Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im Februar 2007

Die Nursery-Waisen
Nach dem unerwarteten Tod von Baby Galdessa flossen viele Tränen. Der Tod des kleinen Bullen war ein tragischer Verlust für alle, die so lang und hart um dieses wertvolle Elefantenleben gekämpft hatten. Dieses kleine Kälbchen hat sich in den vier Monaten bei uns nie richtig erholt, wurde regelmäßig von Durchfallattacken geplagt und litt wahrscheinlich an inneren Verletzungen und Blutungen. Klein Galdessa, der beste Freund von Shimba, wird allen Nursery-Waisen schmerzlich fehlten.

Das nächste Drama war die Entdeckung eines einjährigen, blinden Nashornbabys im Parkwald. Das Kleine rannte ziellos umher, und es gab keinerlei Spur seiner Mutter. Die Nashorn-Unit des Kenya Wildlife Service wurde hinzugezogen, und zusammen mit unseren Keepern beobachteten sie das kleine Nashorn bis zur Dämmerung. Als die Mutter bis dahin immer noch nicht aufgetaucht war, musste etwas unternommen werden, um es vor Raubtierangriffen in der Nacht zu beschützen. Sie lockten es mit dem Nashorn-„Komm her“-Geräusch (einem sanften Ausatmen), das Kleine folgte den Elefanten-Keepern und KWS-Wildhütern für ca. zwei Kilometer bis ganz in die Nähe des Sheldrick-Hauses. Dort erschrak es sich fürchterlich über all die merkwürdigen Geräusche und griff blindlings alles und jeden an. Daphne, die fast von ihm zu Fall gebracht wurde, blieb nichts anderes übrig, als sich mit einem Satz ins Gebüsch in Sicherheit zu bringen! Inzwischen war es offensichtlich, dass das Nashorn-Baby auf beiden Augen vollkommen erblindet war. Seine Augen waren milchig trüb, und so musste er überwältigt werden – das verlangte die gesamte Kraft von zehn Männern. Wir nannten das kleine Nashorn „Max“ – dieser Name passte irgendwie zu ihm. Für drei Tage konnte kein Mensch seinen Stall betreten, weil er so wild und ungestüm war. Bald verstand er jedoch, dass es an der Stalltür Wasser und Milch für ihn gab. Um Problemen durch Trauma und Schock vorzubeugen, war es nötig, dass er einer Behandlung mit Antibiotika unterzogen wurde. Nur Robert Carr-Hartley war mutig genug hineinzugehen, und als er die kantige Stirnseite des Nashorns bändigen konnte, war es mit etwas Verstärkung dann möglich, dass Robert das Antibiotikum spritzte! Inzwischen hat sich das kleine Nashorn so weit beruhigt, dass es einen Keeper in seinem Stall zulässt.

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Eine Untersuchung der Gründe für Max‘ Blindheit ergab, dass er an beidseitigem Grauen Star leidet. Ein operativer Eingriff wurde für Mittwoch, den 14. März, festgesetzt, wenn unser Tierarzt Dieter Rottcher aus Deutschland zurückkehrt. Dieter, der sehr versiert auf dem Gebiet der Anästhesie ist, wird die Narkose überwachen, während die Augenoperation von einem Augenspezialist aus Kenia, Dr. Schwendemann, vorgenommen werden wird. Wir drücken die Daumen, dass es möglich ist, Max zumindest ein wenig Sehkraft zurück zu geben. Dank der großzügigen Unterstützung von Alcon Pharma aus Freiburg standen uns auch diesmal wieder sehr wirksame Medikamente zur Verfügung, die wir bereits zur Behandlung von Augenleiden der Elefanten-Waisen einsetzen konnten.

Alle Elefantenwaisen der Nairobi Nursery gedeihen. Nur Zurura hat uns in Schrecken versetzt, als er sich für einige Tage unwohl fühlte. Er hatte geschwollene Drüsen und lockeren Stuhl, was durch eine Behandlung mit Sulfadimidin und einem injizierbarem Antibiotikum jedoch beseitigt werden konnte. Shimba geht es inzwischen sehr gut, und Lesanju hat den Durchtritt ihrer ersten Backenzähne überstanden. Lempaute steht dies jetzt kurz bevor.
Die Ithumba-Waisen

