Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im Dezember 2006

Die Waisen in der Nairobi-Nursery

Ein großes Ereignis war die Ankunft des zweijährigen „Kenze“, der die Nursery-Gruppe auf ein rundes Dutzend wachsen ließ. Er wurde von einem unserer „Desnaring-Teams“, die Wilderer-Fallen unschädlich machen, – in einem Dorf namens Chyulu nahe dem gleichnamigen Nationalpark gefunden und kam in einem so bedauernswürdigen Zustand an, dass wir alle geschockt waren. Nur noch Haut und Knochen, buchstäblich jeder Zentimeter des Körpers mit Zecken bedeckt. Nachdem er sich zunächst noch heftig gegen die Wärter in seinem Stall gewehrt hatte, brach er sechs Stunden nach seiner Ankunft zusammen. Jetzt konnten seine Wunden untersucht und die lebensrettende Infusion an eine seiner Ohrvenen gelegt werden. Zwei Wärter blieben in der Nacht bei ihm und wechselten den jeweiligen Tropf mit Traubenzucker- und Kochsalzlösung aus, so dass ihm bis zum nächsten Morgen literweise Flüssigkeit in sein Blut lief.

Wir hatten nicht erwartet, dass er am Morgen noch leben würde, doch offensichtlich war er ein Überlebenskämpfer und wehrte sich tapfer. Er war wieder einigermaßen bei Bewusstsein, so dass er einzelne Portionen Haferbrei und Kokoskuchen schluckte. Allen Menschen gegenüber immer noch sehr aggressiv,- wurde ihm Grünfutter in die Stallung gebracht, das er hungrig verschlang. Er trank auch Wasser mit Salzen zur Rehydrierung aus einem Eimer, den wir vor seiner Stalltür aufhängten; nur Milch wollte er von einer menschlichen Hand nicht annehmen. Bereits am dritten Tag probierte er jedoch davon, als sie ihm wieder durch die Gitter seiner Stalltür gereicht wurde, und nur zwei Tage später akzeptierte er einen Wärter innerhalb seines Stalles. Dennoch, der Umgang mit ihm trotzdem ist aufgrund seiner Aversion auch drei Wochen später noch nicht uneingeschränkt möglich. Die Wärter dürfen ihm nicht einmal eine Decke überhängen, um ihn vor der Witterung zu schützen. Nur wenn er sich zum Schlafen hinlegt, ist dies möglich.

Aufgrund der ungewöhnlich großen Schwierigkeiten, ihn zu zähmen, wurde deutlich, dass Kenze in seinem kurzen Leben bereits Zeuge entsetzlicher Schikanen und Greueltaten durch Menschen geworden war. Kamboyo, der ihn von Anfang an niederdrücken wollte, um seine Kraft zu demonstrieren, war uns hierbei auch keine große Hilfe. Kenze schlingt den Inhalt seiner Flasche hinunter und weicht dann so weit wie möglich von den Wärtern zurück, immer in Deckung vor Kamboyo, der sich überhaupt nicht gastfreundlich zeigt. Wie auch immer, er wird es sich merken und sich revanchieren, sobald er seine Kräfte zurückerlangt hat! Er freundete sich mit Lenana und Zurura an, die beide sehr besorgt schienen über seine Einsamkeit und sein Unglück. Die beiden halfen ihm zu verstehen, dass die Wärter seine neuen Freunde und menschliche Familie sind und dass sie ihm nicht weh tun, sondern helfen wollen. Wie andere vor ihm, zum Beispiel Challa und Rapsu, die ebenfalls als Zweijährige zu uns kamen, wird auch Kenze bald wieder gesund werden und zu einem großen, starken Elefantenbullen heranwachsen. Bereits jetzt ist er überdurchschnittlich groß für sein Alter. Wir sind sehr zuversichtlich, dass er nächstes Jahr um die gleiche Zeit mit den anderen in Ithumba herumtoben wird.

In der Zwischenzeit benötigten Shimba und dann auch Galdessa als erste der vier winzigen Babys Medizin, um einsetzende Symptome zu behandeln, die sich bei anderen Waisen als lebensbedrohlich herausstellten, so zum Beispiel Abgeschlagenheit und ein zu häufiger und reichlicher Kotabsatz. Sie erhielten beide eine Sulfadimidin-Kur [Antibiotikum], und beiden geht es bedeutend besser. Die Nächste in der Reihe für die Sulfadimidin-Behandlung war – aus den gleichen Gründen – Lesanju. Bisher blieb nur Klein-Lempaute verschont.

