Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im März 2005

Die Ithumba-Waisen

Die Ithumba-Gruppe hatte auch im März keinen Kontakt zu wilden Herden, die hier im Norden des Tsavo-East-Nationalparks nach drei Jahrzehnten schlimmster Wilderei immer noch die Nähe der Menschen meiden. Die Elefanten-Herden kommen nun allerdings allmählich zurück, und da die Bullen wie die Pfadfinder neue Gebiete auskundschaften und entscheiden, ob diese für die weiblichen Herden sicher sind, hoffen wir, dass sie die entsprechende Botschaft erhalten. In den vergangenen Monaten haben bereits einige wilde Bullen im Schutz der Dunkelheit die Nacht-Unterkünfte der Waisen besucht und ihre Fußspuren hinterlassen. Die zehn Ithumba-Elis sind jedenfalls glücklich und haben viel Spaß miteinander, besonders wenn sie auf ihren Wanderungen andere Tiere treffen. Der März ist einer der heißesten Monate, doch unsere ehemaligen Nursery-Elefanten haben sich gut an die Hitze gewöhnt und kuscheln sich an kühlen und bewölkten Tagen sogar eng zusammen, um sich zu wärmen.. Regen ist für alle Tiere stets ein Anlass zu Ausgelassenheit und Freude, und so genossen auch unsere Zehn einige Schauer und sogar einen heftigen Regenguss um die Mitte des Monats.

Im Ithumba-Tagebuch hat sich wie gewöhnlich wieder Napasha oft hervorgetan, denn er war sogar verwegen genug, die Matriarchin, Yatta, zu einem Schubs-Wettkampf herauszufordern, wofür er einen heftigen Schubser bekam. Darauf wandte er sich Mulika zu, die ihn ebenfalls hart rügte, so dass er schließlich – was nicht sehr klug war – auf die gerade am Boden liegende Kinna hinauf kletterte. Bekannt dafür, dass sie keinen Unsinn duldet, bestrafte auch Kinna ihn, indem sie ihn verjagte und er für eine ganze Weile abseits der anderen bleiben musste. Obwohl Napasha wie alle heranwachsenden Bullen ständig darauf aus ist, seine Kräfte zu messen, ist er doch ein beliebtes und freundliches Mitglied der Gruppe. Da er jedoch älter und größer ist als die anderen beiden Bullen und diese ihm mit gewisser Ehrfurcht begegnen, würde er offensichtlich gern mit einem etwas größeren Partner kämpfen. Er ist auch der gierigste aller Ithumba-Elefanten und hat ein unglaublich präzises Zeitgefühl, denn er macht sich immer als erster auf den Weg, um Punkt 11 Uhr am Schlammloch die eintreffende Milchration abzupassen. Er scheut auch nicht davor zurück, einem anderen die Milchflasche wegzuschnappen, wenn er eine Chance sieht, damit durchzukommen. Aber die Keeper behalten ihn scharf im Auge, sobald er mit seiner Ration fertig ist!

Die Führung der Mini-Herde zu übernehmen, ist für Wendi stets eine Herausforderung, die sie sehr genießt, denn in der Gruppe der Kleineren ist sie dominierend. Bei einer solchen Gelegenheit musste sie jedoch einmal diese Position abrupt aufgeben und zu den Keepern flüchten, denn sie hatte eine Schlange gesehen, die in einem Loch verschwand. Die Paviane sorgen fast täglich bei den Ithumba-Waisen für Unterhaltung und werden von ihnen unter lautem Trompeten und mit aufgestellten Ohren vertrieben, wobei Yatta, die junge Matriarchin, stets die Führung übernimmt. Dabei trampeln sie Büsche nieder und wirbeln Staub auf, um die Eindringlinge einzuschüchtern. Als einmal zwei kämpfende Paviane mit ungewöhnlich aggressiven Lauten die Waisen-Herde so erschreckten, dass alle schutzsuchend zu den Keepern rannten, taten sich die vier älteren Weibchen zusammen, um mit einem gemeinsamen Angriff die lauten Eindringlinge zu vertreiben. Auch andere Tierarten, wie Warzenschweine, Dikdiks oder eine einsame Hyäne konnten die Kleinen in Angst und Schrecken versetzen und eine gemeinsame Attacke der größeren Weibchen erforderlich machen. Olmalo, Tomboi, Selengai und Wendi fürchten sich vor allem, was größer ist als ein Dikdik oder ein Perlhuhn, aber die kleineren Tiere verjagen sie und sind darüber dann mächtig stolz und glücklich! Napasha ist da schon mutiger und unterstützt für gewöhnlich die größeren Weibchen.

