Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im Mai 2008

Die Nursery-Waisen:

Am 27. Mai 2008 kam der kleine Kimana in unserer Nursery am Rande des Nairobi Nationalparka an, ein winziger, drei Wochen alter Bulle, der unweit der Kimana-Quellen zum Waisen wurde. Das Land gehört zum Amboseli-Ökosystem und befindet sich traditionell in den Händen der Massai.

Nomaden haben sich kürzlich auf dem fruchtbaren Boden nahe der Quellen und dem Sumpfgebiet der Nebenflüsse angesiedelt, wo sie jetzt Zwiebeln, Mais, Bananen und anderes Gemüse anbauen. Diese für den Menschen gedachte Nahrung schmeckt allerdings auch den Elefanten, die diese Wasserstelle schon immer nutzten. Durch diesen Konflikt zwischen Menschen und Wildtieren, der heutzutage fast täglich irgendwo aufkommt, hat diese kleine Bullen offenbar seine Mutter verloren. Er kam in gutem Zustand bei uns an und wurde sofort von Lesanju und ihrer Baby-Gruppe begrüßt, und es geht ihm soweit gut. Die älteren Elefanten (Lenana, Makena und Chyulu) waren ebenfalls total begeistert, und besonders Lenana wollte ihn sofort am besten ganz für sich allein haben und gar nicht mehr hergeben wie bei zwei Zusammentreffen mit Lesanjus Gruppe deutlich wurde. Seitdem wurden die älteren Elefanten getrennt gehalten, da sie die Nursery bald verlassen werden, um nach Ithumba in die Auswilderungsgruppe im Norden des Tsavo-East Nationalparks zu ziehen.

Lenana

In Kimanas zweiter Nacht in der Nursery passierte etwas sehr Mysteriöses: Er wollte nicht zur Ruhe kommen und lief die ganze Zeit in seinem Stall auf und ab. Shimba machte komischerweise das Gleiche, obwohl er sich sonst nie so benahm. Nach diesem kleinen Hinweis verlegte man Kimana zu Shimba in den Stall, und beide schlafen seither friedlich. Gibt es irgendjemanden, der die telepathischen Fähigkeiten von Baby-Elefanten jetzt noch anzweifelt?

Ein wenig Sorge macht uns in diesem Monat die kleine Kenia, die – abgesehen von den kleinen Reibereien mit Shimba – einen sehr lethargischen und schwermütigen Eindruck machte. Die Trauer um den Verlust ihrer Mutter und der Familie hinterließ offenbar solch eine schwere psychische Wunde, dass nur die Zeit imstande sein wird, sie zu heilen. Aus langjähriger Erfahrung wissen wir, dass die Trauerphase vier bis fünf Monate andauern kann.

Zu Beginn des Monats hießen wir Sandy Griffith in der Nairobi Nursery willkommen, die die Keeper in die Bachblütentherapie einführen will, die in Fällen von Kummer und Verlust sanft Abhilfe schaffen kann. Sandy flog auf eigene Kosten ein und verbrachte zehn Tage mit den Elefanten und ihren Keepern, um die Keeper am Beispiel der kleinen Kenia und der zeitweise leider ziemlich garstigen Lempaute zu unterrichten. Außerdem hatte sie auch lindernde Extrakte für die anderen im Gepäck – so zum Beispiel für Maxwell, das blinde Nashorn, das unter einer Magenschleimhautentzündung litt. Wir sind Sandy Griffin zutiefst dankbar für ihre Unterstützung, die sehr geholfen hat – denn am Tag vor ihrer Abreise spielte Kenia zum allerersten Mal im Schlammbad.

Kenia und Siria sind enge Freunde geworden. Offenbar haben sie bemerkt, dass sie beide erst kürzlich ihre Elefantenfamilie verloren und somit etwas gemeinsam haben. Sie verbringen viel Zeit damit, sich in ihrer Trauer gegenseitig zu trösten. Shimba liebt seinen neuen Stallgefährten Kimana abgöttisch, und Lesanju badet in der Bewunderung Klein-Didas, die nicht von ihrer Seite weicht. Sinya ist davon wenig begeistert und ringt sowohl um das Baby als auch um Didas Aufmerksamkeit.

