ATE News: Oktober und November 2022

Elefantenkuh mit zwei Kälbern aus der OB-Familie

Im Oktober und Anfang November erreichte die Dürre in Amboseli ihren brutalen Höhepunkt. Erst in der zweiten November-Hälfte setzten dann endlich die langersehnten Regenfälle ein, und die schlimmste Not nahm ein Ende.

 

Elefantenkuh wacht über schlafendem Kalb
Elefantenkuh wacht über schlafendem Kalb

 

Für die Elefanten und meisten anderen Wildtiere, aber auch für die Menschen und ihr Vieh war die monatelange Dürre eine Katastrophe. Schätzungsweise 5 % der Elefanten, 3 % der Giraffen, 12 % der Zebras, 15 % der Gnus und zwischen 20 % und 30 % des Viehs starben aufgrund der Trockenheit.

Für Cynthia Moss und ihr Team vom Amboseli Trust for Elephants (ATE) war das Leid, mit dem sie tagtäglich konfrontiert wurden, schwer zu ertragen. Sie nahmen es sogar deutlicher wahr als die meisten anderen Menschen vor Ort. Viele realisieren den Tod eines Tieres nur, wenn sie Augenzeugen waren oder zumindest seine Überreste finden, was beides eher selten der Fall ist. Das ATE-Team aber kennt jede Elefanten-Familie in Amboseli persönlich und weiß, aus wie vielen Mitgliedern – erwachsenen Kühen und Kälbern beiderlei Geschlechts – sie bestehen. Erwachsene können sich für einige Zeit von einer Familie trennen – Kälber nicht. Wenn die Forschungsteams des ATE Elefantenfamilien begegnen, kontrollieren sie stets, ob alle Mitglieder dabei sind. Und so mussten sie während der Dürre immer wieder feststellen, dass Kälber fehlten, was nur bedeuten konnte, dass sie wohl auch zu Opfern der Dürre geworden waren. Tatsächlich betraf die Sterblichkeit bei den Elefanten vor allem jüngere Kälber, deren Mütter nicht mehr genug Milch produzieren konnten, sowie ältere Kühe.

 

Elefantenbulle am Rand des Sumpfes vor vertrockneter Ebene
Elefantenbulle am Rand eines Sumpfes vor vertrockneter Ebene

 

Der Beginn der Regenzeit brachte Amboseli etwa 29 mm Niederschlag – eine durchschnittliche Menge für die „nassen“ Monate in diesem Gebiet. Außerhalb des Parks fiel teilweise allerdings etwas mehr Regen, und daher wanderten zahlreiche Tiere dorthin, auch viele Elefanten wie die FB- und PA-Familien. Mehrere Elefantenfamilien blieben auch im Park zurück. Dort fanden sie vielleicht nicht so gute Nahrungsbedingungen wie außerhalb, doch sparten sie viel Energie, indem sie weite Wanderungen vermieden. Jede Familie und jede Matriarchin verfolgt ihre eigenen Strategien, und das ist gut, denn auf diese Weise können die vorhandenen Ressourcen optimal genutzt werden.

Die AAs haben, wie erwartet,  ihr vertrautes Gebiet im Zentrum des Parks nicht verlassen. Leider hatten sie nach den Verlusten der vorangegangenen Monate noch weitere Mitglieder verloren: Annans zweijähriges männliches Kalb, das alle liebten, da es sehr selbstbewusst und lebhaft war, sowie Anns erst Anfang des Jahres geborenes weibliches Kalb. Diese Verluste verursachten in der Familie aber auch beim ATE-Team große Trauer.

 

Annan und ihr Kalb - als es noch lebte
Bild aus besseren Zeiten: Annan und ihr Kalb

 

Wenigstens gibt es auch eine gute Nachricht: Angelina hat es geschafft, dass ihr weibliches Zwillingskalb überlebte. Dies ist eine enorme Leistung, wenn man bedenkt, wie benachteiligt das Kalb von Geburt an war. Zwillinge haben bei Elefanten kaum Überlebenschancen, da sie die Milch teilen müssen. Angelinas männliches Zwillingskalb war daher leider Ende 2021 gestorben. Nun musste seine Schwester zwar die Milch nicht mehr teilen, doch war sie in ihrer körperlichen Entwicklung im Vergleich zu gleichaltrigen Kälbern etwas zurückgeblieben. Dass sie die Dürre trotzdem überlebt hat, ist wirklich eine außergewöhnliche Leistung Angelinas.

 

Angelina und ihr weibliches Zwillingskalb
Angelina und ihr weibliches Zwillingskalb

 

Angelinas Kalb beim Trinken
Angelinas Kalb beim Trinken

 

Auch die EBs blieben innerhalb des Parks. Sie teilten sich während der letzten zwei Monate in viele kleinere Gruppen auf. Leider waren auch sie noch von weiteren Verlusten betroffen: Europa, Eliot und Entito haben ihre jüngsten, etwa zwei Jahre alten Kälber verloren.

Eliot wurde aber zusammen mit ihrer erwachsenen Tochter Entito, ihrer elf Jahre alten Tochter Ektarina und ihrem sieben Jahre alten Sohn Eumense gesehen. Wenigstens die älteren Kälber scheinen die Dürre alle überlebt zu haben.

Ebony begann damit, mehr Zeit beim ATE-Camp zu verbringen. Das Team freute sich sehr festzustellen, dass ihr jüngstes männliches Kalb überlebt hatte und ständig bei seiner Mutter war. Eliot und Entito hielten sich immer in Ebonys Nähe auf und deren siebenjähriger Sohn Eurypon freundete sich mit den beiden an. Ebony begann schließlich damit, sich mit dem Camp näher vertraut zu machen,  bewegte sich tagsüber manchmal direkt zwischen den Zelten und trank sogar Wasser aus dem Duschtank. Dabei verhielt sie sich aber sehr vorsichtig und rücksichtsvoll, beschädigte keine Leitungen und war auch sonst sehr höflich, so dass das Team sie in Ruhe ihren Geschäften nachgehen ließ. Natürlich hielten sie wie immer einen Sicherheitsabstand zu ihr ein, da sie schließlich ein wilder Elefant ist, obwohl sie sich in Gegenwart des ATE-Teams sehr ruhig verhält.

 

Mitglieder der EB-Familie im Ol Tukai Forest
Mitglieder der EB-Familie im Ol Tukai Forest

 

Auch Ektor, Enids elfjähriger Sohn, besuchte oft das ATE-Camp. Er kam an den Zelten vorbei, während ihre Bewohner drinnen an ihren Computern arbeiteten, und graste gerne in ihrer Nähe.

Enid selbst verbrachte einige Zeit in einem anderen Teil des Parks, und es sah so aus, als ob die Trockenheit in Verbindung mit dem Stress, den sie durch das Speeren von einigen Monaten erlitten hatte, ihren Tribut gefordert haben. Dazu kam, dass auch sie ihren zweijährigen Sohn verloren hatte, um den sie nun trauerte. Cynthia und ihr Team hoffen sehr, dass sie sich nach dem Beginn der Regenzeit möglichst bald wieder erholen wird.

