Die Waisen im Oktober

Monatsbericht für die Nursery-Gruppe in Nairobi: Oktober 2022

Für unsere Kleinsten in Nairobi begann der Monat mit Spiel und Spaß. Allen voran Bondeni, unser junger Bulle mit dem Selbstbewusstsein eines ausgewachsenen Elefanten. Er verwickelte Roho in einen Freundschaftskampf, aber die beiden wurden bald von Oldepe unterbrochen, der mit Roho schmusen wollte. Im Spiel ist bei dreien oft einer zu viel, das trifft sowohl auf Menschenkinder als auch Elefantenbabys zu! Als Bondeni von Oldepe ignoriert wurde, überließ er die beiden sich selbst.

Die „Deckenbrigade“, Mzinga, Nyambeni, Shujaa, Mageno und Muridjo, hat sich inzwischen sehr gut eingelebt und in den Alltag der Nursery integriert. Wie zu erwarten, schwirrte Mini-Leitkuh Naleku fortan wie ein Helikopter um sie herum. Aber selbst die kleinsten Elefantenbabys können sie nicht von ihrer geliebten Kerrio ablenken. Kerrio war anfangs ein bisschen eifersüchtig, hat sich aber mittlerweile zu einer großartigen „großen Schwester“ gemausert. Suguroi entwickelt ebenfalls Mutterinstinkte und ist den ganzen Tag Mzinga und Nyambeni auf den Fersen, um sie mit dem Rüssel zu tätscheln. Mageno trifft man selten ohne Mzinga und Nyambeni, also gibt es diese Babys nur im Dreierpack.

Neshashi ist vielleicht die älteste Jungkuh der Nursery-Herde, aber irgendwie lässt sie sich mit der Mütterlichkeit noch Zeit. Sie provoziert die anderen Herden-Mitglieder lieber, als auf sie aufzupassen. Während Naleku, Olorien, Suguroi, Kindani und Kinyei den Kleinsten gegenüber sehr liebevoll sind, hat Neshashi nicht wirklich Interesse an ihnen. Eines Tages schubste sie absichtlich Bondeni, Esoit, Sileita und Sagateisa – erst im Wald und später noch einmal an der Suhle!

Kamili ist ein ruhiges Elefantenbaby, aber sie lässt sich ihre Gefühle durchaus anmerken. Sie mag es nicht, wenn sie bedrängt wird, und ist richtig böse, wenn jemand in ihre Komfortzone eindringt. Choka und Taabu machten den Fehler, sie eines Nachmittags besteigen zu wollen. Sie waren völlig überrumpelt, als die sonst so schüchterne Kamili sie ordentlich zurechtwies. Von da an machte sie sich groß, wann immer sie die beiden in ihre Richtung laufen sah, und warnte sie, ihr vom Leibe zu bleiben! Aber in Rafiki, ihrem Nachbarn, hat sie einen guten Freund gefunden. Anfangs schien sie ein bisschen misstrauisch, aber er hat ihr immer wieder bestätigt, dass er nur ihr Bestes im Sinne hat.

Ziwadi ist ein Gewohnheitstier. Sie beginnt jeden Morgen mit der gleichen Routine. Sie watschelt aus ihrem Stall und macht erst einmal eine Runde zu den Wassertränken und durch das Stallgelände. Während die anderen Waisen sich gegenseitig begrüßen und in Richtung Wald gehen, ist sie komplett fokussiert auf ihre Morgenmeditation. Bisher kann sie noch nicht mit dem Rüssel saufen, so dass sie mit ihrem Mund in der Tränke hängt und laut schlürft. Die Keeper warten immer geduldig, bis sie fertig ist. Latikas Markenzeichen ist das Niederknien beim Fressen im Wald. Sie hat einen zu kurzen Rüssel, und jeder Elefant, dem es so geht, eignet sich schnell eine eigene „Methode“ an. Auf ihre Art und Weise kann sie genauso viel fressen wie ihre Freunde.

