Die Waisen im Mai

 

Monatsbericht für die Nursery-Gruppe in Nairobi: Mai 2020

Diesen Monat haben wir uns von einigen unserer Nursery-Bewohnern verabschieden müssen. Zuerst zogen unsere Mini-Leitkuh Tagwa und ihre Freundin Tamiyoi in unsere Auswilderungsstation nach Voi im Nationalpark Tsavo-Ost. Am 17. Mai waren dann die drei Bullen Musiara, Sattao und Dololo an der Reihe; für sie geht die Auswilderung in Ithumba weiter, im nördlichen Teil des Nationalparks. Und am Monatsende ging es für Luggard und Enkesha nach Umani im Kibwezi-Wald nahe des Chyulu-Hills Schutzgebietes. Die Gefühle zu diesen Anlässen sind immer sehr stark und sehr gemischt: Einerseits verspüren wir großen Stolz, daß unsere Schützlinge den ersten Schritt in die Auswilderung geschafft haben. Andererseits sind wir traurig darüber, daß wir sie nicht mehr jeden Tag um uns haben werden. Letzten Endes überwiegt aber die Freude darüber, was sie jetzt vor sich haben und daß sie bald wieder mit den wilden Elefanten durch die kenianische Savanne streifen können. Am 4. Mai begannen wir damit, zu üben, Musiara, Luggard, Tamiyoi, Tagwa, Dololo und Enkesha daran zu gewöhnen, über eine Rampe in den Anhänger des Umzugs-Lkw zu laufen. Das verbanden wir mit der Milchfütterung um 9 Uhr und lockten die Waisen mit ihrer Milchflasche über die Rampe. Tagwa und Musiara weigerten sich zu Beginn, dem Lkw überhaupt näher zu kommen. Tagwa war ja schon einmal in Voi und erinnerte sich wahrscheinlich, was da jetzt kommen würde. Musiara ließ sich von Tagwas Zögern anstecken. Aber das kennen wir und es ist ganz normal; jeder Elefant reagiert unterschiedlich auf einen Lkw. Manche Elefanten – so wie Tamiyoi und Enkesha – hatten gar keine Probleme und folgten der Flasche gleich beim ersten Versuch auf den Anhänger. Und dann wird einfach so lange geübt, bis sich alle daran gewöhnt haben. Am 11. Juni waren Tagwa und Tamiyoi dann soweit und es ging für sie nach Voi. Wie immer begann die Reise sehr früh am Morgen, um 2:30 Uhr, damit sie vor der Mittagshitze ihr Ziel erreichen.

Und wie immer, nachdem ein paar Waisen aus der Nursery-Herde verschwunden sind, muss erst einmal eine neue Rangordnung im dem Rest der Herde ausgehandelt werden. Maisha was sichtlich glücklich darüber, jetzt für alle Babys zuständig zu sein und übernahm schnell die Rolle der Leitkuh. Sie wurde dabei tatkräftig von Kiasa und Nabulu unterstützt. Der Grund, warum wir mit Maishas Umzug noch bis November warten wollen, war hauptsächlicher der, daß die Lücke, die Tagwa und Tamiyoi hinterließen, erst einmal gefüllt werden sollte – und Maisha lebte sich prächtig in die neue Rolle ein! Enkesha, die schon immer ein kleiner Freigeist ist, schien sich wenig um das Tohuwabohu zu scheren und ging wie immer ihrer eigenen Wege. Sie ist stets freundlich und höflich, aber genießt es, alleine zu sein.

Musiara hatte sich auch bald an den Lkw-Anhänger gewöhnt und es dauerte nicht lange, daß er seine Flasche bekam, damit allein über die Rampe lief und sie im Anhänger aussoff. Allerdings fühlte er sich nur in einem Abteil wohl, so daß er dies gleich für ihn reserviert wurde. Sattao und Musiara waren zum Zeitpunkt ihrer Rettung fast gleich alt und daher immer sehr eng. Es hat unser Herz erwärmt, daß sie nun auch diesen nächsten Teil ihrer Auswilderung zusammen bestreiten werden. Am 17. Mai war es nun so weit und unsere drei jungen Bullen kamen ohne Probleme in Ithumba an. Am nächsten Morgen gingen sie es ruhig an, gewöhnten sich erst einmal an die neuen Herdenmitglieder und hielten sich die meiste Zeit in der Nähe ihrer Keeper auf.

