Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im März 2008

Die Nursery-Waisen

Am 1. März kam die kleine „Kenia“ bei uns an, ein ca. 8 Monate altes Elefantenkälbchen, das eines Morgens einsam und verlassen in einer Siedlung gefunden wurde, die auf einem ehemaligen Wanderpfad der Mt. Kenya Elefanten liegt. Dieser Pfad bleibt im genetischen Gedächtnis der Elefanten gespeichert, und wenn sich die Elefanten heutzutage gezwungen sehen, ihre bewaldete Bergfestung für die Nahrungssuche zu verlassen, ziehen sie nachts auch durch von Menschen besiedelte Gebiete. Dieses Mal verlor ein Kälbchen offenbar den Anschluss. Es wurde um 5 Uhr morgens von einem Bauern gefunden, der glücklicherweise tierfreundlich genug war und sowohl das Personal des Bill Woodley Mt. Kenya Trusts als auch den Kenya Wildlife Service verständigte. Das Kalb wurde in die Nairobi Nursery geflogen, und als es am Abend ankam, schien es in ausgezeichneter Verfassung. Der Name „Kenia“ wurde gemeinsam von den Keepern und dem Bill Woodley Mt. Kenya Trust ausgewählt und symbolisiert den politischen Frieden, der am Tag zuvor durch Mr Koffi Annan ausgehandelt wurde und die zweimonatigen Stammesunruhen in Kenya beendete.

Dida and Kenia
Dida & Kenia

Shimba wurde über Nacht aus Sinyas Nachtlager in seine alte Unterkunft neben den Neuankömmling Kenia umgesetzt. In ihrer ersten Nacht trank sie Milch und Wasser gegen die Austrocknung, und bereits am Morgen hatte sie den Keeper akzeptiert, der die Nacht bei ihr verbracht hatte. Die anderen Babys in der Nursery begrüßten sie sofort nach dem Aufstehen, was sie offensichtlich verunsicherte, weil es sich um fremde Elefanten handelte. Daher war sie zuerst nicht besonders freundlich. Nach einem weiteren Tag in ihrem Stall hatte sie sich jedoch an die neue Situation gewöhnt und freundete sich mit den anderen an, die sie liebevoll in Lesanjus Babygruppe aufnahmen. Lempaute, Sinya und sogar Klein Shimba wuselten alle aufgeregt um sie herum.

An ihrem ersten Tag im Busch versuchte sie ständig, davon zu rennen und sich zu verstecken, doch sie wurde jedes Mal von Lesanju, Sinya und Lempaute zu den Keepern zurückgetrieben. Und so verstand sie schon bald, dass sie alle zu ihrer neuen „Familie“ gehörten.

Lempaute

Lempaute

Lenana, Makena und Chyulu waren sehr aufgeregt, als sie Kenia kennenlernten, und freuen sich unheimlich, wenn die beiden Gruppen miteinander Zeit verbringen. Wenn die Keeper die beiden Gruppen trennen, suchen sie nach ihren Babys und warten morgens manchmal sogar vor ihren Ställen, wo sie ihre Schützlinge mit einem Kollern begrüßen. Die Jüngsten haben ein Ritual, das sie jeden Morgen sehr gewissenhaft ausführen. Alle gehen zum Stall von Nashorn Maxwell, um ihn zu begrüßen, und er steht immer in seiner Stalltür und wartet, bis die Waisen vorbeigelaufen sind. Es scheint, als ob sie verstehen, dass er durch sein blindes Auge behindert ist, und sie haben daher offenbar eine besondere Zuneigung zu ihm.

Makena

Makena

Sehr unfreundlich waren dagegen die wilden Nashörner des Nairobi National Parks, an dessen Rand die Nursery der Baby-Elefanten liegt. Sie haben die Kleinen in diesem Monat so sehr erschrocken, als stünden sie Löwen gegenüber. Einmal rannten die Keeper und Lesanjus Gruppe in Panik davon, und beim zweiten Mal wurden die Nashörner von älteren Elefanten vertrieben. Lenana floh völlig verwirrt und verlor auf ihrer Flucht in die Stallungen die Kontrolle über ihren Darminhalt. Lenana fürchtet sich viel mehr vor anderen Tieren als Makena und Chyulu; sogar vor Giraffen und Impalas, denen sie regelmäßig begegnet, hat sie Angst.