 

Enid, die Matriarchin der EB-Familie
Enid, die Matriarchin der EB-Familie

 

Eleanor hielt sich ebenfalls im selben Gebiet wie Enid auf, wurde aber manchmal allein gesehen. Dieses Verhalten ist typisch für Dürreperioden; die Elefanten teilen sich auf, um leichter genug Nahrung für alle zu finden. Hinzu kommt aber auch, dass sie viel Kondition verloren haben und über Verluste trauern müssen. Beides kann sie sehr lethargisch machen.

Die EBs werden einige Zeit brauchen, um sich von dieser Dürre zu erholen, sowohl physisch wie psychisch, aber sie werden es schaffen, dessen ist sich das ATE-Team sicher. Hoffentlich geschieht es bald!

Die GBs waren in den letzten Monaten ebenfalls regelmäßig im Amboseli. Sowohl Gails wie Goldas Gruppen wurden mehrfach gesehen. Golda hat ihren Teil der Familie gut zusammengehalten, aber leider haben auch sie einen Verlust erlitten: Ghosts zweijährigen Sohn. Wenn man berücksichtigt, dass die GBs eine der größten Familien in Amboseli sind, haben sie allerdings mit nur einem verlorenen Kalb diese schlimme Zeit noch relativ gut überstanden – auch wenn jedes einzelne gestorbene Kalb eines zu viel ist. Doch andere Familien hatten deutlich mehr Verluste erlitten.

Die OAs verbrachten tagsüber viel Zeit im Park und hielten sich hauptsächlich in den Sümpfen auf, um die dort noch vorhandene – wenn auch nährstoffarme – Vegetation zu nutzen. Auch sie haben die Strapazen relativ gut überstanden, hatten aber ebenfalls über einen Verlust zu trauern: Olwens zweijährige Tochter. Die übrigen Kälber hatten bis zum Einsetzen der Regenfälle überlebt und damit das Schlimmste überstanden. Wir hoffen sehr, dass die OAs von weiteren Verlusten verschont bleiben.

 

Elefantenkuh mit zwei Kälbern aus der OB-Familie
Elefantenkuh mit zwei Kälbern aus der OB-Familie

 

Da Amboseli ein eher kleiner Park ist, war es für das Überleben der Wildtiere schon immer wichtig, dass sie auch außerhalb nach Nahrung suchen konnten. Die Massai und andere Nachbarn zeigten ihnen gegenüber in den meisten Fällen eine große Toleranz. Die Dürre hatte nun allerdings die Konkurrenz um die letzten Ressourcen verschärft, und es wird noch lange dauern bis alle, Menschen wie Tiere, sich von ihren Auswirkungen erholt haben. Und niemand weiß, wann die nächste Dürre kommt. Der Schutz von Elefanten und anderen Wildtieren wird dadurch vor immer größere Herausforderungen gestellt.

Cynthia Moss und ihr Team vom Amboseli Trust for Elephants wissen, dass es notwendig ist, in Zusammenarbeit mit der Regierung, anderen NGOs und der lokalen Bevölkerung Konzepte zu entwickeln, die auch in Zukunft eine friedliche Koexistenz von Menschen und Wildtieren ermöglichen. Denn eins ist klar: Wer die Elefanten schützen will, muss sicherstellen, dass auch die Menschen überleben und idealerweise vom Schutz der Wildtiere profitieren. Anders wird es nicht funktionieren.

 

Elefantenkuh mit Kälbern
Elefantenkuh mit Kälbern

 

Cynthia und ihr Team nahmen daher an verschiedenen Besprechungen und Diskussionen teil. Zu deren ersten greifbaren Ergebnissen gehören folgende Maßnahmen:

  1. Ernährungsprogramme für die Bevölkerung (vorrangig für Kinder und ältere Menschen) weiterführen
  2. Sicherung, Instandhaltung und Neuanlage von Wasserstellen für Wildtiere und Vieh (auch außerhalb des Parks in Gebieten, die während Dürrezeiten noch Nahrung bieten, aber zu weit von den natürlichen Wasserstellen im Parkzentrum entfernt liegen)
  3. Bereitstellung von Futter für Wildtiere und für das Vieh sowie die Behandlung des Viehs gegen Parasiten (wichtig für das Vieh selbst, aber auch für die Wildtiere, die sich sonst über den Dung selbst infizieren könnten – gerade bei geschwächtem Zustand in Trockenzeiten ein großes Problem)

 

Zu den längerfristigen Maßnahmen, die ebenfalls bereits angelaufen sind, gehören:

  1. Maßnahmen zur Verbesserung der Bodenqualität
  2. Anlage einer Grassamenbank (um besonders dürreresistente Sorten zu fördern)
  3. Entwicklung nachhaltigerer und effektiverer landwirtschaftlicher Praktiken (welche weniger Land beanspruchen).

 

Für das ATE-Team zeichnet sich ab, dass sich auch ihre eigene Arbeit den neuen Herausforderungen anpassen muss. Ursprünglich war das wichtigste Ziel, das natürliche Verhalten der Elefanten und ihre Gesellschaft besser kennenzulernen. Dieses wird auch weiter ein Schwerpunkt bleiben. Doch zusätzlich wird die Entwicklung von Lösungen zu Vermeidung von Mensch-Wildtier-Konflikten immer wichtiger werden.

 

Annan bei der Futtersuche im Sumpf
Annan bei der Futtersuche im Sumpf

 

Hinter den Elefanten Amboselis liegen äußerst schwere Zeiten, die einen sehr schmerzhaften Tribut gefordert haben. Und niemand kann mit Sicherheit sagen, wie sich die nächsten Monate entwickeln werden. Doch vorerst haben die Niederschläge für ein Ende der schlimmsten Not gesorgt, und wir können nur hoffen, dass sich dies in den nächsten Monaten fortsetzen wird.

Viele der Amboseli-Elefanten sind nicht nur Cynthia und ihrem Team, sondern auch vielen Menschen weltweit gut bekannt, und wir alle hoffen von ganzem Herzen, dass sie sich bald von den Entbehrungen der letzten Monate erholen werden.

ATE News: August und September 2022

Im August und September nahm die bereits seit mehreren Monaten herrschende Dürre ein brutales Ausmaß an. Das Land war inzwischen fast vollständig ausgetrocknet. Nur in den Sümpfen, im Zentrum des Amboseli-Nationalparks, gab es weiterhin Wasser und etwas Vegetation, wenn auch nur recht nährstoffarme. Außerdem boten die verstreuten kleinen Wälder des Parks ein wenig Nahrung. Aber sonst war kaum noch etwas für die zigtausenden Elefanten, Zebras, Büffeln, Gnus und Antilopen zu finden.

 

Eine Kuh der AA-Familie und ihr Kalb versuchen, in der verdorrten Ebene noch etwas Nahrung zu finden

 

Die erfahrenen Matriarchinnen der Elefanten versuchten, ihre Familien zu Orten zu führen, an denen es früher selbst während der schlimmsten Dürreperioden immer noch etwas Nahrung gegeben hatte. Doch teilweise war ihnen jetzt der Weg zu diesen letzten Weideflächen durch menschliche Siedlungen, Infrastruktur oder Farmland versperrt, während in anderen Fällen die Weidegründe selbst Farmen oder Siedlungen weichen mussten. Die Herausforderungen für die Matriarchinnen waren enorm. Und doch ruhten vor allem auf ihnen alle Hoffnungen!

