Die Waisen im Juli

Monatsbericht für die Nursery-Gruppe in Nairobi: Juli 2022

Der Juli war ganz schön kalt. Immer wenn die Waisen morgens aus ihren Ställen kamen, war Nashorn Maxwell bereits schwer beschäftigt damit, die ortsansässigen Warzenschweine zu jagen. Die lungern immer herum und warten darauf, dass Maxwell eine Ration Luzerne bekommt. Max hat die Wartezeit in Frühsport verwandelt, damit niemand friert! Die Waisen waren stiller als sonst, aber versuchten sich wie immer gegenseitig das Futter zu klauen. Wenn sie im Wald zum Fressen waren, standen sie dicht beieinander, um sich zu wärmen.

Naleku hat ein neues Morgenritual: Sie trompetet laut, wenn sie aus ihrem Stall herauskommt, rennt dann einmal durch das Stallgelände und schaut, dass alle wach sind. Ihre oberste Priorität ist Kerrio, der ihr absoluter Liebling ist. Die temperamentvolle Suguroi kann gut auf sich selbst aufpassen, aber ihr „großer Bruder“ Oldepe hat sich diesen Monat ganz besonders um sie gekümmert. Eines Morgens suhlte sie sich mit Roho im Schlamm, als der plötzlich auf sie klettern wollte. Oldepe war von da an unglaublich beschützerisch: er stieg in den Schlamm, stellte sich vor sie und versuchte, Roho abzuwehren. Am Ende gelang ihm das zwar nicht, aber die drei rollten sich vergnügt durch den Matsch und bestiegen sich gegenseitig.

Choka und Taabu zoffen sich in letzter Zeit oft, aber das ist typisch für Elefanten in ihrem Alter. Genau wie Menschengeschwister haben auch Elefantenbabys ihre Höhen und Tiefen beim gemeinsamen Aufwachsen. Die beiden sind zwar ähnlich groß, haben aber sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Taabu ist immer entspannt und ruhig, während Choka voller Energie steckt und gerne auch mal Streit sucht. Kerrio ist etwa so groß wie die beiden und ist oft das Ziel von Chokas Temperament. Aber Kerrio selbst ist auch ein Strolch. Sie weiß, dass alle älteren Kühe verzückt von ihr sind und sie immer beschützen würden. Also lässt sie es gerne drauf ankommen und schubst die Bullen, weil sie genau weiß, dass sie damit durchkommt.

Die Waisen nuckeln manchmal an ihren Rüsseln, wie ein Menschenbaby an einem Schnuller oder seinem Daumen. Tingai sieht man oft mit seinem Rüssel im Mund herumlaufen, aber in den letzten Wochen ist er ein bisschen selbstbewusster und damit weniger angespannt. Eines Morgens war es bewölkt und kalt, und die meisten Waisen weigerten sich, ihren Stall zu verlassen. Tingai jedoch war voller Tatendrang und ging schnurstracks in den Wald. Latika, Sileita, Kamili, Sagateisa und Mukutan folgten ihm schnell, und die Keeper freuten sich für ihn, weil er sonst sehr schüchtern war.

Esoit ist längst nicht so frech wie Bondeni, spielt aber sehr gerne mit dem älteren Bullen. Seit dem Tag, an dem wir ihn nach Nairobi gebracht haben, ist Esoit ungebrochen freundlich und glücklich. Er ist ein wahrer Unterhaltungskünstler und tut alles dafür, dass sich Neuankömmlinge schnell wohlfühlen. Bondeni ist ähnlich kontaktfreudig, aber oft ist er damit beschäftigt, Unsinn zu machen und hat wenig Zeit für andere. Olorien hat nach wie vor viele Seiten: an einem Tag kann sie lieb und rücksichtsvoll sein, am nächsten mobbt sie alles und jeden. An einem bestimmten Nachmittag, als sie wieder mal übel drauf war, versuchte sie Esoit zu schubsen. Zu ihrem Pech stand Kinyei in der Nähe und hatte alles gesehen. Sie war stinksauer und verscheuchte Olorien aus der Herde in eine Auszeit.

Am 5. Mai bekamen wir einen drei Jahre alten Elefantenbullen aus Buffalo Springs und nannten ihn Rafiki (Suaheli für „Freund“). Am Morgen nach seiner Ankunft versammelten sich alle Waisen vor seinem Stall, um ihn und den anderen Neuzugang Mageno zu begrüßen. Naleku, Olorien, Kinyei und Kindani waren die ersten, aber Sagateisa, Suguroi und Lodo – der nette Onkel – kamen schnell nach. Nach kurzer Begrüßung machte sich die Herde auf den Weg in den Wald.

