Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im August

Monatsbericht für die Nursery-Gruppe: August 2009

Für Kenias Wildtiere ist das Jahr 2009 eine endlose Strapaze: die extreme Dürre hält an und der Konflikt zwischen Menschen und Wildtieren spitzt sich immer weiter zu, da mehr und mehr Rinderherden in die Schutzgebiete getrieben werden, um zumindest ein bisschen Wasser und Futter zu finden. Dabei werden jedoch auch Krankheiten eingeschleppt, die den Druck auf die Wildtierpopulationen weiter erhöhen. Außerdem forcieren die Nachfrage nach Elfenbein im Fernen Osten und die chinesischen Abnehmer dafür in Kenia selbst den illegalen Handel mit dem weißen Gold. Die Ereignisse der letzten Monate in der Nursery wiederspiegeln nur zu gut, wie ernst es um die wilden Elefanten Kenias steht.

Im vergangenen Monat wurden sage und schreibe neun Rettungsaktionen gestartet. Fünf der geretteten Waisen haben das Monatsende überlebt, zwei starben kurz nach ihrer Ankunft in der Nursery und zwei weitere Babys starben noch bevor das Rettungsflugzeug überhaupt landen konnte. Verwaiste Elefantenkälbchen unter fünf Jahren können ohne Milch nicht überleben, vor allem nicht in Zeiten großer Dürre.

Am Monatsanfang waren 20 Elefantenwaisen in unserer Nairobi-Nursery zu Hause, nur vier Wochen später waren es 25. Und dass, obwohl am 13. August zwei der Waisen nach Voi gebracht wurden und einige der Neuankömmlinge nicht überlebt haben. Tassia und Taveta, zwei der eher anstrengenden kleinen Bullen in der Nursery, sind zu Lesanju, Lempaute, Shimba, Sinya, Wasessa und Siria umgezogen, um in der Nursery mehr Platz zu schaffen. Der wird definitiv gebraucht, wenn in zwei Monaten (hoffentlich) der nächste Regen fällt. Ein weiterer Vorteil ist, dass die beiden unbändigen Jungbullen dann unter den Fittichen der älteren Kühe stehen und lernen, wie sie sich in die Elefantengruppe integrieren müssen.

Tassia   Taveta

Am 4. August wurde die fünf Monate alte Turkwel aus dem Turkana-Süd Nationalpark gerettet. Der Park liegt im entlegenen Norden an der Landesgrenze im Bezirk Turkana, wo sich seit Menschengedenken die Stämme der Pokot und der Turkana bekriegen.

Schon am nächsten Tag kam das einjährige Elefantenbaby Olare bei uns an, gefunden in der Masai Mara, in einem Gebiet, das Olare genannt wird. Seine Mutter musste eingeschläfert werden, denn sie war nach einem komplizierten Trümmerbruch ihres Hinterbeines nicht mehr in der Lage aufzustehen. Diese Bergung war besonders dramatisch, denn das Baby war noch ordentlich bei Kräften und die arme Mutter versuchte verzweifelt, es vor den Rettern zu schützen, indem sie ihren Rüssel wie wild zur Abwehr einsetzte. Als es endlich gelungen war, das um seine Mutter herum rennende Kälbchen einzufangen, wurde es auf den Pickup verladen und zum Flugplatz gebracht. Die Mutter musste von unserer mobilen tierärztlichen Einheit eingeschläfert werden, weil für sie keine Hoffnung auf Besserung mehr bestand.

Am 8. August wurde auf der Morondo Ranch an der Grenze des Tsavo East Nationalparks ein kleiner Bulle gesehen, der allein umherirrte. Nach fünf Tagen konnte er schließlich eingefangen werden, aber er war schon zu erschöpft und starb am Tag nach seiner Ankunft in der Nursery.

Am 11. August traf der anderthalbjährige Enasoit ein, der auf der Enasoit Ranch in Laikipia gefunden wurde. Der kleine Bulle hat uns gleich einen ordentlichen Schreck eingejagt, denn als er nach fünf Tagen Eingewöhnung im Stall zu den anderen gelassen wurde, flüchtete er in den Nairobi-Park. Bei seiner Ankunft ist er in gutem Zustand, aber extrem aggressiv gewesen.