Eine unserer Neuankömmlinge, Weka, wird mal eine richtige Anführerin. In der Regel ist sie mit ihrem besten Freund und Nachbarn, Muwingu, zusammen, der einen Tag nach ihr in die Nursery kam. Kitich ist der dritte im Bunde. Weka und Kitich schleichen sich gerne von der Herde weg zurück ins Stallgelände und naschen vom Zuckerrohr. Einmal stiftete Weka Kitich, Muridjo und Shujaa zu einem Streich an. Während die Keeper sie suchten, führte Weka die Gang zur Suhle, wo sie sich eine kleine Abkühlung gönnten! Baby-Elefanten sind sehr schreckhaft, und wenn ein Elefant in der Gruppe aufgeschreckt wird, hat das oft einen Domino-Effekt. Eines Nachmittags begegneten die Waisen im Wald ein paar Büffeln, Naleku trompetete laut – und die ganze Herde drehte durch. Ohne überhaupt nachzuschauen, was vor sich ging, rannten alle zurück ins Stallgelände. Nyambeni rannte so schnell, wie ihre kurzen Beine konnten, und überholte sogar die Größeren! Sagateisa, Lodo, Kinyei, Kindani und Esoit sind in der Regel schon etwas entspannter in solchen Situationen, aber auch sie flüchteten.

Auch Sileita wirkt eher schüchtern, aber sie kann sich durchsetzen, wenn es sein muss. Eines Morgens wurde sie von Mukutan geschubst, als sie gerade ihre Milch soff. Sileita konnte das nicht auf sich sitzenlassen und jagte ihn durch den Busch, bis die Keeper ihren Streit beendeten! Als die Waisen nach der Milch in den Wald liefen, ging Mukutan in die Offensive und trat Sileita. Dieses Mal überließen es die Keeper den beiden, ihren Streit bis zu Ende auszutragen, und Sileita ging als Siegerin hervor! Mukutan hatte das kleine Mädchen völlig unterschätzt und schrie um Hilfe!

Obwohl Esoit inzwischen einer der ältesten Bullen in der Nursery ist, sieht er sich selbst immer noch als Baby und hängt mit den Kleinsten ab. Zur Fütterung bekommen die Babys der „Decken-Brigade“ immer zuerst ihre Flasche, und Esoit verlangt doch tatsächlich, mit ihnen gefüttert zu werden! Es ist wirklich herzig, die Winzlinge mit dem Riesenbaby zusammen zu sehen.

Gegen Mitte des Monats bekamen wir einen Neuzugang in der Nursery-Herde. Ahmed wurde letzten Monat gefunden, als sie neben ihrer toten Mutter stand. Die Mutter scheint eines natürlichen Todes gestorben zu sein und leider trächtig mit einem ungeborenen Elefantenbaby. Ahmed war nach der Bergung stark traumatisiert und unter enormem emotionalen Stress. Als sie ankam, traute sie niemandem, und es dauerte einige Wochen, bis sie sich ein Herz fasste und schließlich zum Rest der Herde gelassen werden konnte. Einige unserer freundlichsten Waisen begleiteten sie in den Wald und haben sie auf das Herzlichste willkommen geheißen. Kinyei, Sileita und Naleku standen um sie herum und kollerten fröhlich. Ein bisschen später versuchten Bondeni, Kindani und Naleku, sie ihre Ringkämpfe einzubinden. Sie fraß vorsichtshalber lieber in Ruhe weiter, schien sich aber über die Einladung zu freuen.