Kamili und Latika sind am liebsten mit Ziwadi zusammen, denn sie heißt sie immer willkommen und ist nie böse mit ihnen. Die drei Kühe sind alle sehr freundliche Wesen. Wenn Ziwadi loszieht, weiß sie ganz genau, wo sie hin will. Eines Nachmittags schien sie Latika und Kamili anzubieten, doch einmal vorauszugehen. Es war schnell klar, dass das voreilig war, denn die beiden hatten keine Ahnung wo sie hinlaufen sollten. Also suchte Ziwadi einen Platz aus, wo sie den Rest des Tages zusammen fraßen.

Der Morgen des 11. Juli begann mit einer aufregenden Entdeckung. Als die Waisen im Busch ankamen, hielt Neshashi an und hob ihren Rüssel. Offenbar hatte sie irgendetwas gewittert. Es dauerte nicht lange und der Rest der Herde war bei ihr, und alle hielten die Rüssel in die Luft. Die Keeper waren sofort alarmiert, was die Waisen bestätigten, als sie langsam und mit aufgestelltem Rüssel und Ohren rückwärts liefen. Nach einer kurzen Weile entdeckten die Keeper vier sehr große Südliche Breitmaulnashörner (Ceratotherium simum simum), die dicht aneinander geschmiegt schliefen! Was für eine Begegnung!

Mukutan ist und bleibt das lauteste Mitglied der Nursery-Herde, aber er ist sehr schüchtern gegenüber den anderen Waisen oder den Keepern. Es scheint, als ob Milch die Liebe seines Lebens ist und er für nichts anderes auf der Welt ist. Sobald er nur die Flaschen am Horizont sieht, fängt er an zu bellen und zu schreien. Eines Tages jedoch wollte er tatsächlich mit Sagateisa ringen! Er folgte ihr den ganzen Tag auf Schritt und Tritt und schubste sie ganz vorsichtig. Zu Beginn zögerte Sagateisa noch, aber irgendwann gab sie nach und die beiden hatten einen tollen Tag zusammen, mit Fangen und Ringen.

Sileita ist ein weiteres schüchternes Elefantenwaise, das sich völlig verwandelt, wenn irgendwo Milch auftaucht. Sie versucht immer irgendwo eine Flasche zu stibitzen, und die Keeper müssen höllisch aufpassen. Einmal, als sie ihre Flasche gerade ausgetrunken hatte, versteckte sie sich im Gebüsch hinter der Suhle und wartete, bis die nächste Gruppe kam. Als die Keeper eine Sekunde nicht hinschauten, reihte sie sich einfach bei den anderen ein und hoffte auf eine zweite Flasche. Obwohl die Keeper ihren Plan durchschauten, waren sie sehr beeindruckt von ihrem Einfallsreichtum!

Kindani und Kinyei sind weiter die besten Freunde. Auch wenn Bondeni immer ihr allererstes und meistgeliebtes Adoptivbaby sein wird, kümmern sie sich inzwischen auch gerne um die kleine Mzinga und Nyambeni. Nachdem Mzinga die wachstumsbedingten Schmerzen überstanden hatte, hat sie sich sehr gut eingelebt. Sie ist noch nicht einmal ein Jahr alt und wird ab jetzt bestimmt gut wachsen. Viele der älteren kümmern sich hingebungsvoll um sie, und das hat ihr mit Sicherheit gut über ihre Startschwierigkeiten hinweg geholfen. Mzinga hängt sehr an ihren Keepern, die sie auf jedem Schritt der Besserung begleitet haben.

Wir hatten ein bisschen Sorge, dass sich Kerrio von Mzinga und Nyambeni in ihrer Rolle als Nesthäkchen bedroht fühlt, aber das scheint sie alles gar nicht zu stören. Sie ist sich Nalekus Liebe (und Besessenheit) zu hundert Prozent sicher. Manchmal, wenn Naleku und die anderen Kühe morgens Mzinga und Nyambeni in den Wald begleiteten, saust Kerrio herbei, um die Gruppe anzuführen. Es scheint, dass die Rolle der „großen Schwester“ ihr gut gefällt! Rafiki hat sich ebenfalls gut eingelebt, so dass die Keeper ihn recht schnell zum Rest der Herde lassen konnten. Am ersten Tag, an dem er mit in den Busch durfte, waren die größeren Bullen Lodo, Roho und Oldepe sehr interessiert an ihm. Wahrscheinlich wollten sie sehen, was für eine Art Ringkampfpartner er sein würde.

