Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im November 2006

Die Nursery-Waisen

Ein winzig kleines, zwei Wochen alten Elefantenmädchen wurde auf Wunsch ihrer Samburu-Retter Lempaute genannt (bedeutet: „große Grube voll Wasser“). Sie wurde mutterseelenallein im Naturschutzgebiet Samburu West Gate gefunden, in der Nähe des besagten Wasserloches. Beim Anblick der Stammesangehörigen floh sie sofort mit wildem Geschrei in den Busch. Nach nicht allzu langer Zeit kam sie allerdings wieder zum Vorschein und folgte den Männern vertrauensselig. Das Baby wurde per Hubschrauber in die Nursery befördert. Außer einem sonnenverbrannten Ohr ist sie in guter körperlicher Verfassung und schloss sich sogleich der lebhaften kleinen Lesanju an, die sich selbst inzwischen als Anführerin des Baby-Trupps ansieht. Diesen zwei Winzlingen gesellte sich nun auch noch Shimba hinzu und ein weiterer Neuankömmling mit dem Namen Galdessa, weil die Kleinen aufgrund der blütenzarten Haut ihrer Ohren vorerst im Schatten bleiben müssen, damit sie sich keinen weiteren Sonnenbrand zuziehen. Shimba ging es außerdem nicht besonders gut, ein nasser Rüssel beschwor eine Lungenentzündung herauf, und somit bekam er Antibiotika verabreicht. Wenn er mit den älteren Elefanten zusammen ist, verbringt er die meiste Zeit damit, an ihren Ohren und allen anderen Körperteilen, die er zu fassen bekommen, zu saugen, anstatt sich auf das Trinken seiner Milch zu konzentrieren.

Morani & Mpala

Am 22. November, kam ein zwei Monate alter kleiner Bulle einfach so in den Generatorraum im Galdessa Camp am Galana Fluss in Tsavo-Ost und hockte dort, bis einer der KWS Ranger eintraf, um ihn in unsere Voi-Stockades zu fahren. Dort verbrachte er die Nacht, weil es für einen Helikopter-Transport bereits zu spät war. Am folgenden Tag wurde er in die Nursery befördert. Sein Auftauchen fällt auf den Zeitpunkt einer großen Sturzflut im Galana Fluss, und da er überall auf dem Körper und im Gesicht Schürfwunden aufwies, vermuten wir, dass er mit den Wassermassen mitgerissen wurde, als seine Familie versuchte den Fluss zu durchqueren. Flussaufwärts, nur unweit des Camps, wurde er wahrscheinlich durch die Strömung im steinigen Flussbett hin- und hergeworfen. Dieses Baby, das Galdessa getauft wurde, war nicht nur psychologisch sehr geschwächt, sondern litt außerdem an Schlafstörungen. obwohl es körperlich so erschöpft war. Weil auch sein Gesicht so sehr schmerzte, hatte er Schwierigkeiten beim Fressen. Aber mittlerweile bessert sich seine Verfassung, und er gehört inzwischen zu Lesanjus kleiner Baby-Gruppe.

Während sich Galdessa noch nicht daran gewöhnt hat, im seinem Stall zu schlafen, der etwas abwärts denen der anderen liegt, wurde Loijuk aus ihrem Stall zwischen Chyulu und Shimba herausgeholt und zusammen mit Zurura in eine der großen Nashorn-Behausungen umgesiedelt. Chyulu war darüber schrecklich traurig und jammerte die ganze Nacht genau wie Loijuk, die sich wehrte und einen Teil der hölzernen Plattform zerstörte, auf der die Keeper schliefen. Man entschied sich dafür, sie in ihre alte Unterkunft zurückzubringen und stattdessen Galdessa und Shimba zusammenzulegen. Loijuk und Chyulu kam dies sehr gelegen kam, doch Galdessa und Shimba hörten nicht auf, sich um das nächtliche Futter zu raufen! Also musste Galdessa zurück in ihr altes Schlafquartier, damit im Nachtlager wieder Ruhe einkehrte!

Der Star des Schlammbades war in diesem Monat Makena, die nicht nur eine extrovertierte Angeberin ist, sondern auch eine ausgezeichnete Fußballerin, die den Ball mit ihren Vorder- und Hinterbeinen abspielt – zumindest wenn sie nicht gerade unter quietschendem Trompeten einer Warzenschweinfamilie hinterher jagt. Dieses Trompeten ist die Aufforderung an Loijuk mitzumachen – sehr zur Freude der Besucher. Die Baby-Gruppe, angeführt von Lesanju, wurde auch zum Zuschauermagnet.

