Unsere Freude war grenzenlos: der vermeintlich wilde Bulle, der sich gelegentlich im Camp von Mark Deeble und Vicky Stones am Unterlauf des derzeit Wasser führenden Voi-Flusses am frischen Duschwasser bediente, entpuppte sich als kein Geringerer als unser 26-jähriger Ex-Waise Ndume. Da die beiden vermuteten, dass der „wilde“ Besucher, der sich nicht ganz wie ein wilder Elefant benahm, einer der Ex-Waisen des David Sheldrick Wildlife Trusts sein könnte, wandten sie sich an Angela. Angela schickte zwei langjährige Keeper der Voi-Einheit los, um ihn zu identifizieren, wenn er das nächste Mal vorbeikommen würde. Chef-Keeper Joseph Sauni und Mishak Nzimbi machten sich am 4. Februar auf den Weg, um den „wilden“ Bullen unter die Lupe zu nehmen.
Als er die Stimmen seiner ehemaligen menschlichen Familie hörte, erstarrte Ndume für einen Moment, bevor er sich dem Fahrzeug mit den Keepern näherte und ihnen zur Begrüßung zukollerte. Es war tatsächlich Ndume, nun 26 Jahre alt, geboren im Januar 1989 im Imenti-Wald. Der Imenti-Wald ist ein heimischer Wald östlich von Mount Kenya zwischen den Ortschaften Embu und Meru. Ndume war erst drei Monate alt, als er zu uns kam. Er war bewusstlos gewesen, denn ein zorniger Stammesangehöriger war an der Herde vorbei gekommen, als die gerade den Wald am Mount Kenya betreten wollte, und hatte ihm hart auf den Kopf geschlagen. Die frühere Wanderroute der Elefanten war inzwischen von nicht allzu elefantenfreundlichen Bauern besiedelt worden, die ihre Ernte beschützen wollten.
Ndume war eines von drei Elefantenbabys gewesen, die mit der fliehenden Herde nicht hatten mithalten können. Eines wurde vor seinen Augen getötet und das andere nannten wir Malaika; sie stand unter Schock, nachdem sie mit Macheten angegriffen worden war. Beide konnten nur durch das rechtzeitige Eingreifen der Wildhüter des Kenya Wildlife Service gerettet werden. Als Ndume das Bewusstsein wiedererlangte, konnte er sich nicht erinnern, was passiert war und wie er seine geliebte Mutter und Familie verloren hatte. Als er im Waisenhaus angekommen war, zeriss es uns das Herz, seine wilde und verzweifelte Suche nach seiner Elefantenfamilie mitansehen zu müssen. Er rannte im Busch herum und schrie, bis er vor Erschöpfung aufgeben musste. Es dauerte viele Wochen, bis er sich seinem Schicksal ergeben hatte und viele Monate, bis seine Trauer abebbte und er endlich wieder zu spielen begann, wie es sich für ein Elefantenbaby gehört.
Aus Angst, dass ihnen dort etwas zustoßen könnte, brachten wir Ndume, Lewa und Imenti über 160 km weit weg in den Tsavo West Nationalpark, wo sie weit entfernt von allen gefährlichen Grenzen freigelassen wurden. Lewa war deutlich jünger und lebte sich schnell in die dort lebenden wilden Herden ein, doch Ndume machte auf dem Absatz kehrt und war einen Monat später wieder zurück in Voi und schloss sich Emily und seinen anderen Waisenfreunden, die in der Nähe der Stallungen lebten, wieder an. Dass er von einem ihm völlig unbekannten Ort über diese Entfernung wieder nach Hause gefunden hat, ist ein weiteres gutes Beispiel für die erstaunlichen Fähigkeiten der Elefanten, zumal er während der Fahrt betäubt gewesen war. Imenti war sichtlich unglücklich mit der Situation. Er war allein in Tasvo West zurückgeblieben und lungerte eine Weile an der Kilaguni Lodge herum, bevor wir entschieden, ihn die 160km nach Hause zurückzuführen. Imenti machte sich gemeinsam mit seinem geliebten Keeper Mishak auf diese ungewöhnliche Reise.
Nach einer Weile schlossen sich Ndume und seine Freunde Edo, Dika und Uaso den wildlebenden Tsavo-Bullen an. Zuvor aber kümmerten sie sich noch um Irima, der noch milchabhängig war und sich doch plötzlich beim Mittagsschlammbad einer wilden Herde angeschlossen hatte. Edo und Ndume brachten ihn zu den Keepern zurück.
Ndume hat sein auffälliges Äußeres bewahrt: einen großen Kopf, kurze Beine und perfekt symmetrische, geschwungene Stoßzähne. Er ist ein großartiger Bulle, der von wilden Freunden umgeben ist. Für Mishak, der Ndume und Malaika im Waisenhaus aufgezogen hatte und Joseph Sauni, der sie mit seinem Einfühlungsvermögen durch ihre Auswilderungszeit in Tsavo begleitet hatte, war dieses Wiedersehen ein unglaublich bewegender Moment. Malaika war leider vor einigen Jahren bei der Geburt ihres Kalbs gestorben.
Ndume 2015 – Copyright Mark Deeble und Vicky Stone
(übersetzt aus dem englischen Original)