Mukkoka, Naleku und Naboishu schien es gar nicht zu stören, daß Musiara, Sattao und Dololo fehlten! Maktao wirkt jetzt viel selbstbewußter, da er nun einer der ältesten Bullen in der Nursery war. Wir beobachten oft, daß sich die jüngeren Waisen erst richtig entfalten können, wenn ältere, dominantere Waisen nicht mehr da sind. Für den Rest des Monats waren Maktao und Kiombo ständig mit Ringen beschäftigt, wahrscheinlich um auszufechten, wer jetzt der stärkste Bulle in der Nursery war. Kiasa war meistens der Schiedsrichter über die kleinen Wettstreite und hat versucht, die Ordnung wieder herzustellen, wenn es zu stürmisch zuging. Kiasa ist sehr fürsorglich und harmoniebedürftig und mag keine Streitereien in der Herde. Nur während der Fütterung vergißt sie ihre Fürsorge oft und hat nur ihre Milch im Sinn. Das kann ziemlich nervig werden, denn sie arbeitet sich dann von Elefant zu Elefant, um ihnen die Flasche abzuluchsen.

Klein Roho himmelt Maisha an, ist immer an ihrer Seite und folgt ihr wie ein Schatten. Wenn Maisha nicht da ist, übernimmt Kiasa diese Rolle. Klein Naleku findet man meistens in der Gesellschaft von Enkesha, Larro oder Naboishu. Sie ist viel selbstbewußter geworden und obwohl sie noch so klein ist, ist sie viel mutiger als Roho. Der scheint vom Verlust seiner Mutter und der darauf folgenden Bergung immer noch schwer traumatisiert. Naleku ist immer noch gern in Mukokkas Gesellschaft, obwohl der junge Bulle nicht immer sehr freundlich ist. Naboishu hat sich ebenfalls gut eingelebt, verbringt die Tage mit den Waisen im Busch und hat sich an den Alltag gewöhnt. Er hat sich mit Roho angefreundet und beide haben die verschiedenen Handzeichen und Routinen der Keeper gelernt und wissen damit auch genau, wann es Zeit für die Milch ist. Wenn sie die Funkgeräte der Keeper hören, wissen sie, daß ihre Flaschen auf dem Weg sind. Dann werden sie unruhig, beginnen zu plärren und wollen schnell zu ihrer Flasche rennen.

Über die vergangen Monate konnten wir ein paar Veränderungen in Luggard feststellen. Manchmal war er schlecht drauf, wollte allein sein und wies andere Waisen sogar von sich. All seine Freunde aus den ersten Jahren in der Nursery sind mittlerweile in den Auswilderungsstationen im und um den Nationalpark Tsavo-Ost, und er war nunmehr der älteste Bulle. Wir vermuteten, daß er schlichtweg mental unterfordert war und beschlossen, ihn in unsere Auswilderungsstation Umani Springs im Kibwezi-Wald zu bringen, ein Ort wie geschaffen für gehandicappte Elefanten wie ihn. Am 31. Mai war es so weit und mit Enkesha an seiner Seite schien es, als sei er zu Hause angekommen. Es war herzerwärmend zu beobachten, wie die älteren Waisen Murera und Sonje, die ein ähnliches Schicksal hatten, ihn unter ihre Fittiche nahmen. Unsere Befürchtungen verflogen schnell und wir wußten, daß Luggard in seinem neuen Zuhause sehr glücklich werden würde. Enkesha, ruhig und gefaßt wie immer, zeigte lediglich einen Anflug von Begeisterung als sie all das frische Grünfutter erblickte – was für ein Aufgebot!

Larro hat zwischenzeitlich ihre Fertigkeiten im Wassersaufen verfeinert. Diesbezüglich war sie ein echter Spätzünder. So wie Ziwadi hat sie immer ihren Kopf ins Wasser gesteckt und direkt mit dem Maul gesoffen. Aber in den letzten Tagen hat sie damit begonnen, das Wasser mit dem Rüssel aufzusaugen und es in ihren Mund zu spritzen. Ziwadi trinkt immer noch mit dem Maul, aber die Keeper hoffen, daß auch sie irgendwann wie ein „richtiger“ Elefant säuft. Ansonsten geht es ihr gut, sie hatte keine Krampfanfälle mehr und ist auch körperlich viel fitter geworden.