Kamboyos Groll gegenüber Lelana hat nachgelassen, ist aber immer noch zu spüren. Zurura ist in die Höhe geschossen; als einer der jüngsten in der Aufzuchtgruppe ist er jetzt einer größten. Er beweist seine Kraft gerne an Loijuk und lässt sich auch nicht davon abschrecken, dass er immer noch winzige Stoßzähne hat. Zurura kann für gewöhnlich darauf bauen, dass er von Kamboyo den Rücken gestärkt bekommt und somit einen Sieg für die „Männer“ davonträgt.

Die Aufzuchtgruppe kam in den Genuss gewaltiger Regenfälle, so dass die Anlagen einfach wunderschön ergrünten. Ein kleiner Wasserlauf neben Daphnes Haus wuchs auf die Größe eines Flusses an, und man hört das wunderbare Rauschen von Wasser. Obwohl die Babies Donner hassen, lieben sie doch das Spielen in Pfützen und im Schlamm.

Die Ithumba-Waisen

Was für ein wundervoller Monat für die Ithumba-Waisen! Täglich gab es Regen, Regen und noch mehr Regen. Die Landschaft hat sich in einen smaragdfarbenen Garten Eden verwandelt, gefüllt mit Blumen, und fast jeder Strauch ist mit weißen Blüten der Ipomoea mombasa bedeckt, die nicht nur wunderschön ist, sondern auch zum Lieblingsfutter aller Pflanzenfresser zählt. Es ist in der Tat herzerwärmend, wie die Tage gefüllt sind mit Spaß und Spiel zwischen Fressorgien, Stunden voll Plantschen in Regenpfützen und Schwimmen in frisch gefüllten Wasserlöchern, Herumrollen in der roten Lateriterde von Tsavo. Ganz besonders schön ist sowohl Oroks Zufriedenheit und Freude, der in der Nursery anfangs so verstört war, als auch Sidais guter Zustand, die wir nach ihrer Ankunft fast verloren hätten und die für sechs Wochen aus ihrer liegenden Position nicht ohne Hilfe aufstehen konnte. Es ist schön zu sehen, dass sich Challa nun als einer der Jungs-Bande fühlt und nicht mehr als Außenseiter; doch die besten Neuigkeiten sind wahrscheinlich die, dass sich Koras Kieferwunde nun endlich vollständig geschlossen hat.

Wieder einmal dominieren das Mitgefühl und die Aufmerksamkeit für die Anderen in den täglichen Aufzeichnungen. Yatta ist eine sehr fürsorgliche Leitkuh, und wenn ihr Liebling Ol Malo im Wasserloch untertaucht, zieht sie sie sofort an die Oberfläche. Offensichtlich hat sie Angst, dass sie zu lange unter Wasser bleibt! Sie wacht – zusammen mit den Keepern – unablässig über das Ende der Kolonne, während die Jüngsten öfter einmal die besondere Aufgabe des Anführens zu oder von den Weideflächen übernehmen dürfen.

Einmal besuchte ein wilder Bulle die Stockades, um zu trinken, und er erwiderte den grummelnden Gruß der vier großen Mädchen bevor er wieder verschwand, noch ehe ihn das Tageslicht sichtbar werden ließ. Yatta war neugierig, ihn zu treffen, und folgte seiner Fährte mitsamt der ganzen Gruppe. Es war ihnen allerdings nicht möglich, ihn bis zur Mittagsmilch einzuholen. Die Tatsache, dass er bis an die Stockades herankam, obwohl es überall ausreichend Futter und Wasser gibt, spricht dafür, dass er eine bestimmte Absicht verfolgte – nämlich die Situation beobachten und abschätzen. Es gibt kaum einen Zweifel daran, dass er von Zeit zu Zeit zurückkehren wird bis er versteht, dass der menschliche Geruch nichts Unheimliches darstellt. Die Neugier wird ihn und die anderen „Späher“ dazu bringen, den Kontakt aufzunehmen.

