Thuma Telegraph Mai 2023: „Unsere Wildhüter – der Schlüssel zu unserem Erfolg“

Von Lynn Clifford /Managerin der Wildlife Action Group (WAG) in Malawi
(Beitragsbild von Marcus Westberg)

Dieser Rundbrief ist Issac Katunga (Beitragsbild) gewidmet, der am 7. April 2023 auf tragische Weise im Dienst ums Leben kam. Wir nehmen dies zum Anlass, um einmal tiefgründiger auf die Arbeit unserer Wildhüter einzugehen: Was ihnen die Arbeit körperlich und mental abverlangt; die Opfer, die sie bringen; die Gefahren, denen sie sich stellen und die Herausforderungen, denen sie täglich an ihrem – oft gefährlichen – Arbeitsplatz gegenüberstehen. Sie schützen Afrikas bedrohte Wildtiere und ihre Lebensräume – ohne Zweifel einer der härtesten Jobs auf der Welt. Ohne den Mut und die Hingabe von Männern wie Issac wäre die Arbeit der Wildlife Action Group (WAG) unmöglich.

Elefanten in Thuma (mit Thomas Töpfer, dem REA-Vorsitzenden)

 

ISSAC KATUNGA

Am 7. April 2023 erreichte mich ein Anruf, der mich bis aufs Mark erschütterte. Eines unserer Wildhüter-Teams ist auf Streifgang auf eine Herde von Elefantenkühen getroffen. Die Begegnung war völlig unvermittelt, da das Gras derzeit über zwei Meter hoch wächst. Sowohl die Wildhüter als auch die Elefanten erschraken und blieben wie angewurzelt stehen, bis eine der Kühe die Nerven verlor und angriff. Issac konnte sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen und wurde von der Kuh getötet.

Issac Katunga

Issac kam 2014 zur Wildlife Action Group und wurde als ältester von fünf Kindern im Bezirk Dedza geboren, also an der nordwestlichen Seite des Dedza-Salima Waldreservats. Dieses Gebiet war immer ein Brennpunkt der Elefantenwilderei und Entwaldung. Die umliegenden Dorfgemeinschaften waren komplett abhängig vom Wald für ihre täglichen (aber illegalen) Bedürfnisse und immer bereit, diese zu verteidigen. Issac war der erste Wildhüter aus dieser Region, und wir hatten große Hoffnung, dass er uns hilft, die Wilderei dort zu bekämpfen, da er sowohl die Region als auch die Leute dort kannte.

Issac war zwar von kleiner Statur, aber eine große Persönlichkeit. Er war ein leidenschaftlicher Naturschützer, liebte seine Arbeit und war unermüdlich – ein fantastischer Wildhüter und ein wunderbarer Mensch. Er schloss schnell Freundschaften, löste zwischenmenschliche Konflikte und half, die Beziehung zwischen der WAG und den Dorfgemeinschaften aufzubauen und zu pflegen. Wir werden ihn furchtbar vermissen.

Zwischen 2014 und 2019 gelang es Issac, die Dorfvorsteher (Chiefs) in Dedza zu überzeugen, in den Dialog mit der WAG zu treten. Wir begannen mit Sensibilisierungsprogrammen und Streifgängen, die alle mithilfe der Dorfvorsteher geplant und durchgeführt wurden. Es gab viele Verhaftungen, und die Massenwilderei konnte bedeutend reduziert werden. Issac war der Kopf hinter allen strategischen Entscheidungen, und er war eine Schlüsselfigur, die dazu beitrug, dass sich das Waldgebiet in seiner Heimat wieder so gut erholen konnte.

Armeestiefel, eines der wichtigsten „Werkzeuge“ eines WAG-Rangers

2021 verlangten die Dorfgemeinschaften, dass wir einen Elektrozaun errichten sollten – ein großer Durchbruch –, und nur ein Jahr später bauten wir diesen über eine Länge von 26 Kilometern entlang der Traditional Authority (eine Art Landkreis) Tambala. Der Zaun wurde in Zusammenarbeit mit den Dorfgemeinschaften gebaut und trug daher auch zu deren Einkommen bei. Außerdem sind nun Ernte und Leben vor Elefanten und anderen Wildtieren geschützt, während auch die Wildtiere vor Wilderern in Sicherheit sind.

Issac hinterlässt seine Frau Anna, ihre drei Kinder und zwei junge Waisenkinder, die er in seiner Familie aufgenommen hatte. Sein Tod bedeutet eine große Lücke in unseren Herzen und auf der Arbeit, und wir werden ihn nie vergessen. Sein Vermächtnis, der Schutz des Waldes, wird weitergetragen, und wir werden seiner immer gedenken.


DIE WILDHÜTER

Afrikas natürliche Lebensräume schwinden immer schneller. In den meisten Fällen werden sie einzig und allein durch Wildhüter geschützt. Die Zukunft der Artenvielfalt in ihren Heimatländern (und auf unserem Planeten) liegt in ihren Händen. „Wildhüter ist ist eine von mehreren Berufsbezeichnungen für Personen, zu deren Kernaufgabenbereich der Schutz des Wildes und seines Lebensraums zählt. Das Aufgabenspektrum dieses Berufs hat sich im Lauf der Geschichte jeweils den örtlichen Erfordernissen angepasst und überschneidet sich oft mit dem eines Berufsjägers oder Rangers.“

Die Aufgabengebiete reichen von Streifgängen über Strafverfolgung bis hin zur Arbeit in und mit den Dorfgemeinschaften. Die Wildhüter der WAG patrouillieren im Durchschnitt elf Kilometer pro Tag – das sind mehr als 3500 Kilometer im Jahr. In den Abbildungen unten sieht man den Anstieg an jährlichen Streifgängen in beiden Waldreservaten sowie den Abwärtstrend illegaler Aktivitäten und den Anstieg der Elefantenpopulation.