Da die Nursery im Herzen des Nairobi Nationalparks liegt, begegnen wir allen möglichen wilden Kreaturen. Manchmal kommen ein paar uns bekannte Büffel zur Suhle und wälzen sich im Schlamm, selbst wenn die Waisen sich gerade suhlen. Elefanten und Büffel haben eine schwierige Beziehung zueinander, und ihre Anwesenheit verursacht fast immer Drama. Eines Nachmittags wollten Naleku, Oldepe, Roho, Neshashi und Kamili die Büffel davon abhalten, „ihre“ Suhle zu benutzen. Sie bauten sich mit flatternden Ohren, kollernd und trompetend vor den Eindringlingen auf, die sich irgendwann tatsächlich genervt zurückzogen.

Lodo und Tingai, die recht ähnliche Charaktere haben, werden immer dickere Freunde. Man sieht sie fast immer zusammen fressen, fernab von Ringkämpfen, von denen beide nicht viel halten. Das ist natürlich das komplette Gegenteil zu den anderen Bullen, die davon besessen sind, ihre Kraft zur Schau zu stellen. An den meisten Tagen jagen Roho und Oldepe hinter Naleku, Olorien oder Kindani her, und die Jungs versuchen sie zu besteigen. Die jungen Kühe sind erstaunlicherweise sehr stark und können die manchmal nervigen Jungbullen gut abwehren.

Am Monatsende wurden Mzinga, Nyambeni und Mageno mit zur mittäglichen Besucherstunde gelassen. Sobald sie ihre Milch ausgesoffen hat, schmeißt sich Mzinga in den Schlamm oder Dreck und wälzt sich genüsslich herum. Die Keeper freuen sich immer, wenn die kleinen mit der Zeit selbstbewusster werden und mit den älteren Waisen spielen. Mzinga ist sehr freundlich und sanftmütig, während Nyambenis Verspieltheit ansteckend ist.

 

Monatsbericht für die Voi-Gruppe: Juli 2022

Klein-Juni, die im Mai zu uns kam, ist das beliebteste Baby in der Voi-Herde geworden. Der Monat begann mit einem Sorgerechtsstreit zwischen Mbegu und Tagwa. Mbegu fraß neben Juni, was bei Tagwa eine kleine Panikattacke auslöste. Sie schlich sich zu den beiden und fraß neben ihnen, während sie ihnen verstohlene Blicke zuwarf. Sie war den Rest des Tages verbittert über Mbegus Coup.

Emoli ist nach wie vor unser sozialer Schmetterling, aber manchmal steht ihm seine Extrovertiertheit auch im Weg. Zu Beginn des Monats wollte er Zebras jagen, die gerade am Wasserloch warteten, bis sie an der Reihe waren. Mitten im Spiel entschied er sich um und wollte mit einer wilden Elefantenherde weiterziehen, die gerade mit Saufen fertig war. Eine ziemlich aggressive wilde Kuh machte es unmöglich für die Keeper, Emoli zurückzuholen, und so verschwand er mit der wilden Herde im Busch. Ein paar Stunden später kam er ganz alleine zum Stallgelände zurück, und die Waisen waren erleichtert, ihn zurück zu haben.

Wilde Elefanten sind verlockend für alle unsere Waisen – ganz besonders, wenn sie Babys dabei haben. Eines Nachmittags versuchten Arruba, Tamiyoi und Pika Pika, an ein paar wilde Kälbchen heranzukommen, die sich in der Suhle wälzten. Aber deren Geschwister waren nicht von der Idee überzeugt. Auch ein letzter, verzweifelter Versuch von Arruba – sich im Dreck zu rollen – ging ins Leere. An einem anderem Nachmittag, ebenfalls an der Suhle, gesellte sich ein wilder Bulle zu den Waisen. Mudanda posierte sofort und stellte ein Vorderbein auf die Kante der Tränke, während Ngilai es ihr nachmachte. Der Bulle war völlig unbeeindruckt und stillte nur seinen Durst.

