Kiasa, Kiombo und Maktao ziehen nach Umani Springs um

(übersetzt aus dem englischen Original; alle Bilder © Sheldrick Wildlife Trust)

Seit einigen Wochen wurden beim Sheldrick Wildlife Trust in Nairobi die nächsten Umzüge in die Auswilderungsstationen vorbereitet. Eine Woche vor dem anvisierten ersten Umzug kam allerdings der plötzliche Tod des geliebten Luggard in Umani Springs dazwischen. Der von allen wegen seines beeindruckenden Lebenswillens auch „Löwenherz“ genannte kleine Elefant, der als Baby von etlichen Gewehrschüssen von Wilderern getroffen worden war, wurde schließlich doch noch Opfer seiner schweren Verletzungen, nachdem sein Körper sich jahrelang dagegen gewehrt hatte und es so aussah, als könnte er dauerhaft damit leben.

Obwohl Luggard nicht mehr da war, blieb die Erinnerung an ihn im Kibwezi-Wald bestehen. Die anderen Waisen dort waren, genauso wie die Keeper, unermesslich traurig. Vor allem Murera konnte man es ansehen; jeden Morgen sahen die Keeper sie zu Luggards Gehege gehen und davor stehenbleiben, und auch die anderen kamen regelmäßig dort vorbei, gingen einmal hinein und wieder heraus. Es brach den Keepern das Herz, dieses Ritual mitanzusehen, und es war klar, dass irgendetwas getan werden musste, um wieder Leben und Zuversicht nach Umani Springs zu bringen! Da es in der kurzen Regenzeit diesmal in Voi nur wenig geregnet hatte, erschien ein Umzug dorthin wenig sinnvoll. Die Auswilderungsstation im Kibwezi-Wald war vor allem für die schwerer verletzten Waisen gedacht, aber auch gesunde Elefanten leben dort – und so kam Angela Sheldrick auf die Idee, dass eine neue Gruppe fröhlicher Waisen Balsam für die trüben Gemüter dort sein könnte.


 

 

 

Die Wahl fiel auf die besten Freunde Kiombo und Maktao, die zusammen umziehen sollten, am besten begleitet von einem Mädchen. Junge Kühe wirken meistens wie eine Bindeglied zwischen den Bullen und geben ihnen Halt in einer neuen Umgebung. Das geeignetste Waisenmädchen war Kiasa, denn sie ist seit Jahren gut mit Maktao befreundet. Die beiden wurden im Abstand von nur wenigen Monaten gerettet und sind all die Jahre zusammen in Nairobi aufgewachsen. Die Keeper waren sich einig, dass diese drei sich in Umani Springs sicherlich wohlfühlen werden.

Schon einen Monat zuvor hatte das Umzugstraining für die älteren Elefanten im Waisenhaus wieder begonnen, und so hatten sich alle schon gut daran gewöhnt, in den LKW einzusteigen. Sehr zeitig am Morgen des 24. Mai ging es los, damit der Umzugskonvoi auf dem Weg nach Kibwezi nicht in allzu viel Verkehr geriet. Kiasa und Kiombo stiegen ohne zu murren ein, nur Maktao kam wieder aus seinem Abteil heraus und machte keine Anstalten, wieder hinein zu gehen. Schließlich hatten die Keeper ihn aber hinein manövriert. Alle waren gut verstaut, und es konnte losgehen; und während der Reise waren alle bester Laune. Es gab nur einen kurzen Schreckmoment, als Kiombo unterwegs seinen linken Stoßzahn an der Abteilabsperrung abbrach! Er schien sich aber überhaupt nichts daraus zu machen – der Stoßzahn wird mit der Zeit wieder nachwachsen, und bis dahin erkennt man ihn nun gut an seinen asymmetrischen Stoßzähnen!

Gegen 6:30 Uhr kam der Umzug am Tor des Kibwezi-Walds an. Die dort lebenden Waisen hatten sich inzwischen versammelt und waren gespannt, was passieren würde. Sogar die Auswilderer waren vollzählig erschienen und schlichen neugierig herum. Lima Lima konnte kaum stillstehen; sie setzte sich immer wieder hin und schwenkte den Kopf wild herum, stand wieder auf und rannte mit erhobenem Kopf und aufgestellten Ohren auf und ab! Als der Transporter zu hören war, stieg die Spannung noch weiter. Die Keeper gingen mit der Herde ein wenig in den Wald hinein, damit die Neuankömmlinge nicht gleich überrannt würden!

