Die Rettung von Kindani

Jede Rettung eines Waisenelefanten ist mit verschiedenen Schwierigkeiten verbunden, aber bei der kleinen Kindani kamen gleich mehrere Umstände zusammen. Mit der Rettung selbst war es nicht getan, denn in den Tagen danach musste das kleine Elefantenmädchen regelrechte Sintfluten, eine Nacht inmitten reißender Ströme und einen Notaufenthalt in einem Flugzeughangar über sich ergehen lassen. Umso erstaunlicher, dass sie all das mit stoischer Gelassenheit ertrug!

Es begann am 2. April 2018. Am Nachmittag wurde der Sheldrick Wildlife Trust (SWT) vom Gebiets-Ranger des Kenya Wildlife Service (KWS) im Meru-Nationalpark benachrichtigt, dass ein verwaistes Kalb aufgegriffen worden war. Sie wurde vermutlich bei einem Konflikt mit Menschen von ihrer Familie getrennt und war erst ein paar Tage alt. So hatte sie auch keine Scheu, den Rangern des KWS zu folgen, die sie gefunden hatten. Als das Rettungsflugzeug des SWT am Flugfeld in Kinna ankam, wartete sie schon, umgeben von ihren Rettern.

Das kleine Baby wurde Kindani genannt, nach einem wunderschönen Fluss, der durch den Nationalpark fließt; so erinnert ihr Name immer an die Gegend, aus der sie stammt. Als erstes musste sie in ihr neues Zuhause gebracht werden – was gar nicht so einfach war. Zu dieser Zeit gab es in Nairobi gerade täglich neue sintflutartige Regenfälle, bei denen nicht selten bis zu 8cm Regen auf einmal fielen. Überall im Land traten die Flüsse über die Ufer, in Nairobi wurden die Autos von den Straßen geschwemmt, und überall an den Stallungen im Waisenhaus war es nass, matschig und kühl. Nicht gerade geeignete Bedingungen für ein erst wenige Tage altes und empfindliches Kalb!

Also wurde der Plan geschmiedet, sie nur für eine Nacht im Waisenhaus in Nairobi unterzubringen und sie am folgenden Morgen zum Hauptquartier des SWT in Tsavo in Kaluku zu bringen; dort war es noch warm und relativ trocken. Der Flug von Meru nach Nairobi dauerte nur eine Stunde, und nach ihrer Ankunft im Waisenhaus konnte sie sich erst einmal in einem Stall mit einer Flasche warmer Milch ausruhen. Die ganze Nacht hindurch fand sie keine Ruhe, denn der Regen hämmerte unaufhörlich auf das Dach ihres Stalls; ein Keeper blieb aber an ihrer Seite und schaffte es, sie etwas zu beruhigen.

 

In Kaluku wurde inzwischen ein Platz für Kindani vorbereitet. Zu dieser Zeit gab es dort noch keine Ställe für Elefanten, aber für die Übergangszeit sollte es einer tun, der einmal für eine verwaiste Antilope gebaut worden war. Früh am Morgen nach der Rettung kam der Hubschrauber, um das kleine Bündel Elefant nach Tsavo zu bringen. Zwei der erfahrensten Keeper aus dem Waisenhaus begleiteten sie, um sich in Kaluku um sie zu kümmern. Daphne Sheldrick, die damals noch lebte, freute sich sehr über diese Lösung, denn ihr war klar, dass die Bedingungen in Nairobi für einen frisch geretteten Elefantenwaisen denkbar ungeeignet waren.

Nur wenige Tage danach starb Daphne, und alle beim SWT waren in großer Trauer. Die Situation von Kindani verkomplizierte sich dazu noch, als eines Nachts der Fluss Athi, der durch Kaluku fließt, über die Ufer trat. Kindanis Stall wie auch die Unterkünfte der Keeper standen plötzlich unter Wasser! Die Keeper reagierten schnell und brachten Kindani zum Haus der Sheldricks in Kaluku, das ein ganzes Stück höher gelegen ist, und Kindani verbrachte die Nacht wohl behütet in Daphnes Schlafzimmer! Derweil tobten draußen reißende Ströme, die es neun Stunden lang unmöglich machten, das Haus zu erreichen, bis schließlich am Vormittag die Fluten genug zurückgegangen waren, dass ein Traktor bis zum Haus mit dem kleinen Elefanten und den beiden Keepern vordringen konnte.