 

Elefantenfamilie auf ihrer Wanderung
Elefantenfamilie auf ihrer Wanderung

 

Das Bevölkerungswachstum macht auch die Auswirkungen von Dürren immer noch schlimmer – letztlich nicht nur für die Wildtiere, sondern auch für die Menschen selbst und ihr Vieh. Auch sie kämpfen einen verzweifelten Kampf ums Überleben.

Diese Probleme können nur gelöst werden, wenn man Wege findet, die allen helfen. Dabei ist es natürlich in erster Linie wichtig, das Bevölkerungswachstum zu stoppen. Dieses Ziel wird vermutlich aber nur langfristig zu erreichen sein. Und da der Druck auf die Ressourcen bereits jetzt zu hoch ist, müssen weitere Ansätze verfolgt werden, beispielsweise die Entwicklung landwirtschaftlicher Methoden, die weniger Fläche zur Erzeugung derselben Erträge benötigen. Am wichtigsten ist aber die Förderung von Bildung, speziell auch für Mädchen. Der Amboseli Trust for Elephants (ATE) setzt sich hierfür bereits seit Jahrzehnten ein. Aktuell unterstützte er auch ein Programm, welches Mahlzeiten für Schulkinder bereitstellt. Dadurch werden nicht nur Kinder mit Nahrung versorgt, sondern auch sichergestellt, dass sie weiterhin die Schule besuchen können. Außerdem fördert es die freundschaftliche Beziehung, welche zwischen der überwiegenden Mehrheit der lokalen Bevölkerung und dem ATE herrscht und unverzichtbar ist, um zu erreichen, dass die Menschen bereit sind, das Land mit den Wildtieren zu teilen.

 

Elefanten durchqueren die Ebene in Amboseli
Elefanten durchqueren die Ebene in Amboseli

 

All das änderte natürlich nichts an der aktuellen, verheerenden Situation. Besonders schlimm waren Arten wie Zebras und Gnus betroffen, die in großer Zahl starben, doch auch viele Elefanten, vor allem die ältesten und jüngsten Familienmitglieder, wurden zu Opfern der Dürre. Verständlicherweise war das Team des ATE in den allermeisten Fällen nicht dabei, wenn Elefanten starben, und oft entdeckten sie nicht einmal ihre Überreste. Aber da der ATE in seiner Datenbank jeden einzelnen Elefanten des Amboseli-Ökosystems erfasst hat, konnte man feststellen, welche Tiere in den einzelnen Familien fehlen. Ältere Elefanten können sich allerdings auch kurzfristig von den anderen getrennt haben und später wieder zu ihnen stoßen. Aber milchabhängige Kälber müssen fast immer als verstorben betrachtet werden, wenn sie nicht bei ihren Müttern sind.

Zu ihnen gehören die jeweils jüngsten Kälber von Eleanor, Eudora, Entito und Eliot von der EB-Familie sowie von Golda, Gigabyte, Garamba und Gatzamba von der GB-Familie. Die meisten von ihnen waren männlich, einige aber auch weiblich wie diejenigen Goldas, Gigabytes und Gatzambas. Generell ist die Sterblichkeit von Bullenkälbern höher, da sie schneller wachsen und daher mehr Energie benötigen.

Besonders schlimm war es für Elise, die Tochter Enids, der Matriarchin der EB-Familie. Sie hat gleich zwei Kälber verloren! Zuerst starb ihr älterer Sohn. Er gehörte zu den vier EB-Mitgliedern, die im Juni mit Speeren verletzt worden waren. Der Tierarzt hatte sie alle behandelt. Während die anderen drei sich inzwischen gut erholten, war die Verletzung bei Elises Sohn offenbar doch zu schlimm, und er verstarb an ihren Folgen. Und dann verlor Elise auch noch ihre jüngste Tochter. Da Elefanten sehr stressanfällig sind, ist davon auszugehen, dass der Tod ihres Sohnes, verbunden vielleicht mit den Auswirkungen der Dürre, Elise so zusetzte, dass sie nicht mehr genug Milch für ihre Tochter hatte und deshalb auch diese verlor.

 

Elise hat zwei Kälber verloren

 

Auch Odessa von der OA-Familie verlor offenbar ebenfalls gleich zwei Kälber: ihren drei Jahre alten Sohn und ihre sieben Jahre alte Tochter Onna. Der Tod eines schon relativ alten Kalbs wie Onna ist ziemlich ungewöhnlich, und da sie nicht mehr milchabhängig ist, könnte es sein, dass sie sich vielleicht doch nur von ihrer Familie getrennt hatte und später wieder zurückkehren wird. Diese Hoffnung besteht also noch, doch muss man ehrlicherweise sagen, dass sie leider nicht besonders groß ist.

Ein besonders tragischer Fall war der Tod des erst letzten Jahres geborenen Sohns von Astrid, der Matriarchin der AA-Familie. Ihm hatte die Dürre wohl bereits seit längerem zugesetzt, und Astrid trennte sich daher von den anderen AAs, um ihr Tempo bei den Wanderungen dem seinen anpassen zu können. Doch leider reichte das nicht aus. Eines Morgens entdeckte ein ATE-Team Astrid, die neben ihrem am Boden liegenden Kalb stand. Astrids Sohn war völlig geschwächt und offensichtlich nicht mehr in der Lage aufzustehen. Das Team alarmierte daher umgehend den Tierarzt. Doch während dieser noch unterwegs war, starb Astrids Kalb. Für Cynthia Moss und ihre Kolleginnen, welche Astrid seit Jahrzehnten kennen, war dieser Verlust besonders schwer zu ertragen. Einerseits, weil er einer der wenigen Todesfälle war, bei dem sie Zeuge waren, und andererseits, weil Astrid noch nie viel Glück mit ihren Kälbern hatte und die meisten von ihnen das Erwachsenenalter nicht erreicht haben. Einzig ihre Tochter Annan lebt heute als erwachsene Kuh mit einem eigenen Kalb in Amboseli.

 

Elefantenkuh mit Kalb in der verdorrten Savanne Amboselis
Annan, die Tochter Astrids, und ihr Kalb haben überlebt (AA-Familie)

 

Am schlimmsten war es für das ATE-Team, all dies mitansehen zu müssen, ohne viel helfen zu können. Immerhin konnten sie in einigen Fällen dafür sorgen, dass Kälber, die zu schwach waren, um ihren Familien zu folgen, gerettet wurden und  in die Obhut des Sheldrick Wildlife Trusts kamen. Doch leider waren dies nur Einzelfälle.

Ein Ende der Dürre war allerdings – bestenfalls! – erst im November zu erwarten, wenn hoffentlich die nächste Regenzeit beginnen würde.

Wirklich Trost spendete nur das Wissen, dass die erfahrenen Matriarchinnen es bisher stets geschafft hatten, das Überleben der überwiegenden Mehrheit ihrer Familien zu sichern. Und nun konnte man nur hoffen, dass ihnen dies auch jetzt gelingen würde.