Auch Lemeki schließt langsam Freundschaften in der Voi-Herde, ist aber immer noch am liebsten in Gesellschaft der Keeper. Sie hält ihnen mit Vorliebe den Rüssel vors Gesicht, damit sie hineinpusten. Sie kann sehr eifersüchtig werden und schubst gerne mal potentielle Konkurrenten, wenn sie zu nah oder zu lange bei „ihren“ Keepern sind. Sie ist es gewohnt, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu sein, sie muss sich also erst mal daran gewöhnen, jetzt Teil einer großen Herde zu sein. Aber wir stolz auf jeden kleinen Fortschritt und überzeugt, dass sie sich bald in die Herde einfügen wird. Thamana dagegen ist komplett angekommen in der Herde. Besonders liebt er die Ringkämpfe mit Emoli und Suswa, aber eigentlich mag er alles, was ihn von Mudanda fernhält. Mudanda hat Lemeki und Thamana adopiert, aber sie kann sehr besitzergreifend sein. Einmal bemerkte sie, dass Thamana mit Suswa rangelte und kam vor Wut trompetend herüber, beendete das Spiel und nahm Thamana mit.

Unsere Voi-Waisen lieben es allesamt ziemlich theatralisch. Rorogoi ist zwar meistens sehr ruhig, kann aber auch richtig ausflippen. Sie ist immer die letzte in der Suhle, so dass sie beim Herauskommen mit flatternden Ohren und wildem Trompeten ihren Auftritt in vollen Zügen genießen kann. Einmal legte sie sich in einen der Gräben am Hang des Mzinga-Berges und tat so, als komme sie nicht wieder hoch. Ndotto war in der Nähe und ignorierte sie vorsichtshalber. Er wusste genau, dass sie ihn nur in einen Ringkampf verwickeln wollte. Murit war zu gutmütig und wollte nach ihr schauen, und prompt sprang sie auf – Mission erfolgreich! Anders als Ndotto, Ngilai und Emoli, die immer gerne spielen, lassen es Lasayen und Murit lieber ruhig angehen. Nur einmal lud Lasayen Murit zu einem kleinen Ringkampf ein. Godoma ging dazwischen, was Murit aus der Fassung brachte. Wütend seinen Kopf schüttelnd zog er davon.

Trotz der Dürre war es diesen Monat sehr kalt in Voi. An den meisten Tagen wollten die Waisen nicht mal ins Wasser oder in den Schlamm gehen. Stattdessen legen sie lieber längere Saufpausen ein und widmen sich danach wieder dem Fressen. Tahri ist nach mehr als einem Jahr bei einer wilden Herde wieder zurück bei den Waisen. Die Wildnis ist ihr gut bekommen, aber es scheint, als sei sie noch nicht bereit für den letzten Schritt der Auswilderung. Sie genießt es, wieder zurück zu Hause zu sein, mit Mbegu – ihrer einstigen Rivalin und jetzigen Freundin – und den anderen Kühen zu grasen. Wir sind froh, dass sie sich nicht zu viel Stress macht, denn eine Auswilderung mitten in einer schlimmen Dürre ist kein Zuckerschlecken.

Pika Pika war in der Nursery das Lieblingsbaby aller. Zur unserer großen Überraschung hat sie sich sofort gut mit Thamana und Lemeki verstanden, obwohl diese ihr locker die Rolle des Nesthäkchens in Voi hätten streitig machen können. Allerdings hat sie ihre Problemchen mit Juni! Manchmal, wenn die Keeper nicht aufpassen, schubst oder tritt sie Juni. Juni ist derzeit die jüngste in der Herde und zieht natürlich dementsprechend viel Aufmerksamkeit der älteren Kühe auf sich, vor allem von Tagwa, Mbegu und Sagala. Als Lemeki und Thamana ankamen, hat Mudanda sie sich schnell unter den Nagel gerissen, während Pika Pika Arrubas Liebling blieb. Vielleicht fühlt sie, dass ihr Rang jetzt von Juni bedroht ist.

Ngilai ist immer noch verschossen in Tagwa. Er sucht ständig ihre Nähe, wenn er auch manchmal etwas holprig bei seinen Avancen ist. Meist versucht er, sie zu besteigen, und dann flüchtet sie zu ihren Freunden.

