Amboseli News: August und September 2023

Amber aus der AA-Familie mit ihrem Baby

Im August und September begann in Amboseli allmählich die schwierigere Phase der Trockenzeit, die allerdings nicht mit einer echten Dürre vergleichbar war. Die Nahrung wurde allmählich knapper, doch war weiterhin noch genug für alle Wildtiere vorhanden. Die Elefanten kannten diese Entwicklung sehr gut und passten sich den Gegebenheiten an. Sie teilten sich in kleinere Familiengruppen auf, die sich hauptsächlich aus engverwandten Kühen, meistens Schwestern, und ihren Kälbern, zusammensetzten. Erfahrene Matriarchinnen wie Ulrica von der UA2-Familie sind nun von unschätzbarem Wert für die Elefanten.

 

Ulrica, die Matriarchin der UA2-Familie
Ulrica, die Matriarchin der UA2-Familie

 

Mitglieder der AA-Familie hielten sich gerne in dem Akazienwald auf, in dem das Camp des Amboseli Trust for Elephants (ATE) liegt. Oft kamen sie in die Nähe der Zelte, wo sie vom ATE-Team gesehen wurden. Auch Angelina und ihre Kälber waren dabei. Der Wald besteht aus Fieberbäumen, einer relativ schnellwachsenden Akazienart, die Gebiete mit einem hohen Grundwasserspiegel bevorzugt. In Amboseli gedeiht sie gut, weil der Grundwasserspiegel hoch ist und ihr der hohe Salzgehalt des Bodens im Amboseli-Becken nichts ausmacht. Im Park gibt es mehrere dichte Fieberbaumwälder, die während der Trockenzeit, wenn die Gräser weniger nahrhaft und knapp sind, eine wichtige Nahrungsquelle für viele Wildtiere darstellen. Die Elefanten sind sehr geschickt darin, sich von den Blättern und Zweigen zu ernähren, obwohl diese sehr harte, scharfe Dornen besitzen.

 

Angelina säugt ihre Tochter Alana
Angelina säugt ihre Tochter Alana

 

Am 15. September erhielt der ATE einen Anruf von einem Guide, der sich Sorgen um einen Elefanten machte. Er berichtete, der Elefant verhalte sich „seltsam“ und scheine verzweifelt zu sein. Das Team eilte zu der Stelle, von der er berichtet hatte, und musste feststellen, dass es Abra war, die ein kleines Mädchen zur Welt gebracht hatte. Sie hatte noch Blut an den Beinen, was bedeutete, dass die Geburt nur ganz kurz zuvor stattgefunden hatte.  Abras neues Kalb wurde bald der Familie vorgestellt, die sich sehr über das neue Mitglied freute. Im Laufe des Septembers wurde Abras Kalb bereits von vielen interessierten Elefantenkühen begrüßt. Es sah gesund und kräftig aus.

 

Amber's neues Baby
Ein neues Baby aus der AA-Familie
Amber aus der AA-Familie mit ihrem Baby
Die stolze Mutter und ihre Baby

Eines Morgens wurden die AAs zusammen mit der YA- und der JA-Familie in einem Gebiet gesehen, das direkt an den Akazienwald grenzte. Ebenfalls anwesend war Sabachi, ein unabhängiger Bulle aus der SB-Familie. Sabachi befand sich in Musth und verbrachte Zeit mit einer Kuh der YA-Familie, die paarungsbereit war und von ihm bewacht wurde. Bewachen ist ein übliches Verhalten, das dominante Bullen zeigen, um anderen Bullen den Zugang zu paarungsbereiten Kühe zu verwehren. Wenn diese an einer Paarung mit Bullen interessiert sind, lassen sie sich gerne bewachen, um nicht von jüngeren, weniger interessanten Bullen belästigt zu werden.

Die Kälber aller drei Familien waren besonders gut gelaunt; sie begrüßten sich und spielten ausgelassen miteinander in der Nähe des ATE-Forschungsfahrzeugs.