Streifgänge pro Jahr von 2011-2022 (blau für Thuma und orange für Dedza-Salima Waldreservat)
Illegale Aktivitäten (u.a. Wilderei) zwischen 2011-2022: Bambusschneiden ohne Genehmigung (dunkelblau), Holzkohle (orange), Abholzung (grau), Jagen (hellblau), Drahtschlingfallen (grün), anderes (gelb)
Die geschätzte Elefantenpopulation in den Waldreservaten Thuma (gelb) und Dedza-Salima (grün) zwischen 2013-2022. Schätzungen finden regelmäßig im Rahmen von Tierzählungen bei genau definierten Felduntersuchungen statt

„Wildhüter spielen eine integrale Rolle für den Erhalt von Schutzgebieten; als ‘Wächter der Artenvielfalt’ sind sie verantwortlich dafür, die Natur, ihr kulturelles und historisches Erbe als auch die Rechte und das Wohlergehen der heutigen und künftigen Generationen zu schützen“ (TUSK 2023). Dabei wird die Arbeit der meisten Wildhüter in der Öffentlichkeit nicht genug anerkannt, nicht gebührend wertgeschätzt, und fast immer sind die Männer schlecht ausgestattet.

Die WAG-Wildhüter Issac, Austin, Matthews und Richard

Unsere Wildhüter sind „die Stiefel im Feld“, die erste und letzte Linie der Verteidigung. Sie schützen beide Waldreservate und die Wildtiere, die darin leben. In vielen Fällen schützen sie auch die Dorfgemeinschaften und deren Felder. Sie machen täglich lange und kurze Streifgänge, die immens wichtig sind für die Strafverfolgung im Naturschutz.

Die Wildhüter leben 25 Tage im Monat innerhalb der Waldreservate, in Camps an strategischen Punkten und weit weg von ihren Familien und Freunden. Die Lebensbedingungen sind harsch, unbequem und oft auch gefährlich. Ihre Hauptaufgaben bestehen darin, Patrouille zu gehen, Tiere zu beobachten oder zu zählen, der Wilderei vorzubeugen oder durch Verhaftung einzudämmen, bei Konflikten zwischen Wildtieren und Menschen einzugreifen, mit den lokalen Dorfgemeinschaften zu kooperieren, beim Feuermanagement und im Tourismus mitzuarbeiten. Sie spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei Tierschutz und -gesundheit, Forschung, Artenschutz und Umweltbildung in einheimischen Schulen.

Unsere Wildhüter sind das wichtigste Rädchen in unserem Artenschutz-Apparat, der Schlüssel zu unserem Erfolg. Außerdem sind sie körperlich und mental so fit wie wahrscheinlich nur wenige Menschen, auf die man normalerweise trifft.

Blankpoliert und wohl gehütet: Armeestiefel und deutsche Uniformen


WILDLIFE ACTION GROUP BARRET-TRAININGSKADER

Im Jahr 2023 begann die  WAG die hauseigene Ausbildung von Wildhütern durch einen speziellen Trainingskader. Ein Kader ist eine Gruppe ausgewählter Wildhüter, die dafür verantwortlich sind, das restliche Team auszubilden und das gelernte Wissen aufzufrischen. Alle Aktivitäten sind auf die Hauptziele der Arbeit der WAG ausgerichtet.

Das Training gliedert sich in drei Teile: Wir bilden die ausgewählten Wildhüter zu Trainern aus, bereiten einen Trainingslehrplan vor, und danach werden die anderen Wildhüter ausgebildet — entweder in einem Intensivkurs für Einsteiger oder einem Auffrischungskurs für Fortgeschrittene. Die als Trainer ausgewählten Wildhüter haben bereits drei Auffrischungskurse hinter sich, haben ein Ranger-Rekrutentraining abgeschlossen und bilden derzeit neue WAG-Wildhüter aus.

Rekrutentraining 2023 (Ausbilder in Rot)
Rekrutentraining 2023 (Ausbilder in Rot)


WILDLIFE RANGER CHALLENGE 2023

Am 16. September 2023 wird unser Team zum vierten Mal an der Wildlife Ranger Challenge teilnehmen. Der internationale Wettkampf feiert die Solidarität mit der Berufsgruppe der Wildhüter sowie deren Unterstützung und dient der Spendenmobilisierung. Mehr als 100 Wildhüter-Teams vom afrikanischen Kontinent nehmen an dem koordinierten Halbmarathon (21 Kilometer) in ihren Schutzgebieten statt. Das Event ist eine unserer wichtigsten Spendenaktivitäten, und alle Einnahmen gehen direkt in die Finanzierung unserer Wildhüter. Wir bitten alle Leser*innen, mitzumachen und andere zum Mitmachen zu motivieren.

Wenn Sie die WAG unterstützen möchten, dann nutzen Sie bitte diesen Link: https://wildlife.rangerchallenge.org/campaigns/wildlife-action-group-malawi-2023

Lesen Sie hier über die Wettkämpfe in 2020, 2021 und 2022.

Seklirani und Matthews (vorn) kämpften in der Wildlife Ranger Challenge 2022 und werden  auch dieses Jahr wieder mit dabei sein

Eine im Jahr 2019 veröffentlichte Studie des World Wide Fund For Nature (WWF) zeigt auf, dass 88,6 % der Wildhüter in Afrika schon einmal in einer lebensbedrohlichen Situation waren, dass 4 % der an der Umfrage teilnehmenden Wildhüter keine Krankenversicherung, 50 % keine Lebensversicherung und 60 % keine Berufsunfähigkeitsversicherung hatten. Außerdem berichtet die Studie:

  • Der durchschnittliche Wildhüter arbeitet wöchentlich fast 90 Stunden.
  • Fast die Hälfte der Wildhüter musste ihre eigenen Stiefel und Zelte kaufen.
  • Über 40 % der Wildhüter haben bei Nachtpatrouillen keine Zelte.
  • Fast 70 % der Wildhüter hatten in den vergangenen zwölf Monaten Malaria.
  • Über 40 % der Wildhüter wurden mindestens einmal von Dorfgemeinschaften bedroht und fast 14 % schon einmal körperlich angegriffen.

