Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im Januar 2005

Die Nursery-Elefanten

Der Jahresbeginn brachte einige Aufregung mit sich, denn Ndomot und Madiba hatten sich offensichtlich den Magen verdorben und wollten ihre Milch nicht trinken. Vermutlich hatten sie draußen im Busch etwas Giftiges gefressen. In dieser Zeit waren alle Elefanten sichtlich deprimiert, besonders Sunyei, die „Matriarchin“ der Nursery-Gruppe. Sie stand immer dicht bei den beiden und berührte sie sanft mit dem Rüssel. Sie disziplinierte auch den kleinen Buchuma, der mit den beiden „Schubsen“ spielen wollte.

Buchuma ist der kleinste und jüngste unserer Nursery-Bullen und benimmt sich daher oft ziemlich übermütig. Er wird sicher später einmal ein dominanter Charakter sein, der aber sein freundliches und sanftes Wesen behält.

Unsere drei Weibchen konkurrieren immer noch darum, wer die zwei Babys Nalitu und Lualeni bemuttern darf. Aber Sunyei hat sich als Anführerin und Matriarchin der Gruppe durchgesetzt. Nalitu mag Naserian und Galana sehr, wobei Naserian vielleicht den größten Anteil von Klein-Nalitus Liebe bekommt, denn sie erlaubt dem Kalb, an ihren Mini-Brüsten zu nuckeln, und zeigt sich auch sonst überaus liebevoll gegenüber den beiden Kleinsten. In der Gunst der beiden steht Galana gleich an zweiter Stelle, und auch Sunyei kommt bei ihnen nicht zu kurz. Von allen Mitgliedern der Gruppe ist Sunyei diejenige, die sich jeder Bedrohung entgegenstellt, während die anderen sich zurückziehen. Zusammen mit Naserian und Madiba demonstrierte sie einmal die unglaubliche Kraft der Elefanten, indem sie einen riesigen umgestürzten Baumstamm vor sich herschoben, was ihre Keeper in größtes Erstaunen versetzte!

Wie gewöhnlich waren die Warzenschwein-Familien wieder Anlass für Spaß und Spiele bei allen Babys. Mit großer Freude konnten wir auch beobachten, dass die kleine Lualeni endlich wieder anfängt, ihr Leben zu genießen und sich auch mit Nalitu und den älteren Weibchen anfreundet. Lualeni war seit ihrer Ankunft in tiefer Trauer um ihre verlorene Elefanten-Familie, aber nun erholt sie sich allmählich, obwohl sie immer noch ein wenig einzelgängerisch ist.

Am Monatsende gab es etwas Aufregung, als Galanas Stoßzähne durchs Zahnfleisch brachen, was darauf hindeutet, dass sie wohl ihren zweiten Geburtstag erreicht hat. Sie hat sich bemerkenswert gut erholt und strotzt jetzt vor Gesundheit mit ihren dicken Pausbacken. Sie zeigt nun auch ihre weibliche Seite, indem sie sich fürsorglich und beschützend um die kleineren Elis kümmert. Madiba ist im Augenblick befreit vom täglichen Kräftemessen mit Ndomot, denn der muss sich jetzt mit dem schubsenden kleinen Buchuma messen! Und wie gewöhnlich bringen die älteren Eli-Mädels die „Jungs“ zur Raison, wenn die sich zu ungestüm benehmen!

Die Ithumba-Waisen

Unsere Ithumba-Herde traf am 30. Dezember zum ersten Mal auf eine Gruppe von vier wilden Elefanten – eine aufregende Begegnung! Sie verbrachten eine Stunde zusammen, bevor sie zum Schlammbad aufbrachen. Yatta und Kinna waren es, die die Gruppe zu den wilden Elefanten brachten, denn durch ihre Zeit in Voi waren sie an solche freundschaftlichen Begegnungen mit wilden Herden gewöhnt. Den ganzen Januar über gab es allerdings keine solchen Kontakte mehr. Die Waisen sind aber ausgesprochen zufrieden und genießen es, stundenlang miteinander zu spielen. Wendi zeigte auch wieder ihre boshafte Seite, und es ist offensichtlich, dass die Elefanten mehr Selbstvertrauen entwickeln, denn sie sind ganz versessen darauf, Impala-Antilopen zu jagen – die sich dann schnell aus dem Staub machen! Sie jagten auch ein Warzenschwein, das in Windeseile in einem Erdloch verschwand, was die Elis ziemlich verblüffte. Aber ein Büffel, den sie an ihrem Schlammloch trafen, machte sie doch etwas nervös. Januar, Februar und März sind die heißesten Monate in Tsavo, und die Waisen leiden etwas unter der Hitze. Daher verbringen sie viel Zeit im Schatten und genießen sichtlich die Abkühlung im Schlammbad.