Olmalo, das Baby unter den Zehn, ist wie Yattas kleiner Schatten und ihr besonderer Liebling, sie kuschelt sich auch nachts im Schlaf an die Größere. Deshalb wurde Taita auch einmal von Yatta hart bestraft, als er Olmalo in den Schwanz biss – ein Zeichen, dass Taita eifersüchtig auf Olmalos privilegierte Stellung bei der Matriarchin der Gruppe ist. Aber Taita und Tomboi sind dicke Freunde, und Wendi fühlt sich als Matriarchin und Führerin der Gruppe der kleineren Waisen. Selengai hat einen sanften Charakter und ist selten in irgendwelchen Spektakel verwickelt. Deshalb ist sie auch bei allen anderen sehr beliebt. Während Yatta sich zur Haupt-Matriarchin entwickelt hat, nehmen Mulika und Nasalot die zweite Stelle ein und unterstützen Yatta, wenn nötig. Kinna ist mehr eine Einzelgängerin, aber stets gleich zur Stelle, wenn es darum geht, bei den anderen gutes Benehmen abzufordern. Sie bestraft jeden, der irgendwie aus der Reihe tanzt. Alle zehn Ithumba-Elis sind in bester Kondition und glücklich und zufrieden, obwohl sie bisher kaum Kontakt zu wilden Herden hatten. Wir sind abe überzeugt, dass sich dies mit der Zeit ändern wird..

Die Nursery-Elefanten

Das Tagebuch über die Nursery-Elis dokumentiert anschaulich, wie überaus empfindsam, intelligent und fürsorglich Elefanten sogar schon in ihrer frühen Kindheit sind. Sogar zu persönlichen Opfern sind sie bereit. Galana zum Beispiel – die Größte unter den Nursery-Elefanten – bleibt beim Ansturm auf die Milchflaschen freiwillig zurück, um der kleinen Nalitu beizustehen, die wegen einer Beinverletzung nur sehr langsam hinter den anderen her humpeln kann. Galana hat als Älteste nach und nach den Platz der Matriarchin bei den Nursery-Elefanten eingenommen und ist ganz vernarrt in die kleine Nalitu, deren zweite Ersatzmutter Naserian ist. Die beiden Älteren nehmen die winzige Nalitu meist in ihre Mitte und gehen mit ihr ganz langsam, während die jungen Bullen am Morgen aufgeregt voraus rennen. Sunyei – auch eine Nursery-Matriarchin – ist aufs Babysitten nicht ganz so versessen, kehrt aber doch von Zeit zu Zeit zurück zu den Nachzüglern, um zu prüfen, ob alles in Ordnung ist.

