Neue Waisen ziehen nach Ithumba um – und ein tragischer, unerwarteter Tod

(übersetzt aus den englischen Berichten des Sheldrick Wildlife Trust: Roho, Neshashi, and Oldepe Graduate to Ithumba und Oldepe’s Tragic, Sudden Passing; alle Bilder © Sheldrick Wildlife Trust)

Am frühen Morgen des 28. November  verabschiedeten sich Roho, Neshashi und Oldepe vom Waisenhaus in Nairobi und zogen in die Auswilderungsstation in Ithumba im Tsavo-Ost Nationalpark um. Allerdings hätte niemand gedacht, wie wenig Zeit Oldepe dort noch bleiben würde.

Die drei hatten schon länger als alle anderen vor ihnen für ihren Umzug trainiert. Das ganze Jahr 2022 über hatte eine unerbittliche Dürre große Teile Kenias, darunter auch die Gegend von Tsavo, im Griff – eine denkbar schlechte Situation für ihren nächsten Schritt hin zur Auswilderung. Und so übten sie fleißig das Einsteigen in den Umzugs-LKW, während alle auf den ersehnten Regen warteten.

Dabei waren sie sehr gute Schüler! Sie bildeten mit der Zeit ihre eigene kleine Gruppe von älteren Waisen und schienen sich auf ihre Trainings-Einheiten zu freuen. Manchmal schlichen sie sich sogar zum LKW zurück, um noch ein wenig dort herumzuhängen, weil es ihnen so gut gefiel!

Als es endlich die ersten Regenfälle in Tsavo gab, war der Zeitpunkt gekommen, an dem der Umzug starten konnte. Neshashi stieg als erste ein, gefolgt von Oldepe. Roho schien etwas Lampenfieber zu haben, was erstaunlich war, denn er war eigentlich immer der sorgloseste der drei gewesen. Aber nach ein wenig gut Zureden seiner Keeper gab er seine Scheu auf, und um 3:15 Uhr in der Nacht konnte die Reise losgehen.

Die Fahrt nach Ithumba verlief reibungslos; um 8:15 Uhr passierte der Transporter das Tor zum Nationalpark und fuhr eine halbe Stunde danach an den Stallungen vor. Die drei Waisen fanden sich inmitten einer grünen Oase wieder, die der frische Regen in Ithumba geschaffen hatte!

Larro, Mukkoka, Naboishu und Musiara begrüßten das Trio als erste. Für Roho war es ein Wiedersehen mit alten Freunden, denn er kennt sie alle noch aus dem Waisenhaus. Larro, die damals noch Mini-Leitkuh dort war, freute sich riesig, ihren damals noch sehr kleinen und jetzt ordentlich gewachsenen Schützling wiederzusehen! Oldepe hat Larro, Mukkoka und Naboishu nur kurz kennengelernt; er wurde im Oktober 2021 gerettet, nur wenige Wochen, bevor die drei damals nach Ithumba umzogen. Für Neshashi dagegen, die erst Anfang 2022 gerettet wurde, waren es alles neue Gesichter.

Nach der ersten Begrüßung begleiteten der freundliche Musiara und die treusorgende Larro die drei Neulinge in ein großes Gehege, wo sie sich erst einmal an die neue Umgebung gewöhnen sollten, bevor die restliche Herde dazukam. Roho wurde als winziges Baby gerettet und kannte praktisch sein ganzes Leben nur die Keeper und Waisen als seine Familie, aber Neshashi und Oldepe, die schon relativ alt gewesen waren, als sie gerettet wurden, sollten etwas Zeit bekommen, sich umzustellen.

Nach etwa einer Stunde brachte Chef-Keeper Benjamin die anderen Waisen zu den Stallungen. Wie erwartet, machten sich alle enthusiastisch mit den Neuankömmlingen bekannt – die älteren Mädchen umrüsselten alle drei liebevoll, und die Jungs freuten sich über die neuen Ringkampf-Partner Roho und Oldepe. Schließlich ging die ganze Herde zur Mittagsfütterung, wo alle ihre Milch bekamen und sich ordentlich im Schlamm wälzten.

Larro ernannte sich sofort zu Rohos Adoptivmama, woraufhin auch alle anderen Mädchen versuchten, ihn zu bemuttern! Man konnte ihn zwischen all den Rüsseln kaum erkennen. Auch Neshashi und Oldepe, die sonst gern ihr eigenes Ding gemacht hatten, waren ebenso umringt von den anderen.

Gegen Abend führte Larro die Gruppe mit den dreien zurück zu den Stallungen und zeigte ihnen das Gehege der jüngsten Waisen, in dem sie die erste Zeit schlafen sollten. Alle drei machten es sich für ihre erste Nacht in Tsavo gemütlich, umgeben von alten und neuen Freunden.

Nach ein paar Tagen allerdings wurde die ursprüngliche Freude von Bestürzung und Trauer verdrängt, denn am frühen Morgen des 7. Dezember starb Oldepe – damit hatte niemand gerechnet, und bis heute kann niemand so richtig glauben – geschweige denn: sich erklären –, wie es dazu kommen konnte.