Enasoit

Das neue Flugzeug des Trust wurde sofort gestartet und die Suche nach Enasoit aufgenommen. Der kleine Bulle hatte zuerst versucht, sich einer Herde wilder Büffel anzuschließen, die ihn (und die Keeper, die ihm zu Fuß auf den Fersen waren) allerdings verjagten. Als er jedoch schließlich von der Luft aus geortet werden konnte, gelang es den Keepern am Boden, ihn einzufangen, seine Beine zusammenzubinden und ihn zurück in den sicheren Stall zu bringen. Dort musste er dann auch zwei Wochen bleiben, um ein bisschen gebändigt zu werden.

Am 18. August traf schon der nächste Neuling ein: ein winziges Neugeborenes namens Pesi. Er hatte im Pesi-Sumpfgebiet nahe Rumuruti festgesteckt. Es war sehr fraglich, ob dieses winzige Baby überhaupt jemals Milch von seiner Mutter bekommen hatte. Man konnte sogar annehmen, dass es im Sumpf geboren wurde, und so gab man ihm sofort eine Plasmainfusion in seine Ohrvene, damit sein Immunsystem angeregt wurde. Am Monatsende ging es ihm gut, aber weil er als Neugeborenes noch sehr zerbrechlich ist und wir nicht wissen, ob er über den Berg ist, haben wir ihn noch nicht in unser Patenprogramm aufgenommen.

Pesi

Schon am 27. wurde erneut ein Rettungsteam mobilisiert. Ein Elefantenbaby war in der Nähe des Kirisia-Waldes von elefantenfreundlichen Viehhirten gesichtet worden. Es war neben seiner Mutter zusammengebrochen, die verzweifelt versuchte, es wieder aufzurichten. Die Strecke, die sie und die Herde auf der Suche nach Wasser zurückgelegt hatten, war offenbar zu viel für das Einjährige, das nun völlig erschöpft und ausgezehrt am Boden lag und nicht weiter gehen konnte. Am Ende hatte die Elefantenmutter keine Wahl, als es zurückzulassen und mit der Herde weiterzuziehen. Das kleine Weibchen wurde Kisima genannt. Sobald das Flugzeug gelandet war, erhielt sie eine Infusion. Bei ihrer Ankunft in der Nursery war sie noch bewusstlos, kam danach kurz zu sich und verstarb nur wenig später.

Für unsere Keeper war es ein grauenvoller Monat. Dem ganzen Team gebührt unser größter Respekt dafür, dass sie so viele Elefantenbabys erfolgreich bergen und in die Nursery bringen konnten. Besonders, da Daphne und ihre Familie im August verreist waren und die Telefonverbindung mehrmals täglich zusammenbrach, und zwar immer dann, wenn man sie gerade dringen benötigte. Die Elefanten sind nicht die einzigen, die unter den diesjährigen harschen Bedingungen leiden. Auch unzählige andere Wildtiere starben an den Folgen der Dürre, an Krankheiten, die von Nutztieren eingeschleppt wurden und durch Wilderei für den Fleischhandel.

Der Zustand des kleinen Isiolo hat uns seit mehreren Monaten Sorgen bereitet. Obwohl er gut frisst und sein Kot in Ordnung zu sein scheint, bleibt er schwach, nimmt nicht zu und wächst viel zu langsam. Alle Tierärzte und unsere Mitarbeiter haben dies bestätigt. Er und einige andere ganz junge Babys, namentlich Mutara, Tano und Klein Pesi, bleiben tagsüber in der Nähe der Ställe, während die anderen Nursery-Babys in zwei Gruppen aufgeteilt wurden und mit ihren Keepern in den Busch gehen. Die Gruppe mit den älteren Babys wird von Kenia und Dida angeführt, diejenige mit den jüngeren von Suguta.