Die Ithumba-Waisen

Es war alles so, wie wir es schon seit längerer Zeit kannten: Die älteren Elefanten wurden von Yatta angeführt und verabschiedeten sich regelmäßig von den Jüngeren, die in der Obhut der Nachwuchs-Leitkühe und ihrer Keeper blieben. Manchmal sind sie nur am Morgen allein unterwegs und treffen die Jüngeren entweder später im Busch oder beim mittäglichen Schlammbad. Andere Male sind sie den ganzen Tag verschwunden und treffen erst wieder auf den Rest der Gruppe, wenn sie abends – wann immer sie wollen – zu den Stallungen zurückkehren. Dann und wann kommt es vor, dass die ganze Herde sich zum Grasen gar nicht trennt. Wendi war sich auch in diesem Monat unschlüssig darüber, welcher Gruppe sie sich anschließen sollte, und so verbrachte sie Zeit mit beiden: Manchmal verlässt sie die Stallungen morgens zusammen mit den älteren Elefanten und kommt dann allerdings mit den Jüngeren zurück – mit Wendi, Galana, Sunyei, Loijuk, Sidai und Sian in der Anführerrolle.

Die Ithumba-Waisen kamen in den Genuss einiger Begegnungen mit wilden Elefanten, so berichteten die Keeper. Die älteren Elefanten haben – von den Keepern unbemerkt – wahrscheinlich noch viel mehr Zeit mit ihren wilden Artgenossen verbracht. Während eines Bades im Imenti-Wasserloch fraßen offenbar zwei wilde Bullen im nahe gelegenen Dickicht, denn die Waisen richteten alle ihre Rüssel auf, um seinen Geruch mit dem Wind “einzufangen“. Wagemutig und angeführt von Kora machten sich die Jüngsten auf den Weg, um der Sache auf den Grund zu gehen. Wenig später kamen sie allerdings völlig verschreckt zu ihren Keepern zurück gestürmt! Challa war bereits älter, als er damals seine Elefantenfamilie verlor, und ist in der Lage, sich an das Leben als wilder Elefant zu erinnern – er nahm all seinen Mut zusammen und kehrte ins Dickicht zurück. Nach kurzer Zeit erschien er zusammen mit einem der wilden Bullen an seiner Seite! Als dieser wilde Fremde jedoch den Geruch der Keeper erkannte, nahm er reißaus! Yatta und die älteren Elefanten nahmen die Fährte auf und kehrten erst gegen 17 Uhr zurück um mit den anderen den Heimweg anzutreten.

Ithumba

Einmal war es ein großer, wilder Bulle, der unsere Waisen erschreckte. Sie ergriffen die Flucht in Richtung Stallgelände, und der Bulle folgte ihnen, bis er das Geräusch eines Fahrzeugmotors vernahm und umkehrte! Die Keeper verfolgten das Geschehen aus einem Versteck heraus und gingen einen anderen Weg zurück, um dem wilden Bullen nicht zu begegnen. Kurz nach ihrer Ankunft traf auch Yatta mit ihrer Gruppe ein, nach Aussagen der Keeper “sahen sie alle sehr glücklich aus“ und hatten offensichtlich einen schönen Tag!

An einem anderen Tag wurden die Waisen von zerbrechenden Ästen aufgeschreckt, denn es waren wilde Elefanten in der Nähe. Die Jüngsten wurden wieder sehr aufgeregt, besonders, als die wilde Herde in der Ferne zu Trompeten begann. Yatta und die älteren Elefantenwaisen antworteten ebenfalls mit Trompeten und Kollern und brachen bald darauf auf um die Gruppe zu treffen. Die Jüngeren blieben bei ihren Keepern. Yatta und ihr Trupp kehrten gegen 19 Uhr zurück, und nur kurz darauf stillte ein wilder Bulle seinen Durst bei den Stallungen und grüßte alle mit einem tiefen Kollern. Am nächsten Morgen folgten die älteren Waisen der Spur des Bullen und trafen am Nachmittag die Jüngeren wieder im Kone-Gebiet.