Lualeni, die zweitkleinste, die so sehr um ihre verlorene Elefantenfamilie getrauert hat und noch bis vor kurzem ein ganz trauriger kleiner Elefant war, wird nun jeden Tag ein bisschen fröhlicher und genießt glücklich das Schlammbad mit den anderen. Mit Nalitu ist sie eng befreundet und blieb freiwillig zurück, als die Kleine mit ihrem verletzten Bein noch nicht so weit gehen durfte. Lualeni beteiligt sich auch mit Begeisterung an den Fußballspielen und wird dabei von Madiba, dem „Coach“, trainiert. Madiba ist der Liebling der Keeper, die nach dem Schlammbad der Elis unter einem Baum ihr Mittagessen genießen. Eine opportunistische Warzenschweinfamilie lungert dann oft bei ihnen herum in der Hoffnung, dass für sie etwas abfällt. Madiba ist zwar am Lunch-Paket der Keeper überhaupt nicht interessiert (denn es kommt ja nicht aus einer weißen Flasche!), aber die Anwesenheit der Warzenschweine duldet er nicht und verjagt sie mit großem Vergnügen.

Für Buchuma ist Schubsen das Größte, und er fordert ständig Ndomot und manchmal auch Madiba zu Rangeleien heraus, und da er der Kleinste von den Dreien ist, muss er natürlich zeigen, dass er nicht so leicht zu besiegen ist und hebt angeberisch Baumstämme hoch oder rempelt Bäume an. Gegenüber menschlichen Besuchern ist er der freundlichste von den Dreien und nuckelt gern an den ihm entgegen gestreckten Händen. Er hat offenbar auch Sinn für Humor, denn kürzlich rannte er mit vorgestellten Ohren vor den anderen her, so als ob er irgendetwas verfolgte, machte dann aber ganz plötzlich eine Kehrtwendung und tat, als ob er vor irgendetwas flüchtete und die anderen preschten hinterher und waren völlig irritiert, als Buchuma unvermittelt in einen Schlenderschritt fiel, als ob gar nichts gewesen sei! Ndomot ist sehr langmütig und geduldig mit dem schubsenden kleinen Buchuma und lässt ihn nie fühlen, dass er größer und stärker ist, während Madiba sich nicht endlos von ihm herumschubsen lässt.

Alle Nursery-Elis lieben es, vor den täglichen Besuchern beim Schlammbad anzugeben. Sie scheuchen Warzenschweine, hüpfen auf ihrem riesigen Traktorreifen oder spielen Fußball – mit den Keepern als gegnerische Mannschaft. Nur das entfernte Gebrüll eines Löwen verängstigte die ganze Gruppe einmal – ein Beweis für das vererbte Gedächtnis, das alle Elefanten bereits bei ihrer Geburt haben. Ansonsten waren die einzigen Begegnungen mit anderen Arten beschränkt auf die ständige Unterhaltung durch die Warzenschweine und die Pavian-Truppe, von denen einige die Elefanten sehr erschreckten, als sie in wilder Jagd ein fliehendes Dikdik verfolgten.

Die Waisen in Voi

Im Tagebuch dieses Monats tritt besonders die starke Freundschaft und das überwältigende Mitgefühl der vierjährigen Mweya aus Uganda hervor, das sie der schwächsten der Gruppe, der älteren Mweiga, entgegenbringt. Sie bleibt mit Mweiga am Fuß des Mzinga Hill zurück, wenn die anderen den Hügel erklimmen, oder schiebt auch mal von hinten, wenn Mweiga versucht, eine Böschung hinauf zu klettern. Und wenn die Gruppe zum Schlammbad rennt, dann bleibt sie bei ihrer langsameren Freundin. Nyiro, der bisher mit Mweiga die Nachtunterkunft teilte, musste von den Keepern ausquartiert werden, weil er ständig nachts versuchte, Mweiga zu besteigen. Er schläft nun bei Natumi und ihren Kameraden, zu denen auch Tsavo gehört, der Nyiros bester Freund ist. Es ist gut möglich, dass Nyiros Verhalten ein Trick war, um nachts mit Tsavo zusammen sein zu können! Im Tagebuch kann man viele Male nachlesen, dass Elefanten offenbar in der Lage sind logisch zu denken, z. B. als Mpala einen Zweig nicht erreichen konnte, kletterte er auf einen Felsen, und als Burra Mpala besteigen wollte, stellte er sich dabei auf einen umgestürzten Baumstamm, um größer zu sein, was allerdings damit endete, dass Mpala einen Schritt vorwärts machte und Burra dann auf dem Baumstamm lag!