Auch Kilaguni, dessen Schwanz und Analbereich von einer Hyäne übel zugerichtet worden war, hat uns Sorgen bereitet. Das Narbengewebe engt seinen Darmausgang soweit ein, dass er Schwierigkeiten beim Kotabsatz hat, besonders, wenn er Grünfutter zu sich nimmt. Wahrscheinlich wird er noch einmal operiert werden müssen, doch in der Zwischenzeit versuchen wir unser Bestmögliches mit pflanzlichen Mitteln und Molasse, um seinen Stuhl weicher zu machen und ihm einen weiteren schmerzhaften Eingriff zu ersparen. Von diesem Problem einmal abgesehen ist er ansonsten ein fröhlicher und verspielter kleiner Elefant.

Chaimu, die praktisch blind und mit Trübungen auf beiden Augen bei uns ankam, geht es dank Dr. Peter Schwendermann, einem Augenspezialisten für Menschen, mittlerweile viel besser. Allen anderen Nursery-Waisen geht es gut.

Jetzt, da wir so viele sehr junge Baby-Elefanten in der Nursery zu versorgen haben, sind die Keeper rund um die Uhr im Einsatz. So manches Baby benötigt ohnehin eine Extraportion Aufmerksamkeit, so wie Naimina und Melia, die immer noch an posttraumatischem Stress leiden und daher ziemlich launisch sind. Oder Sabachi, die ständig Flausen im Kopf hat und allen Streiche spielt! Suguta ist eine unglaublich große Hilfe in ihrer Rolle als kleine Leitkuh. Sie wird unterstützt von Nchan und Kudup. Kenia und Dida versuchen ihr Bestes, um Naimina und Melia, die ein bisschen älter sind, in Schach zu halten. Kudup vergöttert Bhaawa, der der Liebling aller Elefantenweibchen in der Nursery ist – ebenso wie Kibo, der nach einem wackligen Start auf dem Weg der Besserung ist.

Momentan leben 25 Waisen in der Nursery: Kenia, Dida, Kimana, Suguta, Ndii, Mawenzi, Sabachi, Kibo, Shira, Bhaawa, Isiolo, Nchan, Kudup, Kalama, Kilaguni, Chaimu, Naimina, Melia, Tumaren, Tano, Mutara, Turkwel, Olare, Enasoit und Baby Pesi.

Monatsbericht für die Ithumba-Gruppe: August 2009

Die Ithumba-Waisen sind nach wie vor in drei Gruppen organisiert. Yatta führt immer noch die Gruppe mit den Älteren an, die zwar so gut wie ausgewildert sind, aber wie erwartete immer noch regelmäßig in Kontakt mit den anderen Waisen stehen, die sie als ihre “Familie“ ansehen. Und die Familie ist bekanntlich das Allerwichtigste für einen Elefanten, der ein weitaus besseres Gedächtnis hat als wir Menschen, mit einem Gehirn, das vier Mal so groß ist! Yattas Gruppe wird inzwischen immer vom wilden Elefanten „Mgeni“ (bedeutet Besucher) begleitet. Ihre kleine Herde ist fast immer mit wilden Artgenossen zusammen, die nach Belieben kommen und gehen. Ihre Gruppe ist nun also wirklich in die Wildnis zurückgekehrt. Yatta war schon immer die Hauptleitkuh in Ithumba. Sie ist inzwischen 10 Jahre alt, wurde 1999 in Tsavo geboren und kam mit einem Monat in die Nairobi-Nursery.