Es gibt ca. 8500 Schutzgebiete auf dem afrikanischen Kontinent, die sich über vier Millionen Quadratkilometer erstrecken. Das entspricht etwa 14 % der Landmasse Afrikas. Es wird geschätzt, dass etwa 59.000 Wildhüter in diesen Schutzgebieten arbeiten, was bedeutet: Auf ca. 70 Quadratkilometer Schutzgebiet kommt ein Wildhüter.

Die WAG schützt über 500 Quadratkilometer Waldreservat in Malawi, die wichtige Wasserspeicher und Heimat vieler Tier- und Pflanzenarten sind. Unser Hauptanliegen ist es, die ökologische Funktion der Waldreservate Thuma und Dedza-Salima zu schützen und damit die heimische Flora und Fauna in ihrer Vielfalt zu erhalten. Dies wiederum dient auch dem Erhalt des kulturellen Erbes und dem wirtschaftlichen Nutzen der Menschen in Malawi. Unsere Wildhüter arbeiten hingebungsvoll für den Schutz, Erhalt und Wiederaufbau der beiden Waldreservate in Malawi, den Erhalt der heimischen Population Afrikanischer Elefanten und anderer Wildtierarten als auch den Schutz dieser wichtigen Wasserspeicher.

Wir arbeiten gemeinsam mit der Regierung, mit Partnern in Malawi und mit den Dorfgemeinschaften, um die Reservate zu unterstützen durch Bildung, Sensibilisierung, Strafverfolgung (malawisches Gesetz) und der Etablierung von Einkommensmöglichkeiten, die nicht vom Wald abhängig sind. Im September 2022 unterzeichneten die malawische Regierung und die WAG eine Artenschutz-Lizenzvereinbarung, die vorerst für 20 Jahre gültig ist. Ihre Umsetzung hängt fast komplett von unseren Wildhütern ab.

Unsere Geldgeber und strategischen Partner waren immer ein wichtiger Schlüssel zu unserem Erfolg. Wir danken Ihnen allen für Ihr Vertrauen und Ihre Unterstützung.

Herzliche Grüße von Lynn Clifford und den Wildhütern der WAG aus Malawi

Unterstützen Sie uns weiter. Spenden bitte

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Amboseli News: Februar und März 2023

Giff, ein junger Bulle aus der GB-Familie

Februar und März waren dieses Jahr in Amboseli sehr heiße und trockene Monate. Nachdem die Regenzeit Ende 2022 nur sehr dürftig ausgefallen war, begann bereits im Februar eine neue Dürreperiode.

Dabei wurden erst jetzt die Verluste der Dürre 2022 bekannt. Die Zahl der Todesopfer war mit 150 Elefanten zwar nicht so hoch wie 2009, als ca. 400 Elefanten gestorben waren, doch jeder tote Elefant ist einer zuviel und ein schmerzhafter Verlust – gerade auch für das Team des Amboseli Trust for Elephants (ATE), das  jedes Tier der Amboseli-Population kennt und liebt.

Außerdem waren viele weitere Wildtiere der Dürre zum Opfer gefallen, vor allem Gnus und Zebras. Im Unterschied zu den Elefanten können diese Arten die Sümpfe nur schlecht als Nahrungsquelle nutzen, daher waren ihre Verluste noch höher.

 

Die Dürre forderte viele Opfer wie diese Gnus
Die Dürre forderte viele Opfer wie diese Gnus

 

Noch härter hatte es das Vieh der Menschen in der Nachbarschaft des Parks getroffen. Einige Viehzüchter haben 50 Prozent ihrer Tiere verloren. Und noch schlimmer waren die Kleinbauern betroffen, die rund um das Amboseli-Ökosystem Ackerbau betreiben. Sie erlebten völlige Ernteausfälle, und viele von ihnen hatten schlicht nicht genug Einkommen mehr, um sich und ihre Familien zu ernähren.

Da der Amboseli-Nationalpark einer der kleinsten Kenias ist, sind die Elefanten und anderen Wildtiere darauf angewiesen, auch Weidegründe außerhalb der Parkgrenzen zu nutzen. Die dort lebende Bevölkerung, die zum Großteil aus Massai besteht, hat dies über viele Generationen hinweg toleriert und sogar dafür gesorgt, dass das Amboseli-Gebiet weitgehend von Wilderern verschont blieb. Doch extreme Situationen wie Dürren erschweren das friedliche Zusammenleben naturgemäß schwer, da es für beide Seiten oft um die letzten Ressourcen und das nackte Überleben geht. Es ist daher dringend notwendig, Wege zu finden, um beiden Seiten zu helfen und das ursprüngliche, friedliche Miteinander wiederherzustellen.

 

Ilesha von der IAIC-Familie
Ilesha von der IAIC-Familie – auch sie kann nur in einem gesunden Ökosystem überleben

 

Zu diesem Zweck unterstützt der ATE verschiedene Projekte, beispielsweise die Versorgung von Familien und Schulen mit Lebensmitteln. Schüler erhalten eine Mahlzeit am Tag. So können sie weiter die Schule besuchen, und ihre Familien werden finanziell entlastet.

Die ganze Zeit war es unentwegt sehr trocken, windig und heiß. Überall im Park waren Staubteufel am Horizont zu sehen, und das Team des ATE sehnte sich jeden Tag mehr nach Regen. Für sie war es vor allem psychisch eine sehr anstrengende Zeit, da sie sahen, wie Menschen und Tiere erneut um ihr Überleben zu kämpfen begannen.

