In Erinnerung an Ziwadi – das Geschenk des Himmels

Ziwadi war ein sanftmütiges, freundliches und einzigartiges Elefantenkind. Die Keeper des Sheldrick Wildlife Trust (SWT) in Nairobi sagten oft, wenn sie einmal verschwunden war: Sie ist unterwegs im Land der Feen. Obwohl sie wie alle anderen Teil der Waisen-Herde war, schien sie in ihrer ganz eigenen Welt zu leben, und nichts und niemand konnte sie davon abbringen. Nun sind alle schockiert und unermesslich traurig, denn diese wunderbare kleine Fee hat uns für immer verlassen. Noch hat niemand so recht verstanden, was sich da vor wenigen Tagen zugetragen hat.

Ziwadi war immer ein empfindliches Wesen. Im April 2019 wurde ein einsames Kalb im Grenzgebiet zur Maasai Mara gesichtet. Das kleine Mädchen schien verzweifelt Anschluss zu suchen und folgte erst den Hirten mit ihren Vieh-Herden, bevor sie sehnsüchtig den vorbeifahrenden Fahrzeugen hinterher schaute. Es war ein herzzerreißender Anblick, wie dieses Elefantenkalb versuchte, irgendjemanden zu finden, der sie begleiten und beschützen würde.


Als die mobile Tierarzt-Einheit von SWT und Kenya Wildlife Service (KWS), die in der Maasai Mara stationiert ist, bei ihr angekommen war, stellte sich heraus, dass sie von einem Pfeil getroffen worden war. Sie wurde in die Nursery des SWT in Nairobi gebracht und kam in kritischem Gesundheitszustand dort an. Sie brach immer wieder zusammen und hatte auch sonst eine ganze Reihe gesundheitlicher Probleme, darunter eine immer wieder auftretende vorübergehende Blindheit! Am meisten beunruhigte die Mitarbeiter des SWT aber, dass sie regelmäßig unter epileptischen Anfällen litt. Wir werden nie erfahren, ob diese Anfälle von einer angeborenen Krankheit herrührten oder durch die Verletzungen hervorgerufen wurde, die sie vor ihrer Rettung erleiden musste, .

Mit der Zeit wurden diese Anfälle aber immer seltener, und Ziwadi wurde langsam wieder gesund. Und nun zeigte sich, dass sie ein ganz schön exzentrischer kleiner Elefant war! Nichtsdestoweniger verzauberte sie jeden, mit dem sie zu tun hatte.

Ziwadi hatte jede Menge lustiger Eigenheiten. So hatte sie eine große Vorliebe für alle Arten von Grünfutter und wedelte enthusiastisch mit dem Schwanz, wenn sie draußen im Busch futterte. Auch lief sie immer ein wenig so, als hätte sie Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten, woran sie schon von weitem sofort erkannt werden konnte. Und sie hatte einen erstaunlich langen Rüssel, den sie manchmal nicht so ganz unter Kontrolle hatte – immer wieder fegte sie damit versehentlich einen Keeper um, wenn sie mit dem Rüssel wedelte, oder stolperte sogar hin und wieder selbst darüber!

Elefanten sind Herdentiere; sie halten in ihrer Herde für gewöhnlich zusammen wie Pech und Schwefel und folgen ohne Zögern der Leitkuh. Bei Ziwadi war es allerdings etwas anders; sie hatte ihren eigenen Kopf! Sie war eine regelrechte Expertin darin, das beste Grün im Nairobi Nationalpark zu finden, und oft stahl sie sich einfach von der Gruppe davon, um leckeres Grün zu fressen. Die Keeper fanden sie dann in irgendeinem dichten Busch, wo sie zufrieden mit dem Schwanz wedelte, während sie es sich schmecken ließ.

Morgens und abends hatte sie jeweils ihr eigenes Programm. Während die anderen am Morgen hinaus in den Wald liefen, ging sie erst einmal langsam das Gelände an den Stallungen ab und bediente sich an jeder einzelnen Tränke! Eines Morgens schien es Naleku besonders eilig zu haben und ging bei jedem Waisen persönlich vorbei, um Wecker zu spielen. Alle rappelten sich schnell auf und folgten ihr – nur Ziwadi ließ sich nicht stören und schlief seelenruhig weiter. Sogar als Naleku an ihrer Tür rüttelte und lärmte, ließ sie sich nicht stören!

So gerne sie morgens ausschlief, so sehr liebte sie es auch, zeitig schlafen zu gehen. Wenn es am späten Nachmittag noch einmal ein Schlammbad gab, verkrümelte sie sich danach ziemlich schnell und schlenderte zurück zu ihrem Stall. Die Keeper sorgten dafür, dass dort auch schon ausreichend Grün und Luzerne-Pellets bereit lagen, wenn sie ankam.