Die nächstjüngere Gruppe, auch bekannt als „Wendis Gruppe“, durchläuft gerade die Übergangsphase auf dem Weg zurück in die Wildnis und nabelt sich mehr und mehr von den Keepern ab. Wendi stammt aus dem Imenti-Wald und wurde noch am Tag ihrer Geburt in die Nursery gebracht. Sie ist eines von drei Neugeborenen, die ihr Leben einer Infusion von Elefantenblutplasma für ein starkes Immunsystem verdanken. Wendi ist heute neun Jahre alt und obwohl sie zu Yattas Senior-Gruppe zählt, wandert sie oft auch allein mit ihrer eigenen kleinen Gruppe umher und übernimmt die Führung derer, die sich ihr anschließen. Wendis Gruppe hält noch deutlich engeren Kontakt zur jüngsten Gruppe in Ithumba, die nach wie vor die Betreuung der Keeper braucht. Es ist gut möglich, dass Wendis Gruppe sogar von Yatta dazu aufgefordert wurde. Elefanten kommunizieren ja bekanntlich in einer für uns mysteriösen Art und Weise, die wir Menschen einfach nicht erschließen können. Es gab diesen Monat nur wenige Tage, an denen Wendi nicht mit den Jüngsten zusammen war. Entweder wartete sie morgens schon an den Stallungen oder traf sie später im Busch, an einem scheinbar vorher verabredeten Ort, wo dann alle miteinander spielen. Manchmal verbringt sie auch den ganzen Tag mit ihnen, führt sie zum Schlammbad oder zu Yattas Gruppe, die etwas weiter entfernt und oft in Begleitung wilder Elefanten beim Grasen anzutreffen ist.

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Die dritte Waisen-Gruppe besteht wie bereits erwähnt aus den jüngsten Elefanten, die erst kürzlich aus der Nairobi-Nursery nach Ithumba gebracht wurden und noch im Stall übernachten. Wir nennen die Gruppe Juniors. Etwa sechs von ihnen sind zwischen drei und fünf Jahren alt und brauchen nach wie vor Milch. Trotzdem sind auch diese Waisen schon so gut wie unabhängig von ihren Keepern. Die Richtung, die sie jeden Morgen zum Weideplatz einschlagen, wird nicht mehr von ihren menschlichen Betreuern festgelegt, sondern von den Junior-Leitkühen der Gruppe wie Sian, Loijuk und Naserian oder ihren Vorgängerinnen Galana und Sunyei, die inzwischen in Yattas Gruppe „aufgestiegen“ sind. Wie die Waisen aus der älteren Gruppe fühlen sich auch die Jüngeren in Gegenwart wilder Artgenossen sehr wohl und werden abends sogar oft von solchen zurück zu den Ställen gebracht.

Friedlich vermischen sich Waisen und wilde Elefanten an der Stalltränke, und die älteren Mitglieder der Junior-Gruppe verbringen ab und zu eine Nacht im Busch mit den Älteren (so wie Kamboyo am 24. August). In diesem Monat waren erstmals alle Juniors eine ganze Nacht mit den Großen unterwegs und haben nicht im Stall übernachtet. Dafür haben sie sogar auf ihre Milchmahlzeit am Abend und am Morgen verzichtet. Sie trafen sich nach ihrem mittäglichen Schlammbad mit den älteren Ex-Waisen und einigen wilden Anhängseln am Imenti-Wasserloch und verbrachten den Nachmittag zusammen. Später folgten sie Yatta weiter landeinwärts. Völlig ungewöhnlich war, dass sie ihre Keeper gänzlich ignorierten als es Zeit zur Heimkehr war. Als die Dunkelheit anbrach blieb den Keepern keine Wahl als ohne ihre Schützlinge zurückzukehren. Im Stallgelände warteten sie die ganze Nacht auf die Rückkehr ihrer Elefantenwaisen. Normalerweise kommen diese wenig später ebenfalls nach Hause, wie zum Beispiel am 21. August, als Ol Malo und Challa nach einem Ausflug mit den Seniors erst gegen Mitternacht eintrafen. In dieser Nacht des 24. August jedoch blieben alle die ganze Nacht weg und die Keeper fanden sie erst am nächsten Tag gegen 13.30 Uhr wieder. Im letzten Monat, als Ol Malo und Challa schon einmal bis Mitternacht fortblieben, folgten ihnen die Älteren bis nach Hause um sicherzugehen, dass sie gut ankamen. Ol Malo war offensichtlich dieses Mal mit dieser Aufgabe betraut worden. Diese Art Zwischenfall illustriert nur zu gut den mitfühlenden und verantwortungsbewussten Charakter der Elefanten sowie ihre Fähigkeit sich mittels Erinnerungsvermögen und Geruchssinn in der Nacht zu fortzubewegen (denn ihre visuellen Fähigkeiten bei Nacht sind ähnlich schlecht wie bei uns Menschen). Hinzu kommt die ausgeprägte Sorge und Liebe für ihre Familie und Freunde, was die Tatsache bestätigt, dass Elefanten sehr „menschliche“ Charakterzüge haben – alle guten Eigenschaften von uns Menschen und nur wenige schlechte.

