Die Rettung von Rokka

 

Rokkas Rettung kann man fast schon als Hollywood-reife Geschichte bezeichnen! Sie begann am Abend des 26. Juli 2021, als zwei Piloten des Sheldrick Wildlife Trust (SWT), Roan Carr-Hartley und sein Kollege Hamish, auf einem Routine-Flug entlang des Tiva-Flusses an einem bekannten Wasserloch ein einzelnes kleines Elefantenkalb sichteten. Es war noch viel zu jung – höchstens sieben Monate alt – um allein unterwegs zu sein, und es machte einen sehr verängstigten Eindruck.

Die Piloten flogen die Gegend im Umkreis von 15 Kilometern ab und suchten nach anderen Elefanten. Manchmal sind kleine Kälber nur ein wenig vom Weg ihrer Familie abgekommen, und sie können einfach wieder zu ihr zurück gebracht werden. Diesmal war aber weit und breit kein einziger Elefant zu sehen – dieses kleine Baby war ganz offensichtlich verwaist!

Es war schon Nachmittag, und so blieb nicht viel Zeit für eine große Rettungsaktion, für die normalerweise mehr als zwei Leute benötigt werden. Den beiden Piloten war aber klar, dass das Kalb über Nacht ziemlich sicher in diesem riesigen Gebiet verschwinden würde. Rundum war kilometerweit dichter Busch, in dem es niemals wieder aufgespürt werden würde!

Die beiden beschlossen, sich aufzuteilen, um das Waisenbaby zu retten. Hamish landete den Helikopter kurz, sodass Roan heraus springen und sich dem Kalb zu Fuß nähern konnte. Das war gar nicht so einfach, denn dazu musste er sich erst einmal über einen Kilometer von dem Flussbett, an dem er gelandet war, durch dichtes Gestrüpp kämpfen, immer dem Hubschrauber nach, der ihn zu dem Kalb führte. Sobald Roan es im Blick hatte, konnte Hamish am Tiva-Fluss landen, damit der kleine Elefant nicht noch mehr von dem lauten Motor beunruhigt wurde.

Als Roan bei dem kleinen Elefantenmädchen angekommen war, wollte sich dieses allerdings nicht so einfach einfangen lassen! Er hatte keine Hilfsmittel dabei, und so blieb ihm nichts anderes übrig als sein T-Shirt auszuziehen und es dem Kalb über den Kopf zu werfen, sodass es nichts mehr sehen konnte – eine einfache Methode, es vom weglaufen abzuhalten. Das funktionierte aber nur zum Teil, denn es versuchte immer noch, sich ins Unterholz davon zu machen! Roan schaffte es gerade noch, es an den Hinterbeinen zu erwischen und auf die Seite zu legen, bevor es unweigerlich im Gebüsch verschwunden wäre.

 

 

 

 

 

Nun kam das nächste Problem: Wie sollten sie das verwirrte Kalb, das sich natürlich nach Kräften wehrte, einen Kilometer zurück zum Hubschrauber bringen? Das Baby weigerte sich partout, in offenes Gelände mitzukommen, und Roan und Hamish versuchten fast zwei Stunden lang, es langsam in die richtige Richtung zu manövrieren. Da es immer später wurde, mussten sie sich aber schließlich einen neuen Plan einfallen lassen. Also flog Hamish zurück nach Kaluku, um dort zwei Keeper zur Verstärkung sowie die richtigen Hilfsmittel zu holen, während Roan bei dem Kalb vor Ort blieb.

800 Meter von einem geeigneten Landeort entfernt, hielt Roan das kleine Kalb wieder fest, damit es nicht weglief. Sie machte es ihm nicht einfach, wehrte sich weiter und trat nach allen Seiten aus. Roan versuchte, sie mit seinen Schnürsenkeln festzubinden, aber diese hielten nicht lange, sondern waren im Nu zerrissen. Schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als sich auf sie zu legen, um sie davon abzuhalten, im Busch zu verschwinden.

Da das kleine Mädchen bei der ganzen Tortur natürlich schnell dehydrierte, hatte Hamish gedankenschnell alle Wasserflaschen aus dem Helikopter herunter geworfen, bevor er davon geflogen war. So konnte Roan dem Waisen immer wieder einige Schlucke geben und ihr ab und zu Wasser auf die Ohren schütten, um sie abzukühlen. Er hatte ansonsten nur ein Funkgerät dabei, und so verbrachten die beiden bange 90 Minuten allein im Busch und hofften inständig, dass das viele Hin und Her keine der gefürchteten Löwen Tsavos angelockt hatte!

Um 17 Uhr konnte Roan schließlich erleichtert das Geräusch des sich wieder nähernden Hubschraubers hören. Hamish suchte nach einem guten Platz zum landen, während die Keeper Kingoo und Joseph heraus sprangen und sich, immer Roans Pfiffen folgend, durch den Busch kämpften. Als sie ihn und das Kalb gefunden hatten, gaben sie diesem gleich ausreichend Flüssigkeit und banden es ordentlich fest – diesmal mit richtigen Bändern, die für die Elefantenwaisen bei Rettungen benutzt werden. So gesichert wurde es auf die mitgebrachte Plane gelegt.

 

 

 

Nun ist es schon keine leichte Aufgabe, so ein doch recht schweres Elefantenbaby zu ziehen, sogar wenn die sonstigen Bedingungen stimmen – diesmal mussten sie damit allerdings 800 Meter erst durch dichtes Gebüsch, und dann auch noch durch sandigen Untergrund. Als sie am Hubschrauber ankamen, war es 18 Uhr und alle Beteiligten waren schon fix und fertig. Allerdings stand ihnen noch eine letzte Herkulesaufgabe bevor: das Kalb musste in den Hubschrauber gehievt werden. Nach drei vergeblichen Versuchen nahmen alle noch einmal all ihre Kräfte zusammen, um es ein letztes Mal zu versuchen; Hamish, Kingoo und Joseph hoben die Plane ein Stück an, sodass Roan darunter klettern und seinen Rücken als Hebel benutzen konnte. So schafften sie es schließlich doch noch, den kleinen Elefanten in den Helikopter zu befördern. Unendlich erleichtert konnten sie in Richtung Kaluku starten, als gerade die Sonne hinter dem Horizont verschwand.

 

 

 

 

 

 

Dort wartete am Flugfeld bereits ein Team, das das Kalb auslud und in einen Stall brachte, wo jede Menge frisches Grün und Wasser bereitlag. Auch die Artgenossen Lemeki und Thamana waren da und hießen den Neuankömmling mit beruhigendem Kollern willkommen. Das Rettungsteam legte sich gleich zur Nachtruhe hin, und sie alle schliefen wie die Babys!

Das kleine Elefantenmädchen wurde Rokka genannt, was an die Gegend am Tiva-Fluss erinnert, in der sie gerettet wurde. Es ist ein sehr couragiertes kleines Kalb, auch jetzt, da sie sich in ihrem neuen Zuhause in der Waisenstation in Kaluku eingelebt hat. Sie ist zwar eines der jüngsten Mitglieder der kleinen Herde dort, aber sie marschiert selbstsicher umher wie ein doppelt so großer Elefant! Diese Lebenseinstellung hat ihr sicherlich geholfen, die schwierige Zeit, in der sie allein am Tiva-Fluss überleben musste, durchzustehen. Kurz nach ihrer Rettung wurden in der Nähe die Kadaver dreier Elefanten gefunden, die von Wilderern getötet worden waren; es ist gut möglich, dass eines davon Rokkas Mutter gewesen ist.

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(übersetzt aus dem englischen Original; alle Bilder © Sheldrick Wildlife Trust)