Die Rettung von Rama

 

Das neue Jahr war gerade erst angebrochen, da wurde dem Sheldrick Wildlife Trust (SWT) in Nairobi von einem einsamen Kalb auf dem Gebiet der El Kerama Ranch in Laikipia berichtet. Es schien etwa drei Jahre alt zu sein – noch viel zu jung, um ganz allein durch die Wildnis zu streifen. Noch dazu hatte es offenbar hinten deutliche O-Beine, die ihm das Laufen erschwerten, was die Besorgnis um seine schwierige Situation noch verstärkte.

Die mobile Tierarzteinheit von SWT und dem Kenya Wildlife Service (KWS) am Mount Kenya schaute sich den kleinen Bullen genauer an. Nachdem sie ihn betäubt hatten, untersuchten sie seine Hinterbeine und stellten fest, dass es sich um einen genetischen Defekt handeln musste. Hier konnten sie nichts tun, und so wurde er wieder freigelassen, in der Hoffnung, dass er von einer der vorbeiziehenden Herden eingesammelt werden würde.

Nach ein paar Wochen wurde aber klar, dass das nicht passieren würde. Er blieb einsam und wurde von den Elefanten der Gegend ignoriert. Je länger er sich so auf eigene Faust würde durchschlagen müssen, desto schwerer würde er es gegen die Raubtiere der Gegend haben, und da er ganz offensichtlich ein Waise war, wurde beschlossen, dass er gerettet und ins Waisenhaus des SWT in Nairobi gebracht werden sollte.

Das Kalb war schon zu groß, um mit dem Flugzeug transportiert zu werden, daher wurde der Elefanten-Umzugstransporter bereit gemacht und auf die lange Fahrt in Richtung Norden nach Nanyuki und dahinter zur El Kerama Ranch geschickt. Dort übernachtete das Team und bereitete sich auf die Rettung vor, die am nächsten Morgen stattfinden sollte.

 

 

 

 

Am 1. Februar waren alle früh am Morgen bereit – nur der kleine Bulle war nirgends zu sehen! Das Rettungsteam und die Mitarbeiter der El Kerama Ranch starteten eine großangelegte Suchaktion, aber er schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Alle Beteiligten befürchteten schon das schlimmste – dass er Löwen oder Hyänen zum Opfer gefallen war – als er schließlich gut versteckt im dichten Gebüsch erspäht wurde.

Mit großer Erleichterung machte sich das Team sofort daran, ihn zu betäuben, und im Tiefschlaf wurde er in den Umzugs-LKW geladen. Als er in seinem Abteil erwachte, war er umgeben von dicken Heuballen und weichen Matrazen. Die mitreisenden Keeper und der Tierarzt behielten ihn während der gesamten Fahrt unter Beobachtung, aber er verhielt sich erstaunlich entspannt. Der Konvoi kam im dichten Verkehr rund um Nairobi nur langsam voran, und so war es zur Ankunft im Waisenhaus schon 21 Uhr abends.

Bei seiner Größe waren etliche Männer nötig, um ihn ins Gehege zu bringen, und er wurde direkt neben Kiasa einquartiert, die sich große Sorgen um ihren neuen Nachbarn zu machen schien. Sie setzte alles daran, ihn zu beruhigen, stellte sich an die Abtrennung zwischen den beiden Gehegen und umrüsselte ihn liebevoll durch die Lücken zwischen den Holzpfosten hindurch. Das half ihm sehr, und am folgenden Morgen trank er schon Milch aus einer Flasche und nuckelte an den Fingern seines Keepers.

 

 

 

 

 

Solche Rettungen sind immer sehr ergreifend, denn Kälber, die lange Zeit auf sich allein gestellt waren, sind meist sehr dankbar, dass sie gerettet wurden. Auch dieser kleine Bulle war begeistert, dass er eine neue Familie gefunden hatte und von allen Seiten – Elefanten wie Menschen – mit Liebe und Zuneigung überschüttet wurde! Er wurde Rama genannt, da er von der El Kerama Ranch stammte.

Obwohl Rama erleichtert war, dass seine einsamen Tage in der Wildnis zuende waren, ging der Kampf um sein Leben nun erst richtig los. Er hatte massenweise Würmer im Verdauungssystem, sodass er mit Medikamenten behandelt werden musste, obwohl er gesundheitlich noch ziemlich angeschlagen war. In den ersten Tagen brach er immer wieder zusammen, sodass die Keeper ihm zu Hilfe eilen und ihn mit Infusionen wieder aufpäppeln mussten. Als allerdings die Parasiten in seinem Darm, die in unglaublichen Mengen zum Vorschein kamen, einmal verschwunden waren, ging es ihm schnell besser.

 

 

 

Für Waisen, die sich so nach Gesellschaft sehnen wie Rama, ist es wichtig, dass sie so bald wie möglich mit den anderen Elefanten zusammenkommen. Also wurde er, sobald er genug zu Kräften gekommen war, zu den anderen hinaus in den Wald gelassen. Zu Beginn war er noch mit den kleineren Waisen unterwegs, damit er sich an den Tagesablauf im Waisenhaus gewöhnen konnte und sich nicht allzu weit von den Stallungen entfernen musste. Die anderen waren natürlich begeistert, einen neuen Freund in ihrer Mitte zu haben, und drängelten sich um den Neuankömmling, um so viel wie möglich mit ihm zusammen zu sein.

 

 

 

Obwohl sich sein Gesundheitszustand besserte, hatte Rama doch mit seltsamen Problemen zu kämpfen. Zum Glück scheinen seine O-Beine ihm weniger zu schaffen zu machen, als zunächst befürchtet; durch sie hat er einen etwas seltsamen Bewegungsablauf, aber er kann relativ gut laufen, auch dank der Tatsache, dass seine Kräfte wieder zurückkommen. Seltsamerweise ist aber offenbar auch sein Augenlicht sehr eingeschränkt. Es wurde mit der Zeit immer schlechter, bis er zwischenzeitlich gar nichts mehr zu sehen schien. Ein Spezialist wurde gerufen, der ihn untersuchte und keinen Fehler an den Augen feststellen konnte – es kann also nur an neurologischen Problemen liegen! Interessanterweise schien ihm das gar nichts weiter auszumachen, und er spazierte einfach wie zuvor weiter herum und verließ sich auf sein Gehör und seinen Geruchssinn. Es scheint aber wieder besser zu werden, und auch wenn er offenbar noch nicht wieder so gut sehen kann wie zuvor, kommt das Augenlicht wohl langsam wieder zurück.

Rama ist ein bemerkenswertes kleines Elefantenkalb, und er hat einen wahren Löwenmut – ganz wie auch sein Artgenosse Luggard, der inzwischen in Umani Springs lebt. Alle, die diesen kleinen Elefanten kennenlernen – egal ob Mensch oder Elefant – sind wie verzaubert von seiner lebensfrohen Art und lassen sich gern anstecken davon. Man kann sich kaum vorstellen, was er in den langen Wochen seiner Einsamkeit durchmachen musste; aber er hat das schlimmste durchgestanden, und nun lebt er inmitten seiner neuen Freunde und wird diese Einsamkeit nie mehr erfahren müssen.

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(übersetzt aus dem englischen Original; alle Bilder © Sheldrick Wildlife Trust)