Die meisten Elefantenkühe wollen gern einmal Leitkuh werden – aber nicht Ziwadi. Sie war zwar immer freundlich und liebevoll im Umgang mit den jüngeren Waisenbabys, aber sie machte sich gar nichts aus Babysitten. Vermutlich spürte sie, dass das nicht zu ihrem Lebensrhythmus passen würde. Trotzdem schienen die anderen immer von ihr angezogen zu sein und himmelten sie geradezu an. Die Keeper nannten sie „die liebe Tante“ der Waisen-Herde, denn sie war immer umgeben von etlichen Bewunderern.

Ziwadi machte alles in ihrem eigenen, langsameren Tempo – und alle anderen passten sich ihr an. Nachdem alle ihre Altersgenossen schon in offene Gehege umgezogen waren, blieb sie weiter in ihrem Stall, mit ihren Nachbarn Mzinga und Nyambeni. Erst im vergangenen Mai zog sie in ein Gehege für ältere Waisen um. Auch sind andere in ihrem Alter schon in eine der Auswilderungsstationen umgezogen, aber es wurde bald klar, dass das bei Ziwadi noch eine Weile dauern würde. Wie immer sie sich entwickeln würde, die Mitarbeiter des SWT ließen ihr die Zeit, die sie brauchte.

In der letzten Zeit schien sie nun einige Fortschritte zu machen. Sie hatte schon seit sechs Monaten keinen Anfall mehr, und sie schien auch deutlich lebendiger und aufgeweckter zu sein. Seit kurzem hatte sie sogar das Schlammbad für sich entdeckt und wälzte sich mit Vergnügen mit den anderen zusammen im Matsch!

Am 8. Februar ging die Waisenherde wie üblich nachmittags zum Schlammbad. Und wie sie es seit einer Weile gewohnt war, machte auch Ziwadi begeistert mit. Sie planschte fröhlich herum und hatte ihren Spaß dabei – als sie ganz plötzlich wieder einen ihrer Anfälle hatte! Danach ging alles ganz schnell…

Als die Keeper sahen, dass es Ziwadi nicht gut ging, sprangen sie sofort ins Schlammloch. Sie schafften es noch, sie herauszuziehen, aber stellten dann bestürzt fest, dass sie nicht mehr atmete! Sie versuchten alles, was in ihrer Macht stand, um sie wiederzubeleben, aber es war zu spät. Die wunderbare Ziwadi war gestorben.

Ihr Tod lässt alle wie betäubt zurück. Ziwadi war ein bei allen beliebtes Elefantenmädchen, von ihren Herdenmitgliedern genauso geliebt wie von ihren Pateneltern in der ganzen Welt. Wenn sie die Bühne betrat, stand sofort ein Lächeln im Gesicht aller – egal, ob Mensch oder Elefant. Mancheiner mag bei solcher Beliebtheit hochmütig werden, aber Ziwadi schien es noch nicht einmal zu bemerken. Sie blieb zwar nicht unbedingt „auf dem Boden der Tatsachen“ – schließlich schien sie ja in ihrer ganz eigenen Welt zu leben – aber sie war ein äußerst bescheidener und zufriedener kleiner Elefant.

Als Trost bleibt uns die Gewissheit, dass Ziwadi in der Nursery in Nairobi ein glückliches Leben hatte. Fast vier Jahre lang konnte sie dort ihrem ganz eigenen Leben nachgehen. Ihre Keeper gewöhnten sich an all ihre Eigenheiten und ließen ihr ihre Freiheiten. Und auch ihre Elefantenfreunde merkten, dass Ziwadi etwas ganz Besonderes war und liebten sie ganz unvoreingenommen dafür.

Auch wenn der Nachmittag des 8. Februar allen in schrecklicher Erinnerung bleiben wird, so ist doch gewiss, dass Ziwadi in ihren letzten Momenten viel Freude hatte. Umgeben von Freunden, hatte sie jede Menge Spaß beim Schlammbad. Sie starb sehr schnell und musste vermutlich nicht leiden.

Ihr Name bedeutet in Suaheli soviel wie „Geschenk“. Und sie war in der Tat ein Geschenk des Himmels für alle, die sie kannten. Ihre Zeit hier auf Erden war viel zu kurz, und schon zu Lebzeiten schien es, als wäre sie ganz woanders – jetzt ist ihre Seele vielleicht in einer besseren Welt angekommen. Wir werden Ziwadi, dieses ganz besondere kleine Elefantenmädchen, nie vergessen.

 

 

(übersetzt aus dem englischen Bericht des Sheldrick Wildlife Trust; alle Bilder © Sheldrick Wildlife Trust)