Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im Juni

Monatsbericht für die Nursery-Gruppe: Juni 2008

Komischerweise passiert es immer sonntags, wenn es am schwierigsten ist alle Kräfte für eine Rettungsaktion inklusive Transport per Luftweg zu mobilisieren! Am Sonntag, den 8. Juni hatten wir jedoch gleich zwei solcher Aktionen in Laikipia.

Laikipia liegt in Kenias Norden, umfasst ein Gebiet von etwa 8.700 km-² mit kleinen Feldern, großen Farmen und Ländereien in privater und staatlicher Hand. Das Klima ist überwiegend trocken und die Heimat von Kenias zweitgrößter Elefantenpopulation. Man schätzt etwa 5.000 Tiere, die sich in verschieden Gruppen auf die übrig gebliebenen Wälder und kleineren elefantenfreundlichen Schutzgebiete verteilen, wo sie sicher sind. Sobald sie jedoch einen Fuß über die Grenzen dieser Rückzugsorte setzen um sich mit Artgenossen zu treffen, die sich in der Ferne aufhalten, stoßen sie auf ihrem Weg unweigerlich auf von Menschen angebautes Grünfutter und riskieren Ärger mit der sich ausbreitenden Bevölkerung. Die einstigen Jäger und Sammler haben sich in der Vergangenheit hier niedergelassen und kultivieren nun die Böden auf den früheren Wanderwegen der Elefanten. Die nomadische Lebensweise der Elefanten verlangt viel Raum, und genau dieser wird ihnen nun vorenthalten. Laikipia ist eines der Gebiete, wo die Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren am meisten zu spüren sind, denn Bauern und Elefanten versuchen hier beide zu überleben. Es ist außerdem ein Gebiet, wo die Gefahr der Wilderei aufgrund der Nähe zum chaotischen Somalia und der langen Dürreperioden am größten ist. Die Überlebenschancen für Elefanten stehen hier sichtbar schlecht.

Traurigerweise hat es nur eines der beiden Waisen, die am Sonntag gerettet werden sollten, in unsere Nairobi-Nursery geschafft. Das andere konnte von den Wildhütern des KWS nicht mehr aufgefunden werden, nachdem es seine toten Mutter verließ und in den Busch davon rannte. Das 9 Monate alte Kälbchen, dass es bis zur Nursery schaffte, war offenbar schon zu lange von seiner Mutter getrennt gewesen als dass wir es noch hätten retten können. Sie starb 2 Nächte später, wenigstens in einer sicheren Umgebung, wo sie von all den anderen Waisen liebkost und getröstet wurde. Sie hinterließ eine Stimmung voller Einfühlungsvermögen und Liebe unter den Elefanten und Menschen. Wir hatten sie bereits „Namolok“ genannt, was im Samburu-Dialekt soviel heißt wie „Süße“. Denn das war sie wirklich, und sie wäre mit Sicherheit eine sanftmütige und wundervolle Leitkuh geworden. Aber es hat nicht sollen sein.

Am 16. Juni sollten nun Makena, Lenana und Chyulu nach Ithumba gebracht werden, wo die nächste Phase ihrer Auswilderung in die Elefantengemeinschaft in den Norden des Nationalparks Tsavo-Ost beginnen sollte. Alle drei Nursery-Waisen sind nunmehr älter als 2 Jahre, und es ist an der Zeit für sie für den nächsten Schritt zurück in die Wildnis von Tsavo. Nach 5 Tagen Gewöhnung an die Lastwagen, die an den Laderampen parkten, und wo man sie mit Milch zum Einstieg lockte, waren Lenana und Chyulu für die Fahrt bereit. Makena weigerte sich jedoch beharrlich. Als der Morgen der Abreise anbrach, wurde ihr ein Beruhigungsmittel verabreicht, so dass sie zumindest ruhig genug war um zumindest physisch den Anhänger zu besteigen. Das Fahrzeug wurde dann einige Meter vorgesetzt, so dass ihr der Rückweg abgeschnitten war. Um 5.15 Uhr, in den kühlen Morgenstunden des 16. Juni, traten die Lkws schließlich langsam mit ihrer wertvollen Fracht die Reise nach Ithumba an – mit der Hoffnung auf wenig Stau auf der Hauptstraße von Nairobi nach Mobasa, auf der es einige sehr staubige und zerrüttete Umleitungen gibt. Wasessa

Gegen 12.30 Uhr mittags erreichten sie ihr Ziel, wo sie kurz darauf von ihren Altersgenossen freudig begrüßt wurden – besonders von denjenigen, die sie bereits aus der Nursery kannten, als sie selber noch ganz klein waren.