Unsere Nashörner: Maxwell hatte einen recht ruhigen Monat. Er hat uns ein etwas Sorgen bereitet, weil er ein bißchen niedergeschlagen wirkte. Wir haben sein Futter umgestellt und ein paar Untersuchungen gemacht und hoffen auf eine baldige Diagnose, damit er gegebenenfalls behandelt werden kann und er bald wieder ganz der Alte ist. Wir freuen uns, daß er mittlerweile wieder kleine Streifzüge durch sein Gehege macht, besonders hinüber zur Stelle, an der Giraffenbulle Kiko immer stand, wenn sich Löwen in der Nähe aufhileten. Von dort aus horchte er immer ganz genau, was sich im Stallgelände abspielte, besonders als wir die Elefanten an den Umzugs-Lkw gewöhnten. An kühleren Vormittagen bleibt er lieber in seinem mit Heu gefülltem Schlaflager, aber an anderen Tagen warten er auf die Waisen, um ein wenig mit ihnen zu spielen, bevor sie in den Busch ziehen.

 

Monatsbericht für die Voi-Gruppe: Mai 2020

Die Regenzeit scheint beendet, denn die Tage werden klarer und heißer, das Gras verfärbt sich gelb und trocknet aus. Aber wir hatten eine sehr gute Regenzeit, mit fast durchgängigen Niederschlägen von Oktober bis Mai. Die Wasserlöcher sind randvoll und die wilden Herden sind immer noch weit verstreut im Nationalpark Tsavo-Ost, denn es gibt überall noch reichlich Futter. Im Juni und Juli wird es kälter werden und die kühleren Winde aus Südosten werden die Waisen wieder vermehrt vom Suhlen abhalten. Viele nutzten die letzten heißen Tage zum Baden und Wälzen im Schlamm, während andere sich genüßlich vom Rand aus mit Wasser bespritzten und lieber nicht ganz eintauchten.

Das größte Ereignis diesen Monat war ohne Zweifel die Ankuft von Tagwa und Tamiyoi am 11. Mai. Für Tagwa war es eine Rückkehr, sie war schon im Juni letztes Jahr nach Voi umgezogen, aber nachdem sie Probleme beim Durchbruch einer ihrer Stoßzähne hatte, wurde sie vorerst nach Nairobi zurückgebracht. Der Zahn wuchs durch die Haut, die Wunde infizierte sich und durch die Zahnschmerzen hatte sie schnell an Gewicht verloren. In Nairobi wurde die Wunde täglich gereinigt und der Tierarzt war jederzeit verfügbar. Mit ihrem kompletten Paar Stoßzähnen und in Begleitung ihrer langjährigen Freundin Tamiyoi sind die beiden jungen Kühe eine tolle Ergänzung für die Herde in der Auswilderungsstation in Voi, jetzt da in der Gruppe mehr und mehr Mitglieder in die Wildnis überlaufen. Tagwa war zuerst ein bißchen schüchtern. Sie schien nicht ganz zu verstehen, warum sie jetzt wieder hier war. Tamiyoi dagegen ging sofort auf Erkundungstour und begrüßte die anderen Herdenmitglieder, von denen sie noch viele aus der Zeit in der Nursery kannte. So zum Beispiel Mbegu, Ndotto, Lasayen, Godoma, Emoli, Sagala und andere. Es war toll, die Wiedervereinigung zu beobachten und wir erinnern an die Herkulesaufgabe ihrer Rettung. Sie war winzig klein und war für mehr als ein Jahr in kritischem Zustand. Ihre Erfolgsgeschichte verdankt sie hauptsächlich ihrem starken Überlebenswillen. Tagwa und Tamiyoi haben sich seit dem Umzug vorzüglich in Voi eingelebt und führen sogar schon ab und zu die Herde an. Sie verbringen die meiste Zeit mit Sagala, die ihrerseits letztes Jahr mit Tagwa aus Nairobi nach Voi gezogen war, und die Beiden haben ihre alte Freundschaft jetzt wieder vertieft. Lasayen war komischerweise von Beginn an ganz verzückt von Tamiyoi, was uns alle überraschte, schließlich ist er schon ein relativ großer Bulle. Aber das ungleiche Pärchen wird oft gemeinsam beim Grasen gesehen.