Die Ithumba-Waisen

Die Temperaturen stiegen am Monatsanfang rapide, so dass sich sogar die jüngeren Waisen immer wieder mit Wasser einsprühten. Glücklicherweise fielen am 8. und 20. März heftige Niederschläge in Ithumba, und ein weiterer kräftiger Wolkenbruch sorgte dafür, dass der Niederschlagsmesser überlief. Das heißt, es regnete mehr als 10 cm innerhalb einer Nacht! Diese heftigen Regenstürme verwandelten die Natur in ein grünes Meer, und Ithumba erinnert wieder an den urtümlichen Garten Eden, mit Blumen und Schmetterlingen, wohin das Auge schaut. Daher haben die Ithumba-Waisen den Monat sehr genossen; jede Senke war mit frischem Regenwasser gefüllt und verwandelte jede natürliche Salzlecke in Schlammbäder, die bei jeder Gelegenheit ausgekostet wurden.

Die Gruppe teilte sich wieder oft. Yatta führte die Waisen am 9. ostwärts, kehrte gegen 14 Uhr zum Saufen an die Stallungen zurück und verbrachte danach den ganzen Nachmittag mit den Kleinen. Auch am 11. teilte sich die Gruppe auf und traf sich erneut am Nachmittag. Am 12. waren Nasalot und Wendi noch vor den anderen bei den Jüngsten, um sie zu den Stallungen zu eskortieren. Am 13. setzte sich Yattas Gruppe noch morgens bei den Ställen von den Jüngeren ab und überließ sie der Obhut von Galana, die ihre Aufgabe ohne Zögern aufnahm. Galana übernimmt jetzt häufiger die Rolle der Leitkuh. Wann immer Yatta mit der älteren Gruppe unterwegs ist, bleiben die Jüngeren bei ihren Keepern, und eine der ehemaligen Nursery-Leitkühe übernimmt die Führung. Genug davon sind ja da: Sunyei, Galana, Lualeni, Loijuk, Sian, Sidai und manchmal auch Wendi, die allerdings immer Schwierigkeiten hat, sich für eine der beiden Gruppen zu entscheiden. Dieses Dilemma wurde im März besonders deutlich, als Selengai lieber bei Yattas Gruppe bleiben wollte und nicht unter der Obhut von Galana. Selengai brüllte so laut, dass Mulika sofort zurückeilte und alle älteren Elefanten ihr folgten. um nachzusehen, was sie beunruhigte. Mulika gab der armen Galana die Schuld und stieß sie derb beiseite, weil Selengai schon immer ihr Liebling war. Die älteren Elefanten entschieden sich schließlich dafür, bei den Kleinen zu bleiben – zur besonderen Freude von Selengai und auch Ol Malo, Yattas Liebling, sowie Kenze, Orok und Zurura, die Nasalot als ihre „Ersatzmutter“ betrachten. Ol Malo war der Nächste, den die Qual der Wahl traf, mit welcher Gruppe er gehen sollte. Als Buchuma nun plötzlich die Aufsicht über die Babys hatte, hob er einfach den Rüssel, überprüfte die Windrichtung, nahm die Fährte auf und führte seine Schützlinge zurück zur Gruppe der älteren Elefanten.

orphans in water. Ithumba

Am 14. führte Yatta die gesamte Herde zum Kalovoto-Fluss, den die Älteren dann auch durchquerten, während die Kleinen am anderen Ufer in der Obhut der jüngeren Leitkühe und der Keeper zurück blieben. Am 15. teilten sich die Waisen in drei Gruppen: die erste wurde von Yatta, Nasalot und Mulika angeführt, die zweite von Kinna, und Galana betreute die Jüngsten, die bei den Keepern blieben. Am 16. trafen sich dann alle beim Schlammbad wieder, und das Wiedersehen war wie immer begleitet von glücklichem Trompeten, liebevollem Kollern und all den anderen fröhlichen Gesten, die man bei jedem Treffen beobachten kann – selbst, wenn sie nur für ein paar Stunden getrennt waren!

Kinna hat sich in diesem Monat dreimal dazu entschlossen, lieber die Babys anzuführen, als bei Yattas Gruppe der Älteren zu bleiben. Einmal wurde sie von Tomboi begleitet, der definitiv schon zu den Älteren und zu den besonders Unabhängigen gehört. Es ist jedoch nicht ungewöhnlich für einen jungen Bullen, eine Nachwuchsleitkuh und ihre Schützlinge zu begleiten. Rapsu leistet Sunyei häufig Gesellschaft, und Kamboyo begleitet besonders gern Sian, wenn sie die Kleinen anführt. Am 3. gesellte sich Zurura zu Loijuk, als sie die Gruppe vom Mittagsschlammbad zur Milchmahlzeit führte. Normalerweise ist das Kamboyos Aufgabe (der Takthalter), doch alle Junior-Leitkühe scheinen sich diese Aufgabe einvernehmlich zu teilen. Galana spielt dabei eine besonders wichtige Rolle. Die Aufzeichnungen dieses Monats zeigen auch, dass Sian es genau wie Kora hält und sich vor dem Schlammbad scheut. Kora war dem Baden nie besonders zugetan, und Sian kannte es vielleicht schon zur Genüge von ihrem Zuhause in Amboseli, wo die Elefanten die meiste Zeit in den Sümpfen verbringen.

