Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im Mai 2006

Die Ithumba-Waisen

Die Ithumba-Gruppe machte in diesem Monat den Eindruck einer unwahrscheinlich glücklichen Gruppe junger Elefanten. Die guten Niederschläge bedingten eine üppige Vegetation, füllten jedes Schlammloch, jedes Wasserloch, jeden Fluss – ein wahres Paradies.

Die Ithumba Stockades wurden von einem Elefantenbullen besucht, der sich durch das Camp-Personal und die Gebäude überhaupt nicht aus der Ruhe bringen ließ; und wir fragen uns, ob es sich nicht vielleicht um Imenti handelt. Leider kennt keiner der Wärter Imenti gut genug, um dies zu bestätigen.

Sunyei ist ein ganz spezieller Charakter in der Gruppe, und sie hat ein bestimmtes Lieblingsspiel. Wann immer es ihr in den Kopf fährt, rennt sie aus den Büschen, trompetet mit aufgestellten Ohren und erfreut sich sichtlich an dem Chaos, das ausbricht, denn die anderen der Gruppe erschrecken sich fürchterlich, schreien und suchen Zuflucht bei den Wärtern. Sie treibt dieses Spielchen jetzt öfter, und während es bei den Jüngeren immer noch die gleiche Reaktion auslöst, wissen die Älteren wie Yatta, Mulika, Nasalot und Kinna mittlerweile, was sie vorhat, und reagieren kaum mehr darauf. Sobald allerdings eine der anderen Waisen trompetet, weil sie Paviane, Dikdiks, Schlangen oder irgendetwas anderes bemerkt, während die Gruppe unterwegs ist und grast, sind die Älteren sofort zur Stelle um sicher zu gehen, dass alles in Ordnung ist.

Wir haben zahlreiche enge Freundschaften; so ist Ol Malo Yatta’s Lieblingskalb. Galama hängt mittlerweile sehr an Ndomot und Nasalot an Buchuma. Kinna ist nach wie vor die Ordnungshüterin und tut sehr gut daran, die frechen jungen Bullen unter Kontrolle zu halten. Das ist eine echte Herausforderung, vor allem wegen Tomboi, Taita, Buchuma, Ndomot, Rapsu und Napasha. Madiba entschied sich für ein ruhigeres Leben und nimmt nur selten an den wilden Spielen teil, die die anderen so lieben. Wendi fühlt sich immer noch zum Publikum hingezogen, so z.B., als die BBC ihre Filmarbeiten mit den Ithumba-Waisen zu Elephant Diaries 2 fortsetzte.

In diesem Monat begann in Ithumba die Arbeit an einer zweiten Umzäunung – es wird nämlich nicht mehr lange dauern, bis Orok, Sidai und Challa aus der Nairobi Nursery nach Tsavo umsiedeln werden. Da war es an der Zeit, die Nachtquartiere auszubauen, um auch die neuen Ankömmlinge unterzubringen.

Challa, Sidai and Rapsu

Die Nursery-Waisen in Nairobi

Kora erhielt intensive homöopathische Medizin zur Behandlung seiner Wunde im Kiefer; in der Zwischenzeit ist auch das Langzeitantibiotikum aus Südafrika angekommen, das für die Implantation des Kiefernmarks notwendig ist, und wir erwarten jetzt die Rückkehr unseres Tierarztes Dieter Rottcher, der die Anästhesie durchführen wird. Außerdem hoffen wir auf einen Experten aus Südafrika, um die offensichtlich vorliegende Infektion im Kieferknochen zu behandeln. Diese stammt von der Kugel, die Kora getroffen hatte, bevor er zu uns kam. Er ist ein außerordentlich geduldiger Zeitgenosse, einer der Lieblinge unserer Keeper, und auch von Zurura und Challa. Er ist auch der Friedensstifter, der Challa wegschubst, wenn er Sidai in eine Rangelei verwickelt. Kora, Challa und Orok fressen oft zusammen in der Nähe der kleineren Waisen, die sich nie weit von der Mini-Matriarchin Lualeni entfernen. Loijuk, Sian und Kamboyo sind die besten Freunde und für gewöhnlich zusammen anzutreffen.

Sidai, die – wahrscheinlich auf Grund schlechter Erfahrungen – eine Weile recht rücksichtslos und Menschen gegenüber offensichtlich feindselig gesonnen war, ist inzwischen sehr liebevoll und vergöttert ihre Keeper. Ihr Freund Orok ist nach wie vor sehr vorsichtig gegenüber allen Menschen und hat nach wie vor eine Menge gegen Decken, die die zarte Elefantenkinder-Haut gegen Insektenstiche und starke Sonne schützen sollen. Trotz aller Versuche der Wärter, ihn daran zu gewöhnen , wehrt er sich mit aller Kraft dagegen. Offensichtlich hat auch er schlechte Erfahrungen damit gemacht.