Wie üblich versammelten sich viele Tiere, vor allem Elefanten, bei den Sümpfen im Herzen des Parks, um hier die härteste Zeit zu überstehen.

Und dann, Ende März, kam endlich die langersehnte Erlösung: Der Regen kehrte zurück! Zuerst regnete es vor allem außerhalb des Parks, während innerhalb nur geringe Niederschläge fielen. Doch am 29. März gab es schließlich in der Nacht ein gewaltiges Gewitter mit Donner, Blitz und starkem Wind. Der Regenmesser im Camp zeigte 39 mm an, was von allen im Camp begeistert gefeiert wurde! Erleichterung und Freude sind nur schwer zu beschreiben, wenn eine Dürre durch einen solchen Regen beendet wird! Im Camp gab es Schlamm und Pfützen, was sich wie ein Novum anfühlte! Hilflos zusehen zu müssen, wie die Tiere unter der Dürre litten, hatte einen enormen psychischen Druck verursacht. Doch nun spürten alle, wie sich ihre Stimmung wieder aufhellte! Sie wussten, dass sich die Vegetation bei guten Regenfällen schnell erholen und damit auch das Leid der Tiere bald ein Ende haben würde.

 

Grünes Gras und ein schneebedeckter Kilimanjaro nach Beginn der Regenzeit
Grünes Gras und ein schneebedeckter Kilimanjaro nach Beginn der Regenzeit

 

Bemerkenswert war es, wie schnell die Wildtiere auf die Wetterveränderung reagierten. Fast über Nacht verließen vor allem die Zebras und Gnus den Park, um sich außerhalb von der frischen, neuen Vegetation zu ernähren. Die Elefanten blieben zwar weiterhin im Park, aber nicht mehr in der gleichen Anzahl wie zuvor. Auf Cynthia Moss und ihr Team wirkte die Veränderung dramatisch.

Wir gehen stark davon aus, dass es im April und Mai noch mehr Regen geben und sich die Natur dadurch schnell und deutlich erholen wird. Die meisten Tiere – einschließlich der Elefanten – werden sich in dieser Zeit außerhalb des Parks aufhalten und erst mit Beginn der nächsten Trockenzeit zurückkehren. Endlich ist die Zeit der Entbehrung vorbei!

 

Elefanten genießen ein Schlammbad
Elefanten genießen ein Schlammbad

 

Die Elefanten hatten die Monate der Dürre unterschiedlich gut bewältigt, was stark von den Strategien abhing, denen sie dabei folgten.

Die AA-Familie war dem für Elefanten üblichen Verhalten während Zeiten des Mangels gefolgt: Sie hatte sich in kleinere Gruppen aufgeteilt und blieb in der Nähe von Futter- und Wasserquellen. Manchmal zogen sich Familienmitglieder vom Rest der Gruppe zurück und verschwanden für mehrere Tage, bevor sie sich der Familie wieder anschlossen. Unter normalen Bedingungen würden Elefanten so etwas nicht tun, aber während Krisenzeiten hatten Cynthia Moss und ihr Team dies schon oft beobachtet.

Besonders auffällig und besorgniserregend war allerdings, dass man die Matriarchin Astrid Anfang Dezember das letzte Mal gesehen hatte. So eine lange Trennung ist für eine Leitkuh selbst während einer Dürre sehr ungewöhnlich. Bei Astrid wirkte es noch auffälliger, da sie und ihre Tochter Annan sonst fast unzertrennlich waren. Daher hielt das ATE-Team verstärkt Ausschau nach ihr und bat auch einige andere, befreundete, NGOs nach ihr zu suchen. Im Februar erfuhren sie dann von einem mehrere Wochen alten Kadaver, der innerhalb des Parks entdeckt worden war. Als sie dorthin fuhren, um zu überprüfen, wer der Elefant sein könnte, mussten sie leider feststellen, dass es sich tatsächlich um Astrid handelte.

 

Ein Bild aus glücklichen Tagen: Astrid (links) und ihre Tochter Annan (rechts)
Ein Bild aus glücklichen Tagen: Astrid (links) und ihre Tochter Annan (rechts)

 

Der Verlust einer Matriarchin ist für Elefantenfamilien immer äußerst schwer zu verkraften, und Astrid hatte nach dem Tod ihrer Vorgängerin und Mutter Alison besonders hart daran gearbeitet, die AA-Familie zusammenzuhalten. Sie war eine besonders sanfte und freundliche Elefantenkuh gewesen. Ihr Verlust schmerzte sehr.

Astrid wurde 1979 als Tochter Alisons geboren. Leider hatte sie in ihrem Leben nicht viel Glück mit ihren Kälbern gehabt. Von allen erreichte nur Annan das Erwachsenenalter und hat bis heute überlebt. Zwischen Astrid und Annan bestand eine sehr enge Bindung, und sie waren fast immer zusammen. Annan wird diesen Verlust daher sehr zu spüren bekommen, zumal sie auch um den Verlust ihres eigenen Kalbes trauert. Bis jetzt hat sie viel Zeit mit dem Rest der Familie verbracht und wurde oft zusammen mit ihrer Tante Artemi und deren Kälbern gesehen. Sie sah relativ mitgenommen und dünn aus, und die Spitze ihres vorher schön geschwungenen rechten Stoßzahns war abgebrochen. Wir können nur hoffen, dass sie sich allmählich wieder erholen wird.