Auch die EB-Familie hielt sich innerhalb des Parks auf. Sie schienen enger zusammenzubleiben als andere Familien und waren fast immer in Rufweite (etwa zwei Kilometer, ausreichend für Infraschall-Rufe) voneinander entfernt. Enid hatte sich ein wenig von der Familie isoliert. Sie sah körperlich gut aus, zeigte aber durch ihr Verhalten, dass sie traurig oder unglücklich war. Ihre Tochter Elise verhielt sich unglaublich loyal und blieb die ganze Zeit an ihrer Seite. Dies ist für Elefanten äußerst typisch. Angesichts all dessen, was Enid widerfahren ist, war ihr Verhalten keine Überraschung, und sie wird etwas Zeit brauchen, um sich von ihren traumatischen Erlebnissen zu erholen. Aber mit der Unterstützung ihrer treuen  Familie wird sie es schaffen.

Enid, die Matriarchin der EB-Familie
Enid, die Matriarchin der EB-Familie
Elise, die Tochter Enids
Elise, die Tochter Enids

Die EBs verbrachten viel Zeit in den Sümpfen, um die üppige grüne Vegetation zu nutzen, welche die Sümpfe das ganze Jahr über bieten. Eliots neugeborenes weibliches Kalb war äußerst selbstbewusst und fröhlich. Es war eine große Freude, endlich wieder neues Leben bei den EBs zu sehen.

Eliot von den EBs bei der Nahrungssuche im Sumpf
Eliot mit ihrem Kalb bei der Nahrungssuche im Sumpf

Edwinas Gruppe blieb ebenfalls in der Nähe von Enids Teil der Familie, und alle Mitglieder sahen gut aus.  Eudora und Europa verbrachten Zeit mit Edwinas Familienzweig. Esprit war im August im Östrus und wurde bei mehrfach von unterschiedlichen Bullen verfolgt – unter anderem von Michael, Calvin und Ibrahima. Michael ist ein sehr beeindruckend aussehender, noch relativ junger Bulle, der in den kommenden Jahren möglicherweise zu einer der Ikonen Amboselis werden wird. Er wurde 1991 als Sohn Mabels aus der MA-Familie geboren. Michael befand sich in den letzten zwei Monaten in der Musth und erhielt viele Paarungsmöglichkeiten. Calvin ist acht Jahre älter als Michael, hat aber nicht so große Stoßzähne. Ibrahima ist erst 21 Jahre alt und hat daher noch kaum Chancen auf eine Paarung. Das ATE-Team hat nicht gesehen, wann oder mit welchem Bullen sich Esprit gepaart hat, doch es ist gut möglich, dass es entweder Calvin oder Michael war.

 

Europa von den EBs
Europa von den EBs

Auch Fortino, Facebook und Feretia von den FBs wurden regelmäßig mit ihren Kälbern gesehen. Facebook war im September im Östrus und wurde von einem Männchen namens Buyoya aus der BB-Familie verfolgt. Ob sie sich tatsächlich gepaart haben,  konnte allerdings auch in diesem Fall nicht beobachtet werden. Falls ja, dann wird Facebook in zweiundzwanzig Monaten ein Kalb zur Welt bringen.

 

Buyoya, ein Bulle aus der BB-Familie
Buyoya, ein Bulle aus der BB-Familie

Die lange Abwesenheit  von Fanny, der Matriarchin der FBs, macht dem ATE-Team allmählich Sorgen.  Sie vermuten, dass Fanny an den Folgen der jüngsten Dürre gestorben sein könnte. Das Team hatte sie zuletzt Ende Januar gesehen. Da sich ihre Familie vor Ort befindet und regelmäßig beobachtet wird, ist die lange Abwesenheit von Fanny kein gutes Zeichen. Man muss mit Rückschlüssen vorsichtig sein, denn das ATE-Team hatte in der Vergangenheit schon einige Überraschungen erlebt. Aber unter den gegebenen Umständen ist leider fast sicher anzunehmen, dass Fanny gestorben ist. Sie wurde 1969 geboren und befand sich mit 54 Jahren in einem Alter, in dem sie Entbehrungen durch Dürren nicht mehr leicht verkraftet.

Dürreperioden fordern in der Regel das Leben der jüngsten und ältesten Mitglieder einer Population. Und dazu gehören leider oft auch Matriarchinnen. Alle beim ATE sind traurig, dass die FBs offenbar ihre erfahrene Anführerin verloren haben. Dieser Verlust wird auch Auswirkungen auf die Familienstruktur haben. Die älteste lebende Kuh ist jetzt Flossie, aber da sie zu Floras Linie der Familie gehört, während Fanny zu Fredas Linie gehörte, könnte es zu einer Spaltung der Familie kommen. Da die FBs wegen der jetzt schon etwas trockeneren Bedingungen ohnehin dazu tendieren,  sich zur Futtersuche in kleinere Gruppen aufzuteilen, kann man im Moment schwer sagen, ob sich die Familie tatsächlich dauerhaft geteilt hat. Aber mit der Rückkehr des Regens in den kommenden Monaten sollte es möglich sein festzustellen, wer die Führung übernommen hat und ob die Familie zusammenbleibt oder nicht.