Die Waisen der Nursery genossen in diesem Monat fast täglich die Gesellschaft einer Impala-Herde, die immer in der Nähe der Elefanten graste, wenn diese im Wald waren. Offensichtlich fühlten sie sich dann sicherer. Die Impalas bleiben auch nachts in der Nähe der Ställe. Wenn Zurura mitmacht, jagen Kora und Challa sehr gern Warzenschweine. Zurura und Makena sind immer noch sehr kämpferisch, vor allem, weil Zurura Makena gern provoziert und keine Gelegenheit auslässt, sie zu ärgern. Entweder, indem sie die Decke besetzt, die speziell für Makena zu den Milchmahlzeiten aufgehängt wird, oder sich sogar auf ihren Platz neben Lualeni drängelt. Makena litt an einigen Bauchschmerzattacken diesen Monat, und weil wir kein Risiko eingehen wollte, bekam sie schließlich Sulfonamid zurück, nach dessen letzter Einnahme sich ihr Zustand zu verbessern schien. Wenn diese Behandlung abgeschlossen ist, wird sie einer homöopathischen Entgiftung unterzogen und bekommt Joghurt und Laktobakterien verabreicht, damit sich ihre natürliche Darmflora wieder aufbaut.

Sian and Loijuk

Die Voi-Waisen

Während Ithumba ausgiebige Niederschläge verzeichnen konnte, fielen in Voi nur sehr wenig Regen. Längst nicht ausreichend, um die nächste Trockenperiode bis Oktober/November überdauern. Die Voi-Gruppe steht also vor harten Zeiten.

Ein ganz wichtiges Ereignis war der Besuch des 18-jährigen Dika, der auf der Aruba Road, mit sechs wilden erwachsenen Kühen und deren Jungtieren auftauchte. Die Keeper berichteten, dass Dika „majestätisch“ anzusehen war. Er überragte seine wilden Freunde und sah sehr entspannt und glücklich aus. Weil er so nah und ruhig war, folgten auch seine wilden Freunde diesem Beispiel. Es ist immer sehr aufregend, einen der ehemaligen Waisen-Elefanten, die von uns großgezogen wurden, in der Wildnis wiederzusehen. Und Dika war immer einer der Lieblinge, seit er im August 1988 zu uns kam – ein todunglückliches Baby von nur drei Monaten, dass das Abschlachten seiner gesamten Elefantenfamilie mit ansehen musste.

Ein anderes interessantes Ereignis war die Anwesenheit einer einzelnen ausgewachsenen Kuh mit ihrem etwa dreijährigen Kalb. Sie hielt sich eine Woche lang in dem Gebiet auf, das von der Voi-Gruppe genutzt wird, war extrem „zutraulich“ und freundlich gegenüber all den Waisen und badete gemeinsam mit ihnen im Wasserloch. Das Ungewöhnliche war, dass die Kuh allen Waisen erlaubte, sich um ihr Kalb zu scharen und mit ihm zu spielen. Die Keeper schlossen daraus, dass auch sie eine ehemalige Waise sein muss. Könnte es vielleicht sogar Eleanor oder Mary sein? Sollte es uns gelingen, ein Foto von ihr zu machen, können die älteren Keeper sie vielleicht identifizieren.

Die Waisen trafen auf eine andere wilde Eli-Gruppe mit drei Erwachsenen und zwei Kälbern als Loisaba die Gruppe anführte. Irima und Salama hatten viel Spaß beim Spielen mit den wilden Kälbern. Die Waisen genossen die Gesellschaft für einen ganzen Morgen und trennten sich nur für ein Bad im Wasserloch.

Sehr auffällig ist die Freude, mit der die Waisen jeden neuen Tag beginnen – zweifellos eine Lektion für uns Menschen – ebenso die Freundlichkeit, mit der sie sich jeden Morgen begrüßen und wie sie aufeinander achtgeben. Auf jedes Notsignal wird eingegangen, und auch jede andere Mitteilung wird beantwortet. Es ist das Leben einer glücklichen Familie, natürlich nicht ohne die gelegentlichen Auseinandersetzungen, wie sie auch bei Menschenkindern vorkommen. Loisaba ist bekannt für ihre spezielle Art der Vergeltung: Fühlt sie sich „auf den Schwanz getreten“, so sieht sie nur eine Möglichkeit der Revanche und zwickt den Widersacher ihrerseits in den Schwanz. Diesen Monat war es Salama, der sich hinter ihr anschlich, als sie auf einem Stein „saß“ und sie bei dem Versuch, sie zu besteigen, glatt herunterstieß. Da Salama genau wusste, was ihm jetzt blühte, rannte er schreiend davon, so schnell er konnte, um Natumi zu Hilfe zu holen. Für den Rest des Tages war er dann sehr bedacht darauf, genügend Abstand von Loisaba zu halten, denn Elefanten begleichen für gewöhnlich ihre Rechnungen!