Und dann gab es doch noch eine erfreuliche Entwicklung in dieser sonst so trostlosen Zeit: Enid, ihr Sohn Ektor und ihre Schwester Esprit schafften es tatsächlich, sich trotz der Dürre von ihren Speerwunden zu erholen. Das war keineswegs selbstverständlich! Für Cynthia Moss und ihre Mitarbeiterinnen war es eine große Erleichterung, dies beobachten zu können.

 

Enid passt auf die Kälber auf

 

Zusammenfassend müssen die Monate August und September als eine der seit langem schwersten Zeiten für die Elefanten Amboselis bezeichnet werden – und somit auch für das ATE-Team.

Doch die Elefanten werden auch diese Katastrophe überstehen, wenn auch mit schmerzlichen Verlusten. Und irgendwann – hoffentlich in nicht mehr allzu ferner Zukunft – wird es endlich wieder regnen und diese furchtbare Zeit ein Ende finden.

 

Angelina und ihre Kälber (AA-Familie)

 

Es ist belegt, dass Elefanten um ihre Toten trauern. Immer wieder besuchen sie auch ihre Überreste, um dort einige Zeit zu verweilen. Und manchmal versetzt sie ein Todesfall so sehr in Stress, dass sie selbst gesundheitliche Probleme bekommen. In den meisten Fällen schaffen sie es aber, ihre Trauer zu bewältigen. Sie vergessen ihre Toten nicht, doch gleichzeitig schauen sie nach vorn und sind weiter für die Lebenden da, um sich – wie immer –gegenseitig zu unterstützen.

Cynthia Moss und ihr Team folgen diesem Beispiel. Auch sie trauern um all jene, die zu Opfern der Dürre wurden, doch ebenso kämpfen sie weiterhin mit aller Kraft für diejenigen, die überlebt haben. Und natürlich hoffen sie, dass die Regenzeit nun bald beginnt und damit endlich wieder die guten Zeiten für die Elefanten zurückkehren.

ATE News: August und September 2021

Ella, die Matriarchin der EB2

Im August und September war es in Amboseli sehr trocken. Wenn man auch noch nicht von einer echten Dürre sprechen musste, wie in anderen Teilen Kenias, so begannen doch die Nahrungsressourcen zu schwinden und das Leben wurde für die Wildtiere zunehmend härter.

Mehr und mehr konzentrierten sie sich auf die Sümpfe im Parkzentrum und deren Umgebung, wo nicht nur ausreichend Wasser sondern auch noch etwas Nahrung zu finden war.

 

Für die Matriarchinnen wurde es immer schwieriger ihre Familien in noch ausreichend ergiebige Weidegründe zu führen. Die unterschiedlichen Strategien der Leitkühe ermöglichten es den Elefanten aber immerhin noch möglichst verschiedene der verbliebene Ressourcen zu nutzen.

 

Minnie aus der MB-Familie

 

Ein positiver Nebeneffekt dieser Entwicklung war allerdings, dass Familien, die sonst im Park eher selten anzutreffen sind, zurückkehrten und nun nach langer Zeit endlich wieder vom Team des Amboseli Trust for Elephants (ATE) beobachtet werden konnten.

 

Die AAs hielten sich wie üblich tagsüber bei den Sümpfen auf und verbrachten die Nächte in einem Wald in der Nähe des ATE-Camps, dessen Akazien für sie eine wichtige Nahrungsquelle waren. Cynthia Moss und ihre Team machten sich ein wenig Sorgen um Angelinas Zwillinge. Beide waren für ihr Alter zu klein und besonders der Junge sah dünn und unterernährt aus. Er war deutlich kleiner als seine Schwester, was für ein männliches Kalb nicht normal ist. Bullenkälber wachsen sonst viel schneller als Kuhkälber, benötigen allerdings auch wesentlich mehr Kalorien. Aus diesem Grund haben männliche Kälber bei Dürren eine deutlich höhere Sterblichkeitsrate als weibliche. Angelinas Sohn wirkte träge und seine Haut, bei Elefanten ein wichtiger Indikator für ihre Gesundheit, sah ziemlich krank aus. Alle hofften so sehr, dass er es schaffen würde. Aber es war offensichtlich, dass er schwer zu kämpfen hatte.

 

Es wurde daher nachgedacht ob es sinnvoll sei ihn aus seiner Familie zu nehmen und in das Elefantenwaisen-Projekt des SWT zu bringen. Doch letztlich nahm man davon Abstand. Die Überlebensrate von Elefantenwaisen ist grundsätzlich deutlich niedriger als von jenen, die bei ihren Müttern aufwachsen. Selbst wenn sie nicht mehr milchabhängig sind. Dabei macht es keinen Unterschied ob die Waisen in einem von Menschen betreuten Waisenprojekt oder noch bei ihrer Familie leben. Die Überführung des männlichen Zwillings in ein Waisenprojekt würde daher seine Überlebenschancen nicht automatisch erhöhen. Stattdessen aber wäre es sowohl für ihn selbst wie seine Familie, besonders seine Mutter und Zwillingsschwester, ein äußerst traumatisches Erlebnis und außerdem für alle daran beteiligten Personen mit großer Gefahr verbunden.

 

Angelina, ihre Zwillinge und zwei Kindermädchen
Angelina, ihre Zwillinge und zwei Kindermädchen, vor ca. 6 Monaten, als es noch genug Nahrung gab

 

Daher entschied man sich vorerst nicht einzugreifen, Angelina und ihre Zwillinge aber genau im Auge zu behalten. Dies ist relativ gut möglich, da die AAs die standorttreueste Familie in Amboseli sind und von den ATE-Mitarbeiterinnen beinahe täglich gesichtet werden. Sollte eines der Zwillingskälber allein und ohne Kontakt zu seiner Familie entdeckt werden, dann wäre die Zeit des Eingreifens gekommen – aber nicht früher. ATE wird die Situation also weiter sorgfältig beobachten und auch über die Entwicklung der Zwillinge berichten.

 

Der anderen AA-Kälber sahen erfreulicherweise gut und gesund aus. Und die Familie blieb immer bei Angelina, die wegen ihrer geschwächten Zwillinge nicht so schnell wandern konnte. Diese Empathie und Loyalität zueinander gehören zu den beeindruckendsten Eigenschaften der Elefanten. Es erstaunt nicht wirklich, dass sich die AA-Familie so verhält, denn genau dies entspricht dem typischen Wesen der Grauen Riesen.  Bleibt zu hoffen, dass diese moralische Unterstützung und die gemeinsamen Anstrengungen allen Familienmitgliedern helfen werden, das Ende der Trockenzeit zu überstehen.

 

Die EB-Familie erlitt im August leider einen sehr tragischen Verlust.  Ella, die Matriarchin der EB2-Familie, wurde gespeert und starb. Als Cynthia Moss und  Harvey Croze 1973 die EBs zum ersten Mal trafen, war Ella eine junge Kuh (geboren 1965), die offenbar eine enge Beziehung zur Matriarchin  Echo hatte. Damals war unklar, ob es sich bei Ella um Echos Tochter oder Schwester handelte, aber Jahre später ergab eine DNA-Untersuchung, dass sie tatsächlich Echos Schwester war. Ella hielt immer loyal zu Echo – in guten wie in harten Zeiten. Und sie war für das ATE-Team jahrzehntelang ein wichtiger Teil seiner Arbeit und seines Projekts.