Viel erfreulicher sind die Meldungen, die es von der GB-Familie gibt. Sie sind mit dem Amboseli-Ökosystem eng verbunden, vor allem auch mit den Sümpfen, die ganzjährig Wasser und Vegetation bieten. Dadurch konnten sie zu einer der größten Familien dieses Gebiets heranzuwachsen. Wenn die GBs vollzählig versammelt durch die eindrucksvolle Landschaft ziehen, bietet die Familie  einen beeindruckenden Anblick.

Ein Highlight der letzten Monate ist Georgias jüngster Familienzuwachs, eine Tochter, die am 1. August geboren wurde. Georgia ist eine erfahrene Mutter und ihr Kalb hat dank ihrer fachkundigen mütterlichen Fürsorge die besten Chancen. Außerdem genießt Georgia die Unterstützung einer Vielzahl von heranwachsenden Kühen ihrer Familie, die als Kindermädchen alle eifrig mithelfen und für das Wohlergehen des neuesten Familienmitglieds sorgen. Ein Beweis für den starken Zusammenhalt innerhalb der GB-Familie.

 

Georgia und Garamba von den GBs
Georgia und Garamba von den GBs

Georgias Kalb genießt auch die liebevolle Aufmerksamkeit der älteren Kühe in der Familie. Einmal versuchte sie sogar, von ihrer viel älteren Schwester Garamba gesäugt zu werden. Garamba, die sich um ihren eigenen Nachwuchs kümmern muss, gab der Neugier der Kleinen kurz nach und schob sie dann sanft weg. Ihr Jüngster ist mit fünf Jahren inzwischen allerdings nicht mehr auf Milch angewiesen. Vermutlich erwartet Garamba aber bereits ihr nächstes Kalb in nicht mehr allzu ferner Zukunft. Im Durchschnitt bekommen Elefantenkühe in Amboseli alle drei bis fünf Jahre ein Kalb.

Die GB-Familie fasziniert das ATE-Team ganz besonders mit ihrer Unverwüstlichkeit, ihrem Zusammenhalt und ihren verspielten, ungestümen Kälbern. Und so hoffen wir auf viele weitere außergewöhnliche Begegnungen und Berichte, die uns Einblick in das Leben der sanften Riesen von Amboseli geben.

Die OA-Familie hatte sich während der letzten Monate leider etwas rätselhaft verhalten, was es selbst für die erfahrenen und engagierten Forscherinnen des ATE schwierig machte, sie zu entdecken. Ihre Gewohnheit, inner- wie außerhalb des Parks Nahrung zu suchen, gepaart mit ihrer Vorliebe für immer wieder unterschiedliche Routen, hat die Versuche des Teams, sie zu sichten, mit wenig Erfolg belohnt.  Es wurden stets nur Teile der Familie entdeckt: Die eigentlichen OAs einmal am 16. August und die OA2 ein anderes Mal am 22. August. Es besteht Grund zu der Annahme, dass sich die OAs noch immer im selben Gebiet aufhalten, da in der Nähe auch ihre Verwandten und Freunde von der CB-Familie angetroffen wurden. In den Sümpfen des Parks herrscht reger Elefantenbetrieb, was vermuten lässt, dass die OAs unter ihnen sind und nur auf den richtigen Moment warten, um sich dem ATE-Team zu präsentieren. Wir bleiben optimistisch, dass demnächst weitere Sichtungen folgen werden.