Mit dem Traktor wurde der Boden hinter den Umzäunungen eingeebnet, wo zwei Ställe gebaut werden, um unsere kleinen Waisen „Serena“, das verwaiste Zebrafohlen aus Amboseli, und „Chuna“, das Lesser Kudu Baby, das derzeit noch im Milchlager schläft, zu beherbergen. Die weiche Erde, die der Traktor aufschob, bot den Waisen großen Spaß. Sie spielten darin, wirbelten eine riesige Staubwolke auf und spielten Verstecken darin. Eines Morgens endete dieses Treiben ziemlich böse, als Mweya und Seraa mit ihren Köpfen zusammenstießen. Beide gingen zu Boden und schrieen, woraufhin Natumi wieder einmal zu Hilfe eilte und sie sanft berührte, um sie zu beruhigen.

Sosian wurde wieder beobachtet, wie er sich um seine beste Freundin, die immer etwas schwächliche Mweiga, kümmerte. Er ist ständig an ihrer Seite, wenn sie den Mazinga Berg nicht bewältigt und stattdessen am Fuße zurückbleibt, um zu fressen. Wenn er die Gruppe anführt, wirft er regelmäßig einen Blick ans Ende, um sich zu vergewissern, dass es ihr gut geht. Sosian’s Freundschaft mit Mweiga ist außergewöhnlich berührend, vor allem, weil er ein Bulle ist. Bei jungen Elefantenbullen ist es normalerweise wie mit kleinen Menschenjungen – sie spielen lieber miteinander, als auf kleine Mädchen aufzupassen. Obwohl Mweiga auf keinen Fall fit ist, so ist sie dennoch ein sehr glücklicher Elefant. Das wird deutlich, wenn sie ihren Kopf von einer Seite auf die andere schwingt und dabei fröhlich trompetet. Das Kopfschwingen ist ein Ausdruck von Zufriedenheit bei Elefanten. Sie genießt das Mitgefühl und die Fürsorge der anderen, besonders von Sosian, dicht gefolgt von Mweya.

Natumi erweist sich als sehr pflichtbewusste Matriarchin, unterstützt von ihren Freunden Icholta und Edie. Laikipia führt die Gruppe abends nach Hause zu den Stockades – außer, wenn es Burra gelingt, ihn auszustechen und die vordere Position einzunehmen.

Emily, Aitong, Loisaba, Tsavo und Sally ließen sich in diesem Monat nicht blicken. Laut des südafrikanischen Tierarztes Dr. Bertschinger, sind Befunden von Stuhlproben zufolge weder Emily noch Aitong im Moment schwanger, doch bei allem, was man sieht, dürfte Emily es wohl bald sein, denn sie hatte heftige Flirts mit einem großen, gut aussehenden Bullen. Die Keeper glauben immer noch, dass Aitong Dr. Bertschinger überraschen wird, doch wir sind ganz erleichtert, dass sie noch nicht tragen, nach dem Erlebnis mit Malaika, die mit zehn Jahren ein Junges zur Welt bringen wollte und dabei starb.

Die mit Regenwasser gefüllten großen Wasserlöcher waren für die Waisen wunderbare Planschbecken, die sie voll ausnutzten. Mit großem Trompeten rannten sie hinein, bespritzten sich gegenseitig und tauchten ganz unter Wasser. Sie haben die kurze grüne Jahreszeit ausgekostet und sich sattgefressen an frischem Blattwerk, das leider nur kurz vorhanden sein wird, denn mit dem Monat Juni sind die Regenfälle in Tsavo vorbei, und eine neue Trockenzeit beginnt.

Intermezzos mit anderen Spezies gab es mit einem Giraffenbullen, der in der Nähe der Waisen fraß, und zum anderen bei Mweya, die sich wegen eines Dikdiks erschrak, das sie gehörig verjagte, nachdem sie sich sicher war, dass es sich wirklich nur um ein Dikdik handelte!

Laikipia takes a wonderful ride on Silango's back