Mit der Zeit wachsen die Waisen aus der Nursery heraus. Neshashi, Roho, Oldepe, Lodo und Suguroi sind schon weiter entwickelt als andere Waisen im gleichen Alter. Manchmal benehmen sie sich wie rebellische Teenager statt wie süße Babys, machen nicht, was man ihnen sagt und ziehen alleine los. Für die Keeper sind die Dickköpfe zwar anstrengend, aber in der Wildnis wird ihnen das zugute kommen. Shujaa ist zwar einer der jüngsten Elefanten in der Nursery, scheint sich aber selbst als Rebell anzusehen. Eines Nachmittags, waren die Keeper mit den Waisen auf dem Weg zur Nachmittagsmilch, und die meisten benahmen sich tadellos – bis auf fünf Trotzköpfe, die in den Wald davonrannten. Und wer rannte hinterher? Shujaa! Für ihn ist das Größte, mit den älteren Bullen abzuhängen, und er war fest entschlossen, nicht zurückzubleiben. Er rannte, so schnell er konnte, und Mzinga und Nyambeni amüsierten sich köstlich über den Einjährigen.

Der Monat Oktober endete aufregend. Im Wald liefen den Waisen wieder einmal Büffel über den Weg, und Panik machte sich breit. Die Elefanten rannten in alle Himmelsrichtungen davon – bis auf die ernsthafte Ziwadi. Sie lief einfach ruhig zurück ins Stallgelände. Die Ordnung war bald wieder hergestellt, und der Tag begann noch einmal von vorn.

 

Monatsbericht für die Voi-Gruppe: Oktober 2022

Der Monat begann mit einem enthusiastischen Schlammbad. Sogar Ndotto, der keine Wasserratte ist, hat eine Ausnahme gemacht. Er war der Ehrengast und lag in der Mitte des Wasserlochs. Arruba war überglücklich, dass Ndotto sich ins Wasser wagte, tauchte neben ihm auf und ab und flatterte mit den Ohren.

Zwei unserer Neuzugänge waren Dabida und Hildana, und die beiden konnten nun endlich zum Rest der Herde. An ihrem ersten Tag mit der Herde im Busch wurden sie von Mbegu begleitet – aber die hatte einen Assisstenten! Ndotto wich ihr nicht von der Seite und machte ihr klar, dass er auch auf die Neuen aufpassen wollte. Mbegu warf dem älteren Bullen einen warnenden Blick zu: Er dürfe bei ihnen bleiben, aber nur, wenn er friedlich blieb und nicht mit stänkern begann.

Jetzt, da Mudanda Thamana „adoptiert“ hat, musste sich Lemeki neue Freunde suchen. Sie ist immer noch am liebsten bei den Keepern, wird aber langsam auch geselliger mit anderen Elefanten. Wie zu erwarten, war es Ndotto, der ihr geholfen hat, ein bisschen mehr aus sich herauszugehen. Er animiert sie oft zu kleinen, aber sanften Ringkämpfen.

Wegen der anhaltenden Dürre gab es dieses Jahr unglaublich viele verwaiste Elefanten. Die älteren Waisen, die im südlichen Tsavo gerettet werden, kommen direkt nach Voi, und aus diesem Grund ist unsere Voi-Herde schnell angewachsen. Wir mussten sogar anbauen, damit wir alle Waisen unterbringen konnten, aber wir werden immer genug Platz haben oder schaffen. Diesen Monat hießen wir Baraka, Ashanti, Busari, Kilulu, Epiya und Pusa in unseren Reihen willkommen. Die meisten verloren ihre Familien an die Dürre. Nur Ashanti, die am 17. Oktober zu uns kam, hatte eine Drahtschlinge um ihren Rüssel, der schwer verletzt war. Traurigerweise überlebten es viele der geretteten Waisen nicht, aber wir haben unser Bestes gegeben. Tamiyoi hat sich selbst zum Empfangskomittee in Voi ernannt. Wann immer ein Neuling kommt, steht sie Spalier und begrüßt den Neuzugang mit einer zärtlichen Rüsselumarmung. Auch Sagala, Tagwa und Godoma lieben es, sich um die neuen Babys zu kümmern.