Oldepes Gesundheitszustand verschlechterte sich plötzlich und unerwartet. Der Umzug war noch ganz ohne Probleme verlaufen, und Oldepe hatte sich in den ersten Tagen auch prima eingelebt. Er war immer mit von der Partie, ob es ums Spielen oder Fressen ging, und alle freuten sich, dass es ihm gut zu gehen schien.

An einem Wochenende änderte sich dann plötzlich alles. Oldepe kränkelte, machte einen unruhigen Eindruck und schien gar keinen Appetit mehr zu haben. Äußerlich zeigten sich keinerlei Anzeichen von Krankheit, so dass alle rätselten, was mit ihm los sein könnte. Zwei Tierärzte untersuchten ihn – Dr. Limo von der Tierarzteinheit von SWT und KWS in Tsavo sowie ein Tierarzt aus Nairobi, der extra nach Ithumba reiste. Trotz etlicher Untersuchungen und Bluttests konnten sie nicht feststellen, was ihm fehlte.

Die Keeper versuchten alles, um Oldepe zu helfen; er bekam Medikamente gegen Infektionen, wie von den Tierärzten vorgeschlagen, und sollte mit Infusionen und Rehydrierungsflüssigkeit wieder zu Kräften kommen. Doch es half alles nichts: Oldepe wollte einfach nichts mehr fressen und auch keinen Tropfen Milch mehr zu sich nehmen. Er lehnte alles ab, außer Wasser. Für die Keeper, die immer wieder versuchten, ihm etwas Nahrhaftes schmackhaft zu machen, war es herzzerreißend mitanzusehen.

Es wurde erwogen, ihn künstlich zu ernähren, aber die Idee wurde dann doch wieder verworfen; einem Elefanten eine Magensonde zu verlegen, wäre höchst riskant gewesen, und das Risiko einer Lungenentzündung oder von inneren Verletzungen war zu groß.

Am Ende starb Oldepe daran, dass er nichts mehr fressen wollte. Elefanten haben ein ziemlich ineffizientes Verdauungssystem und müssen viel Nahrung zu sich nehmen, um ihren Energiebedarf zu decken. Nach einigen Tagen hintereinander ohne Futter war Oldepe schließlich zu schwach, um zu überleben.

Es war ein tragisches und völlig unerwartetes Ende für diesen kleinen Elefanten, den alle lieb gewonnen hatten. Immerhin verbrachte er seine letzten Tage umgeben von seinen geliebten Keepern, die alles dafür taten, dass er sich geborgen fühlen konnte.

Alle werden sich an Oldepe erinnern als einen kleinen Bullen, den nichts erschüttern konnte. Wie viele andere Elefanten wäre er beinahe Opfer der Dürre geworden, die Kenia 2021 und 2022 heimsuchte.. Er wurde im November 2021 gerettet, als er ganz allein durch die Sümpfe in Amboseli wanderte. Damals war er ganz offensichtlich schon einige Zeit allein unterwegs gewesen, denn er war schon ziemlich schwach und schien erleichtert, dass ihm geholfen wurde.

Als er im Waisenhaus mit den anderen zusammen hinaus in den Busch gehen konnte, gewöhnte er sich ein lustiges Versteckspiel mit den Keepern an. Wenn es abends Zeit wurde, zu den Stallungen zurückzukehren, verschwand er plötzlich im Gebüsch. Jedes Mal, wenn die Keeper ihn gefunden zu haben glaubten, war er schnell wieder davongehuscht!

Es stellte sich aber schnell heraus, dass er das alles aus Spaß tat! Also versuchten die Keeper es mit einer neuen Taktik: statt ihm hinterherzulaufen, warteten sie einfach an den Gehegen auf ihn. Und tatsächlich tauchte er kurz darauf auf und kam im Sauseschritt in sein Gehege gelaufen! Auch wenn seine Faxen den Keepern ab und zu Kopfzerbrechen bereiteten, freuten sie sich doch zu sehen, dass Oldepe wieder Spaß am Leben hatte, nachdem er vor seiner Rettung so lange allein und verlassen unterwegs gewesen war.

Nun wird Oldepe von seinem letzten Versteck nie wieder zurückkehren, und das ist schwierig zu ertragen für alle. Und noch schlimmer wird es dadurch, dass niemand eine Ahnung hat, was eigentlich passiert ist. Die Hoffnung war, dass die Tierärzte ihm hätten helfen können, aber sie waren genauso ratlos wie die Keeper.

Immerhin ist es etwas tröstlich zu wissen, dass Oldepes letztes Lebensjahr ein glückliches für ihn war. Beinahe wäre sein Leben vor 13 Monaten in den Sümpfen von Amboseli zu Ende gewesen, aber zum Glück konnte er dann doch noch einmal ein fröhliches und zufriedenes Leben erfahren, umgeben von einer liebevollen Familie – so wie es eigentlich jeder Elefant verdient hat. Vielleicht hilft es, sich vorzustellen, dass Oldepe sich jetzt einfach nur irgendwo versteckt und seinen Spaß dabei hat – zusammen mit all den anderen grauen Riesen, die viel zu früh ihr Leben lassen mussten.