Die Voi-Waisen

Nach einer fast drei Jahre anhaltenden Dürre verwandelte sich der Tsavo-Park durch reichlich Niederschläge in einen Garten Eden für Elefanten. Uaso tauchte fast täglich auf, um die Waisen auf ihre Weideflächen zu begleiten, mit ihnen in den Wasserlöchern zu spielen und seine Kraft einzusetzen, um einen Baum beiseitezuschaffen, der ihnen den Weg zu einen besonders verführerischen Ameisenhügel versperrte. Inzwischen eindeutig der Liebling aller, wird er jedes Mal mit unbändiger Freude empfangen und nimmt sogleich die anführende Position ein, womit er Natumi, die eigentliche Leitkuh, zum ganz normalen Mitglied der Gruppe degradiert! Einmal wollte sie sich wehren, doch Uaso wendete ihren Angriff ab, indem er ein Spiel daraus machte; er legte sich einfach auf den Boden und wehrte sie mit seinem Rüssel ab, bis sie aufgab und, das eigentliche Ziel ihres Angriffs längst vergessen, in Uasos Spiel einstimmte.

Einmal führte Uaso die Gruppe ans nördliche Ende des Mazinga-Hügels, wo sie eine riesige wilde Kuh, ihren Sohn im Teenageralter und ein anderes Kalb trafen. Als es Zeit war zu gehen, wollte diese Kuh nicht von den Waisen ablassen und versuchte, ihnen den Weg zu den rufenden Wärtern zu versperren. Einigen der Waisen gelang der Weg zurück zu ihren Wärtern, doch auf dem Heimweg wurden sie von Emily, Aitong, Sally, Ilingwezi und Tsavo abgefangen! Um Mitternacht kam die Gruppe endlich wieder bei den Stallungen an, angeführt von Emily und Ilingwezi, die danach wieder zu Aitong, Sally und Tsavo, den anderen Mitgliedern aus Emily’s (inzwischen) wilder Gruppe, zurückkehrten.

Der einzige Kontakt zu Wildtieren war in diesem Monat der mit zwei freundlichen wilden Bullen, zu denen sie von Uaso gebracht wurden. Die Waisen fühlten sich von den beiden Fremden offenbar etwas eingeschüchtert, Lolokwe aber brach das Eis, als er sich ihnen annäherte und sie ihn mit einer freundlichen und sanften Berührung ihrer Rüssel grüßten.

Die – Ithumba-Waisen

Es war ein wahrhaft wundervoller Monat, durchsetzt mit lang anhaltenden und kurzen Regenfällen; so gab es Futter und Wasser in Hülle und Fülle. Ein einsamer wilder Bulle besuchte die Waisen eines Nachts, doch wie gewöhnlich konnten sie ihn am nächsten Tag nicht einholen. Sie folgten auch den Spuren einer wilden Herde, die ihr Heimatgebiet durchquert hatte. Das Fahrzeug, welches das Grünfutter für die Nacht zu den Stallungen bringt, traf einmal auf einen Bullen mit nur einem Stoßzahn (wahrscheinlich der nächtliche Besucher), doch leider war es zu spät, um die Ithumba-Waisen zu mobilisieren. Die Tatsache, dass er man ihn zu Gesicht bekommt, zeigt jedoch, dass er zutraulicher wird.

Eines Morgens gab es ein großes Drama, als sich die Waisen morgens auf die Futtersuche machten. Zwei Dikdiks rannten schutzsuchend an ihre Seite, mit vier Wildhunden auf den Fersen! Beim Anblick der Elefanten und der Wärter, machten die Wildhunde auf der Stelle kehrt, und die Waisen eilten herbei, um ihre Wärter zu beschützen – jedoch nur Yatta, Kinna, Mulika und Nasalot brachten genügend Mut auf, sich drohend in die Richtung zu wenden, in die die Wildhunde verschwunden waren, und sie harrten aus, bis sie sicher waren, dass keine Gefahr mehr drohte!

Ein anderes aufregendes Ereignis in diesem Monat war die Begegnung mit einem Büffel auf dem Weg zum Schlammbad, das glimpflich endete, als der Büffel mit lautem Getöse durch den Busch davon rauschte. Die Waisen und ihre Wärter rührten sich nicht vom Fleck, bis sie sicher waren, dass der Büffel verschwunden war. Der Weg zum Schlammloch wurde fortgesetzt, und wurde von jeder Menge Drohgebärden, Trompeten und Zertrampeln von kleineren Büschen begleitet.

Die kämpfenden Bullen wurden wie immer von den älteren Kühen zur Raison gebracht, und Napasha musste einige Male bestraft werden, weil er aus der Reihe tanzte und eine der großen Kühe herausfordern wollte. Als Kinna einmal versehentlich auf Wendis Rüssel trat und diese vor Schmerz aufschrie, eilte Yatta herbei, legte ihren Rüssel auf Wendis Rücken und berührte sanft ihren Mund, was einem Kuss gleichkam. Jeder Eintrag ins Tagebuch zeigt, wie mitfühlend und fürsorglich die Waisen miteinander umgehen und enthält jede Menge Beispiele an Liebesbeweisen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die vergangenen Monate eine sehr schöne Zeit für die Ithumba-Gruppe waren. Es gab köstliches Grünfutter im Überfluss für alle unsere Waisen, nachdem Kenia Niederschläge eines noch nie da gewesenen Ausmaßes erreichten – für die Menschen und auf den Straßen hinterließen sie ein zerstörerisches Chaos, für die Natur waren sie ein Geschenk des Himmels.