Ol Malo mit wildem Freund

Ol Malo fällt besonders darin auf, dass sie viel selbständiger und unabhängiger ist als alle anderen. Sie war immer Yattas Liebling und für viele Jahre buchstäblich ihr Schatten. In der Zwischenzeit ist sie oft allein unterwegs, trifft wilde Freunde und kommt dann manchmal zu den Stallungen, einmal mit und dann wieder ohne wilde Elefanten, meist Bullen, im Schlepptau. Trotzdem scheint sie immer mit Yatta und den anderen Waisen in enger Verbindung zu stehen. Man kann das zum Beispiel beobachten, wenn sie zum Saufen alleine an der Stalltränke ist. Dann trompetet sie und im Nu tauchen wie aus dem Nichts die anderen Waisen auf und nehmen sie wieder mit. Ganz offensichtlich hat sie enge Freunde unter den wilden Elefanten und viel Freude an deren Gesellschaft. Sie ist gerade einmal sechs Jahre alt und stammt aus Ol Malo im Bezirk Laikipia. Mit vier Monaten kam sie in die Nursery in Nairobi.

Die Auswilderung ist ein kontinuierlicher Prozess. Mancher Elefantenwaise verbringt schon als Junior ein bisschen Zeit mit den älteren Waisen, kehrt dann aber in seine Gruppe zu den Altersgenossen zurück. Kamboyo war in diesem Monat an der Reihe und wurde nach ein bis zwei Tagen von Yatta zurückgebracht. Umgekehrt machen es auch die älteren Waisen, wenn sie sich ein bisschen nach Erholung sehnen oder Zeit mit den Jüngeren und ihrer Menschenfamilie verbringen wollen, so wie Ol Malo und Challa in diesem Monat. Was bei allem Hin und Her deutlich wird ist, dass sich die Waisen, die zusammen aufgezogen wurden, umeinander kümmern und sich als eine Familie betrachten, auch wenn sie aus unterschiedlichen Elefantenpopulationen stammen.

Auch in den Aufzeichnungen im August wird die wunderhafte Elefantenkommunikation wieder deutlich: Am 10. wartete Yatta mit ihrer Gruppe am Schlammbad. Nur wenig später kamen Wendis Gruppe und die Jüngsten dazu, um schließlich gemeinsam weiterzuwandern. Wendi trifft sich des Öfteren mit den Kleinsten an einem scheinbar verabredeten Ort, wenn sie sie nicht schon von den Stallungen abgeholt hat, um sie danach zu Yatta zu bringen.

Der beste wilde Freund der Waisen ist ein ausgewachsener Bulle, den wir „Rafiki“ genannt haben.  Am 8. August besuchte er die Kleinen zusammen mit zwei wilden Freunden zum Saufen im Stallgelände. Später verbrachte er mit den Waisen einige Zeit im Busch. Nur wenige Tage später, am 10. August, tauchte er beim Schlammbad auf und graste eine Zeitlang mit ihnen, bevor er wieder seiner eigenen Wege ging.