Die Ithumba-Elefanten kamen in diesem Monat zum ersten Mal in direkten Kontakt mit wilden Elefanten. Es passierte am 21., kurz vor 11 Uhr am Vormittag. Die Keeper saßen im Schatten des dicken Busches und dachten es handelte sich um den gewöhnlichen Dikdik-Alarm, bis sie die große wilde Kuh und ihr Kalb inmitten unserer Elefantengruppe entdeckten. Kora, Lualeni, Naserian und Buchuma verloren die Nerven und flohen in die Richtung der Keeper, dicht gefolgt von der wilden Kuh und all den anderen Elefanten. Die Keeper machten, dass sie davon kamen, und als sie eine Lichtung erreichten und zurückblickten, sahen sie, wie sich die wilde Kuh mit Kinna, Mulika, Selengai, Yatta, Nasalot, Orok und Buchuma absetzte! Die Keeper gingen mit den jüngeren wie gewöhnlich zum Schlammbad, und eine Stunde später tauchte auch Yatta wieder auf, zusammen mit dem Rest der Gruppe! Dieser Tag musste rot im Kalender angestrichen werden, denn wie lang haben die älteren Elefanten versucht, den Kontakt zu wilden, gleichaltrigen Artgenossen aufzunehmen, die sich nach den schlimmen Zeiten der Wilderei in diesem Gebiet immer noch sehr unwohl fühlen in Gegenwart von allem, was mit den gefürchteten Menschen in Verbindung steht. Yatta, Olmalo, Buchuma, Mulika und Selengai folgten den Fußspuren am nächsten Tag noch einmal, waren jedoch nicht in der Lage sie einzuholen. Am 25. startete Yatta, begierig nach neuen Freundschaften, erneut einen Versuch, doch die wilden Elefanten verschwanden erneut, und am 13. waren es Nasalot und Orok, die den Spuren einer wilden Herde folgten.

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Februar und März sind die heißesten Monate in Tsavo, so dass die Waisen oft schon früh am Tag den Schatten aufsuchen mussten. Die Landschaft ist nach gelegentlichen Regenschauern allerdings immer noch saftig grün. Danach gibt es immer viel Spaß und Freude beim Spielen in Pfützen oder beim Umherrollen auf der feuchten Erde. In diesem Monat frönten die Waisen der Jagd nach Wolken von Schmetterlingen, die um sie herumschwirrten, als sie sich durch das Dickicht bewegten und die sie offenbar recht nervig fanden. Die Rivalität zwischen Rapsu und dem erfahrenen „Stemmer“ aus der Aufzuchtgruppe, Buchuma, führte dazu, dass Rapsu gegenüber Buchuma im Vorteil ist, weil er geringfügig größere Stoßzähne hat. Buchuma testete schon immer gern seine Kraft an den anderen Bullen, Ndomot war in der Nairobi Nursery immer sein Lieblingsangriffsziel.

Es entspricht dem Grundsatz des David-Sheldrick-Wildlife-Trusts, die Elefanten-Keeper regelmäßig zwischen den Gruppen (Nursery-, Voi- und Ithumba-Gruppe) auszutauschen. Es war interessant zu beobachten, dass Wendi sofort ein neues Gesicht unter den Ithumba-Keepern wahrnahm, und nachdem sie den jungen Mann gründlich inspiziert hatte, drehte sie sich herum und schlug ihn mit ihrem Schwanz als Zeichen der Missbilligung. Dies wiederum erregte die Aufmerksamkeit von Yatta, Selengai und Tomboi, die dem neuen Keeper mit Vertreibung drohten. Jedoch wurden sie beruhigt durch die anderen Keeper, die den Neuen abschirmten. Bereits am nächsten Tag hatten sie ihn als „Anhängsel“ der Menschenfamilie akzeptiert, jedoch zeigte dieser Zwischenfall deutlich, dass die Waisen Einzelpersonen sehr wohl unterscheiden können und nicht alle Menschen sofort als vertrauenswürdige Freunde einstufen. Ohne die Einmischung der geliebten Keeper wäre der Neuling von den Elefanten vermutlich „höflich verwiesen“ worden (nach Elefanten-Standard). Es ist außerdem interessant zu beobachten, dass die vier großen Mädchen, namentlich Yatta, Nasalot, Mulika und Kinna offenbar entschieden haben, dass der sechsjährige Napasha ab und zu reichlich eingebildet ist, und sich gegen ihn verbündeten. Napasha jedoch, sehr groß und stark für sein Alter , ließ sich nicht verscheuchen und stand seinen Mann.