Kinna übernimmt inzwischen eine stärkere Führungsrolle, denn sie fühlt sich nun offensichtlich heimischer in der neuen Umgebung. Oft führt sie die Gruppe an, obwohl es scheint, dass die vier älteren Elefanten gern ihre matriarchischen Pflichten unter sich aufteilen. Es geschieht sogar öfters, dass sie den Jüngsten die Führung überlassen, was diese als begehrtes Privileg empfinden. Am meisten genießt es Nasalot, mit den jungen Bullen zu spielen, besonders mit Napasha, den sie offensichtlich sehr mag. Wie sehr die Elis den Keepern gehorchen, zeigte sich einmal wieder, als Napasha, der ein kleiner Nimmersatt ist, Taita von seiner Milchflasche wegdrängeln wollte. Als die Keeper ihn mit drohendem Finger und entsprechendem Tonfall rügten, ließ er sofort von seinem Vorhaben ab! Unsere Keeper würden ihre Schützlinge niemals in irgendeiner Weise körperlich strafen, denn die Elefanten gehorchen ihnen, weil sie sie respektieren und lieben.

Die Waisen in Voi

In Voi verfolgen wir mit großem Interesse die zunehmende Unabhängigkeit von Emily, Aitong und Sweet Sally, die nun nicht mehr nachts bei den anderen Waisen in den Stockades bleiben. Trotzdem halten sie noch enge Verbindung zu den übrigen Mitgliedern ihrer großen Waisen-Familie – genau so wie zu ihren wilden Freunden.

Am meisten wundert es uns, dass keine von Emilys Lieblingswaisen dem Beispiel von Sweet Sally gefolgt ist, die sofort klar gemacht hatte, dass sie auf keinen Fall von Aitong getrennt sein wollte, und die nun festes Mitglied dieser unabhängigen Dreiergruppe ist. Oft gesellen sich auch die unabhängigen „Big Boys“ Edo und Dika zu ihnen, denn alle kennen sich seit der Nursery-Zeit. Edo und Dika sind schon seit langem nicht mehr von den Keepern abhängig und bleiben oft für längere Zeit fort. Aber sie fühlen sich der Waisenfamilie nach wie vor verbunden und verbringen ihre Zeit mit den Kleinen, so oft sie in der Gegend sind. Edo ist besonders den Babys liebevoll zugetan und begleitet sie zum Schlammbad, wenn Emilys Gruppe nicht in der Nähe ist. Dann legt er sich hin und lässt die Kleinen auf sich herumklettern, oder er lockert mit seinen Stoßzähnen die Erde, damit sie sich leichter einstauben können. So oft er bei ihnen ist, übernimmt er die Führung, und wenn es Zeit für ihn ist zu gehen, dann verstehen es alle und versuchen nicht, ihm zu folgen.

Dika – inzwischen 17 Jahre alt und groß für sein Alter, mit starken Stoßzähnen – war zuletzt im Mai 2004 erschienen und ist in diesem Monat regelmäßig zu Besuch gekommen. Bei ihm waren Edo und ein anderer wilder Bulle. Am 3. Januar taten sie sich mit Emilys Gruppe zusammen, um mit den Babys zum Schlammbad zu gehen. Sie wurden mit großem Jubel begrüßt, und die Kleinen rannten hin und her und trompeteten vor Aufregung.