Am 22. Juni erreichte ein 20 Monate altes, verwaistes Elefantenbaby die Nairobi-Nursery. Es wurde von unserer Tsavo-Veterinäreinheit allein in der Irima-Ebene hinter der Voi Safari Lodge entdeckt. Das Kälbchen wurde schon länger beobachtet und hatte versucht sich einem vorbeilaufenden Bullen anzuschließen, der sie immer wieder freundlich aber bestimmt weg schubste. Der glückliche Zufall jedoch wollte, dass er genau in dem Moment auftauchte, als ein Rudel Löwen bereits ein hungriges Auge auf sie geworfen hatte. Seine Anwesenheit rettete ihr vermutlich das Leben. Als die Nacht hereinbrach, wurde der Entschluss gefasst sie einzufangen und über Nacht in den Voi-Stallungen unterzubringen, denn schließlich musste sie mit 20 Monaten auch noch Milch trinken. Von Voi aus sollte sie am nächsten Tag mit dem Flugzeug in die Nairobi-Nursery gebracht werden.

Nachdem sie schon zwei Mal überwältigt werden musste – einmal in der Irima-Ebene und ein zweites mal zum Flugzeugtransport in Voi – war es sehr schwierig sie zu beruhigen. So außerordentlich misstrauisch und voller Hass gegenüber den Menschen war es offensichtlich, dass sie Zeuge eines tragischen Zwischenfalls wurde, in den ihre Mutter und ihre Familie verwickelt gewesen sein mussten. Darüber hinaus musste sie sich zwei Mal einfangen lassen, was dieses Misstrauen nur noch schürte. Leider kann solch ein junger Elefant für einen Flugzeugtransport nicht medikamentös ruhig gestellt werden. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass die Medikamente in Verbindung mit den veränderten Druckverhältnissen während des Fluges solch einen Druck auf die lebenswichtigen Organe ausüben können, dass dies zum Tod führen kann.

Wir nannten die junge Elefantenkuh „Wasessa“, nach dem Namen des Berges auf dem sich die Voi Safari Lodge befindet. Nach einer Nacht im „Zähmungsstall“ der Nursery trank sie wenigstens die Milch, die man ihr in einem Eimer in den Stall stellte. Es vergingen noch einige Tage bis sie die Milch schließlich auch aus der Flasche annahm, allerdings nur durch die Gitterstäbe hindurch. Noch bis zum Monatsende war sie den Keepern gegenüber extrem misstrauisch und viel zu „wild“ und unberechenbar um mit den anderen Elefantenwaisen hinaus zu gehen. Obwohl Wasessa nur sehr schwer zu bändigen ist, so wissen wir doch aus Erfahrung, dass viel Liebe und Geduld am Ende meist dazu führt, dass sie wie andere vor ihr lernt ihre neue „Menschenfamilie“ zu lieben, weil sie erkennt, dass sie ihr das Leben gerettet haben. Wir erinnern uns in diesen Tagen oft an andere Nursery-Waisen, die einen ähnlich problematischen Start bei uns hatten – wie Rapsu, Kenze und Challa, um nur einige zu nennen – und aus denen trotzdem freundliche und vertrauensselige Elefanten wurden, die inzwischen in Ithumba leben.

Nach der Abreise von Lenana, Chyulu und Makena und mit der Ankunft von Wasessa ging es wieder einmal daran die Ställe neu zu verteilen. Lesanju und Lempaute, die beiden Unzertrennlichen, teilen sich nun Makenas und Chyulus früheren Stall. Siria zog in Lenanas ehemalige Behausung, und Sinya wurde mit Dida zusammen gelegt. Sinya machte jedoch deutlich, dass ihr die Verteilung überhaupt nicht zusagte, und so bekam sie Sirias Platz in Lenanas Stall, und Dida erhielt Gesellschaft von Shimba! Kenia schläft weiterhin friedlich bei ihrem Keeper und scheint überhaupt nicht unglücklich darüber, dass Shimba zu Dida verlegt wurde. So weit, so gut!

Monatsbericht für die Ithumba-Gruppe: Juni 2008

Die Ankunft von Makena, Chyulu und Lenana war mit Sicherheit der Höhepunkt des Monats in Ithumba, besonders für diejenigen Elefanten, die die drei bereits in der Nursery „bemutterten“ als sie noch sehr jung waren. Die Rede ist von Naserian, Lualeni, Loijuk und auch Sian, die sich mit Chyulu den Stall teilte, nachdem Lualeni nach Ithumba gebracht wurde. Die Elefanten erkannten sich sofort wieder, und die Freude der Älteren war deutlich spürbar. Sian nahm Chyulu umgehend in ihre Obhut, während Makena mit Naserian und Lualeni beschäftigt war, von denen sie bereits in den Nursery-Zeiten vergöttert wurde. Lenana, die schon etwas älter war, als sie in der Nursery ankam, und durch den Milchentzug halb tot war, verbrachte die erste Zeit in der Nursery hauptsächlich damit sich zu erholen und wurde schließlich die Hauptleitkuh der Nursery-Gruppe.