Die Ithumba-Waisen haben sich öfter in einzelne Grüppchen aufgeteilt. Wendi oder Sunyei führten für gewöhnlich die Jüngeren zu Weideflächen, die von denen der Älteren ein wenig entfernt lagen. Die Älteren werden meist angeführt von Yatta oder Nasalot, die natürlich immer von Klein Orok begleitet wird, der nach wie vor ihr Lieblingsbaby ist. Es scheint allerdings, dass auch Kinna inzwischen sehr an ihm hängt und versucht ein bisschen abzubekommen, von der Aufmerksamkeit mit der er Nasalot überschüttet. Ol Malo bleibt weiterhin der Liebling von Leitkuh Yatta, die sie niemals unbeobachtet lassen würde, und Selengai hat das Privileg, Mulikas auserwählter Liebling zu sein. Nachdem die Gruppe sich aufgeteilt hat und im Dickicht von Ithumba räumlich vollständig getrennt ist, finden sich die Waisen ohne Zutun der Keeper regelmäßig wieder. Das zeigt, dass sie miteinander in Kontakt stehen, sogar wenn sie getrennt sind.

Kora war nie wirklich eine Wasserratte und hat einen Trick ausgeheckt, mit dem er die Badezeit am Schlammloch verkürzen kann. Er rennt aus dem Wasser in den Busch, als ob er von etwas oder jemandem erschreckt wurde. Die anderen folgen ihm sofort, um der Sache auf den Grund zu gehen! Sie werden seine Taktik jedoch bald durchschaut haben – genauso wie den falschen Alarm von Sunyei !

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Wieder einmal wurde die Unterstützung, die sich die Elefanten gegenseitig in einer sehr menschlichen Art und Weise geben, deutlich, als Madiba im Schlamm stecken blieb und sein Freund Ndomot ihm sofort zu Hilfe eilte. Tage später steckte er erneut fest, und dieses Mal war es Wendi, die versuchte, ihm zu helfen, es aber allein nicht schaffte. Sunyei sprang ein, und dank ihres Verstandes und ihrer Beine gelang es Wendi schließlich, Madiba aus dem Schlamm zu ziehen.

Koras Kieferwunde hat sich erneut einige Male geöffnet und etwas Eiter abgesondert, sich aber in kurzer Zeit wieder zu schließen. Koras Befinden oder seine Essgewohnheiten scheinen davon allerdings nicht beeinträchtigt zu sein. Dies ist wahrscheinlich ein Zustand, mit dem er schlicht und einfach zu leben lernen muss.

Die Voi-Waisen

Besonders auffällig war wieder das Mitgefühl und die Fürsorge für die schwächelnde Mweiga, die während der letzten Regenzeit einen Arthritis-Rückfall erlitt, und deren Gebrechlichkeit erneut deutlich wurde. Alle Voi-Waisen sind inzwischen vollständig von der Milch abgesetzt, nur Mweiga, die stetig an Gewicht verlor, wird noch zugefüttert – mit gekochter Gerste und Wasser in ihrer Mittagsmahlzeit und Zusatzmahlzeiten mit Haferbrei, Kleie und Fütterwürfeln am Morgen und am Abend. Es ist beeindruckend zu sehen, dass die anderen Elefanten die Situation völlig zu verstehen scheinen. Sie stehen ihr beim Fressen dieser Köstlichkeiten ruhig zur Seite und haben bisher nicht einmal versucht, ihr etwas wegzunehmen.
In diesem Monat hatten die Waisen fast ausschließlich Kontakt zu wilden Bullen. Zwei wilde Bullen waren am Schlammbad. Laikipia hat sich nur zögerlich zu ihnen gesellt, doch der offenherzige Salama ging einfach auf sie zu, um sich vorzustellen. Daraufhin wurden alle Waisen willkommen geheißen und man blieb gemeinsam bis zum Mittag im Bad, und alle hatten viel Spaß zusammen. Die wilden Bullen streckten von Zeit zu Zeit ihre Rüssel aus, um die Youngsters zu beruhigen, und als sie sich zum Weiterziehen entschlossen, waren Salama und Laikipia sehr versucht, mit ihnen zu gehen. Später kehrten sie jedoch zu ihrer Gruppe zurück.