In einer witzigen Begegnung hat der Enthusiasmus der Waisen für das Babysitten jede Menge Verwirrung und Chaos verursacht. Rorogoi und Pika Pika jagten Dabida, um den sie sich beide kümmerten. Als sie ihn einholten, zwängten sie ihn in ihre Mitte, und das war sehr verwirrend, denn es war nicht klar, wer nun das Sagen hatte. Mbegu kam herüber und versuchte, wieder Ordnung herzustellen.

Die schlimmen Folgen der Dürren haben auch unsere Ex-Waisen nicht verschont. Am 18. Oktober kam Ex-Waise Mweya mit ihrem Erstgeborenen, Mwitu, der Tochter ihrer besten Freundin, Eden, und einem winzigen Babybullen. Sie hatten wohl eine sehr anstrengende Reise hinter sich. Die Freunde hielt nur sehr kurz an, auch wenn Mweya und ihre Familie die meiste Zeit des Monats in Voi blieben. Nur für eine Woche zogen sie weiter, und als sie wieder zurückkamen, war ihr Baby Mojo immer noch nicht bei ihnen. Wir nehmen an, dass das neugeborene Kälbchen die Dürre nicht überlebt hat. Seine Geschichte wird im Monatsbericht November erzählt. Aber mit Mweyas Rückkehr gab es auch einen Hoffnungsschimmer. Am 23. Oktober kam sie mit ihrem alten Freund Nguvu zurück! Nguvu ist schon seit einiger Zeit ausgewildert und kommt nur manchmal zum Saufen ans Wasserloch am Affenbrotbaum. Nguvu sah trotz der Dürre toll aus, seine Stoßzähne sind erstaunlich lang für einen Elefanten seines Alters.

Als die Voi-Waisen am Abend zurückkamen, waren Nguvu und Tahri nicht dabei. Wahrscheinlich hat sich Tahri der Herde angeschlossen, mit der Nguvu unterwegs war. Mit ihren sieben Jahren hat sie ein gutes Alter für Auswilderung, und zum Glück hat sie Nguvu an ihrer Seite. Aber wir werden unsere Augen offen halten.

Der sonst so entspannte Lasayen hat diesen Monat eine große Persönlichkeitswandlung durchgemacht! Er war noch nie so versessen auf Spielen, das überlässt er lieber Ngilai und Emoli, aber irgendetwas war anders. Er wollte bei Ringkämpfen mitmischen und hat die anderen fortwährend zum Spielen aufgefordert. An einem Nachmittag forderte er nacheinander Murit, dann Ngilai und schließlich sogar Godoma zum Ringen heraus!

 

Monatsbericht für die Ithumba-Gruppe: Oktober 2022

Unsere “Erstklässler” sind zwar die jüngsten Ithumba-Waisen, aber mit Abstand die lautesten! Larro und Mukkoka machen morgens eigentlich immer ihr eigenes Ding, während Naboishu und Musiara sich schon darum streiten, wer beim Fressen wo stehen darf. Aus einem uns nicht ersichtlichen Grund wollen beide immer ganz rechts stehen, wenn sie ihre Milchflasche bekommen. Jeden Morgen gibt es daher Streit, und obwohl sie beide ähnlich viel Kraft haben, hat Naboishu ein besonderes Gespür für Drama. Er stößt beim Ringen einen ohrenbetäubenden Schrei aus, der gleichzeitig auch alles und jeden aufweckt, der noch vor sich hindöst!

Unsere launenhafte Kamok begann den Monat mit einer Warnung. Sie mag keine Babys und will das auch gar nicht verbergen. Ganz im Gegenteil, sie schubst die Kleineren, wann immer sie kann, um ihre Abneigung auszudrücken. Das hat ihr bei den Müttern und Kindermädchen in der Herde Ex-Waisen natürlich keinen guten Ruf verschafft. Kamok bekam das zu spüren, als sie einmal zu dicht bei Ithumbas drei Monate altem Baby Iman stand. Die beschützerische Mutter ging direkt dazwischen und schlug Kamok mit ihrem Rüssel – zur Warnung, bloß nicht auf dumme Gedanken zu kommen.