Raffiki

Da es im Busch überall an Wasserquellen mangelt, wird unsere Stalltränke nunmehr täglich von wilden Elefanten benutzt, manchmal sind es 20 bis 30 Tiere auf ein Mal. Sie kommen meist mehrmals, und das nicht nur nachts sondern auch tagsüber. Bisher waren es nur die Bullen, doch inzwischen trauen sich auch die Kuhherden an die Stallungen. Jeden Tag, wenn die kleinen Waisen aus ihrem Nachtlager kommen, warten die wilden Elefanten schon, dass endlich jemand den Wasserhahn aufdreht! Am 8. August versuchte die schelmische Loijuk ihren Freunden zu imponieren, indem sie sich vor den wilden Elefanten aufbäumte, und sich darüber beschwerte, dass die Waisen so lange anstehen mussten. Die wilden Artgenossen zeigten sich wenig beeindruckt und straften sie mit Gleichgültigkeit! Die Stalltränke ist unter den wilden Elefanten so beliebt, dass das Bohrloch, welches das Wasser einspeist, ziemlich belastet wird. Der Trust erwirkte inzwischen die Erlaubnis, in der Nähe des Imenti-Wasserloches ein weiteres Bohrloch zu errichten, um sowohl den Waisen als auch den Wildtieren in der langen Trockenzeit eine zweite Wasserquelle zu bieten und sich nicht von nur einem Standpunkt abhängig zu machen.

Am 1. August bemerkten die überraschten Keeper ein Rudel von zehn statt der üblichen vier Wildhunde an der Tränke. Unerwähnt bleiben darf auch nicht unsere spektakuläre Elefanten-Staub-Orgie vom 15. August: nachdem unsere Elefanten ein ausgiebiges Schlammbad genommen hatten, nahmen alle 31 Waisen Staub mit ihren Rüsseln auf und sprühten ihn gleichzeitig zurück in die Luft als sie weiter wanderten. An sich gibt es nur 30 Waisen in Ithumba, aber Mgeni (der wilde Zuwachs in Yattas Gruppe) zählt inzwischen offiziell zum Inventar.

Die Tagesberichte in Ithumba sind immer wieder sehr aufschlussreich und ermöglichen uns tiefe Einblicke in das Verhalten der Dickhäuter. Der Trust ist sehr stolz darauf, diese wertvollen Informationen über das Sozialverhalten der Elefanten (vor allem im Vergleich zu den Menschen) erstellt und gesammelt zu haben.

Monatsbericht für die Voi-Gruppe: August 2009

Lesanju, Lempaute, Sinya, Wasessa, Mzima, Siria und Shimba haben sich inzwischen sehr gut eingelebt und nun auch Tassia und Taveta bei sich aufgenommen. Die kleinen Bullen wurden am 13. August aus der Nursery in Nairobi nach Voi gebracht. Lesanju hat sich sofort um Tassia gekümmert und tut dies nach wie vor, was dazu führte, dass sie ihre bisher beste Freundin Lempaute vernachlässigt. Lesanju ist eine sehr dominante und kompetente Leitkuh, allerdings auch extrem besitzergreifend, was sowohl ihren Status als Matriarchin als auch Tassia betrifft. Lempaute scheint das zum Glück nicht zu stören. Lesanju mag es allerdings überhaupt nicht, wenn Sinya und Wasessa zu viel mit Tassia zu tun haben, sie sollen ihre mütterlichen Gefühle lieber an Taveta ausleben! Die beiden Neuankömmlinge haben sich sofort eingelebt und genießen ihre neue Popularität. Herzlicher hätte die Begrüßung kaum ausfallen können. Aber schließlich erinnern sich die älteren Elefanten an die beiden aus der Nursery, auch, wenn die beiden Bullen damals nicht unbedingt zu ihren Lieblingen zählten.

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Mzima und Siria sind immer noch beste Freunde und niemals weit voneinander entfernt. Sie spielen im Prinzip die ganze Zeit miteinander. Shimba scheint damit einverstanden und genießt ein bisschen mehr Zeit allein, was ja ohnehin seinem Charakter entspricht. Der August ist immer ein kühler Monat in Tsavo, und so kam es, dass an manchen Tagen niemand im Schlamm baden wollte. Die Waisen haben sich dann lieber im Staub gewälzt, hastig ihre Milch und etwas Wasser getrunken und sind dann wieder zum Grasen verschwunden. Je länger die Dürre andauert, desto knapper wird das Futter, und somit hat Fressen oberste Priorität.

