Newsletter aus Kenia/Die Waisen im November

Monatsbericht für die Nursery-Gruppe:

Für die Nursery-Elefanten war der November ein ziemlich aufregender Monat. Suguta, Melia und Tumaren mussten üben, über die Rampe auf und von dem Lkw zu steigen, der sie Anfang Dezember nach Ithumba bringen wird. Am 17. November erhielt unsere Nursery-Gruppe erneut Zuwachs durch die kleine Ishanga aus dem Nationalpark Tsavo-West. Gerade noch rechtzeitig hatte man sie buchstäblich aus den Fängen der Löwen retten können. Die Patrouille, die sich um das Aufspüren und Einsammeln von Schlingfallen kümmert (das so genannte De-Snaring Team), bemerkte, in welcher Notlage sich das Elefantenbaby befand und umzingelte das Rudel. Einer der Ranger feuerte zwei Luftschüsse ab, so dass die Löwen die Flucht ergriffen und der kleine Dickhäuter gerettet werden konnte. Bei seiner Ankunft in der Nursery war das kleine Kalb schwer traumatisiert, abgemagert und verwundet.

Ishanga IMG_0379 (109)

Ishanga brach zusammen und ihr Kreislauf musste mit einer Glukose-Infusion in die Ohrvene wieder stabilisiert werden. Erstaunlicherweise ging es ihr am nächsten Morgen schon viel besser. Sie war ruhig genug, um den anderen schon an ihrem ersten Tag um 8 Uhr morgens vorgestellt zu werden. Suguta, Olare und Tumaren sowie die Nachwuchs-Leitkühe Mutara, Kudup und Kalama spürten ihre Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Trost und schlossen sie sofort ins Herz. Melia und Murka dagegen waren nicht so freundlich und mussten sogar von den Keepern zurechtgewiesen werden, als sie sie zu schubsen versuchten.

Waasin is warmly greeted by Olare and Mutara IMG_9666 (24)

Eine zweite Rettungsaktion eines Kälbchens aus dem Shaba Schutzgebiet in Laikipia musste abgebrochen werden, weil der kleine Elefant noch vor Eintreffen des Rettungsflugzeuges verstarb. Im November sind meistens auch die ausgehungerten Löwen aus dem Nairobi Nationalpark in der Nachbarschaft. Eigentlich haben sie es auf die hiesigen Warzenschweine abgesehen, die sich oft in der Nähe der Elefanten und ihrer Keeper aufhalten, weil sie sich dort in Sicherheit wähnen. Naisula und Nitirua, die beide erst vor Kurzem zu uns kamen, mögen es, zu zweit ein wenig abseits der Gruppe zu fressen, wo sie ihre Ruhe haben. Allerdings sind sie so schon einige Male in brenzlige Situationen gekommen, wo sie im Busch auf Löwen getroffen sind und gerade noch rechtzeitig zurück zu ihren Keepern flüchten konnten. Damit versetzen sie auch jedes Mal den Rest der Gruppe in Angst und Panik! Suguta und Olare, die Leitkühe der Nursery-Gruppe, stellen sich in solchen Situationen sofort vor Sities, ihr Lieblingsbaby. Am Morgen des 8. November war rund um das Stallgelände Löwengebrüll zu hören, so dass die Keeper ihre Arbeit ruhen und stattdessen kein Auge von ihren Schützlingen ließen, die sich morgens immer Wettrennen und wilde Spielereien auf dem Stallgelände liefern. Am 11. November wurden die Löwen vom tapferen, erst 6 Monate alten Nashorn-Waisen Solio in die Flucht geschlagen, der sie zu allererst entdeckt hatte! Unglücklicherweise rissen die Löwen nur drei Tage später einige der Warzenschwein-Frischlinge, die erst kurz zuvor aus ihrem Nest in einem Erdbau gekommen waren. Und am 15. November schließlich zeigten die Löwen großes Interesse an unseren kleinsten Waisenelefanten besonders Naisula und Kitirua. Einer der Keeper musste gar Sities die Decke vom Rücken reißen, um damit einen der Löwen zu verscheuchen! Eine Woche später waren es nicht die Löwen, sondern die Hyänen, die Panik unter den Waisen verursachten. Insgesamt kann man also sagen, dass alle in der Nairobi-Nursery jeden Tag dieses Monats sehr konzentriert sein mussten. Sities, ein sehr cleveres und ausgebufftes kleines Elefantenbaby, verzaubert immer noch alle Besucher zur täglichen öffentlichen Schlammbad-Stunde. Für gewöhnlich rennt sie an der Absperrung auf und ab und erschreckt am liebsten kleine afrikanische Schulkinder, indem sie schnurstracks auf sie zu rennt und erst kurz vor den schreienden Kindern zum Halten kommt. Dann legt sie sich vor ihnen hin, um ihnen zu zeigen, dass sie nur spielen möchte. Ohne Frage genießt sie das Tohuwabohu dass ihre kleinen Streiche dann immer verursachen! An einem Nachmittag rannte sie unabsichtlich in Chemi Chemi, der gerade die Wassertemperatur testete und sich noch sträubte, hinein zu gehen. Stattdessen wurde er hinein geschubst und geriet völlig aus der Fassung. Im Nu war er wieder im Trockenen und suchte Vergeltung! Für Chemi Chemi war es ein Kinderspiel, Sities zu Boden zu drücken. Diese meldete sich lautstark und rief somit die Keeper und Suguta zur Stelle. Chemi Chemi, der wusste, dass ihm jetzt wohl Ärger drohte, zog sich zurück hinter die Büsche zurück und versuchte sich möglichst unauffällig zu verhalten.