Der Monat war dominiert von Mapia und Jotto und ihren Dominanz-Kämpfen. Mit ihren sechs Jahren sind sie sich durchaus bewusst, dass es in jeder Elefanten-Herde eine Rangordnung gibt – und beide verteidigen ihre Position leidenschaftlich! Im Moment sind sie gleich stark, aber die Keeper wetten, dass Jotto irgendwann als Sieger hervorgeht. Mapia hat einen kräftigen Körperbau und ist stärker, aber Jotto ist pfiffig und fest entschlossen.

Die Ithumba-Auswilderungsstation gibt es nun schon fast 20 Jahre, und in dieser Zeit haben wir auch viele wilde Elefanten näher kennengelernt. Eine unserer Lieblingsherden wird von einer Kuh angeführt, die wir die „Königin“ nennen. Sie ist sehr majestätisch und wird von allen Ex-Waisen respektiert. Sie kommt oft mit ihrer erwachsenen Tochter, einem Son im Teenageralter, einem Baby und ihrer Enkelin. Eines Morgens war Mteto das Privileg beschert, mit den beiden Babys spielen zu dürfen!

Der arme Kithaka kuriert immer noch seine Beinverletzung aus. Wir haben keine Ahnung, wo er sich so eine schlimme Zerrung zugezogen haben könnte. Die Tierärzte vermuten, dass er entweder geschubst wurde oder schwer gestürzt ist. Aber die gute Nachricht ist, dass er gut auf die Behandlung anspricht. Seine Genesung wird noch eine Weile dauern, aber er ist ein ausgezeichneter Patient und scheint seine Auszeit im Stallgelände zu genießen. Manchmal versuchen andere Waisen sein Gehege zu betreten, und er knallt ihnen das Gatter vor der Nase zu – zweifellos will er seine Luzerne nicht teilen!

Der 9. Oktober war sehr aufregend. Kurz nachdem die Waisen in den Busch gezogen sind, kam Wendi mit einem winzigen Baby an, ein kleines Weibchen, das wir Wimbi nannten. Wir konnten kaum glauben, dass unsere Waise, die wir vor 20 Jahren aufzogen, inzwischen Mutter von drei Babys ist. Wendi war schon immer ein Unruhestifter, und auch die Mutterrolle hat dem keinen Abbruch getan. Zum Glück ist Wiva, ihre Älteste, eine sehr pflichtbewusste junge Kuh. Die Keeper konnten mehrfach beoachten, dass Wiva auf ihre jüngeren Geschwister, Wema und Wimbi, aufpasste, während Wendi sich mit den Waisen raufte. Die Ex-Waisen Mutara und Wendi sind wie Öl und Wasser. Mutara ist harmoniebedürftig und ruhig, während Wendi im Chaos aufgeht. Es ist sehr interessant zu beobachten, dass Mutaras Herde immer einen großen Bogen um Wendi macht. Schon, wenn sie sie am Horizont sehen, ziehen sie sich zurück. Sie wissen, dass, wo auch immer Wendi auftaucht, Unruhe nicht weit sein kann.

Der fünfjährige Nusu, Nasalots Ältester, entwickelt sich zu einer umstrittenen Persönlichkeit in Ithumba. Er provoziert alle und ist immer mit irgendjemandem im Clinch, besonders mit Enkikwe, Mundusi und Rapa. Sein kleiner Bruder Noah ist das komplette Gegenteil – immer fröhlich und freundlich zu allen.