Am Monatsende wurde es endlich ein bisschen wärmer. Godoma, Sagala, Pika Pika, Arruba und Embu nutzten die Gelegenheit gleich für ein ausgiebiges Schlammbad. Sie waren offensichtlich froh über den Wetterwechsel und darüber, endlich wieder baden zu können. Als der Juli zu Ende ging, gab Mudanda spontan Thamana eine Lektion im Ringkampf. Godoma lag in der Nähe und entspannte sich, während Lemeki sie bewachte. Nach diesem kleinen Intermezzo gab Godoma das Zeichen, dass es Zeit war, nach Hause zu gehen. Alle folgten ihr in Erwartung ihrer abendlichen Milchflaschen, die schon für sie bereit standen.

 

Monatsbericht für die Ithumba-Gruppe: Juli 2022

Der Monat begann vielversprechend. Zuerst kam eine wilde Herde, die von einer Leitkuh, die wir „die Königin“ nennen, angeführt wurde. Es war fast, als hätten sie sich mit den Waisen zum Frühstück verabredet: sie warteten neben dem Gehege, und anschließend gingen alle gemeinsam zum Luzerne-Fressen. Nach dem üppigen Mahl führte „die Königin“ ihre Herde wieder in den Busch. Am selben Abend kam der wilde Bulle, den wir „Dad“ nennen mit 30 Freunden vorbei! Die Waisen sind immer begeistert, wenn eine solch große Herde kommt. Besonders die Bullen wurden von den kleinen Waisen-Bullen bewundert, als sie in ihr Nachtlager gingen – alle, außer Enkikwe, Sapalan, Ambo und Karisa, die sich abseilten und erst später nachkamen.

Musiara ist ein richtiger Komiker. Wann immer er meint, dass die Herde etwas aufgemuntert werden muss, hat er auch prompt eine Idee. Eines Nachmittags schlenderte er unschuldig von der Herde weg, und sobald er außer Sichtweite war, begann er zu trompeten, als ob er einen Feind verscheuchen wollte. Der Krach ließ Kuishi, Esampu, Sana Sana, Pare und Jotto angestürmt kommen, um ihren Freund Musiara zu beschützen. Als der seine Freunde kommen hörte, war er außer sich vor Stolz und Freude und rannte ihnen entgegen. Die anderen waren verwirrt darüber, dass Musiara auf sie zu rannte, denn sie hatten ihm ja noch gar nicht geholfen, den mysteriösen Feind zu vertreiben! Musiara schaute sehr süffisant und fraß unbekümmert weiter, während seine Freunde weiterrätselten.

Die wilden Babys der Ex-Waisen haben es offenbar auch faustdick hinter den Ohren. Einmal fiel Kinnas Tochter Kama negativ auf, als sie Esampu ordentlich schubste. Mteto, Maramoja, Ndiwa und Sana Sana verbündeten sich, um Esampus Ehre zu verteidigen und scheuchten Kama weg. Ein anderes Mal hatte Malkia eine Meinungsverschiedenheit mit Wiva, die in einer Schubserei endete. Mundusi und Pare schlossen sich mit Malkia zusammen, um Wiva in die Schranken zu weisen. Aber der Triumph dauerte nicht lang, weil Wiva ihren Joker zog: sie rannte zu ihrer Mutter Wendi, die bekannt für ihr Temperament ist. Die Waisen kennen Wendi und gaben lieber klein bei. Sogar die erwachsenen Elefanten haben Respekt vor Wendi. Wann immer sie sie und ihre Herde in der Nähe von Ithumba waren, machten Mutara und ihre Herde Ex-Waisen einen großen Bogen um sie, weil sie sich an einen Zwischenfall im letzten Monat erinnerten: Wendi schubste Turkwel, die auf Mambo fiel, und es gab ein riesiges Drama. Die Herden von Wendi und Mutara sind inzwischen wie Öl und Wasser – sie lassen sich schlecht mischen.

Dololo hat seine eigenen Problemchen mit Mutaras Herde. Lange war er der Liebling von Suguta, Sities, Turkwel und Kainuk, aber die ließen ihn fallen wie eine heiße Kartoffel, als Mutara Mambo auf die Welt brachte. Andererseits war das auch ganz gut für Dololo, denn Kindermädchen können einem mit ihrer ganzen Liebe die Luft zum Atmen nehmen. Jetzt kann er mit den älteren und schon unabhängigeren Waisen, den „Rumtreibern“, abhängen. Dololo ist sehr freundlich und abenteuerlustig und freut sich daher über jede Möglichkeit dazu. Die „Rumtreiber“ werden von uns so genannt, weil sie meist erst sehr spät abends oder gar nicht zum Schlafen nach Hause kommen. Nach einem Tag mit ihnen im Busch geben sie Dololo pflichtbewusst abends ab, denn sie wissen, dass er noch sehr jung ist und es für ihn nachts im Busch noch zu gefährlich ist.