Naserian

Nachdem sich die drei Neuankömmlinge in Ithumba eingewöhnt hatten, unternahmen sie bereits am Nachmittag ihren ersten Ausflug in den Busch. Am Abend, auf dem Rückweg, trafen die Waisen auf vier große Bullen, die sich in der Nähe der Stallungen aufhielten und nachts des Öfteren aus der Stalltränke saufen und mit den Waisen kommunizieren. Nach 30-jähriger Abwesenheit (aufgrund der Massenwildererei der späten 70er, 80er und frühen 90er) sind die wilden Elefanten in großer Zahl in den Norden zurückgekehrt. Die Herden mit den Kühen und Jungtieren wurden von den Bullen zurückgelockt, die unsere Waisen in den vergangenen 6 Jahren unter dem Mantel der Dunkelheit beobachtet haben, und die in der letzten Zeit auch tagsüber mehr und mehr den Kontakt zu den Waisen suchten. Besonders dann, wenn sich die älteren Waisen von der Gruppe abseilten um in entlegene Gebiete zu wandern, ohne die Begleitung der menschlichen Keeper. Seit der Ankunft der Neuzugänge am 16. Juni, blieben die älteren Elefanten bei der Gruppe um sich um die drei Jüngsten zu kümmern. Besonders Loijuk nahm sie untere ihre Fittiche, wich seit der Ankunft nicht mehr von ihrer Seite und folgte ihnen überall hin. Gegen Ende des Monats bestätigte die Tatsache, dass die drei in Begleitung von Loijuk die Gruppe am Morgen zum Weiden führte, dass sie sich in Ithumba inzwischen sehr wohl fühlen.

Am Anfang war es ihnen oft zu heiß, so dass sie sich das Wasser aus ihren Mägen hinter die Ohren spritzten um sich abzukühlen, oder dass sie unbedingt ein Schlammbad nehmen wollten, während es den anderen dafür noch viel zu kühl war.

Es ist sehr aufregend, dass die wilden Elefanten in großen Zahlen wieder in den Norden zurückgekehrt sind und mittlerweile sogar tagsüber den Kontakt zu den Waisen suchen, obwohl deren Keeper in der Nähe sind. Am 2. kam ein großer wilder Bulle mit riesigen Stoßzähnen zum Schlammbad, als die Waisen nebenan gerade ein Staubbad nahmen und unbeirrt von der Anwesenheit der Keeper, die im Schatten eines Baumes Mittag aßen. Rapsu war mutig genug sich dem Fremden anzunähern. Als sich der riesige Bulle jedoch umdrehte um den Winzling etwas zu betrachten, verlor er die Nerven! Am 11. kamen Yatta und die älteren Elefanten mit einem befreundeten wilden Bullen zu den Stallungen, der an der Stalltränke mit Buchuma seinen Durst stillte, während Napasha, Yatta, Mulika und Kinna ein wenig abseits blieben. Nach etwa 10 Minuten machte sich der Bulle wieder auf den Weg, und mit ihm gingen die älteren Elefantenwaisen, die später jedoch ohne ihn zum Schlafen in die Stallungen zurückkehrten. Am 13. passierte ein anderer wilder Bulle die Stelle, an der die Waisen fraßen, trank genüsslich aus den Wasserfässern beim Schlammloch und machte sich später auf den Weg in Richtung Imenti-Wasserloch. Einen Tag später, am 14., tauchten gegen 19.30 Uhr 2 ausgewachsene Bullen im Camp auf um zu saufen. Sie kollerten mit den Waisen, die bereits in ihren Ställen waren, und entspannten für mehrere Stunden auf dem Stallgelände im Licht des Vollmondes. Am 19. kam ein weiterer einzelner Bulle zum Saufen und verbrachte ebenfalls viel Zeit damit sich mit den Waisen zu „unterhalten“.