 

Annan folgt ihrer Familie
Annan folgt ihrer Familie

 

Derzeit sind Anghared (geboren 1981) und Angelina (geboren 1985) die ältesten noch verbliebenen Kühe der AAs. Der Tod einer Matriarchin kann weitreichende und dauerhafte Veränderungen in einer Elefantenfamilie zur Folge haben, da es weitgehend davon abhängt, welche Kuh die Nachfolge antritt und wie deren Beziehungen zu den übrigen älteren Weibchen in der Familie sind. Es ist aber derzeit noch zu früh, um zu sagen, wie es weitergehen wird, denn zunächst waren die AAs wie die meisten Familien wegen der Dürre ohnehin in viele kleine Gruppen aufgeteilt. Erst im Verlauf der Regenzeit wird man vielleicht erkennen, wie die AAs sich entscheiden werden. Doch manchmal braucht es dafür sogar Jahre.

Im Moment halten sich die AAs zumindest im selben Gebiet auf und bleiben selbst bei Trennungen immer in Rufweite zueinander.

 

Ann und ihr neues Kalb
Familienzuwachs bei den AAs: Ann und ihr neues Kalb

 

Wesentlich erfreulichere Nachrichten gibt es von den EBs. Auch sie hatten sich in mehrere kleinere Gruppen aufgeteilt. Während Eliot und Edwina sich in derselben Gegend aufhielten, zog sich Enid mit Elise und Echeri in einen anderen Teil des Parks zurück, einem relativ kleinen Gebiet mit einem Radius von drei bis vier Kilometern. Hier hatten sie einen Ort mit Wasser, Nahrung und einem schönen Wald zum Schlafen und Ausruhen gefunden.

Enid war kurz vor der Dürre durch eine Speer-Attacke verletzt worden war und musste dann zusätzlich noch mit den Entbehrungen der Dürre und der Trauer um den Verlust ihres jüngsten Kalbes fertig werden. Das hatte sie physisch und psychisch enorm belastet und wir machten uns große Sorgen um sie. Jetzt sah sie endlich wieder besser aus und schien sich wirklich zu erholen. Wir freuen uns sehr über diese Entwicklung! Und auch darüber, dass ihr männliches Kalb Emfatico bei ihr ist und in Anbetracht der überstandenen Dürre ebenfalls gut aussieht. Auch ihre Tochter Elise und ihre Freundin Echeri blieben treu an der Seite Enids. Dies war für sie sicher eine große psychische Unterstützung und wird ihr sehr geholfen haben, ihre Probleme zu bewältigen.

 

Enid, die Matriarchin der EBs
Enid, die Matriarchin der EB-Familie

 

Auch viele andere Familien scheinen die Dürre relativ gut überstanden zu haben. Darunter die OAs und die FBs. Letztere hielten sich oft zusammen mit vielen anderen Tieren in einem riesigen Sumpf auf und befanden sich dabei manchmal in Gesellschaft der EBs.

Im Unterschied zu anderen Familien hatten sich die GBs nur wenig in kleinere Gruppen aufgeteilt. Goldas Gruppe wurde oft zusammen gesehen und folgte jeden Tag derselben Routine. Gails Gruppe hielt sich in derselben Gegend auf wie Goldas Gruppe und manchmal waren sogar alle zusammen. Sie verbrachten viel Zeit in den Sümpfen, wo sie immer Wasser und Nahrung fanden. Die Sumpfvegetation ist gut, allerdings brauchen Elefanten langfristig Abwechslung in ihrer Ernährung, um gesund zu bleiben.  Insgesamt sahen die GBs sahen gut aus und ihre Strategie hatte sich eindeutig als erfolgreich erwiesen. Nach dem Einsetzen der Regenzeit freuten sie sich nun aber sichtlich über die frische, neue Vegetation.

 

Mitglieder der GB-Familie genießen das frische, grüne Gras
Mitglieder der GB-Familie genießen das frische, grüne Gras

 

Von den PCs waren sowohl die Gruppe von Petula als auch die von Placida in den letzten paar Monaten im Nationalpark anzutreffen. Placidas Gruppe wurde im Februar und März viermal und Petulas Gruppe sogar sechsmal gesehen. Auch sie hatten es geschafft in relativ guter Verfassung zu bleiben und sollten nun, wo es mehr frische und abwechslungsreichere Nahrung gibt, wieder an Gewicht zulegen. Sogar die neuen Kälbern in Placidas Gruppe machten einen guten Eindruck. Paris, Patience und Pauleta aus Placidas Gruppe sowie Pink und Piedad aus Petulas Grupe haben es geschafft, ihre jungen, milchabhängigen Kälber am Leben zu erhalten, die mit weniger als zwei Jahren zu den am meisten gefährdeten Altersgruppen gehörten. Nur Placida selbst sah etwas dünn aus und Petula hatte leider ihr 2020 geborenes weibliches Kalb verloren.

Wenn man die allgemeinen Verhältnissen in Amboseli betrachtet ist es erstaunlich wie gut die PCs insgesamt im Unterschied zu anderen die Dürre überstanden haben.

Auch viele Bullen waren im Park anzutreffen, darunter die drei Freunde Francois, Giff und Palmer. Francois ist der 18 Jahre alte Sohn Faridas  und ein Enkel Fannys. Giff ist der 1996 geborene Sohn von Geraldine. Er sieht sehr gut aus und ist ziemlich groß für sein Alter, typisch für GB-Bullen, die zu einem kräftigen Körperbau neigen. Palmer ist jetzt 29 Jahre alt, was bedeutet, dass er sich dem besten Alter eines Elefantenbullen nähert. Ab diesem Zeitpunkt kommen sie in die Musth, und haben dadurch vorrangig Zugang zu paarungsbereiten Kühen. Palmer ist ein sehr sanfter und ruhiger Elefant, der sehr lange gebraucht hat, um von seiner Familie unabhängig zu werden, weshalb man ihn oft als „Muttersöhnchen“ bezeichnete. Normalerweise verlassen Bullen ihre Familie im Alter von 12 bis 14 Jahren, aber Palmer blieb bis er 19 war. Palmers Mutter Peggy starb während der Dürre 2009, aber seine Schwester Patience lebt noch. Seit er seine Familie verlassen hat, ist Palmer enorm gewachsen und entwickelte sich zu einem der größeren Bullen in der Amboseli-Population.