Daphne hätte sicherlich nichts dagegen gehabt, Kindani weiter Zuflucht in ihrem Schlafzimmer zu bieten, aber es musste eine geeignetere Unterkunft her, während ein neuer Stall für sie errichtet wurde. Also wurde sie vorübergehend im Hangar für Flugzeuge einquartiert! Bei all dem Hin und Her in den ersten Tagen ihres Lebens war es wenig verwunderlich, dass Kindani bald an Gewicht verlor und dann auch noch von einer Lungenentzündung geplagt wurde! Bei all den Schicksalsschlägen war es nicht leicht für das Team des SWT, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren; doch alle bissen die Zähne zusammen und gaben die kleine Kindani nie auf.

Nach ein paar Tagen, an denen sie immer wieder zusammenbrach, fing sie schließlich an, sich auf wundersame Weise zu erholen! Nach zwei Wochen war auch ihr Stall wieder hergerichtet und sie konnte ihn wieder beziehen. Bald darauf bekam sie Gesellschaft von zwei anderen kleinen Waisenelefanten: einem weiteren Mädchen namens Kinyei und dem kleinen Bullen Bondeni. Zu dritt bildeten sie ein unzertrennliches Team, und gemeinsam spazierten sie mit Vorliebe am Athi-Fluss entlang und spielten unter den Palmen dort. Kindani entwickelte sich zur Anführerin der kleinen Gruppe, obwohl sie sich eigentlich gar nicht so in den Vordergrund spielt wie andere Mini-Leitkühe der Waisenherde. Sie ist eher ein sehr bedächtiges kleines Mädchen und fühlt sich am wohlsten, wenn sie in Ruhe mit ihren beiden Begleitern grasen kann. Mishack, einer ihrer Keeper, der jahrzehntelange Erfahrung mit Waisenelefanten hat, sagt über sie, dass sie eines der cleversten Elefantenkinder ist, denen er je begegnet ist!

Kindani und Bondeni

Da sie in ihren ersten Lebensmonaten mit so vielen Problemen zu kämpfen hatte, ist Kindani noch eher klein für ihr Alter. Inzwischen wird es aber für sie – genauso wie für ihre beiden Freunde – Zeit, nach Nairobi umzuziehen, wo sie auch andere Artgenossen kennenlernen kann. Sie muss neue Freundschaften schließen, um eine gute Grundlage für ihre weiteres Leben zu legen und für die Zeit, wenn sie einmal wieder auswildert. Dazu kommt auch, dass es in Tsavo nun wieder sehr trocken und heiß ist, und für heranwachsende Elefanten nicht mehr viel Nahrung in der Umgebung zu finden ist; in Nairobi ist es dagegen noch üppig grün, nachdem es dort wieder ordentlich geregnet hat.

Ihr Umzug verlief ohne Probleme. Am 3. September gegen Mitternacht verließ der Konvoi das Gelände in Kaluku, und noch vor Sonnenaufgang kamen Kindani, Kinyei und Bondeni in Nairobi an. Es brauchte ein wenig Zeit, bis sich Kindani an das Leben im Waisenhaus gewöhnt hatte, aber die ersten Tage dort waren ein Kinderspiel im Vergleich zu dem, was sie am Anfang in Kaluku erlebte. Für ein kleines Kalb, das so begeistert Grün futtern kann, muss es in Nairobi jetzt wie im Paradies sein – frisches Gras und grüne Sprösslinge bekommt sie hier in Hülle und Fülle wie auf dem Silbertablett serviert! Und obwohl sie sich daran gewöhnt hatte, die Anführerin ihrer kleinen Dreiergruppe zu sein, hat sie kein Problem damit, dass hier andere das Sagen haben, und genießt es, von den älteren Mädchen bemuttert zu werden! Seitdem sie im Waisenhaus ist und neue Freundschaften geschlossen hat, ist sie noch einmal weiter aufgelebt – das kleine ernste Mädchen von Kaluku scheint sehr glücklich in ihrem neuen Zuhause zu sein!

 

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(übersetzt aus dem englischen Original; alle Bilder © Sheldrick Wildlife Trust)