Am 10. Mai hatten wir bereits ein anderes Glückserlebnis, als Nelion, Ishaq-B, Ndoria und Tundani nach einer Woche mit Mashariki heimkehrten. Wir hatten sie seit mehr als einem Monat nicht gesehen und vermutet, sie hätte sich einer wilden Herde angeschlossen, denn sie ist sehr extrovertiert und liebt Begegnungen mit wilden Artgenossen. Die Keeper hatten zwar versucht, sie zu finden, aber erfolglos. Ihr Auftauchen kam dementsprechend unerwartet und gerade rechtzeitig zur Ankunft von Tagwa und Tamiyoi. Mashariki war außer sich vor Freude über das Wiedersehen! Für den Rest des Monats “pendelte” sie zwischen der Voi-Waisenherde und Kenias Gruppe.

Tundani und Nelian, die älteren Bullen in Kenias Herde, sind neuerdings eher zu Zweit anzutreffen und besuchen ab und an die Waisen, manchmal auch mit Mashariki. Sie sind sehr verspielt und ein bißchen grob und wahrscheinlich wollte Kenia sie deshalb für eine Weile loswerden! Kenia, Ndii, Araba, Ndoria und Ishaq-B gehen meistens ihrer eignenen Wege, verbringen auch viel Zeit mit wilden Herden und lassen sich nur noch gelegentlich blicken. In den Morgenstunden kommen sie manchmal zur Luzernefütterung, manchmal auch nachts zum Saufen, wenn die Waisen in ihren Ställen sind. Sie schauen dann kurz nach dem Rechten und ziehen dann weiter, um die Nacht auf dem Msinga-Berg zu verbringen.

Die Abwesenheit von Kenias Herde hat das Band zwischen Arruba und Klein Pika Pika verstärkt, da sich Arruba intensiv um sie kümmert. Eine weitere dicke Freundschaft hat Arruba mit Ndotto. Der ist auf dem besten Wege ein wunderhübscher Elefantenbulle zu werden und hat einen großen Wachstumsschub hinter sich. Er spielt trotzdem noch sehr gerne, am liebsten mit Arruba und wir sehen sie fast täglich beim Ringen. Ndotto befaßt sich auch gerne mit Rorogoi, wenn Arruba mit anderen Dingen wie Pika Pika beschäftigt ist. Ngilai wird oft zusammen mit Emoli gesehen. Mudanda benimmt sich gelegentlich immer noch daneben und ärgert gerne die Jüngeren – aber wehe, wenn sie sich an Pika Pika vergreift! Dann ist Arruba sofort zur Stelle. Weil Mudanda immer ein wenig forsch ist, spielen die anderen Waisen nicht so gerne mit ihr und wir beobachteten einmal, wie sich Godoma versuchte, aus dem Staub zu machen, als Mudanda sie in einen Ringkampf verwickeln wollte. Sie schien Angst vor Mudandas langen Stoßzähnen und ihren berüchtigten Kopfangriffen zu haben!

 

Monatsbericht für die Ithumba-Gruppe: Mai 2020

Die Regenzeit ist vorbei und der Norden Tsavos wieder trocken. Daher kommen viele unserer bereits ausgewilderten Waisen wieder öfter in die Nachbarschaft der Ithumba-Auswilderungsstation, vor allem zum Saufen, und haben oft wilde Artgenossen dabei. Wir haben die inzwischen stattlichen Ex-Waisenbullen Challa, Zurura und Rapsu gesehen, und einmal kamen Orwa, Bomani, Kainuk und Chemi Chemi zusammen mit Kibo, Sities, Suguta, Mutara und Kainuk auf eine Stippvisite vorbei. Kainuk war sehr glücklich, Mutara und ihre anderen Freunde wiederzusehen, aber Mutara hatte es nicht leicht, denn sie war offenbar läufig und hatte ständig liebeswütige Bullen im Schlepptau. Ein attraktiver Bulle schien es ihr besonders angetan zu haben und sie verbrachten einige Zeit zusammen. Hoffentlich gibt es in wenigen Jahren Nachwuchs für sie!