 

Ella, die Matriarchin der EB2
Ella, die Matriarchin der EB2-Familie

 

2009 starb Echo im Alter von 64 Jahren während der damaligen verheerenden Dürre. Ihr Tod hatte tiefgreifende und dramatische Auswirkungen auf die EBs. Damals begann Ella sich vom Rest der Familie zu trennen. Zuerst nur für vier Monate, als sie kurz nach Echos Tod mit ihren Kälbern eigene Wege ging. Doch in den Folgejahren verbrachte sie mit ihrer Gruppe immer mehr Zeit abseits von Enids Familienteil, bis ATE die beiden Gruppen schließlich als zwei Familien einstufen musste, da sie kaum noch Zeit miteinander verbrachten. Ellas Gruppe wurde dann als EB2-Familie bezeichnet.

 

Ella war eine mutige Matriarchin und sie verbrachte gerne viel Zeit im nördlichen Teil des Ökosystems. Dieses Gebiet hat ein fantastisches Nahrungsangebot, aber einige Teile davon sind inzwischen stark besiedelt und werden zunehmend in Ackerland umgewandelt. Und obwohl der Großteil der Bevölkerung die Elefanten toleriert so gibt es hier leider auch einige Leute, die Elefanten nicht mögen, sondern sie nur als problematische Tiere betrachten, die Privateigentum beschädigen, besonders Felder.

 

Ella wurde durch einen Speer im Kopf verletzt. Daraufhin war sie zurück zum Selenkay-Schutzgebiet gelaufen, aber als die Ranger sie dort fanden war es bereits zu spät und sie starb an ihrer Verletzung. Die Nachricht von ihrem Tod war ein Schock für das gesamte ATE-Team.

 

Leider konnte bisher der verantwortliche Täter nicht ermittelt werden. Aber wir hoffen, dass im Laufe der Zeit doch noch entsprechende Informationen ans Tageslicht kommen.

 

Ella
Ellas Tod ist ein schmerzhafter Verlust

 

Das Zusammenleben zwischen Elefanten und Menschen ist im nördlichen Teil des Amboseli-Ökosystems alles andere als perfekt. Neben elefantenfreundlichen Menschen gibt es leider immer noch Leute mit einer elefantenfeindlichen Einstellung. Dies ist eine ständige Herausforderung für alle, die sich für das Überleben der Elefanten einsetzen. Die Hoffnung geht nicht verloren, da viele Menschen hart daran arbeiten, die Wahrnehmung zu ändern und Lösungen für ein konfliktfreies Zusammenleben zu schaffen. Doch für Ella kommt alles zu spät. Es hat Allen bei ATE das Herz gebrochen zu erfahren, dass sie auf diese Weise getötet wurde. Außerdem blieb ein erst 15 Monate altes milchabhängiges männliches Kalb zurück.

 

Es war allerdings bewegend festzustellen, dass Ellas Sohn weiter bei seiner Familie war und sich seine älteren Schwestern Elletra und Evaline aufmerksam um ihn kümmerten. Beide haben selbst Kälber und es könnte sein, dass sie ihrem kleinen Bruder erlauben bei ihnen zu trinken. In der EB-Familie ist dies nicht unüblich. Er schien ihm daher – den Umständen entsprechend – gut zu gehen. Trotzdem wurde auch in diesem Fall wurde sorgfältig überlegt ob man Ellas Sohn in das Waisenhaus des Sheldrick Wildlife Trust bringen sollte. Doch da momentan keine dringende Notwendigkeit vorzuliegen schien und sowohl Ella’s Sohn wie die anderen Familienmitglieder bereits mit dem Trauma von Ella’s Tod fertig werden mussten, hielt man es für besser auch hier vorerst nicht einzugreifen. Auch in diesem Fall wird die Familie überwacht werden um zu verfolgen wie sich Ella’s Sohn entwickelt. Das jüngste Kalb, von dem bei ATE bekannt ist, dass es als Waise überlebt hat, war 18 Monate alt. Ella’s Sohn ist drei Monate jünger. Er könnte es schaffen – zumal wenn er von seinen Schwestern Milch bekommt. Dies wäre natürlich für alle die beste Lösung. Sollte er aber den Anschluss an seine Familie verlieren wird man ihn in das Waisenprojekt bringen, um ihm dort eine zweite Chance zu geben. Daher wird nun die weitere Entwicklung abgewartet. Doch bis jetzt sieht es recht gut aus.

 

Ella führt ihre Familie
Ella führt ihre Familie

 

Wir hoffen, dass Ella’s Töchter das Wissen und die Weisheit haben ihre Familie zu führen und das Vermächtnis ihrer Mutter fortzusetzen. Das ATE-Team wird sie weiterhin mit Hilfe der Mitarbeiter des Porini Camps überwachen, welche sie oft sehen und unschätzbar wertvolle Hilfe als Informanten leisten.

 

Enids Abteilung der EBs ging es erfreulicherweise sehr gut. Sie verbrachten viel Zeit im Camp von ATE, wo sie sich sichtlich zu Hause fühlten. Für das Team war es wunderbar, Enids Gruppe zurück zu haben. Bei ihren Besuchen wirkten sie völlig entspannt und voller Vertrauen. Es war wunderschön sie so aus nächster Nähe beobachten zu können.

Sie überquerten auch regelmäßig den mit Flamingos gefüllten, seichten See und boten dabei hervorragende Fotomotive, die viele Besucher von Amboseli begeisterten.

 

Entito erwies sich als ein unglaublich mitfühlender Elefant; sie säugte ihr Kalb gleichzeitig zusammen mit dem ihrer Mutter Eliot. Dieses Verhalten ist bei Elefanten nicht sehr verbreitet. Es kommt zwar häufig vor, dass Großmütter ihre Enkel stillen, doch große Schwestern geben ihren viel jüngeren Geschwistern nur sehr selten Milch. Die EBs sind hier eine positive Ausnahme – eine Beleg für die enge Verbundenheit zwischen den Kühen dieser Familie. Elefanten überraschen selbst das erfahrene ATE-Team immer wieder mit ihrem Mitgefühl sowie ihren Fähigkeiten zur Kooperation und Zusammenarbeit.

 

Edwina
Edwina von der EB-Familie

 

Die FBs waren meistens in ihren üblichen Weidegebieten anzutreffen. Im September brachte Floppy ein weibliches Kalb zur Welt. Seine Geburt erfolgte in einer schwierigen Zeit. Bei den harten Bedingungen wurde es für Elefantenmütter zunehmend schwerer ausreichend Milch für ihre Kälber zu produzieren. In solchen Situationen sind erfahrene Leitkühe überlebenswichtig, die wissen wo es noch wieviel Nahrung gibt und wie weit sie auf der Suche nach Nahrung noch wandern können. Je weiterere Strecken sie zurücklegen, desto besser sind die Chancen ergiebige Weideflächen zu finden aber desto mehr ermüden die Kälber und desto höher ist das Risiko sie zu überanstrengen. Außerdem verbrauchen die Mütter mehr Energie, die dann für die Milchproduktion fehlt. Matriarchinnen müssen also abwägen ob die auf den Wanderungen verbrauchte Energie durch die zu erreichenden Nahrungsressourcen noch rechtzeitig ausgeglichen werden kann. Hier spielen ihre Erfahrungen und ihr enormes Erinnerungsvermögen eine entscheidende Rolle. Der Verlust einer Matriarchin kann daher verheerende Auswirkungen auf eine Familie haben, wenn keines der anderen Mitglieder über ihr Wissen verfügt.

