Die Rettung von Ziwadi

Am 6. April 2019 wurde ein einsames Elefantenkalb gesichtet, dass im Oloisukut-Schutzgebiet in der Maasai Mara umherlief. Die Wildhüter des Schutzgebiets bekamen die Aufgabe, es zu beobachten und zu melden, falls es sich wieder einer Herde anschließen sollte. Am 7. April war das Kalb immer noch allein, aber schon 10 Kilometer weiter, nahe der Ortschaft Enasoit. Dort lief es Hirten und ihren Viehherden hinterher und auch Fahrzeugen, die in seine Nähe kamen – offenbar suchte es verzweifelt Anschluss. Leider versuchten einige Bewohner, es mit Pfeilen zu verjagen, von denen zwei das Kalb trafen, und so wurde die mobile Tierarzteinheit des Sheldrick Wildlife Trust (SWT), die mit dem Kenya Wildlife Service (KWS) zusammenarbeitet, informiert. Das kleine Elefantenmädchen war inzwischen schon sehr geschwächt, und sie brachte sich mit ihren Ausflügen auf das Land der Anwohner und in die Nähe der jungen Maasai, die ihr Vieh hüteten, selbst in Gefahr.

 

 

Sie war leicht aufzufinden, und das Team von SWT und KWS hatte keine Mühe, sie einzufangen – sogar ohne Betäubung, die sie in ihrem geschwächten Zustand vermutlich nicht gut vertragen hätte. Ein Pfeil, der sie getroffen hatte, wurde entfernt, die Wunden gereinigt und Antibiotika verabreicht. Danach transportierten die Helfer das kleine Kalb auf der Lädefläche ihres Landcruisers zum Flugfeld in Kichwa Tembo in der Maasai Mara. Ein Team von Keepern des Waisenhauses in Nairobi hatte sich inzwischen schon per Flugzeug auf den Weg gemacht und kam kurz nach dem Fahrzeug in Kichwa Tembo an, sodass keine weitere Zeit verschwendet wurde – es war nämlich nicht mehr viel Zeit bis zum Sonnenuntergang.

 

 

Unter Mithilfe der KWS-Wildhüter und einiger lokaler Scouts banden das Tierarzt-Team und die Keeper das Kalb fest, damit es während des Rückflugs gesichert war, und hievten es ins Flugzeug. Dort wurde sie so bequem wie möglich gebettet und mit Infusionen ausgestattet, bevor sie schließlich nach Nairobi geflogen wurde. Im Waisenhaus bekam inzwischen Enkesha ein neues Gehege, und der Neuankömmling wurde in ihrem Stall neben Maktao einquartiert. Das Mädchen stand offensichtlich sehr unter Stress, aber war zu schwach, um sich zu wehren. Immerhin trank sie gleich etwas Milch. Sie hatte schon sehr mit Parasiten zu kämpfen, was vermuten lässt, dass sie schon einige Zeit allein unterwegs gewesen sein musste, und ihr Gesundheitszustand war bedenklich.

Sie hatte zwar einen runden Bauch, was aber nicht viel heißen musste – ihr geschwächter Zustand, zusammen mit den Parasiten im Verdauungssystem und der fehlenden Milch der letzten Tage, ließen das Schlimmste befürchten. Noch dazu war sie offenbar sehr traumatisiert von allem, was ihr widerfahren war, und so war den Keepern klar, dass sie viel Arbeit vor sich hatten, bis sie wieder gesund werden würde. In den folgenden Tagen brach sie immer einmal wieder zusammen, sodass sie schnell versorgt werden musste, um ihr Leben zu retten; daher blieb sie über eine Woche im Stall, wo sie besser aufgehoben war als draußen.

 

 

 

Inzwischen hatte sie sich aber so an ihren Stall gewöhnt, in dem sie sich offenbar sicher und geborgen fühlte, dass sie partout nicht herauskommen wollte! Noch dazu beobachteten die Keeper ein seltsames Verhalten: ab und zu schien sie ihre Sehkraft zu verlieren und lief dann gegen die Wände ihres Stalls. Ein Augenspezialist wurde zu Rate gezogen, der sie genauer untersuchte, aber nichts auffälliges an den Augen feststellen konnte. Als sie sich schließlich dazu durchgerungen hatte, aus ihrem Stall zu kommen, lief sie erst einmal mit ganz vorsichtigen Schritten in der unmittelbaren Umgebung der Ställe umher.