Gegen Ende des Monats kam Suguta mit Turkwel, Kainuk, Kithaka, Garzi und Lemoyian zur Suhle. Sie haben uns gleich an das unschlagbare Elefantengedächtnis erinnert und schauten zuerst nach, ob in den Schubkarren noch Milchflaschen auf sie warteten – nach fünf Monaten Abwesenheit! Turkwel, Kithaka, Garzi und Lemoyian hatten wir seit 27. Dezember letzten Jahres nicht mehr gesehen und alle freuten sich sehr über den Überraschungsbesuch. Die Ex-Waisen, außer Turkwel, sind bekannt als unsere „Rebellenherde“ mit Kithaka als fähigem Anführer. Die fünf Monate inmitten der wilden Herden Tsavos sind ein Meilenstein in der Auswilderung der Jungs. Turkwel war schon mehrere Jahre in der Wildnis zu Hause, aber sie musste letztes Jahr nach einer Löwenattacke länger behandelt werden und verbrachte die Nächte freiwillig im Stallgelände, bis sie wieder völlig gesund war. Offenbar war sie der Katalysator dafür, daß sich die Rebellen schließlich getraut haben, so lange weg vom Stallgelände zu bleiben. Und eine Kuh in ihrer Mitte hat ihnen mit Sicherheit Stabilität und Selbstvertrauen gegeben. Als sie wieder auftauchten, war Turkwel sichtlich erstaunt über die Neuankömmlinge aus Nairobi und begrüßte sie sofort. Lemoyian dagegen nutzte seine neugewonnene Kraft direkt, um Tusuja in einen Ringkampf zu verwickeln.

Die Neuankömmlinge aus Nairobi waren Musiara, Sattao und Dololo, die am 17. Mai bei uns angekommen waren. Als die Drei mit einer Flasche Milch aus dem Umzugs-Lkw gelockt wurden, wurden sie von Jotto, Ambo, Kuishi, Malima und Mapia begrüßt, die sie alle schon aus der Nursery kannten. Mapia wollte gleich zeigen, daß er schon viel erfahrener war und begann zu stänkern. Die Keeper ermahnten ihn und Maramoja, Kuishi, Malkia und Sana Sana nahmen sich den Neuankömmlingen an, um ihnen bei der Eingewöhnung zu helfen. Besonders Malkia und Ndiwa haben sich sehr um die drei Jungs gekümmert. In den ersten Tagen in Ithumba machten sie ständig neue Erfahrungen und besonders für Sattao und Musiara war das alles recht überwältigend. Die beiden waren fast noch Neugeborene, als sie gerettet wurden und erinnern sich nicht mehr an ihre ganz frühe Kindheit, aber als sie Tsavo sahen und rochen und die anderen großen Elefanten sahen, schien sich etwas in ihnen zu regen. Eben noch die ältesten Bullen in der Nursery muß es eine krasse Erkenntnis für sie gewesen sein, daß sie auf einmal die Nesthäkchen in einer Herde mit 34 Waisenelefanten waren sowie auch all die vielen Ex-Waisen und wilden Artgenossen, die zu Besuch kamen. Die Keeper mussten lachen, als die Drei am Abend ihres ersten Tages von ihren neuen Mitbewohnern Jotto, Ambo und Malima in den Stall geführt wurden und sich auf dem Weg immer wieder schüchtern umblickten und die 14- bzw. 15-jährigen Zurura und Challa anstarrten, die hinter ihnen liefen! In diesen ersten Tagen, musste den jungen Bullen Ithumba wie ein Traum erscheinen. Futter in Hülle und Fülle sowie das riesige Wasserloch waren sehr beeindruckend. Musiara, Sattao und Dololo haben sich auch direkt ins kühle Naß gestürzt und waren die Letzten im Wasser, als der Badespaß zu Ende war. Das hat uns sehr überrascht, besonders wenn man bedenkt, daß Dololo seinerzeit aus einem Schlammloch gerettet werden musste, in dem er bis zum Hals feststeckte.  Es wäre völlig verständlich, wenn er Angst vor Wasser hätte, aber er scheint sein Trauma völlig überwunden und genießt den Neuanfang.

Unser tapferer Barsilinga kämpft seit einiger Zeit mit einer Fußverletzung und musste sich diesen Monat einer weiteren Operation unterziehen. Er hatte sich vor ein paar Wochen einen Dorn eingetreten, die Wunde hatte sich entzündet und war mit Keimen infiziert und flammte jetzt wieder auf. Dr. Poghon, der Tierarzt, der sowohl für den Sheldrick Wildlife Trust (SWT) als auch die Kenianische Wildtierbehörde (Kenya Wildlife Service, KWS) arbeitet, hat erneut einen Abszess gespalten und jede Menge Eiter entfernt. Dadurch war der Druck im Fuß besser und Barsilinga konnte wieder bequemer laufen. Ein Depot-Antibiotikum wurde in die Wunde eingelegt und wir hoffen, daß der Fuß über die nächsten Wochen endlich wieder vollständig verheilt.