 

Eine Elefantenfamilie auf dem Weg durch Amboseli
Eine Elefantenfamilie auf dem Weg durch Amboseli

Die PC-Familie bereitete dem Team hingegen nicht so große Probleme. In den vergangenen zwei Monaten wurden sowohl Petula als auch Placida und ihre Familienmitglieder von den ATE-Forscherinnen entdeckt. Vor allem Petulas Gruppe wurde häufiger in der Mitte des Parks gesichtet. Die PCs gedeihen weiterhin prächtig. Häufig wurden sie beobachtet, wie sie hüfttief durch das Wasser der Sümpfe wateten – ein Anblick, den das ATE-Team leider nicht aus der Nähe genießen konnte, da es außerhalb bleiben musste. Bei den Begegnungen mit der PC-Familie zeichneten sich diese durch ihr ruhiges und gelassenes Verhalten aus, was einen eindrucksvollen Kontrast zu einigen anderen Elefantenbegegnungen im Park darstellte.

Im August und September befanden sich auch viele Bullen im Park, darunter Must-Bullen wie Michael und Sabachi. Da während der Dürre viele noch milchabhängige Kälber gestorben sind, kamen nun viele Kühe fast gleichzeitig wieder in den Östrus. Und das lockte die außergewöhnlich vielen Bullen in den Park. Musth-Bullen wie Michael und Sabachi haben dabei die besten Paarungschancen.

 

Michael, ein eindrucksvoller Bulle
Michael, ein eindrucksvoller Bulle
Sabachi, ein Bulle in Musth
Sabachi, ein Bulle in Musth

 

Der September erwies sich für das Team des ATE auch anderweitig als ein sehr geschäftiger Monat. Alle Mitglieder hatte das Privileg, an der Konferenz des Wildlife Research and Training Institute (WRTI) in Naivasha teilzunehmen. Bei diesem Treffen kamen Experten aus ganz Kenia und darüber hinaus sowie Vertreter der kenianischen Regierung zusammen. Hauptziel war es, sicherzustellen, dass die Erkenntnisse der Fachleute in die Entscheidungsprozesse der kenianischen Naturschutzpolitik und Landesentwicklungspläne einfließen. Einen besonderen Schwerpunkt  bildeten die Auswirkungen neuer Bauvorhaben, wie z. B. eine geplante Schnellstraße von Nairobi nach Mombasa, die durch wichtige Nationalparks mit zahlreichen Wildtiere führt.

Die Konferenz bot eine Plattform für offene Dialoge über die Schwierigkeit, wirtschaftliche Entwicklung mit dem Schutz der Wildtiere zu vereinen. Es war erfreulich zu sehen, dass das Wissen und die Empfehlungen des ATE von der Regierung anerkannt und berücksichtigt wurden. Das machte Hoffnung und motivierte das Team, sich an den Diskussionen zu beteiligen, die darauf abzielten, nachhaltige Lösungen für den Schutz von Kenias wertvoller Tierwelt zu finden.

Amboseli News: Juni und Juli 2023

Esposito unternahm eine außergewöhnliche Wanderung

Juni und Juli waren wundervolle Monate in Amboseli. Auch wenn es allmählich wieder trockener wurde, gab es weiterhin eine ausreichende Menge und Vielfalt an Vegetation für die Tiere. Wie erwartet kehrten jetzt viele Elefanten, die während der Regenzeit über die Grenzen des Nationalparks hinaus gewandert waren, wieder zurück. Darunter befanden sich auch Familien, die sonst nicht so häufig zu sehen sind, wie beispielsweise die RAs. Wir freuen uns besonders, dass auch Rea, Risas Tochter, die nach der Kurzform unseres Vereinsnamens benannt wurde, dabei war und sich in sehr guter Verfassung befand. Ganz offensichtlich hatte sie sich wieder von den Auswirkungen der Dürre erholt.

 

Rea, Risas Tochter aus der RA-Familie
Rea, Risas Tochter aus der RA-Familie

„Amboseli News: Juni und Juli 2023“ weiterlesen

Amboseli News: Dezember 2022 und Januar 2023

Angelina und ihre Kälber

Im Dezember und Januar war die schreckliche Dürre des letzten Jahres endlich zu Ende und wurde durch die lang ersehnte Regenzeit abgelöst. Die Vegetation begann sich zu erholen und mit ihr auch die Elefanten und viele andere Tiere.