Eines Tages machte sich Keeper Joseph Sauni, der für die Voi-Gruppe verantwortlich ist, auf den Weg, um auszukundschaften, wo sich Emilys Gruppe aufhielt. Er fand sie auf der Südseite des Mazinga-Hügels, der von üppig grüner Vegetation bewachsen war und wo man jede Menge vom Regen gefüllter Wasserlöcher finden konnte. In einem lagen gerade zwei Büffel. Emilys Gruppe wurde von einem großen Bullen begleitet, der besonders an Aitong interessiert zu sein schien. Er blieb sehr nah bei Aitong und ihrer Lieblingswaise Sweet Sally, so dass Joseph sicher war, dass sie sich entweder gerade gepaart hatten oder kurz davor standen. Wer jedenfalls einen diskreten Sicherheitsabstand zum großen „Liebhaber“ hielt, war Uaso. Da es inzwischen schon spät am Abend war, musste Sauni die Gruppe zurücklassen. Jedoch ist er sich sicher, dass der Bulle Aitong umwirbt.

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Der 17. Februar war ein Meilenstein im Leben der Voi-Waisen. Daphne Sheldrick wies die Keeper an, das Tor zu den Stallungen der älteren Waisen offen zu lassen, so dass sie kommen und gehen konnten, wann sie wollten. Somit war es auch nicht mehr nötig, so viel Grünfutter für die Nacht per Lkw herbeizuschaffen. Seither verlassen die 13 älteren Waisen ihre Nachtbehausungen als Gruppe, um nachts auf dem Mazinga-Hügel oder hinter den Stallungen zu fressen. Am Morgen kehren sie dann zurück um zu trinken, und die Jüngeren (Morani, Burra, Seraa, Mpala, Mweya, Thoma und Solango) abzuholen, die nachts weiterhin eingesperrt bleiben. Genauso wie Mweiga, die noch nicht stark genug ist, um mit den anderen nachts hinauszugehen. Es ist sehr interessant zu beobachten, dass die Voi-Gruppe als „Familie“ bestehen bleibt. Die älteren Elefanten sind immer noch sehr besorgt um die jüngeren und vergessen nie, sie am Morgen abzuholen. Einmal jedoch eskortierte Uaso die Älteren auf die Nachtweide und nahm sie in den frühen Morgenstunden mit hinunter in den Hauptpark. Emily und ihre Gruppe tauchten am Morgen bei den Stallungen ab und führten die jüngeren zum Weiden, wo sie erneut mit Uaso und den 13 älteren aus der Gruppe zusammentrafen. Dies endete in viel Freude, Trompeten, Urinieren und allgemeiner Fröhlichkeit, die man bei jedem Wiedersehen beobachten kann. Wir finden dieses Ritual sehr berührend. Emily und ihre Gruppe kamen auch am nächsten Tag, verbrachten ihn weitestgehend mit den Waisen und nahmen Ilingwezi mit, als sie weiterzogen. (Ilingwezi war für fast einen Monat bei der Gruppe geblieben und hatte sich wie ein Veteran wieder eingefügt, nachdem sie vorher für einige Monate mit Emilys wilder Gruppe lebte.)
Am 18. hatten die Waisen Kontakt zu zwei großen wilden Elefantenkühen mit einem halbwüchsigen und einem Baby-Kalb. Lolokwe und Solango versuchten ihr Bestes, das kleine Kalb von seiner Mutter wegzulocken, doch die Mutter war davon nicht sehr angetan. Natumi lockte die Waisen dann zum Wasserloch, wo sieben Löwen lauerten und auf kleinere Beutetiere warteten. Glücklicherweise machten sie sich auf und davon, als sich die Waisen mit ihren Keepern näherten.

Salama, der mutig und offenherzig zugleich ist, vertrieb zwei aufsässige alte Büffelbullen aus dem Schlammbad der Waisen. Anschließend hatten die Waisen die Suhle ganz für sich allein. Noch einmal vergnügten sie sich in Gesellschaft eines großen wilden Bullen an der Nordseite des Mazinga-Hügels und waren sehr stolz, dass der „große Wilde“ ihnen erlaubte, ihn mit den Rüsseln zu berühren. Sie verbrachten den ganzen Morgen mit ihm, bevor sie sich um 11 Uhr zum Schlammbad aufmachten. Als sie danach zurückkehrten, war er bereits aufgebrochen. Am 24. trafen sie einen anderen wilden Bullen, der ebenfalls den Morgen mit ihnen verbrachte und sie anschließend zum Schlammbad begleitete. Dort legte er sich nieder, und die Babys konnten überall an ihm hochklettern. Er verließ die Gruppe nach einem Staubbad und Salama und Laikipia waren erneut sehr versucht, mit ihm mitzugehen. Auch dieses Mal kehrten sie zurück.