An mehreren Tagen teilte sich die Gruppe in zwei Hälften auf; Yatta nimmt die älteren Waisen dann mit in weiter abgelegene Gebiete und entweder Nasalot oder Mulika bleiben bei den Kleinen. Später treffen sie sich dann wieder – entweder noch im Busch oder abends in den Nachtlagern. Die Jungs widmeten sich ihren täglichen Ringkämpfen, um ihre Kräfte zu messen und die Rangfolge unter den Gleichaltrigen festzulegen. Rapsu siegte über Tomboi, was ihn sehr stolz machen musste. Orok bleibt das behütete „Nesthäkchen“ und badet in der ungebrochenen Fürsorge und Aufmerksamkeit von Nasalot, während Ol Malo ihren Status als Yattas Liebling bewahrte, und Mulika immer noch Selengai bemuttert. Kinna hält immer noch den Titel des Ordnungshüters – sobald irgendeiner der kleinen Bullen gegen die Verhaltensregeln in der Gruppe verstößt, ist sie sofort zur Stelle. Alle kleinen Kühe wissen genau, dass sie in der Nähe von Kinna fressen müssen, wenn sie nicht von einem der Bullen „bestiegen“ werden wollen. Und wehe dem, der den kleinen Orok anrührt – dem blüht eine derbe Bestrafung durch Nasalot, wie zum Beispiel dem Übeltäter Buchuma.

Obwohl sich die Gruppe aus Waisen mit den verschiedensten Lebensgeschichten zusammensetzt, so ist die Ithumba-Gruppe dennoch eine vereinte und glückliche Elefantenfamilie mit 22 Mitgliedern. Jeder einzelne ist ein lebendes Wunder, das heute ein unvergleichlich schönes Leben führt – voll Liebe und Fürsorge, dem gegenseitigen Schutz und Lebensfreude an jedem einzelnem Tag. Die Beziehung, die die Elefanten zu ihren Keepern haben, wird ihr ganzes Leben lang in ihrem Elefantengedächtnis verwurzelt sein und ist mit Sicherheit etwas Wunderschönes, an dem man festhalten sollte. Elefanten zeigen so viele Charaktereigenschaften, die sich die Menschen, unter denen sich so viele Grausame und Böse befinden, zum Vorbild nehmen sollten.

Die Voi-Waisen

Auch hier gab es einen wundervollen Monat, denn ausgiebige Regenfälle beendeten die Dürre und sorgten für ein reichhaltiges Buffet, nachdme die Waisen während einer dreijährigen Trockenperiode nach jedem noch so kleinen essbaren Spross intensiv suchen mussten. Trotz allem ist die Vegetation noch lange nicht so üppig wie im Norden, wo der Druck auf die Pflanzenwelt durch Futter suchende Tiere nicht so intensiv war. Jedoch scheint der Mazinga-Hügel der Ort der Wahl, wenn es an die Futtersuche geht, fördert das Herabrennen vom Gipfel offenbar auch das Wachstum. Mukwaju bleibt der Kletterer der Gruppe und ist immer bestrebt, den Berg so schnell wie möglich zu besteigen um als Erster oben anzukommen.
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Es ist herzerweichend zu lesen, dass Mweiga diejenige war, die .den Kontakt zu einer wilden Herde aufnahm, mit deren Altersgenossen Ndara und Nyiro anschließend fröhlich spielten und die Waisen zwei Stunden Seite an Seite mit der wilden Gruppe weideten. An einem anderen Tag schlossen sich die Waisen erneut der wilden Herde an, und sie verbrachten einige Zeit zusammen. Später gesellte sich auch Uaso hinzu, der sie zum Schlammbad begleitete, wo er von Laikipia in einen Ringkampf verwickelt wurde und – wie jedes Mal – verlor. Uaso tauchte noch einmal auf und nahm ein mittägliches Schlammbad mit den Waisen, und alle freuten sich, dass er bei ihnen war. Burra ist wie immer sehr bestrebt, die Kolonne zu und von den Futterstellen an die Stockades zu führen. Manchmal teilt er dieses Privileg mit seinem Freund Solango, und einige Male musste er seinen Platz an Laikipia, den Big Boy der Gruppe, abtreten.

Emily oder Mitglieder ihrer Gruppe wurden in diesem Monat nicht in der Nähe der Waisen gesehen; wahrscheinlich halten sie sich derzeit in Gebieten auf, wo die Vegetation reichhaltiger ist, denn normalerweise sind sie nie weit vom Mazinga-Hügel entfernt. Alles in allem war es ein genussvoller Monat für die Voi-Waisen, die sich im Schlamm und in den Pfützen wälzten und sich vor allem satt fraßen.