Sidai sorgt für Aufregung in Ithumba – und noch ein Baby!

(übersetzt aus dem englischen Original; alle Bilder © Sheldrick Wildlife Trust)

Alles, was sich in den letzten Wochen rund um die Ex-Waisen in Ithumba so zugetragen hat, wird von der neuesten Geschichte von Sidai vielleicht noch einmal übertroffen. Sie zeigt, wie schlau Elefanten sind und gibt noch einmal Anlass zur Freude über eine neue Geburt!

In den letzten paar Wochen hat es in Ithumba einen regelrechten Baby-Boom bei den Ex-Waisen gegeben: Seit dem 18. Oktober, an dem Kinna ihr neues Kalb Kaia zur Welt brachte, wurde jede Woche eine neues Baby geboren: Naserians erstes Kalb Njema, Nasalots zweiter Sohn Noah, Yattas drittes Kalb Yogi und schließlich Sunyeis zweites Baby Saba.

Weil Elefanten eine lange Tragezeit von 22 Monaten haben, war es zu Beginn all dieser Schwangerschaften eine herrliche Zeit: in Tsavo gab es innerhalb weniger Monate so viel Regen wie sonst in einem ganzen Jahr nicht! Und jetzt, da all diese Kälber auf der Welt sind, sollte eigentlich wieder Regenzeit sein – was man allerdings leider nicht behaupten kann. Der Tsavo-Nationalpark ist noch immer im Griff einer gnadenlosen Dürre, und alle hoffen, dass der Regen doch noch kommt. Wegen dieser schwierigen Bedingungen haben die Mütter unter den Ex-Waisen die gute Entscheidung getroffen, in der Nähe der Auswilderungsstation zu bleiben, wo sie sich sicher sein können, regelmäßig Luzernenheu und Wasser zu bekommen.

Auch wenn die Ex-Waisen häufig in kleineren Gruppen unterwegs sind, ist doch Yatta die Leitkuh von ihnen allen. Weil sie in der Nähe blieb, ließen sich sicherlich auch die anderen schnell überzeugen, nicht weit in den Nationalpark hinaus zu wandern. So waren am 20. November ganze 17 der 19 in der Wildnis geborenen Kälber der Ex-Waisen an den Stallungen, natürlich gemeinsam mit ihren Müttern und begleitet von etlichen anderen, auch wilden Elefanten. Die einzigen, die fehlten, waren Sidai mit ihrer Tochter Sita sowie Chyulu mit ihrem Sohn Cheka. Diese beiden waren allerdings schon immer eher unabhängige Geister und kamen nur sehr unregelmäßig in Ithumba vorbei. Das letzte Mal waren sie vor fast einem Jahr da gewesen.

Am Nachmittag verschwanden plötzlich alle langsam wieder in der Wildnis. Yatta musste das Zeichen zum Aufbruch gegeben haben, auch wenn nicht ganz klar schien, warum. Daher war die Überraschung bei den Keepern groß, als zwei Tage später, am 22. November Yatta, Chyulu und Sidai morgens geduldig vor den Stallungen warteten. All ihre Kälber, Yetu, Yoyo, Yogi, Cheka und Sita waren ebenfalls mit von der Partie – und dazu noch ein Neuzugang: Sidai hatte einen kleinen Bullen geboren, der erst wenige Tage alt war! Er wurde Silas genannt.

Die große Freude wurde aber schnell getrübt, als die Keeper sahen, dass Sidai eine deutliche Pfeilwunde an der rechten Seite hatte! Sie sahen alle erschöpft und dünn aus, als ob sie in kurzer Zeit ein langes Stück gelaufen waren. Niemand weiß, was wirklich vorgefallen war, aber vermutlich hatten Sidai und Chyulu beschlossen, in Ithumba Hilfe zu suchen, nachdem sie von dem Pfeil getroffen worden war. Yatta und ihre Herde mussten sie unterwegs getroffen haben, und als Yatta als erfahrene Leitkuh den Ernst der Lage erkannte, hatte sie den Rest ihrer Herde in den guten Händen ihrer Helferinnen gelassen, um Sidai und Chyulu zur Auswilderungsstation zu eskortieren.