Die drei Umzügler kamen mit großen Augen aus ihren Abteilen und streckten die Rüssel aus, um so viel wie möglich über die neue Umgebung zu erfahren. Interessanterweise war es Shukuru, die als erste der Kibwezi-Herde die Neuankömmlinge begrüßte. Schließlich konnten die Keeper die anderen nicht mehr davon abhalten, ebenfalls zur Laderampe zu rennen. Kiasa, Maktao und Kiombo ließen sich allerdings von der Aufregung kaum beeindrucken und nahmen es recht gelassen.

 

 

Die Kühe waren begeistert, drei neue Babys zu haben, die sie bemuttern konnten! Nur Enkesha schien etwas beleidigt zu sein, dass sie nun nicht mehr das Nesthäkchen ist. Den größten Teil des Vormittags blieb sie am Rand der Herde und verpasste den Neuankömmlingen sogar den einen oder anderen Schubser.

Murera musste sich erst einmal an die neue Situation gewöhnen. Luggard war ein kleiner Elefant, in dem sie sich selbst wiedererkennen konnte, denn er hatte ebenso unter den Verletzungen, die ihm als Baby zugefügt wurden, gelitten wie sie. Kiasa, Kiombo und Maktao dagegen haben keinerlei Behinderungen und werden in Mureras Augen wohl Luggard nicht ersetzen können. Aber auf jeden Fall hat sie nun wieder eine Aufgabe, und das ist für Elefanten, besonders Leitkühe, sehr wichtig. Entsprechend reißen sich die älteren Mädchen nun darum, sich um die drei neuen Waisen zu kümmern.

 

 

 

 

Die Waisen verbrachten den Vormittag damit, zu grasen und das schöne Wetter zu genießen, und die Neulinge schienen sofort zu wissen, was zu tun ist. Milchfütterung, Schlammbad, Staubbad – alles schien ihnen schon vertraut zu sein, denn ihre neuen Freunde zeigten ihnen alles ausführlich. Sogar Mwashoti, der in letzter Zeit immer einmal etwas ruppiger wurde, war überaus freundlich.

Als die Sonne langsam unterging, machte sich die Herde auf den Heimweg. Kiasa, Maktao und Kiombo wurden in drei nebeneinander liegenden Gehegen am Rand des Geländes einquartiert. Das Gehege, in dem Luggard schlief, liegt zwar zentraler, aber die Keeper wollten nicht den anderen nicht den Eindruck vermitteln, dass die drei Neulinge einfach Luggard ersetzen sollten.

Die Nacht über staunten die drei gewaltig über all die Geräusche, die im Wald nachts zu hören sind – im Waisenhaus am Rande von Nairobi ist die nächtliche Geräuschkulisse natürlich ganz anders! Aber sie gewöhnten sich bald daran, denn natürlich waren die Keeper zur Stelle, um sie zu beruhigen, und auch das Kollern der anderen gab ihnen die Gewissheit, dass alles in Ordnung war.

 

 

 

 

Inzwischen haben sich Kiasa, Maktao und Kiombo schon gut eingelebt. Im Waisenhaus waren sie die ältesten, aber in Umani Springs sind sie nun wieder die jüngsten, und entsprechend werden sie von den anderen umgarnt. Und auch die Stimmung ist schon wieder viel besser geworden. Alle haben wieder Sinn und Zweck im Alltag gefunden und sorgen dafür, dass die drei Babys in einer geschützen Umgebung aufwachsen und nach und nach viele wilde Artgenossen kennenlernen können. Ihre neue Heimat liegt in einer der schönsten wilden Gegenden Kenias: vom Kibwezi-Wald und den angrenzenden Chyulu-Bergen ist es nicht weit nach Tsavo, und Kiasa und Maktao können vielleicht irgendwann einmal in ihrem Leben wieder dorthin zurückkehren, wo sie einmal geboren wurden!

Für die Waisen und die Keeper in Umani Springs war es fast wie ein Neuanfang nach dem traurigen Tod von Luggard. Nun, da Kiasa, Maktao und Kiombo zu ihnen gestoßen sind, sieht die Welt schon wieder freundlicher aus.