Die Bande zwischen Emilys Gruppe und den anderen Waisen sind so stark wie eh und je, was besonders deutlich wurde, als Salama einmal auf dem Weg zum Schlammbad weit hinter den anderen zurückgeblieben war. Er geriet in Panik und rannte laut brüllend umher, und plötzlich tauchte Emily wie aus dem Nichts auf und geleitete ihn, während Natumi aus der anderen Richtung kam und sie sich auf halbem Weg trafen! Wenn Emily bei der Gruppe ist, dann führt sie als Matriarchin, aber wenn sie sie verlässt, übernimmt Natumi automatisch diese Rolle. Sie ist das älteste Weibchen der Gruppe und somit Anwärter auf die Position der Matriarchin, aber auch Icholta hat solche Ambitionen. Manchmal übernimmt sie die Führung, wenn die Waisen die Stockades verlassen, und wenn Natumi versucht, sie zu überholen, dann beschleunigt Icholta ihren Schritt, was wiederum Natumi sichtlich irritiert!

Es gab einen Vorfall, bei dem ein verantwortungsloser Fahrer eines Touristen-Fahrzeugs auf Emily, Aitong und Sweet Sally traf, als diese eine Straße nahe des Parkeingangs überqueren wollten. Er hielt nicht den erforderlichen und für Elefanten noch akzeptablen Abstand. Emily war damals dabei gewesen, als sich ein ähnlicher Vorfall auf dieser Straße abspielte, bei dem die Waisen und eine Gruppe wilder Elefanten betroffen waren. Das hatte dann zu Imentis „Verbannung“ nach Ithumba geführt. Offensichtlich erinnerte sich Emily noch gut daran und stellte sich dem Fahrzeug drohend entgegen. Sie zwang den Fahrer so zu einem schnellen Rückzug, damit sie und ihre kleine „Familie“ die Straße entspannt überqueren konnten. Wir sind jedes Mal sehr verärgert, wenn ein Touristen-Fahrer sich so verantwortungslos verhält, denn er gefährdet die Elefanten, die an solchen Vorfällen völlig schuldlos sind. Eigentlich sollte man von den Fahrern erwarten, dass sie wissen, dass obwohl Elefanten von Natur aus extrem tolerant und rücksichtsvoll sind, sie auch gefährlich werden können, wenn man sie provoziert. Sie sollten einsehen, dass Elefanten in einem Nationalpark immer Vorfahrt haben.

Mweya zeigte sich einmal wieder von ihrer hinterlistigen Seite und sprühte einen Rüssel voll Wasser über die anderen, als an einem kalten Tag niemand ins Wasser gehen wollte. Ihre Kameraden zogen sich eilig zurück, und Mweya, in Erwartung von Racheakten, hielt sich schlau eine Weile abseits, bevor sie wieder den Mut fasste, zur Gruppe zurückzukehren! Aber Mweya bekam anderweitige Probleme, als sie nämlich fast auf eine im hohen Gras verborgene Riesen-Echse trat, die ihr mit dem Schwanz einen Schlag gegen das Bein versetzte, so dass Mweya sich erschrocken und vor Angst zitternd zu den Keepern flüchtete! Laikipia, Natumi, Mvita, Loisaba und Mukwaju versuchten daraufhin mit vereinten Kräften, die Eidechse einzuschüchtern, wobei sie es vermieden, ihr zu nahe zu kommen. Auch der arme Burra erschrak furchtbar, als sein Freund Mpala versehentlich einen Stein lostrat, der dann den Hügel hinunter rollte und mit einem Krachen genau in dem Busch landete, von dem Burra gerade fraß! Danach blieb auch er für die nächsten Stunden in der Nähe der Keeper. Mweya und Lolokwe hatten großen Spaß dabei, einen armen kleinen Dikdik zu jagen, und Icholta und Laikipia taten dasselbe mit einem Kudu. Als die Waisen einmal auf ihrem Weg einer Gruppe von 20 Giraffen begegneten, waren sie alle ziemlich verdutzt und trauten sich nicht, sie zu verjagen, bis die Giraffen von selbst weiter zogen.

Laikipia ist jetzt der „Big Boy“ der jüngeren Waisen von Natumis Gruppe. Er wird immer unabhängiger und hat wie Edo einen freundlichen und liebevollen Charakter. Interessanterweise suchte Natumi seine Unterstützung, um sich einer Gruppe wilder Elefanten zu nähern, die aus einer erwachsenen Matriarchin und zwei Kälbern bestand, und zusammen führten sie die anderen Waisen zu der wilden Gruppe. Sie spielten einige Stunden mit den gleichaltrigen Kälbern, bevor sie sich auf den Weg zu ihrem mittäglichen Schlammbad machten.