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Am 5. November wurde die kleine Wasin, die zuvor mit ihren durchbrechenden Backenzähnen zu kämpfen hatte, erstmals den älteren Waisen vorgestellt. Die waren so versessen nach ihr, dass die Keeper sie vorzeitig aus dem Tumult „retten“ mussten. Olare und Suguta suchten sie dann und ließen Sities in Kalamas Obhut. Kalama war unglaublich stolz, schließlich hat auch sie Leitkuh-Ambitionen – so wie Mutara. Beide haben exzellentes Potential, später einmal in diese Rolle zu schlüpfen. Wasin durfte am 18. November für Filmaufnahmen wieder zur Gruppe und war binnen Sekunden im Mittelpunkt für alle kleinen Kühe, die Sities tatsächlich völlig vergaßen!

Kibo und Chemi Chemi testen regelmäßig ihren Kräftezuwachs, und Chemi Chemi versucht sein Glück manchmal sogar an den Big Girls. Er verfügt definitiv über einen ausgeprägten Kampfgeist, und eines Tages wird er es zu einem großen starken Bullen bringen. Die Wetterlage war in diesem Monat sehr trostlos, bis auf ein paar Nieselregen und vereinzelte Schauer blieb es für diese Jahreszeit eindeutig zu trocken im Park.

 

Monatsbericht für die Ithumba-Gruppe:

Der plötzliche Tod von Salaita am 11. November hat uns alle völlig überrascht, denn es gab keinerlei Anzeichen, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Salaita war bereits älter als zwei Jahre alt als er seine Mutter verlor und wurde am 25. September direkt vom Nationalpark Tsavo-West nach Ithumba geflogen. Dort war er in gleichaltriger Gesellschaft mit Ithumba, die tags zuvor aus einem Schlammloch am Ithumba-Damm gerettet wurde. Die beiden gingen schon seit dem 6. Oktober täglich mit den älteren Waisen und den Keepern zum Fressen in den Busch. Wir merkten erst, dass etwas nicht stimmte, als Salaita am 10. November auf dem Rückweg zum Stallgelände stolperte und zusammenbrach. Er bekam sofort eine Infusion, aber alle Hilfe kam zu spät und schon am nächsten Morgen war er tot. Die Obduktion durch unsere Mobile tierärztliche Einheit ergab eine hochgradige Lungenentzündung als Todesursache.

