Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im September

Nairobi Nursery:

Freitags ist ein besonders hektischer Tag: Dann werden die Babys mit Kokosnuss-Öl eingerieben. Manche mögen das gar nicht – besonders Burra. Wenn er das-Öl riecht, dann rennt er weg, und wenn man ihn ruft, läuft er nur noch weiter weg. Thoma, Seraa und Solango haben normalerweise kein Problem damit, aber manchmal sträuben auch sie sich, so dass die Keeper sie austricksen müssen: Sie bekommen einen Eimer mit Wasser zum Spielen – dann schaffen es die Keeper.

Die nächtliche Fütterung ist immer sehr dramatisch – besonders bei Burra, der schreit und poltert und sich auf die Vorderbeine kniet und den Kopf ins Stroh steckt, um seinen Keeper aus dem Bett zu kicken! Das passiert immer, wenn er draußen das erste Eimer-Geklapper hört. Im Nachbarstall weckt Solango seinen Keeper, indem er ihm die Decke wegzieht und daran nuckelt, bis die Milchflaschen endlich gebracht werden. Thoma hat mehr Respekt. Sie legt ihren Rüssel auf den Kopf ihres Keepers und grummelt dabei leise. Sie zieht ihm dann vorsichtig die Decke weg – nicht so ruppig wie Solango. Die kleine Seraa allerdings ist genauso grob wie Solango. Sie geht zum Keeper, schlägt ihn ein paar Mal mit ihrem Rüssel, und wenn er nicht reagiert, dann dreht sie sich um und tritt ihn mit dem Hinterbein. Aber bemerkenswert ist das schon, denn früher war sie eher faul und trank nur langsam, doch heute ist sie einer der ganz aktiven Elis in der Nursery.

Die Tsavo-Waisen

Es gab eine lange Trockenzeit, und es war außerdem besonders heiß. Im Tagebuch der Keeper ist in diesem Monat immer wieder von streitlustigen Gemütern die Rede und von Futterneid beim Grasen: Keiner wollte „seinen“ Busch mit einem anderen Elefanten teilen. Es fällt auch auf, dass alle Elefanten-Mädchen darum wetteiferten, die Gruppe auf dem Rückweg zu den Stockades anzuführen. Sogar Natumi, sonst eher ganz zurückhaltend, wollte die Gruppe führen. Um aber nicht an erster Stelle zu sein, hielt sie die anderen zurück, bis ein Keeper vorausging!

Die kleine Maungu hatte genau wie Mweiga in diesem Monat gesundheitliche Probleme. Sie ist schwächer als die anderen und litt an Magenbeschwerden. Die Keeper behandelten sie mit den großen Sulfonamid-Pillen, die auch Mweiga geholfen haben, und hoffen, dass es ihr dadurch besser geht. Sweet Sally hegt offensichtlich einen Groll gegen Maungu und musste in ein anderes Freiluftgatter gebracht werden, weil sie Maungu nachts piesackte. Die Freundschaft zwischen Sally und Mweya besteht weiter, und Sally – genau wie Maungu – verehrt offensichtlich Aitong sehr, so dass Eifersucht vermutlich der Grund für ihre Aggression gegen Maungu ist. Maungu entfernt sich nie weit von Aitong, und Sally liebt es, an Aitongs Ohren zu nuckeln. Loisaba ist sehr besitzergreifend gegenüber Emily und möchte sie nicht gern mit anderen teilen.

Mvita wird im Tagebuch dieses Monats oft erwähnt und entwickelt sich zu einem kleinen „Rauhbein“. Sie ist nie mit den anderen in der Nursery gewesen, sondern wurde direkt zur Tsavo-Gruppe gebracht – ohne einen speziellen Freund. Deshalb war sie lange Zeit eine Außenseiterin, aber nun wird sie allmählich gegenüber einigen anderen selbstbewusster und fordert Beachtung. Ihr Name bedeutet „Krieg“, und im Tagebuch dieses Monats macht sie ihrem Namen alle Ehre!

Wir sind froh, dass Imenti sich jetzt öfter zusammen mit Edo von der Herde entfernt, und es ist interessant zu sehen, dass er bei seiner Rückkehr jedes Mal schlechte Laune hat. Er hat es offenbar nicht leicht bei den wilden Gleichaltrigen und lässt dann seinen Unmut an den Keepern aus. Das zeigt, dass er noch einen niedrigen Rang hat. in seinem Alter aber auch bei den weiblichen Herden nicht mehr gern gesehen ist. Es ist interessant, dass auch die Gruppe der jüngeren Bullen von den anderen etwas unabhängiger wird. Salama und Laikipia verlassen auch zeitweise die anderen, genauso die Jüngeren, wie Nyiro, Mukwaju und Lolokwe. Sie schließen Freundschaften fürs Leben – etwas, das Imenti niemals hatte. Er ist nur mit Mädchen aufgewachsen und hatte keinen gleichaltrigen männlichen Spielgefährten – was für Elefanten normalerweise sehr wichtig ist. Imenti musste im zarten Alter sehr umsorgt werden, denn er war als Neugeborener äußerst pflegebedürftig und schwebte viele Monate lang zwischen Leben und Tod.