 

Giff, ein junger Bulle aus der GB-Familie
Giff, ein junger Bulle aus der GB-Familie

 

Junge Bullen folgen älteren, um Überlebenstaktiken und das Paarungsverhalten zu lernen. Mit Palmer haben sich Francois und Giff einen sehr freundlichen Bullen als Lehrer ausgesucht.

Nach all den harten Zeiten können sich die Elefanten und anderen Wildtiere nun endlich wieder über bessere Bedingungen freuen und von den überstandenen Entbehrungen erholen. Wir hoffen sehr, dass sich die guten Verhältnisse nun bis zum Jahresende fortsetzen werden. Dann ist aufgrund des El Nino-Phänomens sogar eine sehr ergiebige Regenzeit zu erwarten.

Tropensturm in Malawi: Entwarnung für REAeV-Projekt

Ein Schock traf viele Elefantenfreund*innen, als die ersten Nachrichten vom Zyklon „Freddy“ eintrafen. In kurzem Abstand wütete der Tropensturm zweimal in Malawi. Dort, im Südosten Afrikas, unterstützt REAeV seit 2006 die Arbeit der Wildlife Action Group (WAG) mit der Finanzierung von Scouts, die von mehreren Camps aus mit ihren Anti-Wilderer-Patrouillen erfolgreichen Elefanten-Schutz betreiben.

Unser Vereinsmitglied Kristina Rösel, die uns aus Nairobi erreichte, konnte jedoch Entwarnung geben:

„Der Zyklon hat „nur“ das südliche Malawi erwischt, die Region in und südlich von Blantyre. Das Gebiet um Thuma und Dedza-Salima Forest Reserve, wo wir die WAG unterstützen, blieb vom Zyklon verschont.

Es gibt etwa 500 menschliche Opfer, aber die Dunkelziffer ist hoch. Und an Informationen über die Situation der Wildtiere ist hier nicht einmal zu denken.“

 

Aus Malawi hat sich auch Lynn Clifford gemeldet, die Managerin der WAG. Sie gibt außerdem zu bedenken:

“Viele Menschen, die schon unter normalen Umständen ums Überleben kämpfen, haben jetzt alles verloren.  Diese Umwelt-Katastrophe beweist einmal mehr, wie wichtig unsere Arbeit hier ist – neben dem Schutz der Elefanten. Die Wälder sind ein natürliches Bollwerk gegen Überflutungen, Bodenerosion und Klimawandel und dadurch auch lebenswichtig für die Gesundheit und Sicherheit der Menschen in aller Zukunft.“

 

 

Amboseli News: Dezember 2022 und Januar 2023

Angelina und ihre Kälber

Im Dezember und Januar war die schreckliche Dürre des letzten Jahres endlich zu Ende und wurde durch die lang ersehnte Regenzeit abgelöst. Die Vegetation begann sich zu erholen und mit ihr auch die Elefanten und viele andere Tiere.

Allerdings hielten sich die Niederschlagsmengen doch in Grenzen, und zudem waren sie in unterschiedlichem Ausmaß über das Gebiet verteilt. Außerhalb des Parks hatte es teilweise mehr Regen gegeben, und so wanderten im Dezember zahlreiche Tiere dorthin. Im Januar kehrten aber viele von ihnen, vor allem Gnus, bereits wieder zurück – wesentlich früher als sonst, denn normalerweise bleiben sie zwei bis drei Monate in den außerhalb liegenden Weidegründen. Vermutlich waren also auch dort die Bedingungen nicht besonders gut gewesen, und dies könnte zudem zu verstärkter Konkurrenz mit dem Vieh der lokalen Bevölkerung geführt haben. Die Elefanten waren von diesem Problem weniger betroffen, da sie nicht ausschließlich auf Gras angewiesen sind, sondern auch andere Pflanzen als Nahrung nutzen. Doch leider lässt die frühe Rückkehr der Gnus befürchten, dass sich Amboseli insgesamt nur notdürftig von der Dürre erholt hat und bis zum Beginn der nächsten Regenzeit, die man im April erwarten darf, erneut harte Zeiten auf die Wildtiere zukommen. „Amboseli News: Dezember 2022 und Januar 2023“ weiterlesen

ATE News: Oktober und November 2022

Elefantenkuh mit zwei Kälbern aus der OB-Familie

Im Oktober und Anfang November erreichte die Dürre in Amboseli ihren brutalen Höhepunkt. Erst in der zweiten November-Hälfte setzten dann endlich die langersehnten Regenfälle ein, und die schlimmste Not nahm ein Ende.

 

Elefantenkuh wacht über schlafendem Kalb
Elefantenkuh wacht über schlafendem Kalb

 

Für die Elefanten und meisten anderen Wildtiere, aber auch für die Menschen und ihr Vieh war die monatelange Dürre eine Katastrophe. Schätzungsweise 5 % der Elefanten, 3 % der Giraffen, 12 % der Zebras, 15 % der Gnus und zwischen 20 % und 30 % des Viehs starben aufgrund der Trockenheit.

Für Cynthia Moss und ihr Team vom Amboseli Trust for Elephants (ATE) war das Leid, mit dem sie tagtäglich konfrontiert wurden, schwer zu ertragen. Sie nahmen es sogar deutlicher wahr als die meisten anderen Menschen vor Ort. Viele realisieren den Tod eines Tieres nur, wenn sie Augenzeugen waren oder zumindest seine Überreste finden, was beides eher selten der Fall ist. Das ATE-Team aber kennt jede Elefanten-Familie in Amboseli persönlich und weiß, aus wie vielen Mitgliedern – erwachsenen Kühen und Kälbern beiderlei Geschlechts – sie bestehen. Erwachsene können sich für einige Zeit von einer Familie trennen – Kälber nicht. Wenn die Forschungsteams des ATE Elefantenfamilien begegnen, kontrollieren sie stets, ob alle Mitglieder dabei sind. Und so mussten sie während der Dürre immer wieder feststellen, dass Kälber fehlten, was nur bedeuten konnte, dass sie wohl auch zu Opfern der Dürre geworden waren. Tatsächlich betraf die Sterblichkeit bei den Elefanten vor allem jüngere Kälber, deren Mütter nicht mehr genug Milch produzieren konnten, sowie ältere Kühe.