Sie blieb stets an der Seite ihrer Keeper und war noch einige Zeit zu schwach, um mehr zu schaffen, als mit kleinen Schritten an den Stallungen herumzutapsen. „Ziwadi“ wurde das kleine zerbrechliche Mädchen genannt, was in Suaheli soviel bedeutet wie „Geschenk“. Sie war bei ihrer Rettung etwa ein Jahr alt, und ihrem Zustand und ihren gesundheitlichen Problemen nach zu urteilen, hatte sie schon einiges in ihrem kurzen Leben durchstehen müssen, bevor sie gefunden und ins Waisenhaus gebracht worden war.

 

 

Ziwadi brauchte ihre Zeit, bis sie sich erholt hatte. Immer einmal wieder schien sie nichts zu sehen und in Hindernisse zu laufen, um mit denen sie vorher mühelos zurechtgekommen war, oder gegen einen Baum. Bis heute hat sie die eigenartige Angewohnheit, Wasser zu saufen, indem sie mit dem ganzen Kopf in die Wassertonne taucht und mit dem Mund trinkt, anstatt ihren Rüssel zu benutzen – obwohl sie mit dem Rüssel trinken kann, was sie hin und wieder auch tut! Mit der Zeit gelang es den Keepern, sie zu überzeugen, mit in den Wald zu kommen, wo sie erst zusammen mit Luggard unterwegs war und dann auch irgendwann mit den anderen.

Eines Tages fiel sie draußen im Busch einfach um, und Keeper Peter, der ihr zu Hilfe eilen wollte, sah sie am Boden liegen und zittern. Damals dachte sich niemand etwas dabei, da sie immer noch sehr geschwächt war und mit Parasiten zu kämpfen hatte, und alle vermuteten, sie war einfach über eine Wurzel gestolpert und hatte einen kleinen Schwächeanfall gehabt. Doch dann passierte das gleiche wieder, diesmal, als sie es sich schon zum Schlafen auf ihrem Heu im Stall bequem gemacht hatte; sie zitterte wieder unkontrolliert, und diesmal konnte ihr Keeper den Anfall filmen, sodass sich alle eine Meinung bilden konnten. Es war beunruhigend, sie dabei anzusehen, aber der Krampfanfall ging bald vorbei, und danach war alles wieder gut.

So etwas ist seitdem noch ein paar Mal passiert, und auch die Tierärzte haben keine Erklärung dafür. Es sieht fast aus, als habe Ziwadi ab und zu epileptische Anfälle. Daher hat es auch lange gedauert, bis Ziwadi ins Waisenprogramm aufgenommen wurde, denn sie hat einiges mitgemacht, und es sieht so aus, als würde sie von irgendwelchen neurologischen Problemen geplagt. Die Anfälle sind in letzter Zeit aber seltener geworden, genauso wie die vorübergehende Blindheit. Langsam fühlt sich Ziwadi auch bei den anderen Waisen wohl und kommt auch schon zur öffentlichen Besuchsstunde mit.

Sie ist ein wunderbarer und lieber kleiner Elefant, und wenn sie sich über ihr Grünfutter hermacht – ob in ihrem Stall oder bei der Besuchsstunde – wedelt sie aufgeregt mit dem Schwanz und ist ganz begeistert. Die Keeper tun alles, was in ihrer Macht steht, damit sie wieder gesund wird, sowohl physisch als auch psychisch. Während der drei Monate, die sie jetzt im Waisenhaus ist, hat sie schon große Fortschritte gemacht, und alle hoffen, dass sie einmal wieder ganz gesund werden wird.

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Ziwadi

(übersetzt aus dem englischen Original)
(c) Fotos / Video Sheldrick Wildlife Trust