Allerdings hielten sich die Niederschlagsmengen doch in Grenzen, und zudem waren sie in unterschiedlichem Ausmaß über das Gebiet verteilt. Außerhalb des Parks hatte es teilweise mehr Regen gegeben, und so wanderten im Dezember zahlreiche Tiere dorthin. Im Januar kehrten aber viele von ihnen, vor allem Gnus, bereits wieder zurück – wesentlich früher als sonst, denn normalerweise bleiben sie zwei bis drei Monate in den außerhalb liegenden Weidegründen. Vermutlich waren also auch dort die Bedingungen nicht besonders gut gewesen, und dies könnte zudem zu verstärkter Konkurrenz mit dem Vieh der lokalen Bevölkerung geführt haben. Die Elefanten waren von diesem Problem weniger betroffen, da sie nicht ausschließlich auf Gras angewiesen sind, sondern auch andere Pflanzen als Nahrung nutzen. Doch leider lässt die frühe Rückkehr der Gnus befürchten, dass sich Amboseli insgesamt nur notdürftig von der Dürre erholt hat und bis zum Beginn der nächsten Regenzeit, die man im April erwarten darf, erneut harte Zeiten auf die Wildtiere zukommen. „Amboseli News: Dezember 2022 und Januar 2023“ weiterlesen

ATE News: April und Mai 2022

Ann von den AAs mit ihren Kälbern.

April und Mai sind normalerweise die niederschlagsreichsten Monate in Amboseli, doch in diesem Jahr waren die Regenfälle fast vollständig ausgeblieben, und anstelle der „Großen Regenzeit“ gab es den Beginn einer neuen schlimmen Dürreperiode. Auf die Elefanten und andere Wildtiere, die Menschen der umliegenden Gebiete und ihr Vieh werden harte Zeiten zukommen, bis es Ende Oktober oder Anfang November hoffentlich wieder regnet. Wasser als solches ist in Amboseli zwar immer in den Sümpfen zu finden, doch die Weideflächen veröden, und die Nahrung wird knapp.

Viele Elefanten – auch solche, die sonst meistens außerhalb des Parks unterwegs sind –  kehrten in das Zentrum des Schutzgebiets zurück. Hier finden sie in den Sumpfgebieten während der Trockenzeiten noch die verlässlichsten und ergiebigsten Nahrungsressourcen.

 

Elefanten am Rand eines Sumpfes.
Elefanten am Rand eines Sumpfes

„ATE News: April und Mai 2022“ weiterlesen

ATE News: Dezember 2021 und Januar 2022

Angelina und ihre Tochter

Im Dezember kam es endlich zu einem Ende der langen und harten Trockenzeit, und die langersehnten Regenfälle verwandelten das Land in ein grünes Paradies. Für die Elefanten begann nun eine wundervolle Zeit, während der sie sich von den überstandenen Entbehrungen erholen konnten.

Die AA-Familie musste allerdings mit einem sehr schmerzhaften Verlust fertig werden: Das männliche Zwillingskalb Angelinas war gestorben. Doch die Familie hielt auch in dieser schweren Zeit zusammen, schaffte es, ihre Trauer zu überwinden, sich über neues Leben zu freuen und wieder nach vorne zu blicken.

 

Der große Bulle Bjorn
Der große Bulle Bjorn

 

Der Beginn der Regenzeit hatte zur Folge, dass die meisten Elefanten den Park verließen, um die außerhalb liegenden Gebiete zu durchstreifen. Im Januar kehrten aber viele bereits wieder zurück; zuerst hauptsächlich Familiengruppen und gegen Ende des Monats auch Bullen in größerer Zahl. Der berühmte Craig wurde gesehen, allerdings nicht in Gesellschaft von Familien. Doch andere Bullen wie Bjorn und Liagat konnten zusammen mit Kühen beobachtet werden. Der eindrucksvolle Bjorn kam eines Tages sogar direkt zum ATE-Camp. Er hat zwar keine besonders langen Stoßzähne, ist aber definitiv einer der größten Bullen Amboselis. Und Liagat wurde beobachtet, wie er sich mit Ramulosa von der RA-Familie gepaart hat.

Der Jahresanfang war eine unglaublich schöne Zeit in Amboseli – mit regelmäßigen Blicken auf den schneebedeckten Kilimandscharo und großen Elefantenansammlungen im Park.

