Sian ist gestorben

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Sian, verwaist im Alter von nur 9 Monaten, war das Baby einer Elefantenkuh namens „Soila“ aus der berühmten südafrikanischen Elefantenfamilie im Amboseli Nationalpark. Sie sind nach ihrer Wanderung über die kenianische Grenze nach Tansania lange nicht zurückgekehrt. Diese Route wird neben den Elefanten auch regelmäßig von Jägern genutzt, die einen der für Amboseli berühmten großen Tusker erlegen wollen. Sians Mutter war nicht bei ihrer Herde, als diese am 13. Januar 2006 nach Kenia heimkehrte. Stattdessen blieb sie bei ihrer Tante, doch ohne genügend Milch gab es für ihr Kälbchen kaum eine Überlebenschance.

Sian wurde am 17. Januar 2006 in die Nursery in Nairobi gebracht. Man fand sie an diesem besagten Tag inmitten einer Bullenherde, die das winzige Waisenbaby nach Kräften verteidigten. Für das Rettungsteam war es eine große Herausforderung sie von den Bullen zu trennen, doch dank der Expertise vom Leiter der Rettungseinheit, Robert Carr-Hartley, und mit Unterstützung von Cynthia Moss haben sie es letztlich geschafft. Sian wurde überwältigt und ihre Beine zusammengeschnürt. So lag sie nun auf der Fahrzeugplane auf dem Pick up Truck, der sie zum Flugplatz brachte, von dem aus sie nach Nairobi geflogen wurde.

Sian wuchs und gedieh in der Nursery, sobald sie wieder Milch bekam und sich ein wenig von den Strapazen erholt hatte. Sie schien kerngesund und es gab keinen Hinweis auf Mangelerscheinungen. Am 24. Mai 2007 wurde sie zusammen mit den Elefantenwaisen Kenze und Loijuk ins Auswilderungszentrum nach Ithumba verlegt und auch dort ging es ihr gut, bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie zu kränkeln begann und an Kondition verlor. Es wurde ein Defekt der Zahnsubstanz festgestellt und ihre Zehennägel verkalkten, was sie in ihrer Bewegung einschränkte und vom Grasen abhielt. Ergänzungsfutter wurde organisiert, und nachdem das verkalkte Gewächs von ihrem Zehennagel abfiel und der Zahnwechsel einsetzte, schien es mit ihr wieder bergauf zu gehen. Schließlich verlor sie wieder an Kraft und wir waren über Monate hinweg ratlos darüber, was ihr Problem war. Der Tierarzt unserer Mobilen Einheit behandelte sie mit Calcium, Vitaminen und einem Trypanozid, ein Medikament gegen einzellige Blutparasiten, die durch die Tsetsefliege übertragen werden und besonders bei geschwächtem Allgemeinbefinden eine Krankheit auslösen können. Die Therapie schien anzuschlagen, denn es ging ihr vorübergehend besser – bis zum 26. Juni 2010, als sie plötzlich zusammenbrach und binnen kürzester Zeit verstarb, umgeben von ihren geschockten Keepern, die das Unglück noch immer nicht verstehen können.

Dr. Poghon, der Tierarzt der Trust-eigenen Mobilen Einheit machte sich sofort auf den Weg nach Ithumba und obduzierte Sians Körper, um aufzuklären, warum sie so früh von uns gehen musste. Er fand heraus, dass sie nur eine Lunge hatte, die andere hatte sich nie entwickelt. Es handelte sich also offenbar um einen angeborenen Defekt. Als sie älter wurde, konnte die eine Lunge schlichtweg den Sauerstoffaustauch mit dem nicht Blut gewährleisten, um lebenswichtige Organe mit Sauerstoff zu versorgen. Dies wurde vor allem an den geschädigten Nieren sichtbar.

Wir sind dankbar für die kurze, aber intensive Zeit, die wir mit Sian hatten. Sie hat die Herzen ihrer menschlichen Familie erobert und war bei allen anderen Waisen sehr beliebt, sowohl bei den Babys in der Nursery als auch bei den Älteren in Ithumba. Dort hat sie die Gruppe oft angeführt und stand unter dem Schutz von Loijuk (mittlerweile die Leitkuh der jüngeren Ithumba-Gruppe) und Zurura, der nie von ihrer Seite wich und ihr bis zum Schluss Gesellschaft leistete. Sie starb in den Armen ihrer Keeper, in einem Meer von Menschen- und Elefantentränen. Wir werden sie nie vergessen und immer vermissen. Einziges Trostpflaster ist, dass wir nun wissen, woran sie erkrankt war und dass es nichts gab, das wir hätten für sie tun können. Stattdessen haben wir alles versucht, um ihr Leben bei und mit uns so glücklich wie möglich zu gestalten. Das ist uns hoffentlich gelungen, denn ohne die Betreuung durch die Keeper, wäre sie als vermutlich schon junge Waise gestorben. So hatte sie zumindest bis zum Ausbruch ihrer Krankheit noch eine glückliche Zeit in Ithumba. Sie spielte oft und gerne in Regenpfützen und im Schlammbad und hatte alles, was ein junger Elefant zum Glücklichsein brauchte – eine liebevolle „Familie“ mit Elefanten und Menschen, eine riesige Auswahl an Elefantenfutter zur ständigen Verfügung und das Leben in einer unberührten Natur, wo sie sogar wilde Elefantenfreunde machte.

Sian hatte hunderte Pateneltern, die ebenso traurig über diese Nachricht sein werden wie wir. Auch die Forscher aus Amboseli, deren Herzen sie eroberte, als sie zu atmen begann, werden schockiert sein. Ruhe in Frieden, kleine, wundervolle Sian. Als Elefantenengel im Himmel bleibt dir all das Leiden der Elefanten auf Erden, verursacht durch die menschliche Gier nach Elfenbein, erspart.