Larro, Mukkoka und Naboishu haben nun den Großteil des Jahres in Ithumba verbracht. Larro ist inzwischen eine ausgezeichnete Gruppenanführerin und bringt die Waisen von einer Aktivität zur nächsten. Obwohl sie eines der jüngsten Mitglieder der Herde ist, hören alle auf sie. Wenn sie kollert, ist das eine Aufforderung, weiter zu ziehen. Naboishu oder Mukkoka laufen dann meistens mit ihr los, und dann dauert es nicht lange, bis die ganze Herde mitzieht.

Der Höhepunkt des Monats kam am 12. Juli. Die Waisen waren gerade auf dem abendlichen Rückweg ins Stallgelände, als die Keeper Ex-Waise Ithumbah mit einem Neugeborenen sahen! Sie war schon in der nacht zuvor – hochtragend – in der Nähe gewesen, die Geburt muss also an diesem Tag passiert sein. Wir waren sehr stolz, dass sie dieses Lebensereignis mit uns teilt. Ihr kleines Mädchen war sehr kräftig, und das schon so kurz nach der Geburt. Wir nannten es Iman, und sie hat die Ehre, das 50. (uns bekannte) Elefantenbaby zu sein, dessen Mutter von uns gerettet, aufgezogen und wieder ausgewildert wurde. Für Ithumbah ist es das erste Baby, aber sie lernt sehr schnell. Da wir derzeit wegen der Dürre so viele wilde Elefanten im Stallgelände haben, war sie schnell überwältigt. Die Keeper haben ihr ein ruhiges Plätzchen hinter den Ställen eingerichtet, wo sie sich mit ihrem Baby zurückziehen und Luzerne futtern konnte. Das gefiel ihr so gut, dass Ithumbah regelmäßig mit Iman an ihren „besonderen Ort“ zurückkam. Etwas später im Juli sahen wir Ex-Waise Makena, die drei Jahre älter als Ithumbah ist. Sie schien sich um Mutter und Kälbchen zu kümmern. Makena ist bis jetzt noch nicht selbst Mutter, weil sie ihr erstes Baby traurigerweise im September 2021 verloren hatte. Sie hat aber viel Erfahrung, im Leben und als Kindermädchen, und scheint diese gerne zu teilen.

Viele unserer Waisen üben jetzt ihre Fertigkeiten in der Pflege des Nachwuchses. Ndiwa ist verzückt von Klein-Naboishu und zieht oft den ganzen Tag mit ihm durch den Busch. Maramoja, Esampu, Ndiwa und Mteto sind besessen von den Babys der Ex-Waisen und versuchen alles, um so viel Zeit mit ihnen zu verbringen wie möglich. Sie spielen oft den ganzen Tag Kindermädchen, bis sie abends von den Ex-Waisen zurück nach Hause gebracht werden. Malkia ist ganz verzaubert von Mutaras Baby Mambo. Seine eigentlichen Kindermädchen Turkwel, Sities und Suguta heißen die kleine Hilfskinderfrau aber immer herzlich willkommen.

Trotz der anhaltenden Dürre ist es recht kalt in Ithumba, genau wie im Rest des Nationalparks Tsavo-Ost. Eines Nachmittags sah Kuishi aus, als wollte sie ins Wasser gehen, aber niemand wollte ihr Gesellschaft leisten – also tröpfelte sie nur ein bisschen Schlamm auf ihre Haut. Am nächsten Tag verbrachten Mapia und Sapalan den ganzen Tag mit Ringen – die Keeper nahmen an, sie machen das, um sich warmzuhalten.

Esampus Rachefeldzug gegen die Büffel hält an. Eines Nachmittags sah sie zwei von ihnen an der Tränke und beschloss, sie mit lautem Trompeten davonzujagen. Die Büffel zogen weiter, aber nicht, weil sie Angst vor ihr hatten, sondern weil sie mit Saufen fertig waren. Esampu hingegen war sehr stolz, da sie dachte, sie hätte eben zwei Eindringlinge ganz alleine verjagt!