Die FBs gehörten zu jenen Familien, die den Park im Dezember verlassen hatten und im Januar zurückkamen. Es ging ihnen gut, und alle Kälber waren in bester Verfassung. Speziell auch Floppys Kalb, welches Ende November ziemlich abgemagert aussah, hatte sich deutlich erholt. Eine große Erleichterung für das ATE-Team! Matriarchin Fanny hat ziemlich gute Arbeit geleistet. Sie ist jetzt 53 Jahre alt und damit in einem guten Alter für eine Leitkuh. Früher war es ihr nicht immer gelungen, die Familie so zusammenzuhalten wie ihre Vorgängerin Felicity. Solange diese noch lebte, kam und ging Fanny mit ihrem Teil der FBs, wie es ihr gefiel. Bei ATE dachte man manchmal, dass FelicitysTöchter (Fadila, Fizz und Fezara) sich vielleicht abspalten und einen eigenen Familienzweig gründen würden. Doch das ist bisher nicht geschehen. Es wäre wünschenswert, wenn die FBs zusammenblieben, denn größere Familien haben meistens bessere Überlebenschancen. Sie können flexibel auf unterschiedliche Bedingungen reagieren, sich in mageren Zeiten in kleinere Gruppen aufteilen und in besseren wieder zusammenschließen.

 

Liagat und Ramulosa
Liagat und Ramulosa

 

Die EBs verließen den Park im Dezember und wurden nur einmal im Januar inmitten einer großen Elefantenherde gesehen. An diesem Tag waren mehr als 300 Elefanten zusammen, und das ATE-Team war geradezu überfordert, alle Zähl- und Sichtungsdaten zu erfassen! Die EBs sahen sehr glücklich aus inmitten so vieler anderer Familien und Bullen. Es ist etwas ganz Besonderes, Elefanten auf diese Weise zusammenkommen zu sehen, und Amboseli ist einer der letzten Orte, an denen das noch möglich ist.

Auch die GBs wurden inmitten einiger großer Elefanten-Herden gesichtet, die sich auf der Ostseite des Parks versammelt hatten. Dabei waren sie vor allem mit befreundeten Familien wie den BCs, LDs, KBs und HBs zusammen. Auch ihre jüngsten Familienmitlieder wirkten gesund und kräftig. Speziell das im November geborene Kalb von Gigabytes war sehr lebhaft, und das Kalb von Garamba sah richtig rund aus und wuchs schnell.

Die PCs kamen regelmäßig direkt zum ATE-Camp. Das neue weibliche Kalb von Perwinkle wirkte sehr neugierig und selbstbewusst. Sie liebte es, mit ihrer älteren Schwester Pavela und ihrer Cousine Pilapila zu spielen. Sie hat auch einen älteren Bruder namens Pilau, aber sein Interesse, mit ihr zu spielen, war eher begrenzt.

 

Manchmal kommen Elefanten in Amboseli sehr nahe an Besucher heran.
Manchmal kommen Elefanten in Amboseli sehr nahe an Besucher heran.

 

Von einigen Familien konnten nur Teilgruppen beobachtet werden. So wurde von den OAs die Gruppe von Olympia nicht gesichtet, doch die Gruppe von Onyx dafür regelmäßig. Onyx hielt sich an die Routine ihrer Mutter Orabel und erwies sich als großartige Matriarchin. Orabel war lange Zeit die Matriarchin der Familie, aber selbst zu ihrer Zeit entschied sich Olympia oft dafür, ihren Familienzweig auf ihre eigene Weise zu führen. Höchstwahrscheinlich wird sie wie viele andere Familien nach der kleinen Regenzeit im Juni oder Juli in den Park zurückkehren.

Onyx‘ Familienteil sah sehr gut aus. Oralees weibliches Kalb, das im November geboren wurde, gedieh prächtig, war sehr selbstbewusst und liebte es, Zeit mit ihren hochmotivierten Kindermädchen Okota und Obamba zu verbringen! An heißen Tagen zogen sich die Elefanten gegen Mittag oft zeitig in die Sümpfe zurück, um sich abzukühlen. Oralees Tochter spielte aber auch gerne in den Pfützen entlang des Weges, sorgfältig bewacht von ihrer Familie.

 

Zwei spielende Bullen
Zwei spielende Bullen

 

Die AAs erwiesen sich wie immer als besonders standorttreu und blieben die ganze Zeit im Zentrum des Parks. Leider mussten sie mit einem traurigen Verlust fertig werden: Das männliche Zwillingskalb Angelinas ist im Dezember gestorben.