Wie immer haben die jungen Bullen unentwegt ihre Kräfte mit- und gegeneinander getestet, denn das gehört zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. Kora dominierte deutlich über Kenze, Challa und Rapsu. Er versuchte sich auch an älteren Elefanten wie Ol Malo, Wendi und sogar an Leitkuh Yatta, die ihn erst einmal in die Schranken verwies. Einen Rüffel bekam er auch von Taita, als er ein bisschen zu stürmisch mit Challa umging. Es tut gut zu wissen, dass Kora nicht länger an seiner Kiefererkrankung leidet, die er durch eine Schussverletzung erlitt, bevor er damals als Waise gerettet wurde. Kamboyo war bereits in der Nursery ein Kampfgeist und war auch in diesem Monat sehr beschäftigt mit seinem Freund Zurura und auch Rapsu, der nun wahrlich kein Schwächling ist! Rapsu und Kenze forderten besonders gern Challa zum Kräftemessen heraus.

Die Gegend um Kalavoto war in diesem Monat der Lieblingsplatz der Elefantenwaisen, weil es dort immer noch etwas grüner als anderswo ist, wo die Trockenzeit bereits eingesetzt hat. Das Wetter ist allerdings nach wie vor sehr wechselhaft: manchmal ist es so heiß, dass die Waisen auf die Wasserreserven in ihren Mägen zurückgreifen müssen um sich abzukühlen und es nur im Schatten aushalten können. Dann ist es wieder so kalt, dass sie mittags nicht einmal ins Schlammbad gehen möchten. Kora und Ol Malo sind nach wie vor die beiden, die kaltes Wasser vehement meiden – wenn überhaupt, sind sie immer die Letzten im Wasser und die Ersten wieder im Trockenen!

Die Voi-Waisen

Natumi und ihre inzwischen wilden Waisen kehrten eines Tages in bester Stimmung zu die Stallungen zurück. Sie gönnten sich eine kleine Abwechslung, spielten ihre üblichen Spiele und erweckten die alten Stallgeister zu neuem Leben. Lolokwe unterhielt die Keeper mit einem kleinen Ringkampf, zu dem er Mweya aufforderte, um dann auf ihren Rücken zu steigen, bis sie es schließlich schaffte, ihn abzuschütteln. Natumis Gruppe sichteten die Keeper erneut, als sie auf der Ostseite des Mazinga-Berges in Begleitung eines wilden pubertierenden Bullen auftauchte, der es offenbar besonders Sosian und Mukwaju angetan hatte. Seraa genoss es sichtlich, ihren Kopf an ihm zu reiben. Ein paar Tage später, kam Natumi mit einem anderen wilden Bullen zum Stallgelände. Zuerst waren sie unsicher wegen der Keeper, doch als sie sahen, wie freundlich die Waisen mit ihnen umgingen, entspannten sie sich. Natumi ging in ihren alten Stall, erfreute sich an ein bisschen grünem Gras, das während der letzten Regenfälle auf dem Boden gewachsen war, und die anderen warteten draußen auf sie. Der wilde Jungbulle presste sich so dicht wie möglich an sie heran, wagte sich jedoch nicht in den Stall. Es gelang ihm, ihr zu übermitteln, dass jetzt alle gehen möchten und auf sie warteten. Also nahm sie ihre Pflicht als Leitkuh wahr und führte die Herde auf die Westseite des Berges.

Natumi und ihre Gruppe

Emilys Gruppe wurde für einen halben Monat nicht mehr gesehen, doch am 14. beobachtete man sie beim Trinken und Baden an einem großen natürlichen Wasserloch. Während alle beschäftigt waren, näherte sich eine große wilde Herde dem selben Wasserloch, und Emily machte sich auf, sie zu begrüßen und zu den Waisen zu führen. Die beiden Gruppen vermischten sich zu einer sehr großen Herde und durchquerten gemeinsam den Voi-Fluss, um dann in der Buschlandschaft der Voi-Stromschnellen weiter zu weiden. Am 18. wurde Emilys Gruppe wieder in Begleitung von Natumi und ihrer Gruppe auf der Südseite des Berges gesichtet – der wilde Jungbulle war immer noch mit ihnen unterwegs. Am 21. rannte die gesamte Herde mit Elefantenwaisen zum Wasserloch und verscheuchte eine wilde Herde, die schon vorher dort war. Ein Jungbulle der wilden Herde drehte um und wurde von Laikipia abgefangen, damit er die Waisen in Ruhe ließ. Letztendlich verschaffte er sich einen Weg und verwickelte Loisaba in ein kleines Kräftemessen. Etwa eine halbe Stunde später kehrte er zu seiner Herde zurück. Das letzte Mal wurden unsere beiden Waisengruppen am 25. am selben Wasserloch gesehen.