Die Operationen von Emily und Irima am 11. Mai

Die Keeper in Voi unternehmen regelmäßig motorisierte Patrouillen, um die Entwicklung unserer inzwischen ausgewilderten Waisen weiter zu verfolgen. Emily muss sich innerhalb der Grenzen des Nationalparks Tsavo-Ost aufgehalten haben, als sie um den 4. Mai 2010 von einem Pfeil in ihren Rumpf getroffen wurde. Zum Glück war der Pfeil nicht, wie sonst oft üblich, mit Gift überzogen, sondern für kleinere Wildtiere wie Antilopen bestimmt. Ohne Zweifel wurde er von einem Wilderer auf der Jagd nach Wildfleisch (so genanntes „bush meat“) abgefeuert. Emily brauchte Hilfe, und sie wusste es. Als die Keeper sie am selben Abend sichteten, war sie mit ihrer Gruppe bereits auf dem Weg zu den Stallungen.

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Der Tierarzt unserer mobilen Einheit wurde sofort informiert. Elefantenwaise Emily ist mittlerweile eine Weltberühmtheit, Hauptakteurin in vielen Dokumentarfilmen über unsere Waisen, die über die Bildschirme in fast aller Herren Länder flimmern. Überdies wurde sie nach Eleanor die Hauptleitkuh der Tsavo-Waisen. Im zarten Alter von einem Jahr wurde sie mit der Flasche aufgezogen und zählt mittlerweile 17 Jahre. Sie ist stolze Mutter von Eve, die am 10. Dezember 2008 in der Wildnis Tsavos zur Welt kam und sofort ihrer Menschenfamilie, also den Keepern, vorgestellt wurde. In der Tat ereignete sich die Geburt gar nicht weit entfernt von den Stallungen. Emily wurde damals von zwei wilden Elefanten-„Hebammen“ betreut und alle Kühe der wilden Herde waren bei ihr. Erst als die Kühe verschwanden, brachte sie die kleine Eve in die Stallungen nach Voi zu den ihr vertrauten Keepern.

Dr. Poghorn, der Tierarzt der mobilen Einheit organisierte alles für eine Operation am nächsten Morgen und wartete gemeinsam mit den Keepern auf Emilys Ankunft im Stallgelände. Kaum angekommen, wurde ihr Baby zusammen mit ihrer Babysitterin Sweet Sally in einen der Ställe gelockt, wo sie während der Operation bleiben sollten, um nicht zu stören.

Emily wurde mit M99 (Etorphin, ein halbsynthetisches Opiod) betäubt und Dr. Poghorn nahm seine Arbeit auf. Seine Arbeit wurde von einem Team der National Geographic aufmerksam festgehalten und fotografiert, denn in Kürze soll in dem Magazin ein großer Beitrag über unsere Waisen erscheinen. Der Pfeil saß tief und musste heraus geschnitten werden. Im Anschluss wurde die Wunde gereinigt und Emily erhielt ein langwirksames Antibiotikum, bevor sie mit einem Antidot aus ihrer Betäubung geweckt wurde. Es dauerte nicht lange und sie stand wieder auf ihren Beinen, glücklich vereint mit Baby Eve, die von ihrer Mutter erst im letzten Jahr zum Aufpäppeln in die Stallungen gebracht wurde. Im vergangenen Sommer hatte Kenia eine schlimme Dürre heimgesucht, Emily konnte wegen des Futtermangels nicht genügend Milch produzieren und ihr Kälbchen drohte zu verhungern. Es war der größte Dank, die kleine Eve nun proper und glücklich wieder zu sehen, denn Tsavo ist nach der schlimmen Trockenheit, die viele Wildtiere ihr Leben kostete, wieder saftig und grün.

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Nachdem Emily versorgt war, begutachtete Dr. Poghorn auch die alte Verletzung von Irima, die immer noch Anzeichen einer Sepsis zeigte. Er betäubte auch sie für eine genaue Adspektion. Irima gehört zu Emilys ehemaliger Gruppe Waisenelefanten. Sie wurde vor einigen Wochen mit einer Wunde an ihrem Gesäß gefunden, und obwohl man in der Wunde selbst nichts finden konnte, war sie immer noch nicht abgeheilt. Glücklicherweise gab auch diese zweite Operation keinen Hinweis auf einen Fremdkörper, und aus der Nähe betrachtet, konnte man sehen, dass die Heilung, wenn auch nur langsam, voranschritt. Die Wunde wurde erneut gereinigt und nach Verabreichung einer Antibiose wurde Irima wieder aufgeweckt.

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Alle Waisen kamen in den Genuss einer Extraportion Kopra (Kokoskuchen) und spielten noch eine Weile auf dem Stallgelände, wohlwissend, dass sie hierhin immer zurückkehren können, wenn sie einmal Hilfe brauchen. Es ist beruhigend für uns zu wissen, dass sie genau das auch verstanden haben und im Laufe der letzten Jahre bei Bedarf immer wieder davon gebraucht machten. Seien es Wunden verursacht durch Pfeile, Schlingfallen oder gar Schüsse – oder auch nur ein angebrochener Stoßzahn nach einer heftigen Kraftprobe.