Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im Dezember 2003

Nairobi Nursery:

Seit auf der CITES Konferenz im Jahre 2002 die Entscheidung zur Lockerung des internationalen Handelsverbots für Elfenbein gefallen war, hat es einen eindeutigen Aufschwung in der Wilderei gegeben, besonders in Nord-Kenia, und unser Nursery-Zögling, der kleine, etwa neun Monate alte „Napasha“, ist offensichtlich eines der Opfer. Nach seiner Ankunft wurde er von Wendi und Tomboi argwöhnisch beäugt, denn er ist genauso groß wie sie, wenn nicht noch etwas größer. Aber die winzige Sunyei, die der verspielteste kleine Eli von allen ist, raste sofort auf ihn zu und schloss Freundschaft mit ihm. Und Olmalo, der Sunyei vergöttert, schloss sich gleich an. Schon bald entschied auch Tomboi, dass es eine gute Sache sein musste, noch einen Jungen in der Herde zu haben, auch wenn er etwas größer war. Und sobald Wendi gemerkt hatte, dass er für ihre Position als Mini-Matriarchin der Nursery-Gruppe keine Gefahr war, begrüßte auch sie ihn freundlich in der Herde. Selengai, ein sehr unabhängiges Elefantenmädchen, die macht, was sie will, und die nur an der Milchflasche interessiert ist, tat so, als würde sie den Neuankömmling gar nicht sehen, und dachte wohl nur an die nächste Fütterung! Sie ist sehr gewachsen und strotzt vor Gesundheit, ein pausbäckiger Wonneproppen.

Wie die meisten Elefanten, die ihre Mutter und ihre Familie verloren haben, hatte Napasha in den ersten Nächten Schlafprobleme und schrie sehr viel während der Nacht. Nach etwa vier Tagen jedoch wurde er ruhiger, und nun wird er jeden Tag ein bißchen glücklicher und hängt, wie Selengai, sehr an seiner Milchflasche. Er hat erstaunlicherweise gegenüber Menschen nie Aggressionen gezeigt, obwohl man das in seinem Alter erwarten würde. Er ist wie Morani ein sehr sanfter und freundlicher kleiner Kerl, und wenn erst seine psychischen Wunden verheilt sind und die schrecklichen Erlebnisse, die er zweifellos hatte, verblassen, dann wird er bei den anderen Elis und bei seinen menschlichen Fans ein heißer Favorit sein.

Wendi hat sich zu einer verantwortungsbewussten kleinen Matriarchin gemausert und ist bei weitem nicht mehr so grob wie früher. Tomboi – zu deutsch „Wildfang“ – macht seinem Namen alle Ehre. Er ist stürmisch, verspielt und ziemlich boshaft, während Olmalo und Selengai zurückhaltender sind und sich allein vergnügen. Die kleine Sunyei ist entzückend, denn sie spielt und spielt und spielt den ganzen Tag lang, und weil sie so klein ist, verzaubert sie jeden, der das Glück hat, ihr zu begegnen. Insgesamt gesehen war es für die Nursery-Elis ein guter Monat, und alle sind größer geworden und haben zugenommen.

Die Tsavo-Waisen:

Besonders freut es uns, wenn wir sehen, wie gut unsere Neuankömmlinge mit den wilden Elefanten zurechtkommen. Mpala z.B. ist schnurstracks auf eine wilde Kuh zugegangen und durfte sogar in deren Ohr nuckeln, und alle unsere Kleinen vergnügten sich zwischen den wilden Herden in der Schlammsuhle. Einmal kletterten Burra, Thoma, Morani und Seraa auf eine 18-jährige wilde Kuh, die sich extra im Schlammbad hingelegt hatte, um es ihnen zu erleichtern.

Allerdings konnte man auch beobachten, dass sie alle etwas eingeschüchtert waren durch eine Kuh mit besonders langen Stoßzähnen, und durch einen sehr großen einsamen Bullen, der sich gern mit den Waisen angefreundet hätte, wenn sie nicht schutzsuchend zu den Keepern gelaufen wären.

Es ist immer wieder verblüffend zu sehen, wie schlechtes Benehmen bestraft wird. Als zum Beispiel Nyiro Burra im Schlammbad umschubste und dann noch auf ihn hinaufkletterte, wurde er von Thoma und Sosian, die sich zusammenschlossen, um ihn zu disziplinieren, aus dem Schlammbad vertrieben. Aitong schreitet oft ein, um streitende Elis zu trennen, genau wie Emily, und als Mukwaju einen umgefallenen Baum attackierte und Emily und Mweiga ihm in einer vermeintlichen Gefahr zu Hilfe eilten, gab Mweiga Mukwaju irritiert einen Schubs, als sie erkannte, dass sie nur wegen eines umgefallenen Baumes zu Hilfe gerufen worden waren!

Die jüngeren Kühe in Natumis Altersgruppe dürfen in den wilden Herden für gewöhnlich die wilden Babys berühren, aber die wilden Matriarchinnen erlauben dies nicht den älteren, wie Aitong und Emily, denn sie trauen ihnen nicht. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass Waisen, die keine natürliche Familie haben, dazu neigen, Babys zu „entführen“, um ihre eigene Herde zu vergrößern, und aus diesem Grunde werden die älteren Kühe nicht in der Nähe der wilden Babys geduldet.

Bei Begegnungen mit anderen Tierarten, gab es wieder die üblichen Vorfälle mit Büffeln. Ein alter schwanzloser Bulle verschreckte Seraa, Mweya, Mvita, Tsavo und Mpala, wurde dann aber von Aitong, Salama und Mukwaju weggescheucht. Ein „freundliches“ Warzenschwein versuchte, sich im Schlammbad zu den Waisen zu gesellen. Es wurde aber eingekreist, so dass ihm nur die Flucht zwischen Nyiros Beinen hindurch blieb! Vorbeigaloppierende Zebras ängstigten die Babys, ebenso ein Waran, den man aber, wie alle später herausfanden, prima jagen konnte. Natumi, die normalerweise ziemlich zimperlich ist, verscheuchte eine Gruppe von Impalas, was ihr offensichtlich großen Spaß machte!

Icholta ist ein sehr fürsorgliches Mini-Kindermädchen. Der Chef-Keeper Mishak meint, dass sie eines Tages eine wundervolle Matriarchin abgeben wird, denn sie ist stets eine der ersten, die Streithammel trennt. Nasalot und Mulika sind immer noch dicke Freunde und glücklich, wenn sie nur zusammen sein können. Auch diese beiden sind sehr zuverlässige Kindermädchen. Die mittelgroßen Jungs, Salama, Lolokwe und Laikipia lieben es, beim Spielen ihre Kräfte zu messen, und es scheint, als würden auch Nyiro und Mukwaju gern zu dieser Gruppe gehören. Sosian hält sich an die größeren Jungs, aber er scheint sich in diesem Monat besser zu betragen, da er offensichtlich von den anderen zurechtgestutzt wurde. Das Tagebuch zeigt, dass diejenigen, die schon in der Nursery Freunde waren, auch hier eng verbunden bleiben und in der größeren Gruppe der Waisen aufeinander Acht geben. Über alle jüngeren wachen sorgfältig Emily, die Matriarchin unserer Gruppe, Aitong, das „Ober-Kindermädchen“, und Loisaba und Icholta sowie die anderen jungen Kühe von Natumis Gruppe, die „Hilfs-Kindermädchen“. Es fällt auf, dass es stets die weiblichen Tiere sind, die als erste Streithähne auseinanderbringen, wobei sie oftmals von den größeren Jungs Verstärkung erhalten.