Floppy ist mit 21 Jahren noch eine relativ junge Mutter, die erst 2017 ein erstes weibliches Kalb geboren hatte. Man kann nur hoffen, dass sie es schafft ihr neues Kalb trotz der schwierigen Zeiten durchzubringen. Wenn es wie erwartet erst im November regnet, dann müssen die Elefanten noch einen Monat bis sechs Wochen durchhalten. In dieser Zeit wird für die FBs alles von den Entscheidungen ihrer Matriarchin Fanny abhängen.

 

Elif mit ihrem Kalb
Elif und ihr Kalb

 

Auch die GBs wurden in den letzten zwei Monaten sehr regelmäßig gesehen; wie viele der Amboseli-Familien waren sie häufige Besucher der Sümpfe und kamen auch regelmäßig in das Forschungscamp, umringten die Zelte und zeigen viel verspieltes Verhalten. Es ging ihnen ganz offensichtlich noch recht gut.

 

Georgia befand sich im August sogar im Östrus. Sie ist bereits eine erfahrene Mutter und war bei der Partnerwahl sehr anspruchsvoll. Mehrere Bullen versuchten ihr zu folgen, aber sie war von keinem überzeugt. Sie lief weg und benutzte dabei ihre Familie als Barriere, um die Bullen zu hindern, ihr zu folgen. Später befand sie sich dann in Gesellschaft von Wickstrom aus der WA-Familie. Er ist ein stattlicher großer Bulle und war zu dieser Zeit in Musth.  Emmett aus der EB Familie und Lengai aus der LC Familie waren auch dabei. Doch Wickstrom bewachte Georgia aufmerksam. Es wurde zwar nicht beobachtet wie Wickstrom sich mit Georgia paarte, aber das Bewachen ist normalerweise ein Zeichen dafür, dass bereits eine Paarung stattgefunden hat oder bald stattfinden wird. Wickstrom wurde 1983 als Sohn von Willa geboren und ist einer der größeren Bullen in der Amboseli-Population. Emmett ist der 1999 geborene Sohn von Ella und Lengai wurde 1993 geboren. Diese Beiden sind viel jünger und stellen daher keine Konkurrenz für einen älteren Bullen wie Wickstrom dar. Jüngere Bullen würden einen älteren nie herausfordern, besonders wenn dieser in Musth ist. Musth-Bullen strömen einen starken Geruch aus, der anderen Elefanten von ihrem erhöhten Hormonpegel erzählt, andere Bullen warnt und das Interesse der Östrus-Kühe weckt.

 

Im September kam dann Glaze aus Gails GB2-Grupe in den Östrus. Mit 11 Jahren war Glaze das erste Mal paarungsbereit. Glazes Mutter Galana starb vor 2 Jahren und Glaze kam in die Obhut ihrer älteren Geschwister und Tanten. Die erste Östrusperiode ist für eine junge Kühe eine verwirrende Zeit. Die plötzliche Aufmerksamkeit von Bullen kann stressig werden und unerfahrene Weibchen können unerwünschte Bewerber oft nur schwer abschütteln – vor allem wenn ihnen keine Mutter zur Seite steht. Doch erstaunlicherweise hat Gail, die eine Tante von Glaze ist,  sich sehr für sie eingesetzt. Als Glaze nervös wegen der Bullen wurde, die ihr folgten, rief Gail schnell die Familie zusammen, die daraufhin in Abwehrstellung ging und Glaze in ihrer Mitte aufnahm. Die Bullen wichen zurück und Glaze beruhigte sich. Im Laufe der Zeit wird Glaze lernen mit solchen Situationen souverän umzugehen und einen geeigneten Bullen auszuwählen, der für eine Paarung in Frage kommt und gleichzeitig unerwünschte Bewerber auf Abstand hält.

 

Garamba beim Schlammbad
Garamba beim Schlammbad

 

Sehr erfreulich war, dass Placidas Gruppe nach fast drei Monaten Abwesenheit zurückkehrte. Das Gebiet, in welchem sie sich gerne aufhält, ist aufgrund des Geländes für Fahrzeuge nur schwer passierbar. Doch die Tatsache, dass ihre Familie wächst und gesund aussieht, zeigt, dass sie gute Entscheidungen trifft. In den letzten zwei Monaten haben sowohl Placida als auch Petulas Teile der Familie Zeit in der Nähe des ATE-Camps verbracht. Sie mögen den Phönixpalmenwald und die kleineren Sümpfe, die ihn umgeben. Obwohl das ATE-Team Petulas und Placidas Gruppe nicht miteinander interagieren sehen, waren sie bei zahlreichen Gelegenheiten in unmittelbarer Nähe und konnten problemlos miteinander kommunizieren.

 

Auch die OAs kamen regelmäßig in den Park und verbrachten viel Zeit in der Nähe der CB-Familie, zu der sie eine besonders starke Bindung entwickelt haben. Die CB-Familie wurde seit etwa zwei Jahren nicht mehr im Park angetroffen und daher war es großartig, Cerise mit ihrer Familie, darunter einigen Neuzugängen, wiederzusehen.

 

Die OAs sahen für diese Jahreszeit gut aus. Sie haben eine sehr gute Strategie, mit Trockenzeiten fertig zu werden, und das zeigte sich in ihrer wachsenden Zahl und ihren gesund aussehenden Kälbern. Ororas 2020 geborenes Bullenkalb forderte sehr oft Milch von seiner Mutter. Trotz der schwierigen Nahrungsstituation war Orora aber offenbar immer in der Lage ihren Sohn mit Milch zu versorgen. Sie verhielt sich ihm gegenüber auch sehr geduldig. An einem speziellen Tag stand sie mitten auf der Straße, um ihr Kalb zu säugen, was für die Besucher des Parks einige sehr aufregende Fotomotive bot.

 

Eine erfreuliche Entwicklung bildete das deutliche Wiederaufleben des Tourismus, der sowohl dem Kenya Wildlife Service, wie der lokalen Bevölkerung und auch vielen Organisationen dringend benötigte Einnahmen bescherte. Viele Menschen konnten an ihre Arbeitsplätze in Touristenlodges und anderen Einrichtungen zurückkehren. Wir hoffen sehr, dass dies auch zu einer Reduzierung der Buschfleisch-Wilderei beitragen wird.