Der Norden Tsavos wurde im November mit reichlich Regen bedacht, anders als in den meisten südlichen Teilen des Parks und im Rest des Landes. In Ithumba gab es heftige Gewitter und die Vegetation erwachte zu neuem Leben, der Regen füllte die natürlichen Senken mit Wasser, und somit gab es für unsere Elefantenwaisen Grünfutter und Wasser ad libitum. Die Waisen, die noch Milch zugefüttert bekommen (Kilaguni, Chaimu, Sabachi, Ithumbah und Meibai unter der Führung von Makena) trafen in diesem Monat mit vielen Ex-Waisen zusammen. Yatta, ihre gesamte Herde (inklusive zwei wilde Elefantenbullen) suhlten sich am 1. November gemeinsam mit ihnen im Schlamm; am 7. kamen Lualeni, Kora und Challa zum Stallgelände und trennten sich erst wieder nach dem mittäglichen Schlammbad.

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Yatta, ihre Gefährten und der wilde Rekrut „Mgeni“ kamen am 8. erneut zu Besuch, am 13. waren es Sidai und Galana mit ihrem Gefolge Napasha, Madiba und Ndomit. Alle Ex-Waisen schauten auch am nächsten Tag kurz vorbei, wanderten dann aber weiter in die Gegend um Kalovoto. Am 21. November begrüßte Wendi mit ihrer Mini-Herde die Waisen, als diese aus ihren Nachtlagern kamen. Und am 24., als die Waisen gerade das Stallgelände verlassen hatten, trafen sie Yattas Herde im Busch, wo alle gemeinsam grasten. Ein Teil von Yattas Gruppe kam auch am 29. November noch einmal auf das Stallgelände, dieses Mal in Begleitung eines großen Bullen, der nur noch einen Stoßzahn trug. Am 30. November schließlich schaute Yatta morgens kurz vorbei und nahm bei dieser Gelegenheit gleich Makena und Meibai mit. Anders als sonst brachte sie sie aber nicht zum mittäglichen Bad zurück wie sonst, und auch abends gab es noch keine Spur von ihnen. Somit blieben Kilaguni, Sabachi, Chaimu und ihre beunruhigten Keeper allein zurück! Aber zur Freude aller waren Makena und Meibai nach ein paar Tagen wieder beim Rest der Herde.

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Nasalot ist immer noch furchtbar vernarrt in Kilaguni. Wann immer die Großen und die Kleinen zusammen treffen, verwöhnt sie ihn nach Strich und Faden. Chaimu und Ithumba führen die Herde morgens meistens an, während Meibai und Makena den Trupp von hinten zusammenhalten und Acht geben, dass niemand verloren geht. Alle Ithumba Waisen hatten einen wunderbaren Monat mit endlosem Plantschen in den natürlichen Wasserlöchern, Suhlen im Schlamm und Grünfutter in allen Ecken. Die wilden Elefanten fielen in diesem Monat eher durch Abwesenheit auf, aber das liegt schlicht und ergreifend daran, dass es jetzt überall wieder genug Futter und Wasser gibt. Einziger Wermutstropfen in diesem Monat war Salaitas Tod, der uns alle furchtbar überraschte. Vor allem die Keeper und Ithumba, sein bester Freund, waren sehr traurig. Ithumba war von Anfang an für Salaita dagewesen, als beide noch lernen mussten, ihrer menschlichen Ersatzfamilie zu vertrauen ehe sie mit den anderen in den Busch durften.