Kora

Wie glauben, es liegt an der Anwesenheit unserer verwaisten Elefanten im Norden Tsavos, die das riesige Gebiet des Parkes zu neuem Leben erweckt hat. Für 30 Jahre befand sich die Region in einem schlafähnlichen Zustand, da die wilden Elefanten verschwunden waren. Die natürlichen Wasserlöcher hatten sich während der langen Trockenperioden in einem ohnehin sehr dürren Gebiet verschlossen; es wurden keine Löcher mehr in den sandigen Flussläufen gegraben, die auch anderen Tierarten das unterirdische Wasser verfügbar machten. Niemand ebnete den kleinen Tieren mehr Pfade durch den dichten Busch und öffnete die dichte Decke der unergiebigen Commiphora-Vegetation, so dass ganzjährig Gräser, Büsche oder Kräuter wachsen können, wie es im Süden des Parks der Fall ist, der sich von einer ehemals unproduktiven Region zu einer der Haupteinnahmequellen Kenias entwickelte.

Kora dominiert wie immer die täglichen Aufzeichnungen. Er ist es, der offenbar die meisten Ringkämpfe initiiert, obwohl dicht gefolgt von Kamboyo und Zurura, seinen alten Nursery-Rivalen. Kora handelte sich am 9. ordentlich Ärger ein und wurde von Yatta und Mulika in eine „Auszeit“ geschickt, weil er versuchte Loijuk zu besteigen. Als er später versuchte sich den schattigen Platz eines der Neuankömmlinge zu erobern und sie zum Brüllen brachte, machte er sich einmal mehr unbeliebt. Dieses Mal wurde er von Nasalot mit einer „Auszeit“ bestraft! Als Zurura aufschrie, weil Challa ihm während eines kleinen Gemenges versehentlich auf den Rüssel trat, eilten die vier Big Girls Yatta, Nasalot, Mulika und Kinna sofort herbei um ihn zu trösten, indem sie sein Maul mit ihren Rüsseln liebkosten. Challa wurde dafür allerdings nicht bestraft, weil offenbar klar war, dass er es nicht mit Absicht getan hatte.

Monatsbericht für die Voi-Gruppe: Juni 2008

Ende Juni kann man in Tsavo sicher sein, dass es bis Oktober oder gar November keinen Regen mehr geben wird. Die lange Trockenperiode hat begonnen, und so werden unsere Waisen genauso wie ihre wilden Artgenossen weitere Wege zurücklegen müssen um Futter zu finden. Die beiden Gruppen (eine unter Emily und die andere unter Natumi) haben sich inzwischen zusammengeschlossen und wurden am 11. Juni gesichtet, als sie in der Nähe eines kleinen Hügels auf der Südseite von Mazinga-Hill grasten. Am 17. und 19. sah man sie beim Saufen an der Mombasa-Wasserleitung, und in ihrer Gesellschaft befand sich ein wilder Bulle im Teenageralter etwa in Emilys Größe. Die Waisen sind den ganzen Monat nicht in die Voi-Stallungen zurückgekehrt.

Emily

Am 10. wurde ein verwaistes Elefantenkalb in der Nähe des Jipe-Sees von Touristen gemeldet. Am nächsten Tag wurde die Suche aufgenommen, und wir fanden das Kälbchen, dessen hinteres Körperende vermutlich von Hyänen angefressen war. Das Kalb wurde von unserer Tsavo-Veterinäreinheit sediert um das Ausmaß der Wunden festzustellen. Diese waren offensichtlich zu schwerwiegend – die Harnröhre war soweit weggebissen, dass der Urin in die Bauchhöhle floss, so dass man sie noch an Ort und Stelle einschläferte.

Der mittlerweile 12-jährige Uaso wurde am 15. Juni in Begleitung eines wilden, nur wenig älteren Bullen gesehen. Beide wanderten zum Saufen an das Wasserloch.

Am 22. wurde ein 2-jähriges verwaistes Kälbchen in der Nähe von Ikanga, einem Ort in der Nähe von Irima Hill gerettet. Das Kälbchen hatte versucht sich einem vorbeilaufenden Bullen anzuschließen, der es vehement weg schubste. Die beiden wurden aufmerksam von einem Rudel Löwen aus der Nähe beobachtet, und da das Kalb nachts allein Gefahr lief von den Löwen angegriffen zu werden, wurde es noch am selben Abend gerettet und in die Voi-Stallungen gebracht. Sie war außergewöhnlich wild. Am nächsten Morgen kam das Rettungsflugzeug um das mittlerweile „Wasessa“ genannte Kälbchen in die Nairobi-Nursery zu bringen.

Eine wilde Elefantenkuh, von der wir glauben, dass sie Zwillinge hat, wurde inmitten einer wilden Herde gesichtet. Diese war jedoch zu aggressiv als dass man sich die Sache hätte näher anschauen können. Die beiden winzigen Babys liefen jedoch beide mit ihr.

Die Wassertröge aller drei Windräder des Trusts in Tsavo wurden repariert, wobei die Reparatur in Aruba besonders aufwendig war, weil die Gräben aufgefüllt werden mussten, die die Elefanten hinterlassen hatten.