 

Die Monate August und September waren für die Elefanten Amboselis in mehrfacher Hinsicht eine schwere Zeit: Vor allem durch die zunehmende Trockenheit und den Tod Ellas. Umso bewegender waren die zahlreichen Beispiele für Loyalität, Mitgefühl und gegenseitige Unterstützung, welche unter diesen Elefanten beobachtet werden konnten. Jetzt kommt es auf die nächsten Monate an – und die hoffentlich bald beginnende Regenzeit.

ATE News: Juni und Juli 2020

Eine Elefantenkuh mit markanten Stoßzähnen.

News vom Amboseli-Trust-for-Elephants – die Monate Juni und Juli 2020:

 

Im Juni und Juli löste in Amboseli eine neue Trockenzeit die außergewöhnlich niederschlagsreiche Regenzeit der Vormonate ab. Dank der ergiebigen Regenfälle war das Nahrungsangebot für die Elefanten auch jetzt noch viel besser als es sonst während dieser Jahreszeit der Fall ist. Dies wird sich zwar sicher während der nächsten Monate noch ändern, doch vermutlich nicht so stark wie gewöhnlich. Außerdem ist dies auch Teil des natürlichen Zyklus der Jahreszeiten in Amboseli, die man als „Boom and Bust“-Zeiten bezeichnet kann, und an die sich die Elefanten gut angepasst haben.

 

Der Park selbst bot einen wunderschönen Anblick, mit sanften Feldern goldgelben Grases, staubroten Sonnenuntergängen und vielen wilden Tieren, die durch die offenen Ebenen in der Nähe des Wassers zogen.

 

Eine Elefantenkuh in einem Sumpf in Amboseli.
Eine Elefantenkuh in einem Sumpf in Amboseli.

 

Leider konnte man sich beim Amboseli Trust for Elephants (ATE) nicht uneingeschränkt über die Schönheit des Parks freuen, denn die Covid-19-Pandemie wirkte sich auch weiter in Amboseli aus. Abgesehen von wenigen einheimischen Reisenden gab es keine Besucher. Die fehlenden Einnahmen aus dem Tourismus machten sich sowohl beim Kenya Wildlife Service (KWS), Organisationen wie ATE sowie vor allem der lokalen Bevölkerung immer stärker bemerkbar. Viele Familien hatten bereits seit Monaten kein Einkommen mehr.

Dem KWS und den NGO’s gelang es zwar ihre Aktivitäten aufrecht zu erhalten, doch  kam es in ganz Kenia zu einem Anstieg der Buschfleisch-Wilderei.

Man kann nur hoffen, dass touristische Aktivitäten möglichst bald wieder zunehmen und durch die hier generierten Einnahmen die Bereitschaft zur Wilderei deutlich reduziert wird.

 

Eine sehr erfreuliche Abwechslung bot allerdings der 24. Juli, denn an diesem Tag feierte Dr. Cynthia Moss, die Gründerin und Direktorin des ATE, ihren 80. Geburtstag. Unter den Bedingungen des Lockdowns wurde es zwar nur eine kleine aber sehr schöne Feier. Cynthia verbrachte den Tag zusammen mit ihren langjährigen Mitarbeiterinnen Norah und Katito im Forschungscamp.

Und dort erhielt sie auch eines ihrer schönsten Geburtstagsgeschenke: Nachdem die EB-Familie mehr als fünf Monate nicht mehr gesehen worden war tauchte sie wenige Tage zuvor unter der Führung ihrer umsichtigen Matriarchin Enid endlich wieder im Park auf!

 

Eine Elefantenkuh mit markanten Stoßzähnen.
Eine Elefantenkuh mit markanten Stoßzähnen.

 

Dies war für Cynthia eine ganz besondere Freude, denn sie hatte viele Jahre gerade mit dieser Familie sehr eng gearbeitet. Vor allem mit der einstigen Matriarchin Echo verband sie eine sehr starke persönliche Freundschaft. Viele Male, wenn Cynthia nach längerer Abwesenheit ins Camp zurückgekehrt war, tauchte Echo bald danach ebenfalls auf und machte sich so lange bemerkbar, bis Cynthia aus ihrem Zelt kam um sie zu begrüßen. Diese besondere Beziehung hat sich jetzt auch auf Echos Tochter Enid übertragen und so war die Rückkehr der EB’s ein ganz besonderes Geschenk für Cynthia!  Vor allem natürlich auch, weil es allen Familienmitgliedern gut ging. Und außerdem gab es gleich mehrfachen Nachwuchs: Esprit, Ebony, Eliot, Entito und Elif hatten männliche Kälber, und Eugiene ein weibliches an ihrer Seite.

 

Die EB’s haben seit ihrer Rückkehr viel Zeit im Forschungslager verbracht – vor allem nach Sonnenuntergang. Jeden Morgen fand das Team die Spuren ihrer nächtlichen Aktivitäten. Und mehrere Male wurden die EB’s Nachts gesehen, wie sie überall um die Zelte herum verteilt waren. Sie ernährten sich vom kurzen Gras, das auf den Fußwegen wächst und den Phönixpalmen, die das Camp umgeben. Wenn Nachts alles still ist, hört man deutlich wie überraschend laut ein Elefant beim Kauen sein kann, aber für das ATE-Team ist dies ein beruhigendes Geräusch, durch das sie sich gerne in den Schlaf „singen“ lassen.

 

Die EB’s war übrigens nicht die einzige Familie, in der es neue Babys gab. Ganz im Gegenteil: Dieses Jahr kam es in Amboseli zu einem unglaublichen Babyboom und allein im ersten Halbjahr wurden über 170 Geburten verzeichnet, eine Zahl, die alle früheren Rekorde übersteigt.

 

Neuen Nachwuchs gab es beispielsweise bei den FB’s, wo sowohl die Matriarchin Fanny wie auch deren Tochter Fortino ein Kalb bekamen. Fanny wurde dadurch bereits zum vierten Mal Großmutter. Und typisch für Elefantenkühe kümmert sie sich nicht nur um ihre eigenen Babys sondern auch um ihre Enkel in besonderem Maß. Weibliche Elefanten arbeiten ohnehin eng zusammen, um ihre Kälber zu schützen und aufzuziehen. Besonders stark ist dies allerdings bei direkt verwandten Kühen zu beobachten. Gerade Großmütter sind eine wertvolle Hilfe, da sie meistens bereits über viel Erfahrung mit Kälbern verfügen.

 

Elefantenfamilie im Sumpf
Elefantenfamilie im Sumpf

 

Es gab in Amboseli sogar mehrere Fälle, in denen Großmütter das Kalb ihrer Tochter säugten oder Kälber ihrer Töchter adoptierten, wenn diese starb. Auch Eliot von den EB’s wurde beobachtet wie sie gleichzeitig ihr eigenes Baby und das ihrer Tochter Entito säugte. Diese gegenseitige Unterstützung belegt besonders eindrucksvoll die sozialen Bindungen zwischen Elefanten.

 

Im Juli gab es dann eine Riesenüberraschung, als ein zweites Paar Zwillingskälber entdeckt wurde. Die Mutter ist Pazia aus der PA1-Familie, die Kälber sind beide männlich und waren wohl im März geboren worden, also im selben Monat wie Angelinas Zwillinge.