 

Elefantenbulle am Rand des Sumpfes vor vertrockneter Ebene
Elefantenbulle am Rand eines Sumpfes vor vertrockneter Ebene

 

Der Beginn der Regenzeit brachte Amboseli etwa 29 mm Niederschlag – eine durchschnittliche Menge für die „nassen“ Monate in diesem Gebiet. Außerhalb des Parks fiel teilweise allerdings etwas mehr Regen, und daher wanderten zahlreiche Tiere dorthin, auch viele Elefanten wie die FB- und PA-Familien. Mehrere Elefantenfamilien blieben auch im Park zurück. Dort fanden sie vielleicht nicht so gute Nahrungsbedingungen wie außerhalb, doch sparten sie viel Energie, indem sie weite Wanderungen vermieden. Jede Familie und jede Matriarchin verfolgt ihre eigenen Strategien, und das ist gut, denn auf diese Weise können die vorhandenen Ressourcen optimal genutzt werden.

Die AAs haben, wie erwartet,  ihr vertrautes Gebiet im Zentrum des Parks nicht verlassen. Leider hatten sie nach den Verlusten der vorangegangenen Monate noch weitere Mitglieder verloren: Annans zweijähriges männliches Kalb, das alle liebten, da es sehr selbstbewusst und lebhaft war, sowie Anns erst Anfang des Jahres geborenes weibliches Kalb. Diese Verluste verursachten in der Familie aber auch beim ATE-Team große Trauer.

 

Annan und ihr Kalb - als es noch lebte
Bild aus besseren Zeiten: Annan und ihr Kalb

 

Wenigstens gibt es auch eine gute Nachricht: Angelina hat es geschafft, dass ihr weibliches Zwillingskalb überlebte. Dies ist eine enorme Leistung, wenn man bedenkt, wie benachteiligt das Kalb von Geburt an war. Zwillinge haben bei Elefanten kaum Überlebenschancen, da sie die Milch teilen müssen. Angelinas männliches Zwillingskalb war daher leider Ende 2021 gestorben. Nun musste seine Schwester zwar die Milch nicht mehr teilen, doch war sie in ihrer körperlichen Entwicklung im Vergleich zu gleichaltrigen Kälbern etwas zurückgeblieben. Dass sie die Dürre trotzdem überlebt hat, ist wirklich eine außergewöhnliche Leistung Angelinas.

 

Angelina und ihr weibliches Zwillingskalb
Angelina und ihr weibliches Zwillingskalb

 

Angelinas Kalb beim Trinken
Angelinas Kalb beim Trinken

 

Auch die EBs blieben innerhalb des Parks. Sie teilten sich während der letzten zwei Monate in viele kleinere Gruppen auf. Leider waren auch sie noch von weiteren Verlusten betroffen: Europa, Eliot und Entito haben ihre jüngsten, etwa zwei Jahre alten Kälber verloren.

Eliot wurde aber zusammen mit ihrer erwachsenen Tochter Entito, ihrer elf Jahre alten Tochter Ektarina und ihrem sieben Jahre alten Sohn Eumense gesehen. Wenigstens die älteren Kälber scheinen die Dürre alle überlebt zu haben.

Ebony begann damit, mehr Zeit beim ATE-Camp zu verbringen. Das Team freute sich sehr festzustellen, dass ihr jüngstes männliches Kalb überlebt hatte und ständig bei seiner Mutter war. Eliot und Entito hielten sich immer in Ebonys Nähe auf und deren siebenjähriger Sohn Eurypon freundete sich mit den beiden an. Ebony begann schließlich damit, sich mit dem Camp näher vertraut zu machen,  bewegte sich tagsüber manchmal direkt zwischen den Zelten und trank sogar Wasser aus dem Duschtank. Dabei verhielt sie sich aber sehr vorsichtig und rücksichtsvoll, beschädigte keine Leitungen und war auch sonst sehr höflich, so dass das Team sie in Ruhe ihren Geschäften nachgehen ließ. Natürlich hielten sie wie immer einen Sicherheitsabstand zu ihr ein, da sie schließlich ein wilder Elefant ist, obwohl sie sich in Gegenwart des ATE-Teams sehr ruhig verhält.

 

Mitglieder der EB-Familie im Ol Tukai Forest
Mitglieder der EB-Familie im Ol Tukai Forest

 

Auch Ektor, Enids elfjähriger Sohn, besuchte oft das ATE-Camp. Er kam an den Zelten vorbei, während ihre Bewohner drinnen an ihren Computern arbeiteten, und graste gerne in ihrer Nähe.

Enid selbst verbrachte einige Zeit in einem anderen Teil des Parks, und es sah so aus, als ob die Trockenheit in Verbindung mit dem Stress, den sie durch das Speeren von einigen Monaten erlitten hatte, ihren Tribut gefordert haben. Dazu kam, dass auch sie ihren zweijährigen Sohn verloren hatte, um den sie nun trauerte. Cynthia und ihr Team hoffen sehr, dass sie sich nach dem Beginn der Regenzeit möglichst bald wieder erholen wird.

 

Enid, die Matriarchin der EB-Familie
Enid, die Matriarchin der EB-Familie

 

Eleanor hielt sich ebenfalls im selben Gebiet wie Enid auf, wurde aber manchmal allein gesehen. Dieses Verhalten ist typisch für Dürreperioden; die Elefanten teilen sich auf, um leichter genug Nahrung für alle zu finden. Hinzu kommt aber auch, dass sie viel Kondition verloren haben und über Verluste trauern müssen. Beides kann sie sehr lethargisch machen.