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Monatsbericht für die Voi-Gruppe:

Der Süden Tsavos blieb im vergangenen Monat weiterhin ziemlich trocken. Nur am 8. und 25. November gab es ein paar leichte Nieselregenfälle. Somit hat sich der Alltag der Waisen und ihrer Keeper nicht sonderlich verändert, und Höhepunkte waren lediglich die Kämpfe zwischen den jungen Bullen. Vor allem Siria und Mzima sind manchmal so vertieft in ihre Kabbeleien, dass sie weit hinter der Gruppe zurückfallen, wenn die Gruppe morgens in den Busch auf Futtersuche geht. Es gab die üblichen Auseinandersetzungen, wenn einer dem anderen die Milchflasche stibitze oder viel Spaß beim Baden, wenn das Wetter besonders heiß war. Die Waisen halten sich derzeit meistens innerhalb des umzäunten Areals auf, wo es in der Trockenzeit mehr Futter zu finden gibt. Der E-Zaun des KWS macht dieses Gelände für wilde Elefanten unzugänglich. In dieser Jahreszeit gibt es sowohl die mittägliche Flasche als auch das Schlammbad im Stallgelände, das in diesem Monat dank der finanziellen Unterstützung einer Partnerorganisation aus den USA aufwändig renoviert wurde. Das war dringend nötig, denn die Voi-Ställe wurden in den frühen 1950er Jahren erbaut und das sah man ihnen langsam an!

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Tassia, der Liebling von Wassessa, macht sich diesen Sonderstatus inzwischen ordentlich zunutze und ärgert öfters Ndii und Taveta. Kenia und Lesanju trösten Ndii dann ausgiebig und würden Tassia gerne bestrafen, haben aber Angst, dass sie dann selber von Wasessa zur Raison gebracht werden. Siria und Mzima sind Trainingspartner, und Shimba mengt auch manchmal mit. Die Paviane auf dem Stallgelände sind der Quell ewiger Freude für die Waisen, die Affen herum zu scheuchen. Es ist lustig zu beobachten, dass die Straußenküken, die die Keeper gerade in Voi mit aufziehen, schon dasselbe tun!

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Am 16. November wurden Emily und die Ex-Waisen inmitten ihrer großen Herde auf der Südseite von Mazinga Hill gesichtet. Sie wollten zum Saufen an die nagelneue Stalltränke kommen und mussten dann traurig feststellen, dass darum eine Absperrung gezogen wurde, damit der Zement aushärten konnte. Also gingen sie zum Leck an der Rohrleitung der Voi Safari Lodge, um ihren Durst zu stillen. Die Keeper berichteten, dass alle Ex-Waisen inklusive Emily und ihr Kalb „Eve“ trotz der langen Trockenzeit sehr gut aussahen. Offenbar haben sie noch ausreichend Futterplätze gefunden. Am 30. November wurde Edies Herde auf der Pipeline-Straße gesehen, dieses Mal ohne Emily und einige der Ex-Waisen, die normalerweise bei ihr sind. Edies Baby „Ella“ war offenbar auch in guter Verfassung. Sie scheuchte sogar die Keeper herum, als diese aus ihrem Fahrzeug ausstiegen, um sich die Herde aus der Nähe anzuschauen.

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Alle Waisen, die noch in der Obhut der Keeper leben, haben die widrigen Klimakonditionen in Süd-Tsavo gut weggesteckt. Unter der Führung von Lesanju, immer eifrig unterstützt von Wasessa, Kenia, Sinya und Lempaute, die Ndii und Dida vor pubertierenden Jungbullen schützen, sind die Voi-Waisen zu einer eingeschworenen, selbständigen und glücklichen kleinen Herde zusammengewachsen. Shimba führt die Gruppe oft zum Fressplatz und mittags zurück ins Stallgelände, wo sie ihre Milch bekommen und sich im Schlamm suhlen. Siria ist der dominante Jungbulle in der Gruppe. Er und Wasessa sind auch am aufgeschlossensten, wenn die Gruppe auf wilde Artgenossen treffen. Allerdings kam es in diesem Monat leider gar nicht dazu.

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