 

Diese wachsen immer weiter und bekommen viel Aufmerksamkeit von den jungen Kühen der Familie, welche sie stets im Auge behalten. Im Vergleich zu anderen Familien in Amboseli haben die AA’s leider eher wenig Erfolg was die Überlebensrate ihrer Kälbern betrifft. Das ATE-Team führt dies darauf zurück, dass die AA’s besonders viel Zeit in den Sümpfen verbringen und ihre Kälber dabei oft durch tiefes und kaltes Wasser waten müssen, was ein erhöhtes Risiko für Lungenentzündungen zur Folge hat. Wir hoffen sehr, dass dies bei den Kälbern von 2020 nicht der Fall ist, und bis jetzt sehen diese auch sehr gesund aus.

 

Elefanten auf Nahrungssuche im Sumpf.
Elefanten auf Nahrungssuche im Sumpf.

 

Dieses Jahr gab es in Amboseli allerdings nicht nur einen neuen Rekord an Geburten sondern es fanden auch viele Paarungen statt. Bei den GB’s befanden sich beispielsweise gleich mehrere Kühe im Östrus. Eine davon war Okanja. Sie hatte kürzlich ihr Kalb verloren und war daher im Juni wieder bereit für eine Paarung. Okanja wurde von Craig bewacht, einem der bekanntesten und größten Bullen in Amboseli. Er war in Musth und hatte ein Gefolge von 11 anderen Bullen, die hofften ebenfalls eine Chance auf eine Paarung zu bekommen. Zumindest für einen von ihnen, Chemosit, schien sich das Warten zu lohnen, denn als Craig gerade nicht aufpasste konnte Chemosit sich ebenfalls mit Okanja paaren. Chemosit und Craig stammen beide aus der CB-Familie, allerdings ist Craig viel älter und wurde 1972 geboren, während Chemosit erst 1987 zur Welt kam. Als Musth-Bulle war Craig nicht bereit einem anderen Bullen eine Paarung zu gestatten – auch keinem Mitglied seiner Familie. Als er plötzlich bemerkte was hinter seinem Rücken geschah war Chemosit’s Paarung schnell vorbei und Craig jagte ihn davon.

 

Auch Garbatulla war im Juni im Östrus und paarte sich ebenfalls mit Craig.  Die Beiden wurden dabei von zwei andere Bullen beobachtet: Gabe aus der GB-Familie und X052.

 

„X“ ist ein Code, der vom ATE-Team Bullen zugewiesen wird, deren Familienzugehörigkeit nicht bekannt ist, die aber trotzdem regelmäßig beobachtet werden.

Wenn sich junge Bullen von ihren Familien lösen verschwinden sie oft für längere Zeit aus Amboseli und ziehen weit entfernt umher. Dabei verändern sich einige äußerlich oft so sehr, dass es wirklich schwierig wird sie bei ihrer Rückkehr wiederzuerkennen.

Sicher ist, dass viele der „X“ -Bullen aus Amboseli stammen. Wahrscheinlich liegen ATE von ihnen  Fotos aus Zeiten vor, als sie noch bei ihren Geburtsfamilien lebten. Aber die erneute Identifizierung ist eine echte Herausforderung. Hin und wieder gelingt es trotzdem solche Rückkehrer zu erkennen, doch gibt es derzeit immer noch etwa 70 „X“-Bullen in Amboseli.

 

Schließlich kam im Juli noch Georgia in den Östrus und weckte dadurch das Interesse von Kristian, einem sehr beindruckenden und gut aussehenden Bullen der KB-Familie. Er ist ein Sohn von Kleo und jetzt 31 Jahre alt. Man kann davon ausgehen, dass er sich in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren zu einem der dominanten Bullen Amboselis enwickeln wird und man sollte sich seinen Namen merken. Es wurde zwar nicht beobachtet wie er sich mit Georgia paarte, doch war es eindeutig zu sehen, dass er ihr folgte und sich für sie interessierte.

 

Elefantenkuh und Kalb
Elefantenkuh und Kalb

 

Die Langzeitstudien des ATE basieren vor allem auf der Fähigkeit des Teams alle Elefanten als Individuen unterscheiden und dadurch auch ihre Beziehungen untereinander nachvollziehen zu können. Da sich das Aussehen der Tiere im Laufe ihres Lebens immer wieder verändert gehört es zu den wichtigsten Aufgaben des Teams alle Mitglieder der Amboseli-Population möglichst regelmässig – mindestens aber einmal im Jahr – zu beobachten und zur Identifikation geeignete Fotos zu machen.

Abgesehen von den bereits erwähnten „X“-Bullen, die oft jahrelang außerhalb des Parks unterwegs waren, gelingt es normalerweise immer die notwendigen Identifizierungs-Arbeiten durchzuführen. Natürlich ist dies bei einigen Familien und Bullen leichter als bei anderen – abhängig davon wieviel Zeit sie im Park verbringen.

 

Die PC- und die OA-Familien gehören zu jenen, die einen Großteil des Jahres außerhalb des Amboseli-Nationalparks umherziehen. Im Juni und Juli waren sie allerdings zurückgekehrt – von den PC’s sowohl die von Placida wie Petula angeführten Teil-Gruppen. Die ATE-Feldforscherinnen folgten daher nun speziell den PC’s so oft es ging und konnten dadurch endlich die „Ausweisfotos“ dieser Familie aktualisieren.

Nun stehen die OA’s als nächste Familie im Fokus dieser Arbeit. Nicht zuletzt weil es auch bei ihnen viel neuen Nachwuchs gab. Die Familie hatte sechs Neugeborene: Olya, Orora, Omo River und Outlook hatten alle männliche Kälber, Opera und Olwen hingegen weibliche.

 

Elefanten am Rande des Ol Tukai Waldes.
Elefanten am Rande des Ol Tukai Waldes.

 

ATE verfolgt nun schon seit fast 50 Jahren das Leben der Elefanten in Amboseli und hat während dieser langen Zeit eine große Zahl von Beobachtungen gemacht, welche unser Wissen über das Verhalten der Grauen Riesen geradezu revolutioniert haben. Nicht zuletzt die Erkenntnisse über das Sozialverhalten der Elefanten, ihre Fähigkeit Emotionen und Gefühle zu empfinden und starke Bindungen untereinander (und sogar zu Angehörigen anderer Arten) zu entwickeln haben dazu beigetragen, dass Elefanten von vielen Menschen als ganz besondere Lebewesen betrachtet werden. Und gerade dadurch werden Viele motiviert sich für den Schutz der Grauen Riesen zu engagieren und für ihr Überleben zu kämpfen.

 

Der Amboseli Trust for Elephants wird seine Arbeit auch weiterhin fortsetzen und den Elefanten Amboselis zur Seite stehen.

Wer diese wichtige Organisation und ihre Arbeit für die Elefanten in Amboseli unterstützen möchte kann uns eine Überweisung unter dem Stichwort „ATE“ auf unser Konto mit der

IBAN: DE30 2003 0000 0621 9182 83 und der BIC: HYVEDEMM300 zukommen lassen.

 

Oder ganz einfach per Paypal:

 

 

Wir danken allen Unterstützern im Namen des gesamten ATE-Teams und der Elefanten ganz herzlich dafür!