Elefanten haben nur sehr selten Zwillinge und wenn doch, dann überlebt meistens nur einer von ihnen, denn für Elefantenkühe ist es im Allgemeinen schon schwer genug, ein Kalb mit ausreichend Milch zu versorgen. Bei Angelinas Zwillingen hatte es zunächst sehr gut ausgesehen, denn sie waren in einer Zeit mit besonders reichem Nahrungsangebot geboren worden, die sich fast ununterbrochen die ersten anderthalb Jahre ihres Lebens fortsetzte. Doch ab Mitte Mai 2021 begann die lange und harte Trockenzeit und Angelina hatte offensichtlich nicht mehr ausreichend Milch für zwei Kälber. Beide Zwillinge begannen sichtbar an Kondition zu verlieren – besonders aber Angelinas Sohn. Normalerweise wachsen Bullenkälber deutlich schneller als Kuhkälber, benötigen dafür aber auch mehr Energie. Der Nahrungsmangel wirkte sich daher besonders für den männlichen Zwilling sehr schlimm aus.

Für das Team des Amboseli Trust for Elephants war es schwer, dies beobachten zu müssen. Sie wussten zwar um die besonderen Probleme von Zwillingskälbern, hofften aber trotzdem, dass es beide Kälber Angelinas schaffen würden – zumal sich der Sohn als sehr willensstark gezeigt hatte.

Cynthia Moss und ihre Team-Mitglieder beobachten die Elefanten Amboselis seit nun fast fünfzig Jahren, und gerade die AAs sehen sie fast täglich. Sie verbringen ungezählte Stunden damit, sie zu beobachten und ihre Persönlichkeiten kennenzulernen.  Da ist es selbstverständlich, dass sie starke emotionale Bindungen zu den Elefanten aufbauen und bei Problemen helfen möchten.

 

Angelina, ihre Zwillinge und zwei Kindermädchen
Angelina, ihre Zwillinge und zwei Kindermädchen, als die Zeiten noch gut waren

 

Doch müssen sie sich an die Regel halten, nur dann einzugreifen, wenn ein Problem von Menschen verursacht oder ein Elefant von seiner Familie verlassen wurde. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einerseits ist es nicht so, dass Elefanten in menschlicher Obhut automatisch bessere Überlebenschancen haben als solche, die bei ihren Familien bleiben. Die Situation ist für beide sehr kritisch. Und andererseits würde eine Gefangennahme sowohl für das betreffende Kalb wie auch die anderen Mitglieder seiner Familie erheblichen Stress bedeuten. Und Stress kann bei Elefanten zu allen möglichen gesundheitlichen Problemen führen. Hätte man Angelinas Sohn seiner Familie weggenommen, so hätte damit gerechnet werden müssen, dass dies nicht nur für ihn, sondern für seine gesamte Familie, vor allem Mutter und Zwillingsschwester, sehr negative Auswirkungen haben konnte und womöglich beide Kälber nicht überleben würden.

Daher entschied sich das ATE-Team schweren Herzens, nicht einzugreifen, sondern die Entwicklung abzuwarten. Die Zwillinge sollten die Chance erhalten, zusammen mit ihrer Familie zu überleben. Und im schlimmsten Fall würde Angelina dann hoffentlich nur ein Kalb verlieren. Nur wenn die Familie selbst einen der Zwillinge aufgegeben hätte, wäre eingegriffen worden. Doch dies war nie der Fall. Angelina und ihre Familie kämpften stets um beide Kälber. Die Solidarität unter ihnen war wirklich beeindruckend, und auch dies bestärkte Cynthia und ihre Kolleginnen in ihrem Entschluss.

Leider haben es die AAs trotzdem nicht geschafft und Angelinas Sohn verloren. Nun müssen sie um seinen Tod trauern – wie sie schon oft um ihre Toten getrauert haben, vor allem auch um Kälber. Im Vergleich zu anderen Familien haben die AAs leider eine relativ hohe Kälbersterblichkeit. Das liegt vor allem daran, dass sie sehr viel Zeit mit der Nahrungssuche in den Sümpfen verbringen. Die jungen Kälber müssen den ganzen Tag durch zähen Schlamm waten, was sie sehr anstrengt und äußerst kräftezehrend ist. Gleichzeitig können sie dabei nur relativ selten gesäugt werden. Diese beiden Faktoren sind wohl hauptsächlich für die geringe Überlebensrate der AA-Kälber verantwortlich.