Es ist interessant, über die neuen Entwicklungen von Leitkuh Yatta zu lesen, die die Jüngsten am 21. zurück zu den Stallungen führte und gleich danach mit ihrer Gruppe wieder verschwand, noch bevor die Keeper die Gatter schließen konnten. Erst um 20 Uhr kamen sie zurück. Am 23. entschied sich Yatta – ganz untypisch für sie – dafür, allein loszuziehen. Die Proteste der Keeper ignorierte sie gänzlich. An diesem Tag erschien sie auch allein beim mittäglichen Schlammbad der Kleinsten. Sie vergewisserte sich deren Anwesenheit und Unversehrtheit und gesellte sich dann wieder zu ihrer Gruppe, die im Busch graste. Was aus den März-Berichten deutlich wird, ist die subtile Kommunikation zwischen den verschiedenen Gruppen, ganz unabhängig von ihren Keepern, die manchmal kaum wahrgenommen werden. Nur einmal, als ein heftiges Gewitter die Waisen aufschreckte, gehorchten sie den Aufforderungen der Keeper und kehrten früher als gewöhnlich zu den Stallungen zurück. Bei anderen Gelegenheiten handeln sie völlig unabhängig von ihren Keepern. Diesen bleibt dann nichts weiter übrig, als die ausgefeilte Nachrichtenübermittlung zwischen den Elefanten zu bewundern. Wenn die Älteren ihre eigenen Wege gehen, zeigen sich die Jüngeren in keiner Weise besorgt, außer natürlich, wenn eine/r ihrer Gruppe sich für die falsche Herde entschließt!

Zwischenfälle mit anderen Tierarten gab es nur mit vier der gefürchteten Wildhunde im Busch, die die jüngeren Waisen in Panik versetzten. Sie rannten schutzsuchend zu ihren Keepern, während die Älteren (Yatta, Mulika, Nasalot, Wendi, Napasha, Tomboi und Taita) gemeinsam die Eindringlinge vertrieben. Sie jagten sie so weit weg, dass sie erst abends wieder zum Rest der Gruppe stießen. Einige lärmende Paviane haben den Frieden der Gruppe ein weiteres Mal gestört, doch auch diese Quengler wurden in alter Manier von den älteren Elefanten verscheucht.

Unsere Ithumba-Elefanten wecken nach wie vor Begeisterung, Verwunderung und Ehrfurcht. Sie lehren uns so viel über die Art und Weise ihrer Kommunikation sowie die starken Bande der Freundschaft als auch die Pflichten innerhalb der „Familie“. Es ist in der Tat ein Privileg, so viel menschliches Verhalten deuten zu können.

Die Voi-Waisen

Nach fast dreimonatiger Abwesenheit kehrte Natumis Gruppe mit den Voi-Waisen zurück zu den Freiluftgattern. Alle waren dabei und schienen in sehr guter Verfassung. Edie überredet ab und zu einen Teil der Gruppe (Lolokwe, Burra, Solango und Mukwaju, alles junge Bullen), mit ihr umherzuziehen, und mimt die Leitkuh. Einige Male kam sie ohne Natumis Gruppe zu den Gattern. Andere Tage wiederum verbringt die ganze Gruppe gemeinsam unter der Führung von Natumi und Edie, mit Unterstützung von Icholta, die etwa im gleichen Alter wie Natumi ist. Sosian hat Natumis Gruppe mittlerweile verlassen, um sich Emily und Aitong anzuschließen, die ihren Fressplatz in der Nähe von Irima Hill haben, wo die Vegetation viel üppiger ist. Emilys Gruppe und Natumis Gruppe gehen seit dem Tod von Mweiga getrennte Wege.

Natumi & her group in Voi

Natumis Gruppe

Im März fielen verhältnismäßig gute Niederschläge in Voi, so dass alle natürlichen Wasserlöcher wieder gefüllt sind. Jede Menge frische Pflanzen stehen all unseren Elefanten wieder im Überfluss zur Verfügung. Es ist wirklich wunderbar mit anzusehen, wie sie erwachsen werden und sich mittlerweile frei und unabhängig von ihrer Menschenfamilie umherbewegen. Wenn sie einmal zurückkehren, begrüßen sie ihre Keeper jedoch nach wie vor sehr liebevoll.