Am 24. Juli tauchte Kithaka mit einem geschwollenen Hinterbein auf und humpelte schwer. Die Keeper brachten ihn in einem der Gehege unter und versorgten ihn mit viel Luzerne und Pellets, während sie den Tierarzt riefen. In der Wildnis hat man leider nicht so schnell ein Röntgengerät zur Hand, und daher wissen wir nicht, ob er sich etwas gebrochen hat. Wir hoffen, dass Entzündungshemmer und Ruhe erst mal Besserung bringen. Wegen ihrer Launen will es sich niemand mit Kamok verscherzen. Aber es scheint, als hätte sie ein ebenbürtiges Gegenüber gefunden. Sie hat versucht Wema, Wendis jüngste Tochter, zu ärgern. So wie es Wiva am Monatsanfang getan hatte, rannte auch Wema zu ihrer Mutter. Kamok gab komischerweise sofort auf, weil auch sie sich gar nicht erst mit Wendi anlegen wollte. Wendi zeigte einfach nur mit dem Rüssel auf Kamok, als ob sie ihr eine Warnung aussprach.

 

Monatsbericht für die Kibwezi-Gruppe in Umani Springs: Juli 2022

Der Monat begann mit einem Besuch von Ziwa, dem ersten Umani-Waisen, der inzwischen völlig ausgewildert ist. Er tauchte mit ein paar wilden Bullen im Schlepptau im Stallgelände auf. Sonje war verstört, so viele Fremde auf einmal ankommen zu sehen, aber sobald sie Ziwa sah, beruhigte sie sich. Ziwa schritt selbstbewusst ins Stallgelände und naschte ein paar Luzerne-Pellets, die die Keeper hingelegt hatten. Seine wilden Freunde hielten Sicherheitsabstand von den Keepern und waren sichtlich verwundert darüber, dass Ziwa so entspannt in der Gegenwart von Menschen war. Als die Gruppe aufbrach, folgte er ihnen, ohne sich noch einmal umzusehen. Er ist wie ein menschlicher Teenager – er kommt nur noch zum Essen nach Hause!

Enkesha und Maktao sind beste Freunde. In der Regel laufen sie immer in die gleiche Richtung, selbst wenn es die entgegengesetzte Richtung zum Rest der Herde ist. Wenn sie nebeneinander laufen, legt Maktao oft seinen Rüssel auf Enkeshas Rücken – er bewundert seine „große Schwester“. In der Tat sind all die älteren Kühe ausgezeichnete Ersatzschwestern. An einem Abend tauchte ein Büffel aus dem Gebüsch auf und lief direkt auf Kiasa zu, die sich gerade an einem Pfosten schubberte. Lima Lima und Sonje rannten zu ihr, um sie zu warnen. Kiasa ging dem Büffel aus dem Weg und stellte sich an Sonjes Seite – für den Fall der Fälle.

Aber die jungen Kühe haben es selber auch faustdick hinter den Ohren. Wir wurden eines Morgens daran erinnert, als ein Trupp Weißkehlmeerkatzen von einem Baum kletterte. Lima Lima entspannte sich zufällig genau unter diesem Baum, und jedesmal, wenn die Affen weiter hinunter wollten, hob sie ihren Rüssel und sie hielten wieder inne. Zongoloni war so beeindruckt, dass sie gleich mitmachte. Nach einer Weile waren die Affen frustriert und schimpften im Baum. Irgendwann riefen die Keeper die beiden spitzbübischen Mädchen zurück.

Die Regenzeit in ganz Kenia war enttäuschend, selbst die Chyulu-Berge und der Kibwezi-Wald sind ungewöhnlich trocken. Die Futtersuche wird immer schwieriger, und Buschfeuer sind ein großes Risiko. Es gibt immer noch genug Futter um die Umani-Quellen herum, aber unsere Waisen haben natürlich auch den Vorteil, Milch und Luzerne zugefüttert zu bekommen. Aber den Wildtieren geht es lange nicht so gut und daher haben wir ihnen auch ein bisschen Luzerne zukommen lassen.