Ganz anders ist die Situation bei Pazia aus der PA-Familie, die im Moment ebenfalls Zwillinge (zwei männliche Kälber) hat. Sie folgt einer völlig anderen Strategie als Angelina. Pazia verbringt viel mehr Stunden an Land, und wenn die PA’s doch die Sümpfe aufsuchen, haben sie einen gut organisierten „Kindergarten“ mit Nannys, die sich um die jungen Kälber kümmern, während die Mütter im Sumpf unterwegs sind.  Die Kälber werden von den Kindermädchen beschützt, die mit ihnen am Rand des Sumpfes bleiben und warten, bis die Mütter von der Nahrungssuche zurückkehren. Diese koordinierte Zusammenarbeit verbessert die Überlebenschancen der PA-Kälber deutlich.

 

Elefanten in den Sümpfen Amboselis
Elefanten in den Sümpfen Amboselis

 

Nach ihrem Verlust verbrachten die AAs die meiste Zeit auf einer Insel in der Mitte des Sumpfes, wo sie nur schwer zu beobachten waren. Angelina befand sich in der Nähe von Astrid, der Matriarchin der AAs. Doch dann gab es eine große Überraschung, als die Familie eines Tages direkt zum ATE-Camp kam. Das gesamte Team war begeistert über diesen Besuch, der das große Vertrauen der AAs ihnen gegenüber zeigte. Die Freude verdoppelte sich aber noch, als man feststellte, dass Ann ein neugeborenes weibliches Kalb an ihrer Seite hatte! Es war ein echtes Geschenk, dass Ann dem Team erlaubte, ihr Neugeborenes aus nächster Nähe zu sehen und ihre Freude mit ihnen teilte. Dieses neue Baby hat mit Sicherheit auch der gesamten Familie sehr gut getan, und es sah gesund und kräftig aus.

Während die AAs Zeit in der Nähe des Camps verbrachten, konnte das Team auch Angelina sehen und stellte fest, dass ihr weibliches Zwillingskalb bereits an Kondition gewonnen hatte. Da es die Milch nicht mehr teilen musste, konnte es sich in nur kurzer Zeit schon sichtbar erholen. Sie hat nun wirklich gute Chancen, es zu schaffen.

 

Angelina und ihre Tochter
Angelina und ihre Tochter

 

Bei diesem Besuch bemerkte man auch, dass sich Aurora B, die jetzt zwölf Jahre alt ist, im Östrus befand. Aurora B ist eine Tochter von Amber, welche bereits 2016 gestorben war und Aurora B im Alter von sechs Jahren als Waise hinterlassen hatte. Aurora B blieb damals bei der Familie und folgte vor allem ihrer Tante Angelina, die für sie zur Ersatzmutter wurde. Ein sechsjähriges Kalb benötigt zwar keine Milch mehr, braucht aber immer noch die Führung und die Fürsorge seiner Mutter. Es war daher großartig, dass Angelina diese Aufgabe übernommen hatte. Sie wird sicher auch eine wundervolle Großmutter sein.

Die Elefanten in Amboseli haben wirklich harte Zeiten hinter sich. Und auf die AA-Familie trifft dies in besonderem Maße zu. Doch allmählich scheinen sie sich davon zu erholen, durch neue Kälber neue Freude zu finden und wieder nach vorne zu blicken. Die erfahrenen Kühe haben diese Gegensätze schon oft erlebt. Sie wissen, wie hart und grausam die Natur sein kann – aber auch, dass selbst auf die schlimmsten Katastrophen wieder bessere Zeiten folgen.

Das Team des Amboseli Trust for Elephants wird auf jeden Fall weiter an ihrer Seite sein und sich dafür einsetzen, dass Amboseli auch in Zukunft eine sichere Heimat für Elefanten bleiben wird.

 

Wer diese wichtige Organisation und ihre beeindruckende Arbeit für die Elefanten in Amboseli unterstützen möchte, kann uns eine Überweisung unter dem Stichwort „ATE“ auf unser Konto mit der

IBAN: DE30 2003 0000 0621 9182 83 und der BIC: HYVEDEMM300 zukommen lassen.

 

Oder ganz einfach per Paypal:

 

 

 

Wir danken allen Unterstützerinnen und Unterstützern im Namen des gesamten ATE-Teams und der Elefanten ganz herzlich dafür!