Der Höhepunkt des Monats fiel auf den 29. Oktober. Der Morgen begann wie immer. Ein paar Ex-Waisen und wilde Bullen kamen zum Stallgelände, soffen an der Tränke und fraßen Luzerne mit den Waisen. Plötzlich wurde es unruhig, und die wilden Elefanten liefen auseinander – so dass wir ein neugeborenes Elefantenbaby in voller Pracht sehen konnten. Melia hatte in dieser Minute, hier in Ithumba, ein Baby geboren. Sie erschrak sich so sehr, als das Baby aus ihr auf den Boden plumpste, dass sie erst einmal kurz wegrannte. Kitirua, Olare, Kinna, Wiva, Loijuk und ‚der Wilde‘ gingen hinüber, um das kleine graue Bündel zu begutachten. Melia sah ein wenig hilflos aus, aber Loijuk kam ihr zu Hilfe. Sie half dem Baby auf die Beine und brachte es zu seiner Mutter. Von da an wichen Olare, Kitirua und Sities Melia und dem Baby nicht von der Seite. Es war wundervoll zu sehen, wie die junge Mutter von allen Waisen und Ex-Waisen so tatkräftig unterstützt wurde. Wir nannten den kleinen Bullen Milo. Melia gewöhnte sich schnell an die neue Situation, und schon am nächsten Morgen durften Malkia, Mteto, Maramoja und Esampu mit Baby Milo spielen. Melia fraß in der Zwischenzeit Luzerne. Maramoja war überglücklich, als Milo versuchte, an ihr zu säugen. Sie stellte sogar eines ihrer Beine vor, um ein bisschen herunter auf seine Höhe zu kommen – genauso wie es Elefantenmütter in der Natur machen. Unsere jungen Kühe lernen schnell und werden einmal selbst hervorragende Mütter sein.

Leider ist in Tsavo immer noch kein Ende der Dürre in Sicht. Als der neue Monat begann, blickten wir wieder hoffnungsvoll in in den Himmel.

 

Monatsbericht für die Kibwezi-Gruppe in Umani Springs: Oktober 2022

Zongoloni scheint zu denken, dass sie wirklich alles haben kann. Sie lebt jetzt größtenteils in der Wildnis, aber versucht ständig, neue Mitglieder aus der Waisen-Herde für ihre Herde zu rekrutieren. Doch die älteren Kühe in der kennen ihre Tricks inzwischen nur zu gut und sind immer besonders wachsam, wenn sie in der Nähe ist. Eines Nachmittags gesellten sich Zongoloni, Faraja und Jasiri zu den Waisen. Zongoloni hatte nur Augen für Klein-Kapei und begleitete ihn sogar zum Wasserloch, in der Hoffnung auf ein gemeinsames Schlammbad. Aber sie hatte die Rechnung ohne Sonje gemacht. Die traut Zongoloni kein Stück über den Weg, schließlich gab es schon diverse Entführungsversuche. Sie blockte ihr komplett den Zugriff auf Kapei, und Murera half Sonje. Beide warnten Zongoloni, die sich schließlich zurückzog.

Ziwa dagegen hatte uneingeschränkten Zugang zu Kapei, weil die älteren Kühe wussten, er würde niemals ein Baby entführen. Ziwa war für einige Zeit mit wilden Elefanten unterwegs gewesen, aber es schien sich herumgesprochen zu haben, dass es einen Neuzugang in der Waisenherde gab, und er wurde neugierig. Alamaya und Zongoloni schienen ihn auf den neuesten Stand zu bringen.

