Die Rettung von Olorien

Anfang Juni berichteten Maasai-Hirten von einem Elefantenkalb, das draußen im Busch ihren Herden zu folgen versuchte. Auch die Ranger der Organisation Elephant Aware sahen das Baby in der Gegend von Siana in der Maasai Mara und benachrichtigten den Kenya Wildlife Service (KWS). Es wurde beschlossen abzuwarten, ob eine Herde das kleine Mädchen wieder einsammeln würde. Einige Tage später war sie aber immer noch allein unterwegs, obwohl in der Zwischenzeit schon einige Herden vorbeigekommen waren; trotz ihrer flehenden Rufe hatten sie sie immer wieder zurückgelassen.

Am 6. Juni 2020 schließlich sah das kleine Kalb schon recht abgemagert aus. Die Mitarbeiter des Olarro-Schutzgebiets und von Elephant Aware hatten bemerkt, dass sie sich bemühte, sich in der Nähe eines verletzten Bullen aufzuhalten. Also wurde das Mobile Tierarzt-Team von KWS und Sheldrick Wildlife Trust (SWT), das praktischerweise gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt war, zu Hilfe gerufen. Gemeinsam mit dem Verwalter der Gegend, Mr. Gilisho, sowie Rangern der Verwaltung der Region Narok, von Elephant Aware und des Olarro-Schutzgebiets wurde ein Entschluss gefasst: das Baby sollte zuerst gerettet und dann der verletzte Bulle medizinisch versorgt werden.


In der Zwischenzeit wurde im Hauptquartier des SWT in Nairobi die notwendigen bürokratischen Vorbereitungen für die Rettungsaktion getroffen. In Zeiten der Coronavirus-Pandemie ist alles ein wenig komplizierter als sonst, aber zum Glück waren alle nötigen Hindernisse bald aus dem Weg geräumt. Zwei Keeper des Elefanten-Waisenhauses stiegen, ausgestattet mit allem, was für eine Rettung gebraucht wird, in das Flugzeug und machten sich auf den Weg in die Maasai Mara.

Dort schmiedeten die Beteiligten schon einen Plan. Das Kalb hielt sich in sumpfigem Gebiet auf, und das Tierarzt-Team lockte es auf etwas besser zugänglichen Grund. Das kleine Mädchen war nach so vielen Tagen ohne die Milch ihrer Mutter schon recht schwach und wehrte sich kaum, als es eingefangen wurde. Die Helfer banden ihr nur ein Seil um das Vorderbein und gingen vorsichtig mit ihr zur Matratze, auf der sie dann im Land Cruiser verstaut und zum Flugfeld in Siana gefahren wurde. Bei so vielen helfenden Händen war die Aktion schon nach kurzer Zeit erfolgreich abgeschlossen.

An der Landepiste mussten die Retter nicht lange auf das Flugzeug aus Nairobi warten. Das Kalb wurde sofort an Bord gebracht, und das mobile Tierarztteam konnte gleich wieder zurück fahren und sich um den verletzten Bullen kümmern. Es stellte sich heraus, dass sich insgesamt drei Pfeilspitzen in seinem Körper befanden! Glücklicherweise waren die Wunden nicht lebensbedrohlich und nach der medizinischen Versorgung wird er sich wohl wieder vollständig erholen.

 

 

 

 

 

Es ist unklar, warum das etwa 15 Monate alte Elefantenmädchen verwaiste, aber sicher ist, dass sie schon mindestens fünf Tage ohne ihre Mutter hatte auskommen müssen. Entsprechend dünn war sie schon und hatte eingefallene Wangen und Schläfen. Nach ihrer Ankunft im Waisenhaus war sie ziemlich nervös, aber ihr Hunger siegte über alle Bedenken, sodass sie gleich die Flasche Milch annahm, die ihr angeboten wurde. Nach diesem guten Anfang hatte sie auch eine erholsame erste Nacht in ihrem neuen Zuhause, in der sie immer einmal Milch trinken und Wasser saufen konnte und sich an dem reichhaltigen Grün, das in ihrem Stall aufgehängt wurde, bediente. Auch Stallnachbarin Larro half bei der Eingewöhnung in diese ungewohnte Umgebung.

Am nächsten Morgen brachten die Keeper das Baby in ein großes Gehege, nachdem die anderen Waisen in den Wald aufgebrochen waren. Dort konnte sie sich in Ruhe umsehen, die Sonne genießen und ab und zu ein Staubbad mit der roten Erde nehmen. Natürlich gab es auch genügend Futter und Milch, damit sie schnell wieder zu Kräften kommen würde. So verbrachte sie ihre ersten zwei Tage in Nairobi, und danach war sie auch schon soweit, dass sie mit den anderen hinaus in den Wald gehen konnte.

 

 

 

 

Zurzeit gibt es einige ältere Mädchen im Waisenhaus, und so war es wenig verwunderlich, dass diese den Neuankömmling gleich mit Begeisterung empfingen. Sie genoss die viele Aufmerksamkeit der anderen Elefanten, aber um die Keeper machte sie zunächst noch einen Bogen – außer zur Milchfütterung. Nach wenigen Wochen hatte sie sich aber auch an ihre neue menschliche Familie gewöhnt. Zusammen mit Roho und Naleku, die etwa gleich groß sind wie sie, bildet sie die Baby-Gruppe der Waisenherde, und dementsprechend werden die drei von den anderen rund um die Uhr umsorgt!

Das kleine Mädchen hat ein wunderbares, ausdrucksstarkes Gesicht, und eine entsprechende Persönlichkeit, die langsam zum Vorschein kommt, je mehr sie sich eingewöhnt. Sie scheint sehr unabhängig und selbstsicher zu sein; das kann man häufig bei weiblichen Elefantenkindern beobachten, denn in der Wildnis lernen sie schließlich, einmal die Herde anzuführen. Sie wurde Olorien genannt – in der Sprache der Maasai bedeutet das in etwa „Olivenhain“, denn sie wurde an einer Stelle mit vielen Olivenbäumen gerettet. Ein wunderbarer Name für ein wundervolles kleines Elefantenmädchen!

 

 

 

 

 

 

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(übersetzt aus dem englischen Original; alle Bilder © Sheldrick Wildlife Trust)