Orwa, Bomani, Kainuk, Chemi Chemi und ihr wilder Freund, den man auf Grund seiner Größe und seines ruhigen Gemüts leicht mit einem Elefantenwaisen verwechseln könnte, haben diesen Monat viel Zeit mit den Ithumba-Waisen verbracht. Der wilde Freund hat den Tagesablauf verinnerlicht und begleitet die vier Waisen abends sogar in ihr „Schlafzimmer“, ein kleines Nachtlager hinter dem Stallgelände, das sie sich eingerichtet haben. Dort legen sie sich ins Gras und man sieht ihre Bäuche im Mondschein und hört ein leises Schnarchen. Dieses Ritual findet eigentlich immer statt, wenn die Vier zu Besuch sind. Roi hat diesen Monat wieder einmal den Frieden während der Milchfütterung gestört, weil sie immer auf der Jagd nach einer Extraportion war! Ihre Versuche wurden aber immer schnell von den Keepern abgewehrt, denn sie kennen all ihre Tricks mittlerweile. Sie zog dann grummelig von dannen. Tusuja ist immer noch der verspielteste Elefant in der Ithumba-Waisenherde und sucht immer nach einem Spielgefährten. Er will jedoch einen ebenbürtigen Mitspieler und keinen x-beliebigen. Einmal versuchte er sich an Malima, aber änderte schnell seine Meinung, denn Malima war nun wirklich noch zu klein und kein erstzunehmender Gegner! Jemand in der Größe von Mundusi, Rapa oder Olsekki ist mehr nach seinem Geschmack; und seine brauchen wirklich große Ausdauer! Olsekki versucht sich auch an den älteren Bullen, einmal forderte er den 14-jährigen Zurura heraus! Ihm dämmerte schnell, daß er sich da wohl übernommen hatte und ging schnell weg, um nicht sein Gesicht zu verlieren.

 

Monatsbericht für die Kibwezi-Gruppe in Umani Springs: Mai 2020

Der Kibwezi-Wald ist ganzjährig grün, einer der Gründe, warum wir diesen Standort für unsere Waisen mit Handicap ausgewählt haben, um sich wieder in die Wildnis einzuleben. Wir konnten in den vergangenen Wochen beobachten, wie die ersten Waisen in der Umani-Gruppe – auch „die Nachtschwärmer“ genannt – ihre ersten Schritte in die Wildnis aufmachten. Der Übergang ist nicht abrupt und sie wissen, daß sie jederzeit die Nacht im Stallgelände verbringen können und auch tagsüber immer willkommen sind. Faraja, Ziwa und Ngasha werden von der fähigen jungen Kuh Zongoloni angeführt und wir nehmen an, sie hat von Murera den Auftrag bekommen, ein Auge auf die drei Jungbullen zu haben. Die Bullen lieben es, weiter weg vom Stallgelände zu streunen und sich mit wilden Artgenossen anzufreunden. Zongoloni jedoch schaut mindestens einmal täglich beim Rest der Herde vorbei. Sie werden „die Nachtschwärmer“ genannt, weil sie nachts besonders gern auf die Pirsch gehen. Dann hört man in der Umani Springs Eco Lodge jede Menge Trompeten, wenn sie sich an den Salzlecken mit wilden Elefanten treffen. Manchmal kommen die Vier auch mit ein paar wilden Elefanten im Schlepptau, als ob sie sich im Wald unterhalten hätten und die wilden Freunde einmal das ungewöhnliche Elefantenwaisenhaus besichtigen wollen. Der Anblick der Waisen und ihrer Keeper muss sehr beeindruckend sein.