Die arme Lima Lima ist hin- und hergerissen zwischen dem Ruf der Wildnis und ihrer Verbindung zu den Waisen. Sie ist die meiste Zeit ohne die Waisen unterwegs, schaut aber mindestens einmal am Tag bei ihnen vorbei. Seit Kapei da ist, kam sie pünktlich jeden Morgen, um nach „ihrem kleinen Engel“ zu sehen, als ob sie sich Sorgen machte, dass ihr Sonje und Quanza den Rang als Lieblingstante ablaufen würden! Sonje dreht jeden Morgen ihre Runde im Stallgelände, um nach allen zu sehen. Wenn sie fertig ist, wartet sie vor Kapeis Stalltür, bis er herauskommt. Einmal tauchte Quanza, ihre Rivalin, auf als er gerade herauskam. Sonje drängte Kapei in die entgegengesetzte Richtung von Quanza, direkt in die Arme von Lima Lima, die schon wartete. Lima Lima gab dem kleinen Bullen eine dicke Umarmung und hielt Sonje dann davon ab, an ihn heranzukommen. Sonje konnte nicht fassen, dass sie ihn direkt in Lima Limas Arme getrieben hatte! Maktao ist sehr freundlich gegenüber Kapei, aber Kiombos Gefühle sind ein bisschen ambivalent. Er ist jetzt alt genug, um in der Wildnis zu leben, aber er ist lieber Sonjes Liebling. Die Ankunft von Kapei hat ihn sozusagen vom Thron gestoßen, und wann immer Kapei sich neben Sonje stellt, wird Kiombo eifersüchtig und will ihn verjagen.

Wegen der Dürre sind viele Wildtiere in den Kibwezi-Wald gekommen, wo sie immer noch Futter finden konnten. Buschböcke, Paviane und Büffel kommen jetzt in großer Zahl zum Stallgelände, weil sie wissen, dass es dort Luzerne gibt. Maktao und Kiombo sind nicht besonders gastfreundlich zu den – in ihren Augen – Futterdieben! Eines Morgens taten sie sich zusammen und begannen wie verrückt zu trompeten, was die Buschböcke und Paviane in die Flucht stieß. Die Büffel und Paviane waren jedoch standhaft. Sie kannten die Waisen und wussten, dass die Elefanten nicht wirklich eine Gefahr darstellten. Als ob die Schmach nicht schon groß genug war, stolperte Maktao über einen Ast und fiel auf seine Knie. Es war ihm sehr peinlich, und er gab den Angriff auf und stellte sich neben seine Freundin Enkesha für ein bisschen Trost.

Kiombo und Kiasa denken manchmal, sie sind viel erwachsener als sie eigentlich sind. Eines Nachmittags bogen sie falsch ab und folgten einer Fährte von wilden Elefanten. Irgendwann bemerkten sie, dass sie sich verirrt hatten und begannen, panisch zu trompeten. Lima Lima und Enkesha eilten zum Ort des Geschehens und brachten ihre beiden Freunde wohlbehalten zurück.

Der 14. Oktober war ziemlich aufregend. Am späten Nachmittag kam Neuzugang Amali, die alleine auf der Rukinga Ranch gefunden worden war. Amali hatte einen verletzten Rüssel, entweder durch ein Raubtier oder eine Drahtschlinge. Die Wunde ist inzwischen gut verheilt, aber wahrscheinlich hat auch sie ihre Familie an die Dürre verloren.

Die Rollenverteilung in der Umani-Herde ist ziemlich stabil. Sonje ist die unangefochtene Leitkuh und wird von allen geliebt. Quanza ist und bleibt ihre loyale Stellvertreterin und Lima Lima der Späher der Herde. Murera ist am liebsten ein bisschen abseits von der Herde und ist am liebsten mit ihrer geliebten Mwashoti zusammen. Obwohl sie nicht gerne im Zentrum von Trubel steht, ist sie immer sofort zur Stelle, wenn eines der Waisen sie braucht. Leider ist der Hauptunruhestifter immer noch Ngasha, der aus irgendeinem Grund glaubt, er sei der Chef der Herde. Der Monat endete schließlich mit noch einem Neuzugang. Olapa ist, wie Kapei und Amali, ein so genanntes Dürreopfer. Als sie in Amboseli gefunden wurde, war sie bewußtlos und kam erst spät abends in Umani an. Sie war in sehr schlechter Verfassung, aber die Infusionen haben ihr gut getan und (vorerst) ihr Leben gerettet. Unsere Umani-Herde wächst!