Aller Wahrscheinlichkeit nach passierte dies alles am Tiva-Fluss, wo die einzige Stelle in der weiteren Umgebung von Ithumba (auch wenn es bis dorthin etliche Kilometer sind) ist, an der in dieser Zeit noch Wasser zu finden ist. Gerade für eine Kuh mit kleinen Kälbern ist es sehr wichtig, Wasser in der Nähe zu haben. Als Sidai von dem Pfeil getroffen wurde, sah sie sich wohl vor eine schwierige Entscheidung gestellt: sollte sie am Fluss bleiben, wo es genug Wasser gab, aber ihr die Wunde von dem vergifteten Pfeil womöglich lebensgefährlich werden könnte, oder den langen Weg durch ausgetrocknetes Land nach Ithumba wagen. Das Wohlergehen von Sita und ihres neuen kleinen Bullen Silas hing an ihrem Überleben, und so machte sie sich schließlich mit den beiden kleinen auf den gefährlichen Weg dorthin, wo sie einmal zuhause war.

Als Chef-Keeper Benjamin Sidais Wunde sah, alarmierte er unverzüglich seine Kollegen. Ein Pilot flog sofort nach Voi, um Dr. Poghon, der die dortige Tierarzteinheit leitet, zu holen. Um 9 Uhr war er bereits vor Ort in Ithumba, um Sidai zu behandeln.

Das erwies sich erstaunlicherweise als viel einfacher als gedacht. Die Ex-Waisen machten keinerlei Theater, als Dr. Poghon die Patientin betäubte und sich daran machte, die Pfeilspitze zu entfernen. Im Gegenteil, sie schauten ganz ruhig zu und verstanden voll und ganz, dass Sidai Hilfe brauchte, die sie jetzt bekam. Sie kümmerten sich vorbildlich um Silas und Sita und schirmten die beiden vom Geschehen ab – fast als ob sie ihnen den Anblick der Behandlung ihrer Mutter ersparen wollten! Mwende, die Tochter von Ex-Waise Mulika, kam ebenfalls dazu und übernahm das Babysitting; Mwende ist jetzt zehn Jahre alt – das allererste in der Wildnis geborene Kalb der Ex-Waisen in Ithumba – und war nie bei den Keepern der Auswilderungsstation in Pflege, doch sie verstand sehr gut, dass diese sich nach Kräften bemühten, Sidai zu helfen.

Der Pfeil war tatsächlich vergiftet, aber zum Glück war die Wunde noch nicht alt und das Gift konnte sich noch nicht weit im Körper ausbreiten. Dr. Poghon entfernte das Metall und behandelte die Wunde danach mit Antibiotika und entzündungshemmenden Medikamenten. Zum Schluss wurde noch eine Portion grüne Tonerde aufgetragen. Als Sidai wieder aufgeweckt worden war und sich aufgerappelt hatte, bekam sie von ihren Freunden ihre beiden Schätzchen zurück. Sie schien sich sehr zu freuen, sie wieder umrüsseln zu können, und zeigte keinerlei Anzeichen von Problemen nach der Behandlung.

Sidai und Chyulu blieben den Rest des Tages in Ithumba und ruhten sich dort erst einmal aus. Sie futterten gutes Luzernenheu, und ihre Babys bekamen ordentlich Milch. So erholten sie sich von den letzten Tagen, die zweifellos ziemlich stressig für sie gewesen waren. Nach wenigen Tagen waren sie schon wieder bereit für neue Abenteuer, wobei sie aber doch häufiger an der Auswilderungsstation vorbei schauten und sich dort satt fressen konnten. Es ist beruhigend zu wissen, dass auch so unabhängige Ex-Waisen wie Sidai immer zu den Keepern zurückkommen können, wenn sie Hilfe brauchen, und dies auch tun. Umso besser, wenn diese bei der Gelegenheit auch gleich noch ein neues Elefantenbaby begrüßen können – das 44. insgesamt bei den Ex-Waisen des Sheldrick Wildlife Trust und das 20. in Ithumba!