Wir haben uns sehr gefreut, diesen Monat Ndugu wiederzusehen. Er war der allererste wilde Elefantenbulle, der den Kontakt zu den Waisen aufgenommen hatte. Die Bauarbeiten waren 2014 beendet und Murera, Sonje, Lima Lima, Quanza und Zongoloni waren die Ersten, die aus Nairobi kamen und einzogen. Er ist ein sehr attraktiver und sanftmütiger Bulle und völlig entspannt in der Gesellschaft der Waisen und ihrer Keeper. Er grast neben ihnen, als sei es das Normalste der Welt. Gegen Ende des Monats sahen wir ihm mit schlimmen Wunden, die er sich im Kampf mit einem anderen wilden Bullen zugezogen haben musste und riefen sofort den Tierarzt des SWT/KWS an, um ihn zu untersuchen und zu behandeln. Er wurde betäubt, untersucht und behandelt, erhielt aber eine schlechte Prognose, denn die Wunde zwischen seinen Schulterblättern stammte von einem großen Stoßzahn und war sehr tief. Nach dem Eingriff blieb Ndugu freiwillig in der Nähe des Stallgeländes, wo er still und leise vor sich hingraste. Wir waren todtraurig, als wir am 1. Juni seinen leblosen Körper fanden, er war seinen Verletzungen erlegen. Wir sind untröstlich über den Verlust dieses wundervollen Mentors der Umani-Waisen und Freund des Kibwezi-Waldes.

Jasiri hat diesen Monat all seinen Mut zusammen genommen und schloß sich regelmäßig den „Nachtschwärmern“ an. Er war 2015 mit Faraja und Ngasha nach Umani Springs gekommen und seither eng mit ihnen befreundet. Für die nächste Phase seiner Auswilderung war er noch nicht bereit, aber das scheint sich nun zu ändern! Lima Lima und Shukuru freuen sich, wenn die „Nachtschwärmer“ auch tagsüber unterwegs sind – mehr Milchflaschen für sie! Man kann ihre Enttäuschung förmlich sehen, wenn die „Nachtschwärmer“ schließlich doch noch rechtzeitig zur Fütterung auftauchen! Alamaya und Mwashoti dagegen vermissen die älteren Bullen, wenn sie nicht da sind und freuen sich immer höllisch, wenn sie wieder auftauchen. Besonders Alamaya trompetet und kollert dann voller Aufregung.

Nach den üppigen Regenfällen, die wir seit Oktober hatten, ist Kibwezi noch grüner als ohnehin schon! Das Gras ist so hoch und an manchen Stellen so dicht gewachsen, daß es manchmal schwierig für die Keeper war, die noch kleinen Alamaya und Mwashoti nicht aus dem Auge zu verlieren. Die Keeper folgten schließlich immer der Spur wackelnder Grashalme und Schmatzen, wenn sie sie nicht mehr sehen konnten. Alamaya ist immer noch trotzig und versucht zu zeigen wie groß und stark er ist, während Mwashoti sich gerne im Hintergrund hält und immer in der Nähe von Murera und Sonje läuft. Alamaya verbrachte diesen Monat auch viel Zeit mit Quanza und die Beiden spielten vertieft miteinander. Shukuru ist nach wie vor gerne allein und läuft und frißt in ihrem eigenen Tempo. Sie läßt sich von niemandem stressen und hält die Keeper somit auch ein wenig auf Abstand von den groben Jungbullen.

Der Höhepunkt diesen Monat war natürlich die Ankunft von Luggard und Enkesha am 31. Mai. Wir wußten, daß sie perfekt in die Umani-Gruppe passen würden. Alle Waisen hier haben Verletzungen, die es ihnen niemals möglich machen würden, hunderte Kilometer im harschen Tsavo auf der Suche nach Futter umherzuwandern. Hier, in einem wesentlich milderen Klima, würde es besonders Luggard viel besser gehen. Enkesha hat zwar „nur“ einen Rüssel mit Loch, aber sie ist außerdem eine dicke Freundin von Luggard und wird ihm eine große mentale Unterstützung sein. Lima Lima war die Erste, die die Neulinge in Umani Springs begrüßte. Sie hielt es nicht einmal aus, bis der Lkw anhielt, sondern lief bereits vorher zur Laderampe. Luggard schien zuerst ein wenig irritiert, aber die Keeper, Murera, Sonje und Lima Lima konnten ihn schnell beruhigen. Es dauerte nicht lange bis Enkesha die Waisen in den Wald anführte. Sie hatte zwar keine Ahnung, wo sie hingehen sollte, aber ihr furchtloser Charakter machte ihr die Eingewöhnung sehr leicht. Auch für Shukuru markierte die Ankunft der Babys eine Wende – sie ist richtig aufgeblüht!