Interessanterweise hat die Dürre die Buschböcke und die Paviane zu Verbündeten gemacht. Die Paviane klettern auf die Akazien und schütteln die Zweige, so dass die Schoten auf den Boden fallen, wo die Buschböcke sie fressen können. Auch die Elefantenwaisen haben das mitbekommen und versuchen nun auch davon zu profitieren. Quanza ist in der Regel diejenige, die die Paviane und Buschböcke verscheucht, Lima Lima und Sonje schütteln die Schoten vom Baum, und Maktao, Kiombo und Kiasa genießen alles, was herunterfällt. Einmal, als Sonje fertig mit Schütteln war, wollte sie auch ein paar Schoten fressen – aber alle waren aufgefuttert, niemand hatte an Sonje gedacht!

Nach längerer Abwesenheit kamen auch die „Nachtschwärmer“ wieder einmal vorbei. Die Gruppe der fast ausgewilderten Elefantenwaisen wird von Lima Lima und Zonogoloni angeführt. Die anderen Waisen, besonders Kiasa, Sonje und Murera, waren begeistert von dem Wiedersehen. Kiasa hat Zonogoloni, die sie als große Schwester sieht, sehr vermisst. Wann immer Zongoloni an diesem Tag aus Kiasas Blickfeld verschwand, ließ sie ein alarmierendes Trompeten heraus. Alamaya und Mwashoti waren sehr glücklich, ihre Freunde Faraja und Jasiri wiederzusehen, nur Ngasha war wenig begeistert. Faraja und Jasiri streckten ihm den Rüssel entgegen, aber statt den Olivenzweig anzunehmen, schubste er Faraja. Mwashoti versuchte Faraja zu vermitteln, dass alle anderen froh waren, ihn wiederzusehen. Alle ignorierten Ngasha einfach.

Ngasha leistete sich diesen Monat noch andere Entgleisungen. Einmal jagte er Murera und Sonje, was Kiasa, Kiombo und Enkesha völlig verunsicherte. Kiombo und Quanza meldeten Ngasha bei den Keepern, die ihn letztendlich verscheuchten. Der Frieden war wiederhergestellt, und die Babys feierten ihren Sieg mit lautem Trompeten und Büscheklopfen. Aber Ngashas Draufgängertum ist nur Schau, was sich zeigte, als er eines Morgens mit einer wilden Elefantenherde auftauchte. Er verbrachte ein bisschen Zeit mit ihnen, aber die Keeper sahen ihm an, dass er sich unwohl fühlte. Es waren ein paar große Bullen dabei, vor denen er ganz offensichtlich Angst hatte, weil er sie nicht herumschubsen konnte wie die Waisen. Ngasha machte einen großen Bogen um die wilden Bullen!

Die jungen Kühe sind besessen von den wilden Babys, und sogar einige unserer jungen Bullen haben das Baby-Fieber! Einmal, nach der mittäglichen Milchfütterung, hob Kiasa den Rüssel über ihren Kopf. Die Keeper dachten, sie würde sich nur strecken, rechneten jedoch nicht damit, dass Kiasa, Kiombo, Maktao, Enkesha und Sonje neue wilde Freunde mit Babys gefunden hatten. Quanza, Mwashoti und Murera tauchten aus dem Gebüsch auf und führten die Keeper zu der Stelle der Begegnung.

Es war sehr kalt diesen Monat, und um warm zu bleiben, versuchte Kiombo sich unter Sonjes Bauch zu kuscheln. Kiasa und Maktao waren gar nicht begeistert, zerrten ihn eifersüchtig am Schwanz und schubsten ihn von Sonje weg. Genau wie Menschenkinder geraten sie ständig in Zwist und vergessen schnell, worum es dabei eigentlich geht.

Der Monat endete mit einem weiteren Entführungsversuch von Zongoloni. Sie hat ihre Chance gewittert, als Kiasa eines Nachmittags etwas abseits der Keeper und der anderen Elefanten fraß. Sie schnappte sich Kiasa und verschwand mit ihr in den Büschen. Die Keeper suchten und riefen, aber konnten sie nirgends finden. Als die Waisen abends zurück ins Stallgelände kamen, war Kiasa immer noch verschwunden. Offenbar war sie erpicht darauf, einen Abend in der Wildnis mit ihrer „großen Schwester“ zu verbringen. Lange nachdem alle eingeschlafen waren, tauchte sie auf einmal vor dem Stallgelände auf. Sie schien die Nerven verloren zu haben, und Zongoloni hatte sie zurückgebracht. Die Keeper gaben ihr eine Flasche Milch zur Beruhigung und zur Belohnung.