Das neue Elefantenbaby, das auf der Morondo Ranch an Tsavos Grenze gefunden wurde, hat auf seinem Weg in die Nursery einen kurzen Zwischenstopp im Voi-Stallgelände eingelegt. Hier wartete man auf das Rettungsflugzeug aus und zurück nach Nairobi. Der kleine Elefantenbulle war sehr ausgezehrt und schwach, und seine Chancen waren nur gering. Nur zwei Tage später ist er in der Nursery gestorben.

Die Voi-Waisen folgen im Prinzip jeden Tag dem gleichen Trott: nach ihrer Morgenmilch spielen sie ein bisschen im Gelände, während sich die Keeper für die Arbeit fertig machen. Danach geht es in den Busch zur Futterstelle des Tages. Meist grasen die Waisen an den Hängen von Mazinga Hill, abwechselnd auf der Süd-, Ost-, West- und Nordseite. Manchmal steigen sie auch auf den Berg hinauf, an anderen Tagen wandern sie zu den Ebenen in den Hauptpark. Bis zum Mittag bewegen sie sich fressend in Richtung Schlammbad, wo sie schließlich ihre zweite Milchmahlzeit bekommen. Je nach Wetter wird im Schlamm oder im Staub gesuhlt und gespielt, bevor am Nachmittag wieder fressend in Richtung Stallgelände gewandert wird. Dort gibt es zum Abendbrot eine letzte Milchmahlzeit, und für die Nacht wird zusätzlich Kopra (getrocknetes Kokosnussfleisch) und Grünfutter im Stall ausgelegt. Die Zweige des Sternbusches werden tagsüber auf dem Land der Dorfgemeinden besorgt und sind bei den Waisen nicht nur sehr beliebt sondern auch sehr reichhaltig an allen Mineralstoffen, die ein Elefant braucht, um stark und gesund zu bleiben.

2009 war das bisher trockenste Jahr, an das man sich erinnern kann, und die Besucher in Tsavo waren erschüttert über die vielen toten Wildtiere und nicht minder über die vielen Nutztierherden, die illegal im Park grasen. Selbst wenn man die Viehherden aus dem Park jagt, so werden sie aus einer anderen Ecke zurückkommen. Dieser Kampf scheint aussichtslos und die Regierung unfähig oder unwillig, sich diesem Problem zu stellen, vor allem jetzt, da die Überweidung in Tsavo vielerorts sichtbar wird.

Da sich Lesanju nun auf Tassia konzentriert, haben Shimba und Wasessa das Privileg, die Gruppe zum Fressplatz und wieder zurück zum Stallgelände zu führen. Normalerweise besteht Lesanju auf dieser Aufgabe, weil sie Wasessa und Sinya als Rivalen ansieht.

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Etwas Aufregendes hat sich am 22. August zugetragen: die Waisen und ihre Keeper sahen ein Rudel Löwen, das gerade einen frisch geschlagenen Waterbuck verspeiste. Bevor die Löwen Wind bekamen, wurde hastig eine andere Richtung eingeschlagen!

Am 13. August kam eine wilde Kuh mit ihren drei Kälbchen zum Saufen an die Stockades, als die Waisen unterwegs waren. Dieselbe Kuh mit ihrer Familie tauchte auch am 27. August noch einmal auf, und alle zusammen machten sie einen kümmerlichen Eindruck. Genauso wie eine andere Kuh, die am 25. August mit ihrem extrem abgemagerten, etwa fünf Monate altem Kalb in der Nähe der Ställe gesehen wurde. Sie war offenbar nicht in der Lage, ihr Baby mit ausreichend Milch zu versorgen. Dieses traurige Bild gehört inzwischen zum Alltag in dieser furchtbaren Trockenperiode. Der Regen setzt frühestens Ende Oktober ein. Bis dahin wird sich die Lage wohl eher noch verschärfen als bessern.