Edo umwirbt Aitong weiterhin, was dem Keeper-Team – und offenbar auch Emily – Sorgen bereitet. Von allen unseren „Big Boys“ waren nur Edo und Imenti während der vergangenen Trockenperiode bei der Herde. Und deshalb sind Dika, Ndume, Taru, Olmeg und Ajok dort, wo sie gerade sind, bestimmt sehr glücklich. Denn:  Keine Nachricht ist sicher eine gute Nachricht! Dass Edo und Imenti in der Nähe bleiben, kann leicht mit ihrer Anhänglichkeit zu Emily erklärt werden, die beide bereits in der Nursery sehr geliebt haben.

Mitte des Monats gab es unerwartet heftige Regenfälle, was allen viel Erleichterung brachte. Einmal wegen der niedrigeren Temperaturen, und außerdem ließ der Regen frisches Grün sprießen, worüber alle Waisen begeistert waren und was auch den Futterneid etwas milderte. Die Babys amüsierten sich im Schlammbad mit einem „Spielzeug“-Baumstamm und rutschten auf dem lehmigen Boden den Abhang des Mazinga-Hügels hinter den Freiluftgatternhinunter.

Das ungewohnte Rauschen des Wassers im Voi River ängstigte die Kleinsten, und sie suchten bei ihren Keepern Schutz. Aber auch der Anblick der Keeper in ganz ungewohnten Regenmänteln machte sie nervös – genauso wie ein in der Nähe brüllender Löwe und ein rennender Büffel. Nyiro versuchte sein Glück beim Jagen einer Giraffe, die allerdings bei dem Spiel nicht mitmachte, woraufhin er Lolokwe und Nasalot vorschob! Zum Glück hatten die beiden keine Lust, denn eine Giraffe hätte sie mit einem Tritt schwer verletzen können.

Salama trickste Tsavo aus, der immer versucht, stärker als die anderen kleinen Bullen zu sein. Tsavo ging Salama an, der so tat, als sei er schwächer, und sich von Tsavo zurückschieben ließ . Aber dann wendete sich das Blatt blitzschnell. Salama zeigte jetzt seine wahre Stärke und jagte Tsavo, der hinter Emily Schutz suchte!

Aitong hatte einen Zusammenstoß mit einem Zebra, das nicht weglaufen wollte. Sie schubste es um und wurde getreten… Mweya und Kinna jagten begeistert eine Pavianmutter mit einem Baby auf dem Rücken auf einen Baum und warteten unten in der Hoffnung, dass sie wieder herunterkäme. Aber den Gefallen tat ihnen die Affenmutter nicht so schnell – und dann wurde es ihnen bald zu langweilig!

In den  Tagebüchern der Keeper wird immer Emilys Fürsorglichkeit als Matriarchin erwähnt, genauso wie Aitongs Liebe zu allen Babys und ihre Hilfsbereitschaft, wenn sie gebraucht wird, besonders gegenüber der kleinen Maungu, die von Aitong sanft zwischen ihren Stoßzähnen geleitet wurde, damit sie mit den anderen Schritt halten konnte.

In diesem Monat gab es häufig Begegnungen mit den wilden Herden, auch wenn sie nicht immer im Tagebuch erwähnt wurden. Der Grund dafür: Wenn die Waisen in der Nähe des Voi River grasen, verstecken sich die Keeper, damit sie nicht von der Straße oder von den Lodges aus gesehen werden können. Die Besucher sollen nicht merken, dass die Keeper hier die Waisen beaufsichtigen. Wenn die Elefanten sich erst einmal in der Integrationsphase befinden, dann muss der Kontakt zu Menschen eingeschränkt werden, und nur die Pateneltern haben Zugang zu den Waisen –  abends bei den Stockades. Es soll sich auf keinen Fall wiederholen, was in den „schlechten alten Tagen“ passierte, als korrupte Keeper sich mit den Waisen an die Straße stellten und Geld von Touristen und korrupten Fahrern annahmen. Deshalb achten wir sehr sorgfältig darauf, dass die Elefantenwaisen ein Minimum an Kontakt zu Menschen haben und niemals mit „Junk Food“ (minderwertiges „Menschen-Futter“) aus der Hand gefüttert werden, weil das den Keim für spätere Katastrophen birgt. Elefanten lieben „Junk Food“, und wenn sie einmal Geschmack daran gefunden haben, werden sie in der Nähe menschlicher Siedlungen danach suchen. Und es ist nicht auszuschließen, dass einer der Waisen-Elefanten möglicherweise dann sogar als „Problem-Elefant“ erschossen werden könnte.