Die EBs werden einige Zeit brauchen, um sich von dieser Dürre zu erholen, sowohl physisch wie psychisch, aber sie werden es schaffen, dessen ist sich das ATE-Team sicher. Hoffentlich geschieht es bald!

Die GBs waren in den letzten Monaten ebenfalls regelmäßig im Amboseli. Sowohl Gails wie Goldas Gruppen wurden mehrfach gesehen. Golda hat ihren Teil der Familie gut zusammengehalten, aber leider haben auch sie einen Verlust erlitten: Ghosts zweijährigen Sohn. Wenn man berücksichtigt, dass die GBs eine der größten Familien in Amboseli sind, haben sie allerdings mit nur einem verlorenen Kalb diese schlimme Zeit noch relativ gut überstanden – auch wenn jedes einzelne gestorbene Kalb eines zu viel ist. Doch andere Familien hatten deutlich mehr Verluste erlitten.

Die OAs verbrachten tagsüber viel Zeit im Park und hielten sich hauptsächlich in den Sümpfen auf, um die dort noch vorhandene – wenn auch nährstoffarme – Vegetation zu nutzen. Auch sie haben die Strapazen relativ gut überstanden, hatten aber ebenfalls über einen Verlust zu trauern: Olwens zweijährige Tochter. Die übrigen Kälber hatten bis zum Einsetzen der Regenfälle überlebt und damit das Schlimmste überstanden. Wir hoffen sehr, dass die OAs von weiteren Verlusten verschont bleiben.

 

Elefantenkuh mit zwei Kälbern aus der OB-Familie
Elefantenkuh mit zwei Kälbern aus der OB-Familie

 

Da Amboseli ein eher kleiner Park ist, war es für das Überleben der Wildtiere schon immer wichtig, dass sie auch außerhalb nach Nahrung suchen konnten. Die Massai und andere Nachbarn zeigten ihnen gegenüber in den meisten Fällen eine große Toleranz. Die Dürre hatte nun allerdings die Konkurrenz um die letzten Ressourcen verschärft, und es wird noch lange dauern bis alle, Menschen wie Tiere, sich von ihren Auswirkungen erholt haben. Und niemand weiß, wann die nächste Dürre kommt. Der Schutz von Elefanten und anderen Wildtieren wird dadurch vor immer größere Herausforderungen gestellt.

Cynthia Moss und ihr Team vom Amboseli Trust for Elephants wissen, dass es notwendig ist, in Zusammenarbeit mit der Regierung, anderen NGOs und der lokalen Bevölkerung Konzepte zu entwickeln, die auch in Zukunft eine friedliche Koexistenz von Menschen und Wildtieren ermöglichen. Denn eins ist klar: Wer die Elefanten schützen will, muss sicherstellen, dass auch die Menschen überleben und idealerweise vom Schutz der Wildtiere profitieren. Anders wird es nicht funktionieren.

 

Elefantenkuh mit Kälbern
Elefantenkuh mit Kälbern

 

Cynthia und ihr Team nahmen daher an verschiedenen Besprechungen und Diskussionen teil. Zu deren ersten greifbaren Ergebnissen gehören folgende Maßnahmen:

  1. Ernährungsprogramme für die Bevölkerung (vorrangig für Kinder und ältere Menschen) weiterführen
  2. Sicherung, Instandhaltung und Neuanlage von Wasserstellen für Wildtiere und Vieh (auch außerhalb des Parks in Gebieten, die während Dürrezeiten noch Nahrung bieten, aber zu weit von den natürlichen Wasserstellen im Parkzentrum entfernt liegen)
  3. Bereitstellung von Futter für Wildtiere und für das Vieh sowie die Behandlung des Viehs gegen Parasiten (wichtig für das Vieh selbst, aber auch für die Wildtiere, die sich sonst über den Dung selbst infizieren könnten – gerade bei geschwächtem Zustand in Trockenzeiten ein großes Problem)

 

Zu den längerfristigen Maßnahmen, die ebenfalls bereits angelaufen sind, gehören:

  1. Maßnahmen zur Verbesserung der Bodenqualität
  2. Anlage einer Grassamenbank (um besonders dürreresistente Sorten zu fördern)
  3. Entwicklung nachhaltigerer und effektiverer landwirtschaftlicher Praktiken (welche weniger Land beanspruchen).

 

Für das ATE-Team zeichnet sich ab, dass sich auch ihre eigene Arbeit den neuen Herausforderungen anpassen muss. Ursprünglich war das wichtigste Ziel, das natürliche Verhalten der Elefanten und ihre Gesellschaft besser kennenzulernen. Dieses wird auch weiter ein Schwerpunkt bleiben. Doch zusätzlich wird die Entwicklung von Lösungen zu Vermeidung von Mensch-Wildtier-Konflikten immer wichtiger werden.

 

Annan bei der Futtersuche im Sumpf
Annan bei der Futtersuche im Sumpf

 

Hinter den Elefanten Amboselis liegen äußerst schwere Zeiten, die einen sehr schmerzhaften Tribut gefordert haben. Und niemand kann mit Sicherheit sagen, wie sich die nächsten Monate entwickeln werden. Doch vorerst haben die Niederschläge für ein Ende der schlimmsten Not gesorgt, und wir können nur hoffen, dass sich dies in den nächsten Monaten fortsetzen wird.

Viele der Amboseli-Elefanten sind nicht nur Cynthia und ihrem Team, sondern auch vielen Menschen weltweit gut bekannt, und wir alle hoffen von ganzem Herzen, dass sie sich bald von den Entbehrungen der letzten Monate erholen werden.