

Mehrere Jahre hatte es in Amboseli nun äußerst ergiebige Niederschläge gegeben und dies setzte sich im April und Mai während der Großen Regenzeit erwartungsgemäß fort. Tatsächlich wurden im April 193mm und im Mai 80mm Niederschlag gemessen, was für Amboseli eine ziemliche Menge ist. Allerdings endeten die Regenfälle bereits ab Mitte Mai – etwas früher als üblich – und außerdem wurde es zum Monatsende ziemlich windig und kalt, wodurch das Land überraschend schnell austrocknete. Da die nächsten Regenfälle erst im Oktober zu erwarten sind steht zu befürchten, dass es in der Zwischenzeit, spätestens ab September, für die Wildtiere hart werden könnte – falls es nicht doch zwischendurch einmal regnet.

 

Three Holes, die Matriarichin der IAIC-Familie
Three Holes, die Matriarichin der IAIC-Familie

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ATE News: Februar und März 2021

Während der letzten beiden Monate gab es ungewöhnlich viele Niederschläge in Amboseli. Normalerweise regnet es zu dieser Jahreszeit nicht sondern es herrscht Trockenzeit, doch die fiel dieses Jahr aus. Im Februar wurden 140 mm und im März 36 mm Niederschlag gemessen. Speziell die Regenfälle im Februar bewirkten, dass die Straßen und Ebenen vollständig überflutet wurden. Viele Elefanten und andere Tiere verließen daraufhin den Park und zogen außerhalb auf höherliegendes Terrain. Zwei Wochen lang waren fast keine Tiere zu sehen. Als es später wieder trockener wurde kehrten einige Elefantenfamilien zurück, doch nicht so viele wie es im Dezember und Januar gewesen waren. Von der großen GB-Familie beispielsweise wurde nur Goldas Gruppe gesehen.

 

Elefanten in ihren Weidegründen
Elefanten in ihren Weidegründen

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