Emily, Aitong und Sweet Sally kamen in diesem Monat fast täglich vorbei, um ihre alte Familie zu sehen. Sie warten dann morgens am Gatter und begleiten die anderen Waisen zu ihren Futterplätzen. Manchmal kommen sie auch direkt zum Schlammbad oder tauchen wie aus dem Nichts auf, wenn einer der kleineren Elis ein Problem hat und um Hilfe brüllt. Einmal erschreckten sie den ahnungslos grasenden Laikipia, als sie geräuschlos herankamen und ihn umringten. Sie beruhigten ihn aber gleich und begleiteten ihn zu den anderen.

Am 25. nahm Emily Salama mit, damit er mit ihr, Aitong und Sweet Sally eine Nacht draußen im Freien verbringen konnte. Er war sichtlich stolz, und zusammen erschienen sie am nächsten Morgen wieder bei den Stockades. Sein Freund Sosian vermisste ihn in der Nacht allerdings sehr, und obwohl Salama am nächsten Tag versucht war, Emily wieder zu folgen, änderte er nach zehn Minuten seine Meinung wieder und rannte zurück, um bei Sosian zu bleiben. Wenn Emily fort ist, übernimmt Natumi die Führung der Gruppe, wobei sie von Icholta unterstützt wird. Die Fürsorge für die schwächliche Mweiga überlässt sie dankbar Mweya, Thoma und Seraa. Allerdings ist Natumis Gruppe in Emilys Abwesenheit nicht gerade mutig, wenn sie auf wilde Elefanten trifft. So trafen sie einmal zwei sehr große Bullen mit langen Stoßzähnen, denen sie sich nicht anschließen mochten. Mukwaju war der erste, der den Mut fand, sich ihnen vorzustellen, während Laikipia versuchte, die anderen vorwärts zu drängen! Am Ende versammelten sich doch alle bei den zwei Bullen und hatten mit ihnen eine schöne Zeit, bis sie zum Schlammbad aufbrechen mussten. Mukwaju blieb sogar eine Weile bei den Bullen zurück und folgte den anderen etwas später. Eine Woche später waren jedoch alle durch einen noch größeren Bullen, der das Schlammbad mit ihnen teilte, ziemlich eingeschüchtert. Sie hielten sich zurück, bis der große Bursche wieder abzog.

Das Tagebuch illustriert auch Eifersucht unter den Elefanten, wenn Sally dagegen protestiert, dass die anderen Waisen Emily und Aitong zu nahe kommen. Sie versucht, die anderen weg zu schieben, bis sie zur Strafe selbst von Emily beiseite geschoben wird, so dass die anderen auch den engen Kontakt zu ihr genießen können. Sally muss sich dann fügen und gut benehmen.

Als nach Regenfällen überall viel frisches Grün zu finden war, gingen die Waisen weitere Strecken in den Busch hinaus als gewöhnlich, was allerdings die Keeper veranlasste, die Gruppe aufzuteilen, um Mweiga die langen Wege zu ersparen. Mit ihr blieben Mweya, Thoma und Seraa als Gesellschaft zurück. Es ist schon sehr bewegend zu sehen, wie alle Waisen auf Mweiga aufpassen, wodurch wieder einmal das enorme Mitgefühl mit den Schwachen demonstriert wird, zu dem Elefanten sogar schon in der Jugend fähig sind.

Außer der Begegnung mit den großen Bullen gab es in diesem Monat keine weiteren Kontakte mit wilden Elefanten, da alle aus den trockenen Gebieten abgewandert sind und sich jetzt weiter nördlich an der östlichen Parkgrenze jenseits des Galana River aufhalten, wo nach größeren Regenfällen nun üppiges Grün sprießt.